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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0324

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51»

den herrlichen Genuß, welchen Sie mir gestern
Abend bereiteten! Ich war ein heimlicher Zuhörer
dcsEonecrts, worin Ihre neuesten Compositioncn
aufgcführt wurden. Ihnen scll mein Name kein
Geheimniß kleiden! ich heiße — Friedemann
Bach.
Wie vom Bonner gerührt, stand Naumann, als
er diesen Namen hörte.
Friedemann Bach! wiederholte er endlich mit
Staunen und Wchmuth, der große Sohn des gro-
ßen Sebastian? — guter Golt! noch im vorigen
Jahre besuchte ich,Ihren Bruder Philip Emanuel
in Hamburg, der treffliche Greis octraucrl Sic als
todt. —
Ich will cs für ihn sein, für Alle, welche aus
früherer Zeit mich kennen; denn furchtbarer würde
die Kunde meines Lebens und wie ich lebe, sie er-
schüttern, als,die Kunde meines Todes. — Selbst
in dieser Stadl weiß Niemand, daß Friedemann
Bach noch lebt! selbst Mentelslobn nicht, der edle
Freund des großen Leasing, testen Verwendung ick
es dankte, daß ich, fo lange er lebte, mindestens
nicht zu darben brauchte.
Was kann ich für Sie thun? rief Naumann,
ich kenne Ihre Lebensgcschichtc, Ihr Bruder crzahllc
ste mir! — O wüßten Sie, was ich schon so lange
für Sie empfand, und styl um so lebhafter - Be-
wunderung , Liebe, Trauer! Was kann ich für Sic
thun?
Nichts! versetzte Friedemann; Sic haben Alles
für mich gclhan, indem Sie mir zeigten: was ich
hatte thun können und sollen! Za, was Sic voll-
bracht, das war cs, was ich wollte, wornach ich rang
als Züngling, Mann und als armer vergessener
Greis! — Sie wisten cs, worin ich fehlte, warum
mir Nichts gelang, nicht einer all' der kühnen glü-
henden Entwürfe. Aber Sie bedürfen keiner War-
nung, Sie wandeln sicher und heiter auf der rechten
Bahn, und so kann ich denn Nichts thun, als Ihnen
danken für Ihre herrlichen Werke. Gottes Segen
mit Ihnen aus Ihrem ferneren Lcbcnsgange—fetzt
— ich fühl' cs, hab' ich. nichts mehr auf Erden zu
schaffen.
Als Naumann sich wieder gefaßt hatte, fragte
er umsonst nach der Wohnung des alten Musikanten,
da Friedemann dem Burschen, welchen der Laquai
ihm den Abend vorher mitgegcbcn, nicht gestattet
hatte, ihn bis in seine Wohnung zu geleiten.
Mehrere Tage forschte Naumann vergebens; da
führte ihn endlich der Zufall in eine Gesellschaft
mit Moses Mendelssohn zusammen; sogleich erzählte
er diesem sein Abenteuer. Mendelssohn erstaunte,
als er die Kunde vernahm, Friedemann Bach lebe
noch und zwar in Berlin. Er gab Naumann das
Versprechen, am andern Morgen mit ihm nach Frie-
demanns alter Wohnung zu gehen; vielleicht daß er
dort noch wohne, oder daß sie wenigstens Auskunft
über seinen fetzigen Aufenthalt erlangen könnten.
Naumann stellte sich zur bestimmten Stunde in

Mendelssohns Behausung ein, und bald erreichten
sie das dem Freunde Lessings wohl bekannte Haris
in der Fbiedrichsstadt.
Sie traten ein. Die alte Wirthin empfing sie.
Wohnt der Herr Friedemann Bach noch hier?
fragte Mendelssohn.
Ach du lieber Gott! versetzte die Wirthin, indem
sie sich mit der Schürze eine Tlwanc aus den Augen
wischte, — gestern früh um kiese Zeit trugen sie
mir meinen armen alten Musikanten hinaus! Ec
starb gerade drei Wochen narb seinem fangen Freund,
dem Maler ..... Sic konnte nicht werter reken.
Jin Innersten ergriffen verließen Mistes Men-
delssohn und Naumann das Haus.
Klagst du nm ein verfehltes Leben? — hoffst du
auf Jenseits? — Klagst du, wozu die Hoffnung?,
hoffst du, wozu die Klage! — Muth, Kraft im
Streben, im Alleinstehcu, wenn cs scin muß! So
betritt ter Mann und Künstler dtc Bahn ter Un-
sterblichkeit wie der Vernichtung.

Chinesische Damen-Toilette.
Es wird den fremidlicben Leserinnen nickt uninteres-
sant sein, wenn wir ihnen einige Geheimniste der cki-
uensckcn Damen - Toilette verrathen. Eine chinesische
Dame must vor alten Dingen mager sein. Eine Dame
Mit Embonpoliit eilt in Ebina für häßlich. Die Chi-
nesen lieben an den Frauen, wie wir an Ulstern Hei-
ligen, die Gebeine. Eine chinesstche Dame muß durch-
aus schwarzes Haar haben, wenn sie sich Anbeter er-
werben wirt. Für Blondinen gibt es in Ebina keine
Hoffnung. Den chinesischen Damen ist es so gut, wie
unfern Journalen, erlaubt, stark auszutragen, um eine
bestimmte Farbe zu besitzen. Die Chinesen lieben an
den Frauen die geschminkte Lüge viel mehr, als die
ungeschminkte Wahrheit. Die chinesischen. Damen las-
sen sich die Nägel an der linken Hand so lange wach-
sen, bis sie ungefähr den Krallen eines Lämmergeiers
ähnlich sind. Da wird freilich der Kopf manches un-
glücklichen Ehemannes oft ganz vernagelt. Was den
Fuß der Chinesinnen betrifft, so wird dieser schon in
frühester Jugend eingezwängt und dessen naturgemäße
Entwicklung verhindert. Bei uns verfährt man zuwei-
len mit den Köpfen auf dieselbe Weise. Die Zehen
der Chinesinnen werden unter die Fußsohlen gebogen
und dort so fest «»gedrückt und gebunden, daß sie mit
derselben gleichsam verwachsen und mit der Zeit unbe-
weglich sind. In Folge dieser Methode können die chi-
nesischen Damen nicht mehr auf eigenen Füßen stehen;
daß sie nicht gehen und nur wackeln können, versteht
sich von selbst. Für das Auge des Chinesen ist dieser
Entenschritt der Frauen ein höchst lieblicher Anblick, und
der Chinese vergleicht den Gang der Chinesin mit dem
Schwanken einer Weide, die vom Zephyr bewegt wird.
Wenn ein chinesischer Jüngling sich um das Krallen-
händchen einer Chinesin bewirbt, so fragt er sie: »Willst
Du nicht mit mir durch's Leben watscheln?» und wenn
sie liebt, lispelt sie leise: «Ich watschle mit Dir!» Un-
sere Frauen wissen hingegen fester aufzutreten.
 
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