Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1886

DOI Kapitel:
Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53862#0221

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tidrlber er Familienblätter.

Beletriiſhe Beilage zur Geidelberge Seitung.

Ur. 55.

Samstag, den 10. Juli

1886.

Gruß an Heidelberg.
Zum fünfhunderkjährigen Jubiläum der Ruperto-Carola-Univerſtät 1886.
(Eigene Melodie; bei Weglaſſung des Refrains ſingbar nach der Melodie: „Auf, ſchwärmt und trinkt, geliebte Brüder.“)

Dort wo der Neckar dem Gebirg' entweicht,
Auf freier Bahn in's Blachfeld niederſteigt,
Wo nah' der Rhein umarmt die ſchwäb'ſche Braut
Mit friſchem Gruß die Hardt herüberblaut,
Wo raſch der Strom verläßt der Schluchten Zwang,
Ein ſchmuckes Städtchen winkt am Bergeshang:
ö O Heidelberg im Neckarthal,
Ich grüße Dich viel tauſendmal!

Auf grüner Halde ragt ein Bau⸗Koloß,
Der alten Pfalz gewaltig' Fürſtenſchloß,
Aus der Romantik Tagen, glanzerfüllt,
Schaut's in die Zeit, gleich einem Märchenbild.
Der rohe Frevel, der es einſt entweiht,
Schuf ſeinem keuſchen Reiz ein neues Kleid.
O Heidelberg ꝛc.

Der Odenwald und Schwarzwald, dictbelaubt,
Wetteifern, zu bekränzen Dir Dein Haupt;
Dein Gürtel iſt des Neckars blinkend Band,
Ein reicher Flor von Blumen Dein Gewand;
Und Deines Stromes heller Silberblick
Strahlt Deine Reize holder noch zurück.
O Heidelberg ꝛc.

In Deiner Hut, an Deiner üpp'gen Bruſt
Quillt friſch die Freude, ſchäumt die Lebensluſt.
Wo Schönheit thront, weilt auch die Weisheit gern,‚,
Im Reich des Wiſſens leuchtet hell Dein Stern:
Sontra.

Den deutſchen Schweſtern biſt Du vorgeeilt,
Haſt 110 81 Forſchen ein Aſyl ertheilt!
O Heidelberg 2c.

Auch ich bin einſt, als junger Spielgeſell,
Gewallt zu Deiner Weisheit ew'gem Quell.
Hei! wie die weiche Seele, ſehnſuchtsvoll,
Von Lebensdrang und Idealen ſchwoll;
Und Reim und Tanz und Speer- und Becher⸗Schall
Fand in der Bruſt lebend'gen Widerhall!
O Heidelberg ꝛc.

Die Jugend ſchwand, es bleicht der Locken Zier,
Schon hat die Zeit gefurcht die Wange mir,
Die Sorge hat mir Ruh' und Glück geraubt,
Des Lebens Herbſt die Hoffnung mir entlaubt:
Doch jener Traum, den Dir mein Lenz verdanlt,
Sich ewig grün um mein Erinnern rankt!
O Heidelberg ꝛ2c.

Ein halb Jahrtauſend in der Geiſterſchlacht
Ruperto-Carola hielt treu die Wacht!
Drum führt man heuer Dich zum Ehrentanz
Und krönt Dich mit dem gold'nen Jubelkranz!

So mö geſt ſtets Du bilden und erfren'n,

Der Schönheit und der Weisheit Hochburg ſein!
ö O Heidelberg im Neckarthal,
Ich grüße Dich viel tanſendmal!
Dr. Julius Türck.
1870 S. S.

Ein ſeltſames Duell.
Erzählung von F. Arnefeldt.
Cortſetzung.)

Dieſer Brief erweckte den ganzen Stolz des jungen

Mannes; er hatte ſich vor dem Grafen tief gedemüthigt,
ſeine Schuld nicht beſchönigt, aber dies glaubte er doch
nicht verdient zu haben. Hatte er ein anderes Leben ge-
führt, als die Söhne des Majoratsherrn, als viele junge
Leute ſeines Standes 2

Sein Unrecht beſtand darin, daß er ſeine Mittel für

unerſchöpflich gehalten hatte und zu vertrauensvoll geweſen
war, aber den Namen, den er trug, hatte er nicht geſchän-

det, eine ehrloſe Handlung konnte ihm Niemand nachſagen.

Dennoch wollte er ihn jetzt ablegen; der Kampf um's Da-
ſein, den er jetzt beginnen mußte, ſollte nicht unter dem

alten Namen geführt werden, er ſelbſt hielt ihn zu hoch

une war ſich ſeiner Standespflichten zu wohl bewußt.

Fortan nannte er ſich Heinrich Held und ſuchte unter

dieſem Namen Beſchäftigung, aber was konnte er leiſten 2

Mit tiefer Beſchämung erkannte er, daß er zu keinem Be-
rufe tauglich ſei und an Geſchicklichkeit dem geringſten
Handwerker oder Arbeiter nachſtand. Tagelang brütete er
über die unlösbare Frage, was er beginnen ſolle, und als
er keine Antwort darauf fand, ſein letzter Frank ausgegeben

war, und der Mangel in ſeiner furchtbarſten Geſtalt bei
ihm anpochte, da meldete ſich ein anderer Verſucher — der
Gedanke an Selbſtmord kroch an ihn heran.

Er wies ihn von ſich, aber er kam immer wieder, und

eines Tages, als er auch die elende Wohnung, in der er

gehauſt, nicht mehr behaupten konnte, als nichts mehr ſein

eigen war, als die dürftige Kleidung, die er am Leibe trug,

als er hungernd und frierend in den Straßen von Paris

umherirrte, da gewann die Verzweiflung die Oberhand, er
lenkte ſeine Schritte nach der Seine.

Auf dem Wege dahin begegnete ihm ein Regiment Hu-

ſaren, das mit klingendem Spiel aufzog. Die Leute waren
ſämmtlich gut beritten, gut gekleidet, Muth, Frohſinn und
Geſundheit blitzten aus ihren Augen, und plötzlich war es
 
Annotationen