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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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20. Heft
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Uhde-Bernays, Hermann: Die Neuordnung der Münchener alten Pinakothek
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0668

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640

Der Cicerone

Heft 20

der dekorativen Ausgestaltung des Unterneh-
mens werden Münchens erste Künstler unter
B. Beckers Leitung tätig sein.

Es wird beabsichtigt, die hervorragendsten
noch erhaltenen Erzeugnisse der mohammedani-
schen Kunst zur Schau zu stellen, einer Kunst,
die im Mittelalter in Europa als die höchste
Blüte künstlerischen Schaffens galt und noch
heute unerreicht dasteht. Die Ausstellung wird
beginnen mit der sassanidischen Kunst, die neben
der spätantiken von bestimmendem Einfluß auf
die Entwicklung des islamischen Kunstschaffens
gewesen ist, und die die Erbin des alten Orients
und der Kunstblüte war, die Alexander der
Große nach Vorderasien verpflanzt hatte.

Alle Mühe wird aufgeboten werden, um die
äußerst seltenen, meist in Kirchen schätzen ver-
borgenen und fast nie ausgestellten prachtvollen
Erzeugnisse der Kunst am Kalifenhofe von
Bagdad und bei den Fatimidischen Sultanen von
Ägypten zusammenzubringen und der Wissen-
schaft dadurch neue Gesichtspunkte zu eröffnen.
Die unerreichten Leistungen der persischen Gold-
und Silberschmiedekunst, Prachtkorane, email-
lierte Gläser, die im Boden Persiens und Syriens
jüngst zutage gekommenen, teilweise mit Gold-
lüster bemalten Fayencen, Elfenbeinschnitzereien,
mit Edelmetall eingelegte Bronzegefäße, Minia-
turen und Stoffe sollen zu Gruppen vereinigt
vorgeführt werden.

Nachdem das Kalifenreich von Bagdad in
der Mitte des XIII. Jahrhunderts durch die Ein-
fälle der Mongolen zugrunde gegangen war,
machte sich, durch diese hervorgerufen, ost-
asiatischer Einfluß geltend. Von dieser kurzen,
aber blühenden Kultur Vorderasiens zur Zeit
der Mongolenherrschaft sind in den letzten
Jahren höchst interessante Spuren in Persien
gefunden worden, die hier zum ersten Male vor-
geführt werden sollen. Es besteht ferner die
Absicht, die Kunst Syriens, Kleinasiens und
Ägyptens zur Zeit der Kreuzzüge und die hohe
Blüte des seldsdiukischen Reiches von Konia in
ausgewählten Beispielen vorzuführen. Ebenso
soll ein Begriff gegeben werden von den Be-
strebungen Timurs, der um die Wende des
XIV. Jahrhunderts in seiner Hauptstadt Samar-
kand das gesamte künstlerische Schaffen seines
Weltreiches vereinigte.

Die Blütezeit der persischen Kunst fällt in die
Zeit der Safiden-Dynastie. Aus dem XVI. Jahr-
hundert stammen die prachtvollen Teppiche, die
technisch und künstlerisch unerreicht geblieben
sind und zu den kostbarsten Schätzen derFürsten-
häuser Europas, der Museen und Privatsamm-
lungen gehören. In jener Zeit, die zusammen-
fällt mit der Blüte der italienischen Renaissance

in Europa, ist in Persien auf allen Gebieten Un-
übertreffliches geleistet worden. Damals hat auch
die Miniaturmalerei, deren Anfänge bis in das
XII. Jahrhundert zu verfolgen sind, ihren Höhe-
punkt erreicht und eine Porträtkunst geschaffen,
die in charakteristischer Auffassung einen Ver-
gleich mit den Bildnissen eines Holbein nicht zu
scheuen braucht. Auf allen übrigen Gebieten
des Kunstgewerbes wird man ein möglichst voll-
ständiges Bild der Entwicklung zu zeigen be-
strebt sein.

Die künstlerischen Erzeugnisse der Türken,
die durch die Eroberung Konstantinopels die
Erbschaft des byzantinischen Kaiserreiches an-
traten, sollen zum erstenmal ihrer Bedeutung
entsprechend beachtet werden. In die Regierungs-
zeit des Sultans Suleiman des Prächtigen, des
großen Gegners Karls V. und Freund Franz I.,
fällt die Blüte der türkischen Kunst, die auf ver-
schiedenen Gebieten, z. B. dem der Keramik,
Unerreichtes geschaffen hat. Man wird sich be-
mühen, die in mehreren Städten Deutschlands
und Österreich-Ungarns aufbewahrten Erinne-
rungen an die Türkenkriege zusammenzubringen.
Es sei hervorgehoben, daß der Einfluß der tür-
kischen Kunst sich nicht nur auf die venezianische,
sondern auch auf die Kunst der übrigen euro-
päischen Länder erstreckt, und ein Hauptziel
der Ausstellung wird sein, dies durch ausge-
wählte Beispiele zu beweisen.

Auch die auf Persien zurückgehende äußerst
prächtige Kunst der indischen Mogulkaiser soll
zur Anschauung kommen, ebenso die maurische
Kunst Spaniens, die vor allem in ihren kera-
mischen Erzeugnissen Hervorragendss geleistet
hat und auf die Entwicklung der italienischen
Majolika von bestimmender Bedeutung ge-
wesen ist.

Eine Bibliothek, die die wichtigsten den Orient
betreffenden Werke von Anfang der Buchdrucker-
kunst bis in die Gegenwart vereinigt, wird zu-
sammen mit einer Sammlung von Gemälden
und Kupferstichen die Kunst und Kultur des
Orients anschaulich vorführen.

Über die Vorbereitungen für diese hoch-
wichtige Ausstellung werden wir unsere Leser
ständig auf dem Laufenden halten.

S

FRITZ OSSWALD.

(Kollektion im Salon Schulte.)

Wir lernen in dem dreißigjährigen Schweizer
Fritz Osswald, der sich in München unter Gysis
und Diez ausgebildet hat und dort seit Jahren
tätig ist, einen hoffnungsvollen Künstler kennen,
dessen kühne und sichere Technik in dieser
 
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