Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0232
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7. Heft
DOI article:Glaser, Curt: Ostasiatische Kunst: die Neuerwerbungen der königlichen Museen zu Berlin
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Der Cicerone
Heft 7
des laufenden Hundes bindende Schlüsse auf die Wanderung solcher Motive zieht,
aber bei der Fülle der Beziehungen, die diese in ihren wesentlichen Zügen rein der
buddhistischen Kunst Ostasiens zugehörigen Gemälde mit den westlichen Kunstzentren
verbinden, wird man die Annahme direkter Berührungen nicht von der Hand weisen
können. Es handelt sich nicht nur um ornamentale Motive, die dem antiken Kunst-
kreise und solche wie eine gefüllte Palmette, die sicher vorderasiatischem Boden
entstammen, sondern auch der Gewandstil ist nicht ohne Einwirkung des antiken
Formenkanons denkbar. Es ist dieselbe fein plissierte Fältelung, die aus dem archai-
sierenden Geschmack des späten Rom in die byzantinische Kunst übernommen wurde,
und die den ornamentalen Bedürfnissen neu in das Kunstschaffen eintretender, jugend-
licher Völker ebenso zu entsprechen scheint wie dem dekadenten Geschmack einer von
allen Formen der Naturdarstellung erschöpften Spätgeneration. Es ließe sich auf andere
Weise schwer erklären, daß der Gewandstil der jugendlichen romanischen Kunst dem
der ersten Blüte des ostasiatischen Kunstschaffens so nahe verwandt ist. Der Weg,
den die westlichen Kunstformen einschlagen, geht über Indien. Einzelne plastische Köpfe
aus Turfan stehen den Gandharaskulpturen unmittelbar nahe und verraten auch hier im
fernen Osten noch deutlich den Einfluß des antiken Äpolloideals.
Buddhistische Kunst im besonderen ist das Sammlungsgebiet des Professor
Adolf Fischer. Schon diese Beschränkung zeigt, daß der Gesichtspunkt, nach dem seine
Auswahl getroffen ist, ein mehr kulturgeschichtlicher als künstlerischer ist, und hieraus
wiederum erklärt es sich, daß das Qualitätsniveau nicht durchgehend die wünschbare
Höhe einhält. Die buddhistischen Gemälde sind nichts weniger als erstrangig und
sämtlich sehr schlecht erhalten, zum Teil arg übermalt. Auch unter den Skulpturen
sind nur einzelne Stücke von höherem, künstlerischem Werte. Das beste und sicherlich
interessanteste sind die Steinreliefs der frühen Han-Zeit (206 vor bis 221 nach Chr.).
die Innenwände eines Steinsarges aus der Provinz Schantung, mit denen diese berühmte
und wichtige Gruppe gut in den Berliner Sammlungen vertreten ist. Von den übrigen
Skulpturen sei die in der Charakteristik sehr lebendige Sitzfigur des En-no Gyöja
wenigstens erwähnt. Da die Hauptstücke der japanischen Plastik, deren höchste Blüte
in sehr früher Zeit liegt, mit dem VII. Jahrhundert etwa einsetzend und im XIII. bereits
ganz versiegend, auch im Lande selbst gezählt und für europäische Sammlungen zum
größten Teile wohl für immer unerreichbar sind, ist es immerhin dankenswert, daß
Professor Fischer von einigen der berühmtesten Werke gute Kopien hat anfertigen
lassen. Aus der Frühzeit, der Suiko-Periode (593—628), sind zwei Kwannonstatuen
des Koriuji-Tempels in Nara vertreten, die überschlanke, stehende Figur, die zu den
überhaupt ältesten, erhaltenen Werken der japanischen, vieleicht vielmehr koreanischen
Plastik zählt (abgebildet in Selected Relics of Japanese Art, Band VI, Nr. 3) und die
Sitzfigur der Nyoirin Kwannon, die angeblich auf den Prinzen Shötoku selbst zurück-
geht (Sei. Rel. V, 2) aus der Spätzeit der japanischen Plastik, der Kamakurazeit
(XIII. Jahrhundert) die schönen Statuen des Asanga und Vasubandhu (Sei. Rel. II, 15,
the Kokka Nr. 1 und 53, Museum VII, 111 und 112), die die letzten Ausläufer der
klassischen Epoche japanischer Bildhauerkunst bezeichnen. Unter den Bronzen
endlich fällt ein sehr edles chinesisches Sakralgefäß auf, dessen Entstehungszeit
Der Cicerone
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des laufenden Hundes bindende Schlüsse auf die Wanderung solcher Motive zieht,
aber bei der Fülle der Beziehungen, die diese in ihren wesentlichen Zügen rein der
buddhistischen Kunst Ostasiens zugehörigen Gemälde mit den westlichen Kunstzentren
verbinden, wird man die Annahme direkter Berührungen nicht von der Hand weisen
können. Es handelt sich nicht nur um ornamentale Motive, die dem antiken Kunst-
kreise und solche wie eine gefüllte Palmette, die sicher vorderasiatischem Boden
entstammen, sondern auch der Gewandstil ist nicht ohne Einwirkung des antiken
Formenkanons denkbar. Es ist dieselbe fein plissierte Fältelung, die aus dem archai-
sierenden Geschmack des späten Rom in die byzantinische Kunst übernommen wurde,
und die den ornamentalen Bedürfnissen neu in das Kunstschaffen eintretender, jugend-
licher Völker ebenso zu entsprechen scheint wie dem dekadenten Geschmack einer von
allen Formen der Naturdarstellung erschöpften Spätgeneration. Es ließe sich auf andere
Weise schwer erklären, daß der Gewandstil der jugendlichen romanischen Kunst dem
der ersten Blüte des ostasiatischen Kunstschaffens so nahe verwandt ist. Der Weg,
den die westlichen Kunstformen einschlagen, geht über Indien. Einzelne plastische Köpfe
aus Turfan stehen den Gandharaskulpturen unmittelbar nahe und verraten auch hier im
fernen Osten noch deutlich den Einfluß des antiken Äpolloideals.
Buddhistische Kunst im besonderen ist das Sammlungsgebiet des Professor
Adolf Fischer. Schon diese Beschränkung zeigt, daß der Gesichtspunkt, nach dem seine
Auswahl getroffen ist, ein mehr kulturgeschichtlicher als künstlerischer ist, und hieraus
wiederum erklärt es sich, daß das Qualitätsniveau nicht durchgehend die wünschbare
Höhe einhält. Die buddhistischen Gemälde sind nichts weniger als erstrangig und
sämtlich sehr schlecht erhalten, zum Teil arg übermalt. Auch unter den Skulpturen
sind nur einzelne Stücke von höherem, künstlerischem Werte. Das beste und sicherlich
interessanteste sind die Steinreliefs der frühen Han-Zeit (206 vor bis 221 nach Chr.).
die Innenwände eines Steinsarges aus der Provinz Schantung, mit denen diese berühmte
und wichtige Gruppe gut in den Berliner Sammlungen vertreten ist. Von den übrigen
Skulpturen sei die in der Charakteristik sehr lebendige Sitzfigur des En-no Gyöja
wenigstens erwähnt. Da die Hauptstücke der japanischen Plastik, deren höchste Blüte
in sehr früher Zeit liegt, mit dem VII. Jahrhundert etwa einsetzend und im XIII. bereits
ganz versiegend, auch im Lande selbst gezählt und für europäische Sammlungen zum
größten Teile wohl für immer unerreichbar sind, ist es immerhin dankenswert, daß
Professor Fischer von einigen der berühmtesten Werke gute Kopien hat anfertigen
lassen. Aus der Frühzeit, der Suiko-Periode (593—628), sind zwei Kwannonstatuen
des Koriuji-Tempels in Nara vertreten, die überschlanke, stehende Figur, die zu den
überhaupt ältesten, erhaltenen Werken der japanischen, vieleicht vielmehr koreanischen
Plastik zählt (abgebildet in Selected Relics of Japanese Art, Band VI, Nr. 3) und die
Sitzfigur der Nyoirin Kwannon, die angeblich auf den Prinzen Shötoku selbst zurück-
geht (Sei. Rel. V, 2) aus der Spätzeit der japanischen Plastik, der Kamakurazeit
(XIII. Jahrhundert) die schönen Statuen des Asanga und Vasubandhu (Sei. Rel. II, 15,
the Kokka Nr. 1 und 53, Museum VII, 111 und 112), die die letzten Ausläufer der
klassischen Epoche japanischer Bildhauerkunst bezeichnen. Unter den Bronzen
endlich fällt ein sehr edles chinesisches Sakralgefäß auf, dessen Entstehungszeit