Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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Ausstellungen
301
ist wohl das bessere, Kontur, Pose und Ober-
flächenbehandlung strömen einen ganz eigenen
Reiz aus. Älex. Oppler zeigt einen trunkenen
Herkules mit Bacchanten, dessen Äufbau inter-
essiert, Georg Kolbe gibt zwei seiner geist-
reichen und plastisch feinen Gruppenkompo-
sitionen und eine allzu rodinartige Terrakotta-
figur.
Ausgezeichnet im Rhythmus der Bewegung
ist eine Löwin von Gerhard Mareks; die
straffe Formbehandlung und die Wucht des
Konturs gehen womöglich noch über Gaul hin-
aus. Ein geistreidi behandelter Pavian von
Richard Scheibe verfolgt ähnliche Tendenzen.
Nach der Seite des Strengen, Vereinfachten
in Bewegung, Umriß und Formbehandlung
drängt es auch den in Rom lebenden Paul
Osswald, der noch ungeklärt scheint, aber mit
seiner ausgeprägten Eigenart große Hoffnungen
erweckt. — —
Von einer Ausstellung, die nur die Produk-
tion eines Winters und eine Reihe mehr zu-
fällig zusammengekommener älterer Arbeiten,
z. T. von anerkannten Meistern umspannt, wird
man nicht erwarten, daß sie ausgeglichen und
abgerundet wie eine Retrospektive wirke. Prog-
nosen zu stellen ist daher mißlich und gefährlich.
Begnügen wir uns mit der Konstatierung eines
bunten, wohlgefälligen und teilweise auch starken
Eindruckes. Hermann Voss.
S
LONDON -
Messrs. Shepherd Brothers haben kürz-
lich ihre „Frühjahrsausstellung alter Meister“ in
King Street St. James’s eröffnet, aus der wir in
der vorigen Nummer eine Reihe besonders inter-
essanter Stücke (eine Replica der „Anbetung
der Könige“ von H. van Bosch von der Hand
eines späteren Niederländers; einen Turner,
einen Constable usw.) kurz behandelt und
zur Abbildung gebracht haben. Hier seien aus
der englische, vlämische und holländische Meister
umfassenden Zahl der Werke folgende hervor-
gehoben: Pieter Steenwijck: „Stilleben in
memoriam des Admiral VanTromp“; auf einem
Globus sind des großen Admirals Siege und
Reisen verzeichnet; andere abgebildete Gegen-
stände sind sein Schwert, sein Becher, seine
Bibel usw. Auf einem Totenkopf sitzt seine
Mütze. Dem Bilde eignet eine Art stiller Größe
und Reverenz. Van Stry: „Herde am Fluß-
ufer“, eine Cuypimitation. Godfrey Kneller:
„Elisabeth, daughter of Oliver Cromwell“ (?).
W. Dobson, der in Van Dycks Fußstapfen trat:
„Sir William Stanley“. Robert Walker:
„Elisabeth, wife of Oliver Cromwell“, als Kunst-
werk ohne Bedeutung, jedoch von historischem
Interesse. Thomas Murray, ein wenig be-
kannter Maler: „Lady Neville“. A. Geddes,
der schottische Porträtmaler, von dem die Edin-
burger National Porträt Gallery ein treffliches
Walter Scottporträt besitzt: „Lady Belhaven“,
etwas sehr ä la Lawrence. Bonington: „Rialto,
Venedig“. Marc Anthony, der englische
Maler, der in Barbizon unter französischem
Einfluß arbeitete: „Evening“. Diese Ausstel-
lungen der Messrs. Shepherd Brothers gehören
zu den interessantesten alter Kunst, die wäh-
rend des. Jahres in London zu sehen sind.
Leicester Galleries: Eine amüsante
„Einmannsschau“ des Humoristen George Beicher
führt in prächtigen, mit Behagen und zugleich
scharfem Äuge erfaßten Zeichnungen „Londoner
Leben und Charaktere“ des heutigen Tages vor.
Goupil Gallery: In einer an Quantität zu
umfangreichen, an Qualität unausgeglichenen
Ausstellung von Aquarellen, Pastellen und Zeich-
nungen finden sich doch immerhin eine ganze
Anzahl trefflicher Stücke von Künstlern wie
Max Beerbohm, Alfred East, George Henry,
C. J. Holmes, Holroyd, Äugustus E. Jones, Wil-
liam Nicholson, James Paterson, Ä. W. Rieh,
J. J. Rousseau, L. Ä. Sargent, P. Wilson Steer,
Whistler usw. Wollen und technisches Können
unserer Zeit auf diesen den englischen Künst-
lern besonders nahe liegenden Gebieten kann
man hier ausgezeichnet erkennen.
In der Guildhall wird dieses Jahr leider
keine Sommerausstellung geliehener Werke
stattfinden. Seit 1890 sind solche Ausstellungen
fast regelmäßig jeden Sommer abgehalten wor-
den, und sie haben jedesmal eine Fülle überaus
interessanten und selten sichtbaren Materials
auf mehrere Monate allgemein zugänglich ge-
macht. Da diese Ausstellung nun auch weg-
fällt, und die Royal Academy diesen Winter ja
keine Ältmeisterausstellung veranstaltet hat,
muß das Jahr 1909 als ein besonders armes für
London in bezug auf Ältmeisterausstellungen
bezeichnet werden.
Burlington Fine Ärts Club: Frühe eng-
lische Porträts. Die Frühjahrsausstellungen, die
dieser Club in seinen Räumen in Savile Row
jährlich abhält, gehören immer zu den interes-
santesten Gaben des Jahres. Diesmal ist das
Interesse gleich groß für Historiker wie für
Kunstforscher und Liebhaber. Unter frühen eng-
lischen Porträts sind Darstellungen früher Könige
und Staatsmänner usw., nicht solche von der
Hand früher englischer Maler verstanden. Viele
derStücke haben nur historisches Interesse, aber
dafür entschädigen vor allem eine ganze Reihe
301
ist wohl das bessere, Kontur, Pose und Ober-
flächenbehandlung strömen einen ganz eigenen
Reiz aus. Älex. Oppler zeigt einen trunkenen
Herkules mit Bacchanten, dessen Äufbau inter-
essiert, Georg Kolbe gibt zwei seiner geist-
reichen und plastisch feinen Gruppenkompo-
sitionen und eine allzu rodinartige Terrakotta-
figur.
Ausgezeichnet im Rhythmus der Bewegung
ist eine Löwin von Gerhard Mareks; die
straffe Formbehandlung und die Wucht des
Konturs gehen womöglich noch über Gaul hin-
aus. Ein geistreidi behandelter Pavian von
Richard Scheibe verfolgt ähnliche Tendenzen.
Nach der Seite des Strengen, Vereinfachten
in Bewegung, Umriß und Formbehandlung
drängt es auch den in Rom lebenden Paul
Osswald, der noch ungeklärt scheint, aber mit
seiner ausgeprägten Eigenart große Hoffnungen
erweckt. — —
Von einer Ausstellung, die nur die Produk-
tion eines Winters und eine Reihe mehr zu-
fällig zusammengekommener älterer Arbeiten,
z. T. von anerkannten Meistern umspannt, wird
man nicht erwarten, daß sie ausgeglichen und
abgerundet wie eine Retrospektive wirke. Prog-
nosen zu stellen ist daher mißlich und gefährlich.
Begnügen wir uns mit der Konstatierung eines
bunten, wohlgefälligen und teilweise auch starken
Eindruckes. Hermann Voss.
S
LONDON -
Messrs. Shepherd Brothers haben kürz-
lich ihre „Frühjahrsausstellung alter Meister“ in
King Street St. James’s eröffnet, aus der wir in
der vorigen Nummer eine Reihe besonders inter-
essanter Stücke (eine Replica der „Anbetung
der Könige“ von H. van Bosch von der Hand
eines späteren Niederländers; einen Turner,
einen Constable usw.) kurz behandelt und
zur Abbildung gebracht haben. Hier seien aus
der englische, vlämische und holländische Meister
umfassenden Zahl der Werke folgende hervor-
gehoben: Pieter Steenwijck: „Stilleben in
memoriam des Admiral VanTromp“; auf einem
Globus sind des großen Admirals Siege und
Reisen verzeichnet; andere abgebildete Gegen-
stände sind sein Schwert, sein Becher, seine
Bibel usw. Auf einem Totenkopf sitzt seine
Mütze. Dem Bilde eignet eine Art stiller Größe
und Reverenz. Van Stry: „Herde am Fluß-
ufer“, eine Cuypimitation. Godfrey Kneller:
„Elisabeth, daughter of Oliver Cromwell“ (?).
W. Dobson, der in Van Dycks Fußstapfen trat:
„Sir William Stanley“. Robert Walker:
„Elisabeth, wife of Oliver Cromwell“, als Kunst-
werk ohne Bedeutung, jedoch von historischem
Interesse. Thomas Murray, ein wenig be-
kannter Maler: „Lady Neville“. A. Geddes,
der schottische Porträtmaler, von dem die Edin-
burger National Porträt Gallery ein treffliches
Walter Scottporträt besitzt: „Lady Belhaven“,
etwas sehr ä la Lawrence. Bonington: „Rialto,
Venedig“. Marc Anthony, der englische
Maler, der in Barbizon unter französischem
Einfluß arbeitete: „Evening“. Diese Ausstel-
lungen der Messrs. Shepherd Brothers gehören
zu den interessantesten alter Kunst, die wäh-
rend des. Jahres in London zu sehen sind.
Leicester Galleries: Eine amüsante
„Einmannsschau“ des Humoristen George Beicher
führt in prächtigen, mit Behagen und zugleich
scharfem Äuge erfaßten Zeichnungen „Londoner
Leben und Charaktere“ des heutigen Tages vor.
Goupil Gallery: In einer an Quantität zu
umfangreichen, an Qualität unausgeglichenen
Ausstellung von Aquarellen, Pastellen und Zeich-
nungen finden sich doch immerhin eine ganze
Anzahl trefflicher Stücke von Künstlern wie
Max Beerbohm, Alfred East, George Henry,
C. J. Holmes, Holroyd, Äugustus E. Jones, Wil-
liam Nicholson, James Paterson, Ä. W. Rieh,
J. J. Rousseau, L. Ä. Sargent, P. Wilson Steer,
Whistler usw. Wollen und technisches Können
unserer Zeit auf diesen den englischen Künst-
lern besonders nahe liegenden Gebieten kann
man hier ausgezeichnet erkennen.
In der Guildhall wird dieses Jahr leider
keine Sommerausstellung geliehener Werke
stattfinden. Seit 1890 sind solche Ausstellungen
fast regelmäßig jeden Sommer abgehalten wor-
den, und sie haben jedesmal eine Fülle überaus
interessanten und selten sichtbaren Materials
auf mehrere Monate allgemein zugänglich ge-
macht. Da diese Ausstellung nun auch weg-
fällt, und die Royal Academy diesen Winter ja
keine Ältmeisterausstellung veranstaltet hat,
muß das Jahr 1909 als ein besonders armes für
London in bezug auf Ältmeisterausstellungen
bezeichnet werden.
Burlington Fine Ärts Club: Frühe eng-
lische Porträts. Die Frühjahrsausstellungen, die
dieser Club in seinen Räumen in Savile Row
jährlich abhält, gehören immer zu den interes-
santesten Gaben des Jahres. Diesmal ist das
Interesse gleich groß für Historiker wie für
Kunstforscher und Liebhaber. Unter frühen eng-
lischen Porträts sind Darstellungen früher Könige
und Staatsmänner usw., nicht solche von der
Hand früher englischer Maler verstanden. Viele
derStücke haben nur historisches Interesse, aber
dafür entschädigen vor allem eine ganze Reihe