Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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426
Der Cicerone
Heft 13
MÄGDEBURG ====-
Im Kaiser Friedrich-Museum ist im Anschluß
an die graphische Abteilung ein neuer Raum
mit der Darstellung der gesamten Buchkunst
geschaffen worden. Ähnlich wie bei der Vor-
führung des Kunstgewerbes in historisch ge-
ordneten Innenräumen ist hier die Kulturge-
schichte des Buches, seines Inneren und Äußeren,
seiner Lettern und Illustrationen von der Per-
gamenthandschrift bis auf die neuesten Er-
scheinungen der modernen Verleger in fast
lückenloser Folge dargestellt und mit Hinweisen
auf die künstlerische und kulturelle Leistung
der Buchkunst in jeder Epoche versehen worden.
Ermöglicht wurde diese Ausstellung vor allem
durch die freundliche Mithilfe, welche das Magde-
burger Domgymnasium durch Darleihung von
wertvollen Büchern aus seiner Bibliothek dem
Museum gewährt hat. Die lange schwebende
Frage, wem die kostbaren Wiegendrucke und
Handschriften zufallen sollten, hat sich also vor-
läufig zum Vorteil von Magdeburg und der
Öffentlichkeit entschieden, welche zweifellos von
den Bücherschätzen in ihrer jetzigen Auf-
stellung mehr Nutzen und Anregung zieht, als
wenn sie in den Speichern der kgl. Bibliothek
in Berlin auf spärliche und sorgfältig bewachte
Benutzer harren müßten. — Von den wertvoll-
sten Werken aus der Dombücherei seien hier
einige genannt. Das früheste ist eine Perga-
menthandschrift: Ordo consecrationis crismatis,
1214 von Henricus de Jerichow geschrieben, in
Uncialschrift, mit einer einzigen Miniatur, die
in tadelloser Erhaltung die Darstellung des Ge-
kreuzigten zwischen Maria und Johannes auf
Goldgrund zeigt, in der für Handschriften des
XIII. Jahrhunderts in Deutschland typischen An-
ordnung (vgl. z. B. das Lectionarum Nr. 3, ab-
gebildet in dem Weigelschen Auktionskataloge
vom 12. Juli 1898, Leipzig). Interessant ist be-
sonders die von dem Zackenstil der übrigen
Figuren abweichende Maria, die völlig byzan-
tinisches Gepräge zeigt. — Von den Inkunabeln
des XV. Jahrhunderts sind eine Anzahl auf
Pergament gedruckte vorhanden; als frühestes
ein Bruchstück des lateinischen Psalters von
1457, bei Fust und Schöffer gedruckt (Besitz des
Museums), dann ein Hieronymus, Epistolae et
tractatus zu nennen, von Peter Schöffer in Mainz
1470 gedruckt, ferner ein Augustinus De civitate
Dei, eod. 1473 — beide mit handgemalten Ini-
tialen, vollendet in der technischen Ausführung
und monumentalen Verteilung des tiefschwarzen
Druckes auf den Folioseiten. Italien wird vor-
züglich durch einen Codex Justinianeus aus dem
Jahre 1481 repräsentiert, von Nie. Jenson in
Venedig gedruckt; man erkennt an ihm noch
deutlicher das Bemühen, Handschriften im Druck
zu kopieren: das Glossarium ist um den Text
angeordnet, und außer den handgemalten Ini-
tialen finden sich reichlich Miniaturen verteilt.
Gerade an diesen Pergamentbänden fällt die
glänzende Erhaltung der Bücher auf; sie sehen
so frisch aus, als wären sie nie aus ihren Fä-
chern genommen worden.
Auch unter den Wiegendrucken auf Papier,
die naturgemäß den Stil des Druckes stärker
ausgeprägt zeigen, finden sich seltene und inter-
essante Stücke. So die Niederländische Bibel
(Köln, H. Quenteil), einer der frühesten Drucke
in deutscher Sprache, mit den beiden großen
kolorierten Holzschnitten im Deckel, die von
Hagelstange im Jahrb. der Preuß. Kunstsamm-
lungen kürzlich veröffentlicht worden sind; ein
sehr schön in Schwarz und Rot gedrucktes
Magdeburger Missale, 1497 bei Moritz Brandis
in Magdeburg erschienen, ein vorzüglich er-
haltenes Exemplar der Ars moriendi vom
Jahre 1473, eine erste Ausgabe der Stultifera
navis von Seb. Brant, Basel bei Joh. Bergmann
de Olpe 1497 gedruckt; ein reizendes Poeticon
astronomicon des Hyginus, 1481 bei Ratdoit in
Venedig erschienen, und manche andern. Die
späteren Drucke erregen begreiflicherweise ge-
ringeres kunsthistorisches Interesse; aber sie
stellen in gleich charakteristischer Weise die
vorzüglichsten Beispiele der Buchdruckerkunst
in allen folgenden Epodien dar, bis zu den
Luxusausgaben des Inselverlags und dem Buch-
schmuck im Kathedialenstil Melchior Lechters.
MÜNCHEN .— ■ ■ —
Kgl. Graphische Sammlungen. Mit Be-
ginn dieses Monats ist ein neuer Katalog für
die Einzelblätter aufgestellt, der eine Arbeits-
zeit von 3‘/4 Jahren beanspruchte. Er enthält
in alphabetischer Reihenfolge die Namen aller
in der Sammlung vertretenen Künstler, von denen
Zeichnungen, Kupferstiche, Schabkunstblätter,
Holzschnitte und Lithographien vorhanden sind.
Bei den verschiedenen Vervielfältigungs-
arten sind die Formate und die betreffenden
Nummern der Mappen angegeben, die der Be-
sucher auf den Bestellzettel zu schreiben hat,
um dann ohne weiteres Nachsuchen der Diener
das Gewünschte vorgelegt zu erhalten. Äußer
dem Namen jedes Künstlers ist dessen Landes-
angehörigkeit (Schule) und Jahrhundert, sowie
sein Geburts- und Sterbeort mit den ent-
sprechenden Jahrzahlen zu finden. Der ganze
Der Cicerone
Heft 13
MÄGDEBURG ====-
Im Kaiser Friedrich-Museum ist im Anschluß
an die graphische Abteilung ein neuer Raum
mit der Darstellung der gesamten Buchkunst
geschaffen worden. Ähnlich wie bei der Vor-
führung des Kunstgewerbes in historisch ge-
ordneten Innenräumen ist hier die Kulturge-
schichte des Buches, seines Inneren und Äußeren,
seiner Lettern und Illustrationen von der Per-
gamenthandschrift bis auf die neuesten Er-
scheinungen der modernen Verleger in fast
lückenloser Folge dargestellt und mit Hinweisen
auf die künstlerische und kulturelle Leistung
der Buchkunst in jeder Epoche versehen worden.
Ermöglicht wurde diese Ausstellung vor allem
durch die freundliche Mithilfe, welche das Magde-
burger Domgymnasium durch Darleihung von
wertvollen Büchern aus seiner Bibliothek dem
Museum gewährt hat. Die lange schwebende
Frage, wem die kostbaren Wiegendrucke und
Handschriften zufallen sollten, hat sich also vor-
läufig zum Vorteil von Magdeburg und der
Öffentlichkeit entschieden, welche zweifellos von
den Bücherschätzen in ihrer jetzigen Auf-
stellung mehr Nutzen und Anregung zieht, als
wenn sie in den Speichern der kgl. Bibliothek
in Berlin auf spärliche und sorgfältig bewachte
Benutzer harren müßten. — Von den wertvoll-
sten Werken aus der Dombücherei seien hier
einige genannt. Das früheste ist eine Perga-
menthandschrift: Ordo consecrationis crismatis,
1214 von Henricus de Jerichow geschrieben, in
Uncialschrift, mit einer einzigen Miniatur, die
in tadelloser Erhaltung die Darstellung des Ge-
kreuzigten zwischen Maria und Johannes auf
Goldgrund zeigt, in der für Handschriften des
XIII. Jahrhunderts in Deutschland typischen An-
ordnung (vgl. z. B. das Lectionarum Nr. 3, ab-
gebildet in dem Weigelschen Auktionskataloge
vom 12. Juli 1898, Leipzig). Interessant ist be-
sonders die von dem Zackenstil der übrigen
Figuren abweichende Maria, die völlig byzan-
tinisches Gepräge zeigt. — Von den Inkunabeln
des XV. Jahrhunderts sind eine Anzahl auf
Pergament gedruckte vorhanden; als frühestes
ein Bruchstück des lateinischen Psalters von
1457, bei Fust und Schöffer gedruckt (Besitz des
Museums), dann ein Hieronymus, Epistolae et
tractatus zu nennen, von Peter Schöffer in Mainz
1470 gedruckt, ferner ein Augustinus De civitate
Dei, eod. 1473 — beide mit handgemalten Ini-
tialen, vollendet in der technischen Ausführung
und monumentalen Verteilung des tiefschwarzen
Druckes auf den Folioseiten. Italien wird vor-
züglich durch einen Codex Justinianeus aus dem
Jahre 1481 repräsentiert, von Nie. Jenson in
Venedig gedruckt; man erkennt an ihm noch
deutlicher das Bemühen, Handschriften im Druck
zu kopieren: das Glossarium ist um den Text
angeordnet, und außer den handgemalten Ini-
tialen finden sich reichlich Miniaturen verteilt.
Gerade an diesen Pergamentbänden fällt die
glänzende Erhaltung der Bücher auf; sie sehen
so frisch aus, als wären sie nie aus ihren Fä-
chern genommen worden.
Auch unter den Wiegendrucken auf Papier,
die naturgemäß den Stil des Druckes stärker
ausgeprägt zeigen, finden sich seltene und inter-
essante Stücke. So die Niederländische Bibel
(Köln, H. Quenteil), einer der frühesten Drucke
in deutscher Sprache, mit den beiden großen
kolorierten Holzschnitten im Deckel, die von
Hagelstange im Jahrb. der Preuß. Kunstsamm-
lungen kürzlich veröffentlicht worden sind; ein
sehr schön in Schwarz und Rot gedrucktes
Magdeburger Missale, 1497 bei Moritz Brandis
in Magdeburg erschienen, ein vorzüglich er-
haltenes Exemplar der Ars moriendi vom
Jahre 1473, eine erste Ausgabe der Stultifera
navis von Seb. Brant, Basel bei Joh. Bergmann
de Olpe 1497 gedruckt; ein reizendes Poeticon
astronomicon des Hyginus, 1481 bei Ratdoit in
Venedig erschienen, und manche andern. Die
späteren Drucke erregen begreiflicherweise ge-
ringeres kunsthistorisches Interesse; aber sie
stellen in gleich charakteristischer Weise die
vorzüglichsten Beispiele der Buchdruckerkunst
in allen folgenden Epodien dar, bis zu den
Luxusausgaben des Inselverlags und dem Buch-
schmuck im Kathedialenstil Melchior Lechters.
MÜNCHEN .— ■ ■ —
Kgl. Graphische Sammlungen. Mit Be-
ginn dieses Monats ist ein neuer Katalog für
die Einzelblätter aufgestellt, der eine Arbeits-
zeit von 3‘/4 Jahren beanspruchte. Er enthält
in alphabetischer Reihenfolge die Namen aller
in der Sammlung vertretenen Künstler, von denen
Zeichnungen, Kupferstiche, Schabkunstblätter,
Holzschnitte und Lithographien vorhanden sind.
Bei den verschiedenen Vervielfältigungs-
arten sind die Formate und die betreffenden
Nummern der Mappen angegeben, die der Be-
sucher auf den Bestellzettel zu schreiben hat,
um dann ohne weiteres Nachsuchen der Diener
das Gewünschte vorgelegt zu erhalten. Äußer
dem Namen jedes Künstlers ist dessen Landes-
angehörigkeit (Schule) und Jahrhundert, sowie
sein Geburts- und Sterbeort mit den ent-
sprechenden Jahrzahlen zu finden. Der ganze