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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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4. Heft
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Aubert, Andreas: Über Norwegische Bauernkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0141

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Heft 4

Über Norwegische Bauernkunst

127

Kunst, daß er das kindlich treuherzige, einfache und fröhliche Bauernnorwegisch greif-
bar zu machen verstand, so daß es zum Unterstrom wird für die mächtigste und
zarteste Poesie seiner Seele.

In unserer Entwicklung, in unserer nationalen Erhebung kommen wir spät und
zuletzt zur Farbe. Aber ist das, was wir so gewannen, das Letzte in unserem natio-
nalen Leben, so wird es sich nicht als das Ärmste erweisen: reich und mächtig soll
es sprudeln. Werden wir uns der künstlerischen Aufgaben klar bewußt, die unserer
Kultur durch die Farbe gegeben sind, so werden wir zweifellos auch auf diesem Ge-
biet zu einer Entwicklung kommen, die nicht hinter der Entwicklung irgend eines der
anderen zurückstehen soll.

In einem Brief an Frederika Bremer erzählt Henrik Wergeland einen Zug, der
uns typisch für den Entwicklungskreislauf unserer Kulturgeschichte während des letzten
Jahrhunderts erscheint: In einer Versammlung von Studenten hörte er den Sohn eines
Gebirgspfarrers auf seiner Fiedel spielen. Gespannt den Tönen lauschend bat Werge-
land den Kameraden zu singen, wenn er könne. Und er sang: „Ifjor gjaett’ eg gjeitinn“.
(„Voriges Jahr hütete ich die Ziegen daheim.“) „Die Studenten lernten das Lied. Nun
ist es wieder Volkslied“, fügt er hinzu. Das ist der Kreislauf unserer neuen nationalen
Kulturentwicklung: Vom Land zur Stadt, und von der Stadt wieder zurück aufs Land.

Und wie Wergeland an die Volkspoesie glaubte und deren Dasein beschwor,
während er sie noch nicht kannte, so glauben wir an die Farbe. Wir wissen, daß
wir eine reiche Volksüberlieferung besitzen, und wir glauben, daß sie unsere ganze dekora-
tive Kunst wieder lebendig machen kann, wenn wir nur, wie schon Eilert Sundt wünschte,
„Baumeister bekommen mit künstlerischer Bildung und einem norwegischen Herzen“.
 
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