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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1246

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Verfcßiedenes

auch die geringfte Äußerung des Genies diefer
Gründer der Bolognepfcßen Schule dem Forfcßer
durch Reproduktion der ttlerke zugänglid) ge-
macht. Doch aud) die kleinen Meifter der
Scßule wie Lionello Spada, der Caravaggio-
Schüler, Ciarini uud Cavedoni haben eine forg-
fältige Berückpcbtigung gefunden und pnd im
ganzen ümfang il)rer Bolognefer Tätigkeit auf-
genommen. Guido Reni, Guercino und Dome-
nidbino waren zu bekannt, als daß es bieruod)
eines Anftoßes bedurft l)ätte, um ißre Leißungen
in das Ließt einer gerechten ßiftorifeßen Be-
trachtung zu rücken. Fjier hatte die Campagna
nur die Äufgabe, eine Reiße bisher überfeßener
tOerke dem gepd)erten Oeuvre beizufügen. In
gewiffem Sinne als eine Ncuentdeckung kann
Andrea Donducci, genannt Maßelleita, gelten,
der durd) feine geiftreieße Pinfelfüßrung, feine
allen akademifeßen Regeln entgegengefe^teÜber-
fülle der Kompoptionen und fein ungezügeltes
üemperament ganz modern anmutet. Domenico
Maria Canuti gibt pcß in feinen Freskenmale-
reien in der Bibliotßek des früheren Olivetaner-
Klofters von S. Micßele in Bosco als einer der
ßeiterften Raumgeftalter des Barockzeitalters nießt
nur in Bologna, foridern in Italien überhaupt zu
erkennen. Ißm folgen um die COende des 17.
und 18. Jaßißunderts Francescßini, berüßmt durd)
feine zahlreichen Arbeiten in der Kirdje Corpus
Domini und fein Scßwager Quaini, mit dem zu-
rammen er den Cßor von S. Bartolomeo di
Porta Ravegnana mit Fresken ausgefcßmückt
ßat. Carlo Cignani, der in Forli parb, ift feßon
ganz derKünftler des neuen Jaßrßunderts. Seine
in Bologna und Umgebung verßreuten nießt
zahlreichen tüerke geben ißm durch ißr pracht-
volles Kolorit und die Größe im Bildaufbau eine
erfte Stelle in der Kunß feiner Vaterftadt. Von
der langen Reiße der Künßler des 18. Jahrhun-
derts, von Viani bis zu Ercole Graziani und
Donato Creti, welche die Campagna wieder zu
Ehren zu bringen fueßie, fei vor allem Gaetano
Gandolp erwähnt, in dern fieß die leichte Grazie
eines Boucher mit der monumentalen Gefte eines
Ciepolo verbindet. Seine (üerke bedeuten den
Fjößepunkt, zugleich aber auch den Äbfcßluß
der Bolognefer Malerei des Barock. r.
ift eine Rekonftruktion des Abend-
mahls von Leonardo da Vinci
in ö g 1 i d) ? 1
In einer eingehenden und reich illuftrierten
Studie gibt der kürzlich verftorbene Kunßge-
leßrte Fj. Kranicßfeld beachtenswerte Anregungen
zu einer Löfung der Reproduktionsfrage des
„Abendmahls“. Gegenwärtig fteßt es doch jo,
daß eine dem Stande der üliffenfcßaft entfpre-

1 3u der Veröffentlid)unc) von b. Krauid)feld; Sonder-
druck aus Velljagen & Klafings Monatsheften, flprill)eft
1924.

d)ende Abbildung des weltberühmten Gemäldes
einfach nießt exiftiert, da das feßon in der Mitte
des 16. Jaßrßunderts ruinöfe und feitdem wieder-
holt ausgebefferte und übermalte Original keine
brauchbare Aufnahme meßr ßergibt, und da die
einzig in Betracht kommende ältere Kliedergabe:
der populäre Stich Raff- Morgßens (aus dem
Jahre 1800), geradezu irreführend und uner-
giebig ift. Er ftellt auch eine Art Rekonftruktion
dar, aber eine mit gänzlich unzulänglichen Mit-
teln unternommene, da ißm in der Fjauptfacße
nur die Nachzeichnungen Matteinis nad) Sola-
rios Kopie des Abendmahls im FJieronymiten-
kloper von Caftellazzo zugrunde liegen; dazu
kommt noch die Qmftilifierung in die kalte, klaffi-
ziftifebe Sd)önßeitslinie! Etwas in jeder F)in-
peßt Überlegenes könnte eine moderne Rekon-
ftruktion leisten, die all das autßentifcße und
abgeleitete Material, die Originalftudien Leo-
nardos in ttlindfor, die feeßs Kartons in Straß-
burg aus der Leonardo-Nachfolge, die alte 3eicß-
nung des Cßriftuskopfes in der Brera, die alten
meßr oder weniger freien Fresko- und Ölkopien
des Gemäldes und die zehn Uleimarer Karton-
kopien, foweit diefe die Straßburger Kartons
ergänzen, kritifd) gepeßtet berückficßtigte.
Da aud) das Original immer noch die ßaupt-
linien der Kompofition und, was beforiders wich-
tig ift, noch deutliche Spuren der urfprünglicßen
Licßtfüßrung zeigt, fo würde das Fjilfsmaterial
ausreid)en, das neue Abbild dem urfprünglicßen
3uftande des Abendmahls feßr nahe zu bringen,
ja bei der größten 3aßl der Köpfe fogar den
feelifd)en Ausdruck wiederzugewinnen. — Die
Ausführung denkt pcß der Verfaffer fo, daß ein
Spezialift der Lionardo-Forfcßung und ein be-
fonders begabter und eingearbeiteter Maler da-
bei Fjand in Qand gehen, der erftere Kritik und
Rat in jedem Falle gewährt, während der Künftler
mit der ißm gebotenen Summe von gefieberten
Anhaltspunkten in feiner Pßantafie das Ganze
wiederzufammenfaßt und in einem Gemälde
überzeugend ßinftellt. — Das neue Abbild des
Abendmahls könnte dann in modernen Repro-
duktionen weiten Kreifen zugefüßrt, vielleicht
auch fogar wieder einmal in überlebensgroßen
Geftalten in aller Pracht in einer Kirche oder in
einem Verfammlungsraume einer Gemeinde aus-
gefüßrt werden. F. Becker.
3ur Herkunft gotifdjer Baukunft
In zwei Vorträgen über „Nordifcße Köriigs-
gräber und Stabkircßen“ atn „Öfterreicßifchen
Mufeum für Kunft und Indußrie“ ßat IJofrat
Strzygowfki den COurzeln gotifeßen Kircßenbaus
von einer bisher kaum beachteten Seite naße-
zukommen gefueßt. Von den Schiffsgräbern
Norwegens ausgehend, trachtet er die Stab-
kirchen aus der Struktur des Schiffes zu er-
klären, deffen Maftbaum ißm zur Stütze des
Baues wird, der auch in feinem eigenartigen

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