Ä usftellungen
Husfte Hungen
Berliner Husftellungen
Beckmann/ElLiffitjky/Röricbt/S trübe/
Nefd) / Sd)wid)tenberg.
Eine zufammenfaffende, obfcbon leider nid)t
weit genug ausbolende, alfo nicht die imprefßio-
niftifcbe Frübperiode einfcbließende Darbietung
der Graphik und Malerei Max Beckmanns
bei Paul Caffirer (dem immer wieder die faßt
einzigen repräsentierenden Kollektivausstellungen
Berlins zu verdanken find) fordert zur Diskuffion
auf. Es kann ja allerdings kein 3weifel befteben,
daß Beckmann eine der ernftßafteften und fef-
felndften Erfcbeinungen der Moderne ißt. Seine
ungewöhnlichen Vorzüge find Gewalt der Er-
findung und formale Konzentration. Jedes feiner
CUerke ißt beftig geftaltet und l^eftet fiel) vermöge
der Dringlichkeit feiner Äbfidjt in Vifion und
Ausdruck dem Betrachter ins Fjerz. Beckmann
hat in feinen beften Faffungen geradezu etwas
von Stempelnder Preßkraft. Und er verfteigt
ßtch, dort wo er verwiegen iß, jedenfalls zu
akuten und ftets ungeringen Vorwürfen, er über-
windet die Eitelkeit der Ateliers, er ftellt ßid)
der Crägbeit des Vorübergehens hart in den
Cjüeg. Grund genug alfo, Beckmann Bedeutung
beizumeffen. Allein, darin gefebieht heute dod)
wohl ein wenig zu viel: die berrfebende Über-
febätjung ift ungeheuerlich. Soeben ift ein mäch-
tiges Klerk erfebienen, eine Publikation, wie fie
Botticelli, Qolbein, Munch noch nicht befebieden
gewefen ift, in der vier Fjauptcracks der Kunft-
betrad)tung Fjymnen anftimmen. Kaum einem
^weiten unter den heute Führenden erwäcbft
fo wenig ttliderfprucb wie Beckmann. Um fo
notwendiger einmal ein kleiner Vorftoß, der die
engen Grenzen, die Schwächen diefes jetjt über-
ßicbtlid) ausgebreiteten Schaffens aufzuzeigen
wagt. Beckmann neigt feit jeher zum Senfatio-
nellen, zum Spektakelbild; und wenn er feit
dem Kriege zur Darftellung der mehr innerlichen,
verfcbleppten Kataftropben in einem etwa an
Muitfcber orientierten, expreffiv-gefdjacbtelten,
magifch-realiftifchen Stil gelangt ißt, fo ift die
Katalepfie diefer heutigen Albträume doch rnit
nicht viel weniger äußerlichen Mitteln beftritten
als die Aufregung früher Darftellungen desCitanic-
Untergangs oder des jüngften Gerichts. Beckmann
verläßt ficb ein wenig fehr auf ein ftebendes In-
ventar von Verrenkungen, fcbielenden Gebärden
und feltfamen Utenfilien. ttlie er Krampf dar-
ßtellt, das ift keineswegs ohne Krampfbaftigkeit.
ttlie er die verhedderten Gliedmaßen feiner Mario-
netten eng mit Lattenwerk, Megaphonen, glut-
äugigen Katern und Masken verpackt, fcbrill die
Formen gegeneiander klebt und vergrätfebt,
wiederholt er verdächtig oft diefelben Attitüden
fcbiefeckiger Beklommenheit und ingrimmiger
Buffonerie. Unleugbar erreicht er eine gewiffe
harte, hermetifche Stimmung; und man entzieht
ficb nicht dem graußigen Spuk jenes Irrenhaus-
traumes von 1921, der Geläbmtbeit jener troft-
los ernüchterten Straßen, der zähen 5'lflofigkeil
der Geften und Mienen. Dies Scheppern und
Raffeln der äußerften Einfamkeit, der gedräng-
teren Öde läßt nicht kalt — oder macht viel-
mehr fröfteln. Genauerem 3ublick jedoch kann
nicht entgehen, wieviel hier leeres Markieren
und Grimaffieren bleibt, und mit wie billigen
Mitteln oft die fletfcbende Abfcbeulicbkeit be-
wirkt ift. Rafch verblaßt die Eigenart der Still-
leben und Landfcbaften und läßt ein bloßes Ge-
hülfe zurück. Coli in der Vifion ein „Frauen-
bad“, überragend die kühle Impertinenz des
Cons und der Symmetrie eines Damenbildniffes
von 1922. Aber beachtet man Einzelnes, fo
kommt man oft auf Summarifcbes und in ßich
Cotes. Das graphifche ttlerk rechtfertigt ein
Urteil, das Beckmann vornehmlich auch in feinen
Gemälden als 3eicbner anfpriebt. Aber auch
hier ift nicht alles fo fanatifcb gelebt und ge-
zeichnet, wie es vorgibt, — ift Manches Schall
und Verwifdrmng. Beckmann wird ßid) über-
leben wie Balufcbek. Diefe Erkenntnis foll uns
nicht gegen feine oft betonten ttlerte verfcbließen
und vor allem dem Unternehmer diefer Aus-
heilung den Dank keineswegs kürzen. —
Der ruffifebe Seichter El Liffitjky erfebeint
im Graphifchen Kabinett I. B. Neumann
mit einer größeren Anzahl von Reißbrettpbanta-
ßien, die er eigenwillig „Prounen“ nennt, um fo
von vorn borein die Erwartung von fcbildernden
Darftellungen auszufchließen und mit folcbem
„felbftaufgewacbfenen“ Cerminus feine Abficbt
zu kennzeichnen: „eine felbftaufgewacbfene Ge-
gebenheit zu bilden“. Alfo Autonomismus der
Form, Konftruktion aus Elementarwerten. Der-
gleichen überrafcht heute gar nicht mehr fo fehr;
die Fruchtbarkeit des Prinzips, fein Sinn erfebeint
unzweifelhaft. Der neue Name will etwas über-
flüffig Vorkommen, gerade weil diefe Dinge noch
nicht endgültig, und alfo begrifflich noch nicht
definierbar find. Fjalb Etüden, halb Abftrak-
tionen; nicht fo fehr bildmäßige, als ideale Selb-
ftändigkeit anftrebend. ElLiffißkys Figurationen
bleiben gleichwohl dubios, vor allem, weil es
ihnen an Konfequenz und an Geftait wirkender
Klarheit der Formgedanken gebricht. Ihnen fehlt
alles Schlagende der Kontrapunktion; aus ihrem
gewiß nickt pbantafielofen Spiel blinkt nirgends
ein heureka. Ich habe hier einmal von Moboly-
Nagys Pedanterie gefprochen, ohne vielleicht ge-
bührend feine Stärken zu erkennen und zu be-
nennen. Ein Vergleich mit dem in feiner ara-
besken Neigung ja fo gar nicht pedantifeben El
Lifßifeky ftellt diefe Stärken nun deutlich heraus:
die Fähigkeit zum Signet, die unendliche Sauber-
keit der Faktur, eine äftbetifcb befriedigende
Genauigkeit und Logik der Durchführung. ttleder
die Grammatik noch die Orthographie El Liffitjkys
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Husfte Hungen
Berliner Husftellungen
Beckmann/ElLiffitjky/Röricbt/S trübe/
Nefd) / Sd)wid)tenberg.
Eine zufammenfaffende, obfcbon leider nid)t
weit genug ausbolende, alfo nicht die imprefßio-
niftifcbe Frübperiode einfcbließende Darbietung
der Graphik und Malerei Max Beckmanns
bei Paul Caffirer (dem immer wieder die faßt
einzigen repräsentierenden Kollektivausstellungen
Berlins zu verdanken find) fordert zur Diskuffion
auf. Es kann ja allerdings kein 3weifel befteben,
daß Beckmann eine der ernftßafteften und fef-
felndften Erfcbeinungen der Moderne ißt. Seine
ungewöhnlichen Vorzüge find Gewalt der Er-
findung und formale Konzentration. Jedes feiner
CUerke ißt beftig geftaltet und l^eftet fiel) vermöge
der Dringlichkeit feiner Äbfidjt in Vifion und
Ausdruck dem Betrachter ins Fjerz. Beckmann
hat in feinen beften Faffungen geradezu etwas
von Stempelnder Preßkraft. Und er verfteigt
ßtch, dort wo er verwiegen iß, jedenfalls zu
akuten und ftets ungeringen Vorwürfen, er über-
windet die Eitelkeit der Ateliers, er ftellt ßid)
der Crägbeit des Vorübergehens hart in den
Cjüeg. Grund genug alfo, Beckmann Bedeutung
beizumeffen. Allein, darin gefebieht heute dod)
wohl ein wenig zu viel: die berrfebende Über-
febätjung ift ungeheuerlich. Soeben ift ein mäch-
tiges Klerk erfebienen, eine Publikation, wie fie
Botticelli, Qolbein, Munch noch nicht befebieden
gewefen ift, in der vier Fjauptcracks der Kunft-
betrad)tung Fjymnen anftimmen. Kaum einem
^weiten unter den heute Führenden erwäcbft
fo wenig ttliderfprucb wie Beckmann. Um fo
notwendiger einmal ein kleiner Vorftoß, der die
engen Grenzen, die Schwächen diefes jetjt über-
ßicbtlid) ausgebreiteten Schaffens aufzuzeigen
wagt. Beckmann neigt feit jeher zum Senfatio-
nellen, zum Spektakelbild; und wenn er feit
dem Kriege zur Darftellung der mehr innerlichen,
verfcbleppten Kataftropben in einem etwa an
Muitfcber orientierten, expreffiv-gefdjacbtelten,
magifch-realiftifchen Stil gelangt ißt, fo ift die
Katalepfie diefer heutigen Albträume doch rnit
nicht viel weniger äußerlichen Mitteln beftritten
als die Aufregung früher Darftellungen desCitanic-
Untergangs oder des jüngften Gerichts. Beckmann
verläßt ficb ein wenig fehr auf ein ftebendes In-
ventar von Verrenkungen, fcbielenden Gebärden
und feltfamen Utenfilien. ttlie er Krampf dar-
ßtellt, das ift keineswegs ohne Krampfbaftigkeit.
ttlie er die verhedderten Gliedmaßen feiner Mario-
netten eng mit Lattenwerk, Megaphonen, glut-
äugigen Katern und Masken verpackt, fcbrill die
Formen gegeneiander klebt und vergrätfebt,
wiederholt er verdächtig oft diefelben Attitüden
fcbiefeckiger Beklommenheit und ingrimmiger
Buffonerie. Unleugbar erreicht er eine gewiffe
harte, hermetifche Stimmung; und man entzieht
ficb nicht dem graußigen Spuk jenes Irrenhaus-
traumes von 1921, der Geläbmtbeit jener troft-
los ernüchterten Straßen, der zähen 5'lflofigkeil
der Geften und Mienen. Dies Scheppern und
Raffeln der äußerften Einfamkeit, der gedräng-
teren Öde läßt nicht kalt — oder macht viel-
mehr fröfteln. Genauerem 3ublick jedoch kann
nicht entgehen, wieviel hier leeres Markieren
und Grimaffieren bleibt, und mit wie billigen
Mitteln oft die fletfcbende Abfcbeulicbkeit be-
wirkt ift. Rafch verblaßt die Eigenart der Still-
leben und Landfcbaften und läßt ein bloßes Ge-
hülfe zurück. Coli in der Vifion ein „Frauen-
bad“, überragend die kühle Impertinenz des
Cons und der Symmetrie eines Damenbildniffes
von 1922. Aber beachtet man Einzelnes, fo
kommt man oft auf Summarifcbes und in ßich
Cotes. Das graphifche ttlerk rechtfertigt ein
Urteil, das Beckmann vornehmlich auch in feinen
Gemälden als 3eicbner anfpriebt. Aber auch
hier ift nicht alles fo fanatifcb gelebt und ge-
zeichnet, wie es vorgibt, — ift Manches Schall
und Verwifdrmng. Beckmann wird ßid) über-
leben wie Balufcbek. Diefe Erkenntnis foll uns
nicht gegen feine oft betonten ttlerte verfcbließen
und vor allem dem Unternehmer diefer Aus-
heilung den Dank keineswegs kürzen. —
Der ruffifebe Seichter El Liffitjky erfebeint
im Graphifchen Kabinett I. B. Neumann
mit einer größeren Anzahl von Reißbrettpbanta-
ßien, die er eigenwillig „Prounen“ nennt, um fo
von vorn borein die Erwartung von fcbildernden
Darftellungen auszufchließen und mit folcbem
„felbftaufgewacbfenen“ Cerminus feine Abficbt
zu kennzeichnen: „eine felbftaufgewacbfene Ge-
gebenheit zu bilden“. Alfo Autonomismus der
Form, Konftruktion aus Elementarwerten. Der-
gleichen überrafcht heute gar nicht mehr fo fehr;
die Fruchtbarkeit des Prinzips, fein Sinn erfebeint
unzweifelhaft. Der neue Name will etwas über-
flüffig Vorkommen, gerade weil diefe Dinge noch
nicht endgültig, und alfo begrifflich noch nicht
definierbar find. Fjalb Etüden, halb Abftrak-
tionen; nicht fo fehr bildmäßige, als ideale Selb-
ftändigkeit anftrebend. ElLiffißkys Figurationen
bleiben gleichwohl dubios, vor allem, weil es
ihnen an Konfequenz und an Geftait wirkender
Klarheit der Formgedanken gebricht. Ihnen fehlt
alles Schlagende der Kontrapunktion; aus ihrem
gewiß nickt pbantafielofen Spiel blinkt nirgends
ein heureka. Ich habe hier einmal von Moboly-
Nagys Pedanterie gefprochen, ohne vielleicht ge-
bührend feine Stärken zu erkennen und zu be-
nennen. Ein Vergleich mit dem in feiner ara-
besken Neigung ja fo gar nicht pedantifeben El
Lifßifeky ftellt diefe Stärken nun deutlich heraus:
die Fähigkeit zum Signet, die unendliche Sauber-
keit der Faktur, eine äftbetifcb befriedigende
Genauigkeit und Logik der Durchführung. ttleder
die Grammatik noch die Orthographie El Liffitjkys
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