Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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18
Der Cicerone
Heft 1
waltung des Sammlungswesens zum Gegen-
stände neuer Vorschläge einerseits, zur Ver-
teidigung der alten Einrichtungen andererseits
gemacht. Es bestehen verschiedene Anschau-
ungen darüber, ob es notwendig oder wünschens-
wert sei, einen selbständigen Generaldirektor an
die Spitze der Sammlungen zu stellen oder
nicht, ob dieser Generaldirektor Fachgelehrter,
also Kunsthistoriker oder Kunstgewerbehisto-
riker, sein solle, oder ob die oberste Leitung
der Sammlungen am besten in den Händen
eines Verwaltungsbeamten liege; ob dieser einem
bestimmten Ministerium zu unterstellen sei, oder
ob ihm eine selbständige Stellung neben den
Ressortministern gegeben werden müsse.
In einer für die beiden Ständekammern des
Landes bestimmten Denkschrift nimmt jetzt die
sächsische Staatsregierung Stellung zu allen
diesen Fragen. Sie führt Beispiele und Gegen-
beispiele für die Frage der Neugestaltung der
öffentlichen Kunstsammlungen an und verweist
wegen der Frage der Verwaltung auf die Vor-
gänge in anderen deutschen Bundesstaaten, z. B.
in Bagern, wo vorgeschlagen wurde, daß der
mit der Verwaltung der Kunstsammlungen be-
traute Kultusminister die Generalkommission,
welche die Geschäftsführung ausübt, durch einen
Generaldirektor ersetze. Das Für und Wider
der Vorschläge und Gegenvorschläge miteinander
abgewogen, kommt die gegenwärtige Verwaltung
der sächsischen Sammlungen zu der Überzeugung,
daß vorläufig, abgesehen von Fragen räumlicher
Ärt, kein Anlaß für die sächsischen Sammlungen
vorhanden ist, an eine Neuordnung ihrer Bestände
und Neuorganisation ihrer Verwaltung heranzu-
treten. Sie führt gegen eine Verbindung der
Sammlungen der großen Kunst mit denen des
Kunsthandwerks den Umstand an, daß die Richt-
linien für die Sammeltätigkeit der beiderseitigen
Gebiete völlig verschiedene sind. „Während,“
so heißt es in der Denkschrift der Regierung
wörtlich, „das Kunstgewerbemuseum Vorbilder
und Anregungen zu selbständigem Schaffen für
Kunsthandwerk und Industrie zu bieten und
den Geschmack und das Verständnis des Publi-
kums für kunstgewerbliche Erzeugnisse zu bilden
bestimmt ist, soll in den der Generaldirektion
unterstellten Museen das Kunstgewerbe in der
Hauptsache nach seinem Entwicklungsgänge und
nach seinem Zusammenhänge mit der Geschichte
des sächsischen Fürstenhauses in tunlichster Voll-
ständigkeit vorgeführt werden. Audi taucht
sofort die Frage auf, ob nicht die Porzellan-
sammlung und der Mathematische Salon eben-
sogut wie die übrigen „Historischen Kabinette“,
denen Sonderexistenz zugestanden wird, bean-
spruchen könnten, als Sammlungen besonderen
Gepräges in ihrer bisherigen Gestalt erhalten zu
bleiben. Man kommt notwendigerweise zu dem
Ergebnisse, daß es sich durchaus empfiehlt, den
kunstgewerblichen unter den Königlichen Samm-
lungen ihren historischen Charakter zu belassen,
den sie sich bisher als Sammelstellen des fürst-
lichen Besitzes gewahrt haben, da in ihnen ihre
Eigenart begründet ist, die sie vor den meisten
sonstigen Sammlungen der Welt auszeichnet.“
Auch gegenüber der Forderung, daß die Leitung
der Königlichen Sammlungen in die Hände eines
Generaldirektors gelegt werden müsse, der Fach-
mann sei, verhält sich die Denkschrift der Re-
gierung ablehnend. Sie weist darauf hin, daß
eine Anzahl deutscher Kunstgelehrten von her-
vorragendem Rufe, z. B. Dr. Bode, ferner der
Hamburger Museumsdirektor Prof. Dr. Brinck-
mann und der Direktor der Dresdner Gemälde-
galerie Prof. Dr. Woermann von Haus aus
Juristen sind. Die Denkschrift der Regierung,
die das Verbleiben der Generaldirektion der
Sammlungen in den Händen eines Ressort-
ministers, des Finanzministers, befürwortet, be-
streitet auch die Berechtigung der Behauptung,
daß die Dresdner Sammlungen sich im Rück-
gänge befänden. Es sei lediglich einzuräumen,
daß sich ein Teil von ihnen seit etwa der Mitte
der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
dadurch in einem für ihre Entwicklung nicht
förderlichen Zustande befinde, daß infolge der
Finanzlage des Landes ihrem Bedürfnisse nach
räumlicher Erweiterung oder anderweiter Unter-
bringung nicht habe entsprochen werden können.
Auf die Frage, was nach Lage der Verhältnisse
zurzeit für die Sammlungen geschehen solle,
antwortet die Denkschrift, die wohl in der
Generaldirektion der Sammlungen selbst aus-
gearbeitet worden ist, daß geraten werden
müsse, bis auf weiteres keine umstürzenden
Projekte zu verfolgen, sondern sich damit zu
begnügen, das Vorhandene vorsichtig und eine
gewisse Mittellinie einhaltend auszubauen. Die
Generaldirektion empfiehlt, sich vorläufig auf
die Beseitigung der Mängel räumlicher Natur,
die den Sammlungen anhaften, zu beschränken.
Am meisten räumlich beschränkt sind gegen-
wärtig die Gemäldegalerie, die Skulpturensamm-
lung, die Porzellansammlung und die zoolo-
gische sowie die anthropologisch-ethnographische
Sammlung. Für die Skulpturensammlung ist die
Platzgewinnung bereits gesichert durch Ver-
legung des Hauptstaatsarchivs, das jetzt noch
im Gebäude der Sammlung seinen Sitz hat, in
ein neu zu erbauendes Haus; hinsichtlich der
Porzellansammlung denkt man an eine Ver-
legung in die Galerien des Zwingers; für die
moderne Abteilung der Gemäldegalerie ist ein
Der Cicerone
Heft 1
waltung des Sammlungswesens zum Gegen-
stände neuer Vorschläge einerseits, zur Ver-
teidigung der alten Einrichtungen andererseits
gemacht. Es bestehen verschiedene Anschau-
ungen darüber, ob es notwendig oder wünschens-
wert sei, einen selbständigen Generaldirektor an
die Spitze der Sammlungen zu stellen oder
nicht, ob dieser Generaldirektor Fachgelehrter,
also Kunsthistoriker oder Kunstgewerbehisto-
riker, sein solle, oder ob die oberste Leitung
der Sammlungen am besten in den Händen
eines Verwaltungsbeamten liege; ob dieser einem
bestimmten Ministerium zu unterstellen sei, oder
ob ihm eine selbständige Stellung neben den
Ressortministern gegeben werden müsse.
In einer für die beiden Ständekammern des
Landes bestimmten Denkschrift nimmt jetzt die
sächsische Staatsregierung Stellung zu allen
diesen Fragen. Sie führt Beispiele und Gegen-
beispiele für die Frage der Neugestaltung der
öffentlichen Kunstsammlungen an und verweist
wegen der Frage der Verwaltung auf die Vor-
gänge in anderen deutschen Bundesstaaten, z. B.
in Bagern, wo vorgeschlagen wurde, daß der
mit der Verwaltung der Kunstsammlungen be-
traute Kultusminister die Generalkommission,
welche die Geschäftsführung ausübt, durch einen
Generaldirektor ersetze. Das Für und Wider
der Vorschläge und Gegenvorschläge miteinander
abgewogen, kommt die gegenwärtige Verwaltung
der sächsischen Sammlungen zu der Überzeugung,
daß vorläufig, abgesehen von Fragen räumlicher
Ärt, kein Anlaß für die sächsischen Sammlungen
vorhanden ist, an eine Neuordnung ihrer Bestände
und Neuorganisation ihrer Verwaltung heranzu-
treten. Sie führt gegen eine Verbindung der
Sammlungen der großen Kunst mit denen des
Kunsthandwerks den Umstand an, daß die Richt-
linien für die Sammeltätigkeit der beiderseitigen
Gebiete völlig verschiedene sind. „Während,“
so heißt es in der Denkschrift der Regierung
wörtlich, „das Kunstgewerbemuseum Vorbilder
und Anregungen zu selbständigem Schaffen für
Kunsthandwerk und Industrie zu bieten und
den Geschmack und das Verständnis des Publi-
kums für kunstgewerbliche Erzeugnisse zu bilden
bestimmt ist, soll in den der Generaldirektion
unterstellten Museen das Kunstgewerbe in der
Hauptsache nach seinem Entwicklungsgänge und
nach seinem Zusammenhänge mit der Geschichte
des sächsischen Fürstenhauses in tunlichster Voll-
ständigkeit vorgeführt werden. Audi taucht
sofort die Frage auf, ob nicht die Porzellan-
sammlung und der Mathematische Salon eben-
sogut wie die übrigen „Historischen Kabinette“,
denen Sonderexistenz zugestanden wird, bean-
spruchen könnten, als Sammlungen besonderen
Gepräges in ihrer bisherigen Gestalt erhalten zu
bleiben. Man kommt notwendigerweise zu dem
Ergebnisse, daß es sich durchaus empfiehlt, den
kunstgewerblichen unter den Königlichen Samm-
lungen ihren historischen Charakter zu belassen,
den sie sich bisher als Sammelstellen des fürst-
lichen Besitzes gewahrt haben, da in ihnen ihre
Eigenart begründet ist, die sie vor den meisten
sonstigen Sammlungen der Welt auszeichnet.“
Auch gegenüber der Forderung, daß die Leitung
der Königlichen Sammlungen in die Hände eines
Generaldirektors gelegt werden müsse, der Fach-
mann sei, verhält sich die Denkschrift der Re-
gierung ablehnend. Sie weist darauf hin, daß
eine Anzahl deutscher Kunstgelehrten von her-
vorragendem Rufe, z. B. Dr. Bode, ferner der
Hamburger Museumsdirektor Prof. Dr. Brinck-
mann und der Direktor der Dresdner Gemälde-
galerie Prof. Dr. Woermann von Haus aus
Juristen sind. Die Denkschrift der Regierung,
die das Verbleiben der Generaldirektion der
Sammlungen in den Händen eines Ressort-
ministers, des Finanzministers, befürwortet, be-
streitet auch die Berechtigung der Behauptung,
daß die Dresdner Sammlungen sich im Rück-
gänge befänden. Es sei lediglich einzuräumen,
daß sich ein Teil von ihnen seit etwa der Mitte
der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
dadurch in einem für ihre Entwicklung nicht
förderlichen Zustande befinde, daß infolge der
Finanzlage des Landes ihrem Bedürfnisse nach
räumlicher Erweiterung oder anderweiter Unter-
bringung nicht habe entsprochen werden können.
Auf die Frage, was nach Lage der Verhältnisse
zurzeit für die Sammlungen geschehen solle,
antwortet die Denkschrift, die wohl in der
Generaldirektion der Sammlungen selbst aus-
gearbeitet worden ist, daß geraten werden
müsse, bis auf weiteres keine umstürzenden
Projekte zu verfolgen, sondern sich damit zu
begnügen, das Vorhandene vorsichtig und eine
gewisse Mittellinie einhaltend auszubauen. Die
Generaldirektion empfiehlt, sich vorläufig auf
die Beseitigung der Mängel räumlicher Natur,
die den Sammlungen anhaften, zu beschränken.
Am meisten räumlich beschränkt sind gegen-
wärtig die Gemäldegalerie, die Skulpturensamm-
lung, die Porzellansammlung und die zoolo-
gische sowie die anthropologisch-ethnographische
Sammlung. Für die Skulpturensammlung ist die
Platzgewinnung bereits gesichert durch Ver-
legung des Hauptstaatsarchivs, das jetzt noch
im Gebäude der Sammlung seinen Sitz hat, in
ein neu zu erbauendes Haus; hinsichtlich der
Porzellansammlung denkt man an eine Ver-
legung in die Galerien des Zwingers; für die
moderne Abteilung der Gemäldegalerie ist ein