kidelberger Familienblätter.
Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.
Ur. 56. Mittwoch,
den 14. Juli 1886.
%ð
Ein ſeltſames Duell.
Erzähluug von F. Arnefeldt.
Fortſetzung.)
Der Oberſt ließ ihn ſehr häufig in ſein Haus kommen
beſchäftigte ihn dort mit dem Ordnen von Regimentspapieren,
mit der Aufſtellung von Rechnungen und mit Zeichnen und
führte ihn, wenn er mit Frau und Tochter allein war, als
Gaſt in ſeine Familienzimmer, wo er die Damen durch Er-
zählung der in Afrika erlebten Abenteuer unterhalten mußte.
Wie hing aber dann Claires Auge an den Lippen des be-
ſcheidenen Erzählers, der ſo wenig wie möglich von ſich
ſelbſt ſprach und für ſie doch der einzige Mittelpunkt jeder
Begebenheit ward. Wie verrieth ihm ihr holdes Erröthen,
das Beben ihrer Stimme, ihre ſüße Befangenheit in ſeiner
Nähe, daß er wieder geliebt war.
Heinrich kämpfte mannhaft, aber glich dem Manne, der
auf einer Pulvertonne ſitzt, ein Funke kann die Exploſion
herbeiführen, und dieſer Funke kam. Ein Zufall führte
Claire in das Zimmer, in welchem Heinrich arbeitete, ſie
hatte ihren Vater dort vermuthet und war betroffen, als
ſie den jungen Sergeanten dort allein fand. Sie wollte
fliehen, aber ihr Fuß zögerte, hohe Röthe bedeckte ihre
Wangen, ehe ſie wußten, wie es geſchehen, ruhten ihre Hände
ineinander, ohne Worte hatten ſie das Geſtändniß ihrer
Liebe ausgetauſcht.
Sie ſahen ſich ſeitdem zuweilen auf flüchtige Minuten,
aber es war doch ein unſägliches Glück, wenn auch der
Sonnenſchein ihrer Liebe verdunkelt ward durch deren gänz-
liche Ausſichtsloſigkeit. Heinrich und Claire waren darüber
einig, daß ſie weder dem Oberſten noch deſſen Gemahlin
ein Bekenntniß ablegen durften, beider Stolz würde tödtlich
beleidigt, eine ewige Trennung die unvermeidliche Folge
geweſen ſein.
Und nun war, wie das junge Mädchen wähnte, doch
ein Hoffnungsſchimmer aufgegangen; Henri ſollte Offizier
werden, ihr Vater ſelbſt empfahl Un dazu, nun war er ja
ihr ebenbürtig, er konnte avanciren, konnte Oberſt, vielleicht
noch mehr werden, jetzt konnte der Vater ſeinem Lebens-
retter ihre Hand. nicht mehr verſagen. Vielleicht hatte er
ſogar ihre Liebe bemerkt und wollte das Hinderniß, das
ihr entgegenſtand, hinwegräumen, die Mutter begünſtigte
zwar Victor von Narbonne, aber der Vater liebte Henri
und hieß ihn gern als Schwiegerſohn willkommen.
Was glaubt, was hofft nicht ein liebendes Mädchen!
Gegen ſeine beſſere Einſicht ward Heinrich von der ſüßen
Schmeichlerin mit fortgeriſſen, er verſprach ihr, ſobald er
Lieutenant ſei, beim Oberſten um ſie zu werben, von dem
Zauber dieſes Augenblickes überwältigt, zog er ſie zum
erſtenmale in ſeine Arme, trank den erſten Kuß von ihren
Lippen — und ſchon ſtand die rächende Vergeltung in der
Geſtalt von Victor von Narbonne mit
Geſichte in der Thüre.
„Zu welchem Ergebniß wird die Unterredung zwiſchen
beiden führen ?
finſter drohendem
III.
Mit großen, haſtigen Schritten ging Victor von Nar-
bonne in ſeinem Zimmer auf und ab. Seine geſchmeidige,
mittelgroße Geſtalt befand ſich in einer beſtändigen, beinahe
ſchlangenartigen Bewegung, die ſchwarzen Augen blitzten in
einem ſengenden Feuer, jede Muskel des bronzefarbenen
Geſichtes zuckte, die Flügel der feinen Naſe blähten ſich
auf. Als der maréchal de Logis Henri Held ihm ge-
meldet ward, machte er zuerſt eine Bewegung, als wolle
er ſich auf einen Feind ſtürzen. Im nächſten Augenblicke
hatte er ſich mit einer faſt übermenſchlichen Anſtrengung
zur Ruhe gezwungen. Er befahl, den Gemeldeten eintreten
zu laſſen und nahm ſelbſt ſeinen Platz hinter einem Seſſel,
an deſſen Lehne er ſich anklammerte, als bedürfe er einer
ſolchen Stütze, um Herr ſeiner ſelbſt zu bleiben.
Heinrich blieb an der Thür ſtehen und wollte ſprechen,
aber der Lieutenant kam ihm zuvor und begann mit einer
durch die mit Gewalt zurückgehaltene leidenſchaftliche Erre-
gung ganz heiſer klingenden Stimme: „Kein Wort, Ser-
geant, ich wußte, daß Sie zu mir kommen würden und
weiß alles, was Sie mir ſagen wollen. Sie lieben Claire
von Beaumont, das iſt begreiflich, wer kann ſie ſehen, ohne
ſie zu lieben? Sie haben es ihr geſagt, das iſt verwegen,
ſie liebt ſie wieder, das iſt unerhört, aber es iſt auch ent-
ſcheidend.“
Wieder verſuchte Heinrich zu reden, aber wiederum ſchnitt
ihm der Lieutenant das Wort ab.
„Still!“ gebot er, ſeinen verſchanzten Platz verlaſſend
und ſeinem Nebenbuhler einen Schritt näher tretend, „hören
Sie weiter, was ich Ihnen zu ſagen habe; was ich zu thun
beabſichtige, ſteht bereits bei mir feſt, die Unterredung mit
Ihnen wird daran wenig ändern können.“
Er ſchwieg einen Augenblick, holte tief Athem und fuhr
dann fort: „Als Freund des Oberſten von Beaumont wäre
es vielleicht meine Pflicht, auf der Stelle zu ihm zu gehen,
und ihm von einem Auftritte Anzeige zu machen, ſo un-
glaublich, daß ich mich immer noch frage, ob ich meinen
Augen trauen darf. Als Bewerber um die Hand ſeiner
Tochter, als der Schwiegerſohn, den er und ſeine Gemahlin
ſich erwählt haben, und als franzöſiſcher Edelmann kann
und will ich das aber nicht. Ich werde ſchweigen, Ihr
Geheimniß iſt wohl verwahrt bei mir.“
„Ich danke Ihnen!“ rief Heinrich lebhaft; der Lieute-
nant ſah ihn mit einem brennenden Blicke an, um ſeine
Lippen zuckte ein unheilverkündendes Lächeln. ö
„Sie können unmöglich wähnen, daß wir damit fertig
ſind,“ ſagte er, „doch ehe ich weiter ſpreche, beantworten
Sie mir eine Frage: Man ſagt, Sie ſeien der Sproß einer
alten Adelsfamilie in Deutſchland, iſt dem ſo?“
„Ja,“ erwiderte Heinrich feſt. ö‚
„Gut, durch die Geburt ſtehen wir einander gleich.
Sie haben, indem Sie Ihre Augen zu der Tochter des
Oberſten erhoben, Ihren militäriſchen Rang vergeſſen, ich
will Ihnen gegenüber das Gleiche thun. Heute Abend
werden Sie einen Ihnen von mir erwirkten Urlaub erhalten,
der Ihnen geſtattet, bürgerliche KleidFung anzulegen, und
morgen treffen wir uns mit den Waffen in der Hand im
Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.
Ur. 56. Mittwoch,
den 14. Juli 1886.
%ð
Ein ſeltſames Duell.
Erzähluug von F. Arnefeldt.
Fortſetzung.)
Der Oberſt ließ ihn ſehr häufig in ſein Haus kommen
beſchäftigte ihn dort mit dem Ordnen von Regimentspapieren,
mit der Aufſtellung von Rechnungen und mit Zeichnen und
führte ihn, wenn er mit Frau und Tochter allein war, als
Gaſt in ſeine Familienzimmer, wo er die Damen durch Er-
zählung der in Afrika erlebten Abenteuer unterhalten mußte.
Wie hing aber dann Claires Auge an den Lippen des be-
ſcheidenen Erzählers, der ſo wenig wie möglich von ſich
ſelbſt ſprach und für ſie doch der einzige Mittelpunkt jeder
Begebenheit ward. Wie verrieth ihm ihr holdes Erröthen,
das Beben ihrer Stimme, ihre ſüße Befangenheit in ſeiner
Nähe, daß er wieder geliebt war.
Heinrich kämpfte mannhaft, aber glich dem Manne, der
auf einer Pulvertonne ſitzt, ein Funke kann die Exploſion
herbeiführen, und dieſer Funke kam. Ein Zufall führte
Claire in das Zimmer, in welchem Heinrich arbeitete, ſie
hatte ihren Vater dort vermuthet und war betroffen, als
ſie den jungen Sergeanten dort allein fand. Sie wollte
fliehen, aber ihr Fuß zögerte, hohe Röthe bedeckte ihre
Wangen, ehe ſie wußten, wie es geſchehen, ruhten ihre Hände
ineinander, ohne Worte hatten ſie das Geſtändniß ihrer
Liebe ausgetauſcht.
Sie ſahen ſich ſeitdem zuweilen auf flüchtige Minuten,
aber es war doch ein unſägliches Glück, wenn auch der
Sonnenſchein ihrer Liebe verdunkelt ward durch deren gänz-
liche Ausſichtsloſigkeit. Heinrich und Claire waren darüber
einig, daß ſie weder dem Oberſten noch deſſen Gemahlin
ein Bekenntniß ablegen durften, beider Stolz würde tödtlich
beleidigt, eine ewige Trennung die unvermeidliche Folge
geweſen ſein.
Und nun war, wie das junge Mädchen wähnte, doch
ein Hoffnungsſchimmer aufgegangen; Henri ſollte Offizier
werden, ihr Vater ſelbſt empfahl Un dazu, nun war er ja
ihr ebenbürtig, er konnte avanciren, konnte Oberſt, vielleicht
noch mehr werden, jetzt konnte der Vater ſeinem Lebens-
retter ihre Hand. nicht mehr verſagen. Vielleicht hatte er
ſogar ihre Liebe bemerkt und wollte das Hinderniß, das
ihr entgegenſtand, hinwegräumen, die Mutter begünſtigte
zwar Victor von Narbonne, aber der Vater liebte Henri
und hieß ihn gern als Schwiegerſohn willkommen.
Was glaubt, was hofft nicht ein liebendes Mädchen!
Gegen ſeine beſſere Einſicht ward Heinrich von der ſüßen
Schmeichlerin mit fortgeriſſen, er verſprach ihr, ſobald er
Lieutenant ſei, beim Oberſten um ſie zu werben, von dem
Zauber dieſes Augenblickes überwältigt, zog er ſie zum
erſtenmale in ſeine Arme, trank den erſten Kuß von ihren
Lippen — und ſchon ſtand die rächende Vergeltung in der
Geſtalt von Victor von Narbonne mit
Geſichte in der Thüre.
„Zu welchem Ergebniß wird die Unterredung zwiſchen
beiden führen ?
finſter drohendem
III.
Mit großen, haſtigen Schritten ging Victor von Nar-
bonne in ſeinem Zimmer auf und ab. Seine geſchmeidige,
mittelgroße Geſtalt befand ſich in einer beſtändigen, beinahe
ſchlangenartigen Bewegung, die ſchwarzen Augen blitzten in
einem ſengenden Feuer, jede Muskel des bronzefarbenen
Geſichtes zuckte, die Flügel der feinen Naſe blähten ſich
auf. Als der maréchal de Logis Henri Held ihm ge-
meldet ward, machte er zuerſt eine Bewegung, als wolle
er ſich auf einen Feind ſtürzen. Im nächſten Augenblicke
hatte er ſich mit einer faſt übermenſchlichen Anſtrengung
zur Ruhe gezwungen. Er befahl, den Gemeldeten eintreten
zu laſſen und nahm ſelbſt ſeinen Platz hinter einem Seſſel,
an deſſen Lehne er ſich anklammerte, als bedürfe er einer
ſolchen Stütze, um Herr ſeiner ſelbſt zu bleiben.
Heinrich blieb an der Thür ſtehen und wollte ſprechen,
aber der Lieutenant kam ihm zuvor und begann mit einer
durch die mit Gewalt zurückgehaltene leidenſchaftliche Erre-
gung ganz heiſer klingenden Stimme: „Kein Wort, Ser-
geant, ich wußte, daß Sie zu mir kommen würden und
weiß alles, was Sie mir ſagen wollen. Sie lieben Claire
von Beaumont, das iſt begreiflich, wer kann ſie ſehen, ohne
ſie zu lieben? Sie haben es ihr geſagt, das iſt verwegen,
ſie liebt ſie wieder, das iſt unerhört, aber es iſt auch ent-
ſcheidend.“
Wieder verſuchte Heinrich zu reden, aber wiederum ſchnitt
ihm der Lieutenant das Wort ab.
„Still!“ gebot er, ſeinen verſchanzten Platz verlaſſend
und ſeinem Nebenbuhler einen Schritt näher tretend, „hören
Sie weiter, was ich Ihnen zu ſagen habe; was ich zu thun
beabſichtige, ſteht bereits bei mir feſt, die Unterredung mit
Ihnen wird daran wenig ändern können.“
Er ſchwieg einen Augenblick, holte tief Athem und fuhr
dann fort: „Als Freund des Oberſten von Beaumont wäre
es vielleicht meine Pflicht, auf der Stelle zu ihm zu gehen,
und ihm von einem Auftritte Anzeige zu machen, ſo un-
glaublich, daß ich mich immer noch frage, ob ich meinen
Augen trauen darf. Als Bewerber um die Hand ſeiner
Tochter, als der Schwiegerſohn, den er und ſeine Gemahlin
ſich erwählt haben, und als franzöſiſcher Edelmann kann
und will ich das aber nicht. Ich werde ſchweigen, Ihr
Geheimniß iſt wohl verwahrt bei mir.“
„Ich danke Ihnen!“ rief Heinrich lebhaft; der Lieute-
nant ſah ihn mit einem brennenden Blicke an, um ſeine
Lippen zuckte ein unheilverkündendes Lächeln. ö
„Sie können unmöglich wähnen, daß wir damit fertig
ſind,“ ſagte er, „doch ehe ich weiter ſpreche, beantworten
Sie mir eine Frage: Man ſagt, Sie ſeien der Sproß einer
alten Adelsfamilie in Deutſchland, iſt dem ſo?“
„Ja,“ erwiderte Heinrich feſt. ö‚
„Gut, durch die Geburt ſtehen wir einander gleich.
Sie haben, indem Sie Ihre Augen zu der Tochter des
Oberſten erhoben, Ihren militäriſchen Rang vergeſſen, ich
will Ihnen gegenüber das Gleiche thun. Heute Abend
werden Sie einen Ihnen von mir erwirkten Urlaub erhalten,
der Ihnen geſtattet, bürgerliche KleidFung anzulegen, und
morgen treffen wir uns mit den Waffen in der Hand im