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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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4. Heft
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Aubert, Andreas: Über Norwegische Bauernkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0136

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122

Der Cicerone

Heft 4

und dessen näherer Umgebung feste Tätigkeit hatten, von 1624, dem Gründungsjahre
dieser Stadt an. Es zeigt sich so auf den verschiedensten Gebieten, daß die nor-
wegischen Städte als die wichtigen Vermittler in Norwegens künstlerischer Kultur auf-
treten, daß sie dabei eine nicht geringe Geschicklichkeit und zugleich die Fähigkeit
erweisen, der äußeren Entwicklung zu folgen.

Mir ist es nun gelungen, an einer bedeutungsvollen Stelle der Entwicklung
unserer Volksmalkunst ein Verbindungsglied zwischen Stadt und Land zu finden.

Der bekannteste Name in der Geschichte der norwegischen Volkskunst ist ohne
Zweifel Peder Äadness, der, selbst ein Erbbauer, den väterlichen Hof am Randsfjord
bewirtschaftete. In seinem Heimatort und in den benachbarten Tälern Ringerike und
Hadeland hat er die Prunkzimmer der Großbauern und der Beamten mit Wand-
verzierungen geschmückt — mit Schäfergedichten ä la Watteau, auf einer Bauernfiedel
gespielt, mit einer rührenden Mischung norwegischer Treuherzigkeit und einer eigenen
Freude an Schönheit und Pracht. Peder Äadness ist unstreitig das größte malerische
Talent, das Norwegen vor 1814 gehabt hat. Nicht allein sein dekoratives Stilgefühl
steht überraschend hoch, er hat auch eineÄnzahl Bildnisse geschaffen, die als Menschen-
schilderungen tief empfunden sind. Er hat alles mögliche gemalt und bemalt, Schränke,
Truhen, Schlitten — alles, was ein Maler schmücken konnte.

Es ist nach einer Familienüberlieferung mit größter Bestimmtheit behauptet
worden, daß Peder Äadness um das Jahr 1770 im Älter von 30 Jahren — als Auto-
didakt -— zwei bis drei Jahre zu seiner weiteren Ausbildung ins Ausland gegangen
sei, auf der Kunstakademie zu Kopenhagen studiert und „sowohl London wie Sachsen“
besucht habe. Aber nunmehr ist durch Peder Äadness’ eigenes Verrechnungsbuch, welches
der Archivar Koren (in Trondhjem) 1901 aufspürte, bewiesen, daß jene mehrjährige „Aus-
landsreise“ sich in Wirklichkeit beschränkte auf — einen Aufenthalt von wenigen
Monaten in Kristiania, und zwar im Jahre 1770 bei dem Maler Niels Tönning. In
diesem Buche finden wir nämlich unter dem Monat April folgende Aufzeichnung: „An
Monser Niels Taaning Bares Geld abgeliefert für Lehre 40 R.“ Später notiert Peder
Äadness in seinem Verrechnungsbuch auch, wenn er selbst als Lehrer Bezahlung erhält,
z. B. im Oktober 1773: „Erhalten von einem Burschen für Lehre 10 R.“

Von diesem Niels Tönning, der nach Archivar Körens Mitteilung im Jahre 1766
das Bürgerrecht von Kristiania erwarb und Grundbesitzer dieser Stadt wurde, ist es
mir gelungen, eine Anzahl von Bildnissen nachzuweisen, zum Teil mit landschaftlichem
Hintergrund. Mit seiner handwerksmäßig rauhen und oberflächlichen, aber ungemein
sicheren Rokokotechnik ist er in der Hauptstadt Norwegens einer der Repräsentanten
Europas für die große Weltkultur außerhalb Norwegens und deren neue Art.

Unsere Bauernkultur ist auch von der Wissenschaft längst anerkannt als der
wesentliche Träger der nationalen künstlerischen Überlieferung unseres Landes. Unser
Volk, unser Bauernvolk hat zu Zeiten die Fähigkeit bewiesen, Fremdem seine
eigene Farbe und seinen eigenen Geschmack mitzuteilen. Und die Überlieferung
zeigt sich in unserer Bauernkultur von einer Zähigkeit, die in hohem Grade stilbildend
und stilerhaltend war. Gerade dieses langsame Äneignen des Fremden und dieses
Festhalten an dem einmal Erworbenen ist es, was der Bauernkultur die künstlerische
 
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