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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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4. Heft
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Aubert, Andreas: Über Norwegische Bauernkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0139

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Heft 4

Über Norwegische Bauernkunst

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unser Volk verloren, solange nicht eine gleiche
Farbenfreude, ein gleicher Sinn für künstleri-
schen Schmuck in ihm wiedererwacht.

Die norwegische Bauernmalerei, wie die
norwegische Bauernkunst überhaupt, erreichte
ihre Blüte in jenem bedeutungsvollen Zeit-
raum unserer Geschichte, als das Volk aus
vielen offenen und verborgenen Quellen in
aller Stille seine Kräfte zu einer Wiedererhe-
bung sammelte. Während sich in unserem
Beamtenstand und unsererStadtkultur dieKräfte
regten, die unser Volk zu der großen Er-
hebung im Jahre 1814 fähig machten, hat
auch das norwegische Bauerntum sich mehr
und mehr zu dem sicheren Selbstvertrauen
durchgerungen, das ihm seinen hervorragenden Platz im Staatshaushalt des neuen
Norwegens von 1814 vorausbestimmte.

Dürfen wir einen Schluß ziehen aus unserer Bauernkunst und der stilvollen Eigen-
art, die das Bauernheim jener Zeiten geprägt hat,
so hat in der Tat in den glücklichen Jahren unter
Christian VII., als die bewaffnete Neutralität dem
Lande immer erneuten Wohlstand zuführte, die
norwegische Bauernkultur eine ganz seltene selbst-
bewußte Kraft gehabt.

Als der Verein zur Erhaltung der norwegischen
Altertümer Mitte der vierziger Jahre (auf Anregung
des Professor Dahl in Dresden) gegründet wurde, stand unsere Bauernmalerei (und
bemalte Holzschnitzerei) noch in vielen Teilen unseres Landes in reicher Nachblüte.
Seit der Zeit ist sie nach und nadi fast ganz ausgestorben, ohne daß kaum jemand
anders als Eilert Sundt in seiner genialen Treuherzigkeit sich darum bekümmerte. Wie
bereits erwähnt, tragen die Kunstauffassungen der
zwei letzten Generationen wesentlich die Schuld an
diesem beklagenswerten Rückgang. Daß die Bauern-
malerei ihre Stütze gerade in dem Augenblick ver-
lieren sollte, als sie ihrer am meisten bedurfte, hatte
seinen Grund in künstlerischen und kunstwissenschaft-
lichen Vorurteilen. Sie sind verhängnisvoll für unsere
Forschung wie für unsere Sammlungen geworden.

Und noch viel mehr für die künstlerische Kulturarbeit
unserer Zeit, deren Hauptaufgabe es ist, wiederum
norwegische Heime in künstlerischer selbständig durch-
gearbeiteter Form zu schaffen. Für eine solche Arbeit
finden wir ohne Zweifel bessere und näherliegende
 
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