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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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Mittrvoch, l'i Zanuar



18«3

Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeirung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" fnr das urit 1.
Januar 1863 begonnene 1. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition.

* Politische ttmschau.

Die Druckschrift „Zur Wariiung vor de»
Eompensationen in der preußischen Militär-
frage, sechs Briefe an cinen Abgeordneten von
W. Rüstow, Oberst-Brigadier", ist seitens des
Berliner Polizei-Präsidiums mit Beschlag be-
legt worden.

Die „Rh. Z." schreibt: „Soqar das Bank-
directorium muß seine Bekanntmachungen jetzt
den regierungsfeindlichen, d. h. so' gut wie
allen politischen Zeilungen entziehen. Der preu-
ßische Handelsstano hak eine solche Unterord-
nung seiner wichtigsten VerkchrSinterefscn nn-
ter die politischen Liebhabereien eineS Mini-
steriums bisher wohl noch nicht erlebt."

Dcr Schleier, welcher über dte Gründe der
Müllensiefen'schen Mandatsniederlegnng gebrei-
tet lag, beginnt sich zu lüftcn; es scheint sich
allerdings etwas ganz Ungewöhnliches ereig-
net zn haben. Das Schreiben, welches Herr
MüUensiefen an den Kronprinzen zu richten
und mit der Empfangsbeicheinigung deS Ca-
binetssecrdtärs der Krvnprinzcssin der Oeffent-
lichkeit zu übergeben sich gkdrungen gefühlt
hat, soll Veranlassung gewescn sein, daß ein
Adjutant des Prinzen Friedrich Carl im Hause
des Herrn Müllensiefen zu Crcngeldanz sich
habe anmelden lassen, um von letzterem eine
„Grklärung" zu erlangcn. Was da unter 4
Äugen paffirt scin mag, muß freilich schr un>
gewöhnlich sein, da Hr. Müllcnsiefen es nicht
mittheilen zu können glaubt.

Das preußische Voik ist, so viel sich nach
seiner Preffe urlheilen läßt, keineswegs gcncigt,
gegenwärtig kriegerische Politik zu treiben, am
wenigsten des Delegirten - Projectes wegeii,
das von selbst in sich zersallcn wird. Äber
auch die Znstimmung des Königs würde zn
einem kriegerischen Vorgehen gegcn Oesterreich
so nichtiger Ursache wegen nicht zn erlangen
sein. Es wäre sehr zu wünschen, daß die
Friedenspolitik wie im Acußern so im Jnnern
den Sieg gewinne.

Die neueste Znstruction des Ministers des
Jnnern, v. Persignp, an die Präfecten für die
künftigen Kammerwahlen lautet im Ncsumc:
„Alles ausbieten, nm die Regierungs - Candi-
daten durchzuseßen; schon jetzt keine Schritte,

keine Mühe scheuen; dort, wo dies nicht mög-
lich, lieber Demokraten, Republikaner oder
Socialisten, als Orleanisten. Gegen letztere
haben Sie freie Hand. Dcr Kaiser haßt sie
wie die Pest!" Ratürlich sind dicse Jnstruc-
tionen vertraulichcr Natur; aber das Rund-
schreiben eristirt.

Wie die „Kreuzzeiiung" hört, bereitet sich
in Bezug aus die Frage wegen der Delegir»
tcnversammlung aM Bundestag ein Umschwung
vor. Einige Negierungen, die ursprünglich
sür bas, von Preußen zurückgewiesene Project
gestimmt waren, soüen jetzt zu einer Verstän-
digung rathen.

Der „Triester Zkg." wird aus Konstanti-
nopel geschrieben: „Ueber die Ursache der Ab-
berufung des preußischen Gesanvtcn, Barvns
v. Werthern, dringt nichts burch, indeß darf
Lieser Diplomat, wenigstens seinen Aeußerun-
gen nach, dreist zu den Beamten gezählt wer-
den, welche auf den Nationalsond Anspruch
habcn, da cr aus seiner Mißbilligung der
preußischen Zustände nie ein Hehl macht."

„Temps" erfährt ebcnsalls, daß ans Antrag
des Berliner Cabinels Unterhandlungen zwi-
schen Preußen und Frankreich eröffnet wurden,
um in München und Stuttgart neue Vorschläge
zu machen, durch welche die Anstände der bei-
den sübdeutschen Regierungen theilweise besei-
tigt wurdcn.

Jn einem Privatconseil, unter dem Borsitz
der Königin in Osborne, ist dic Einberusung
dcs Parlaments aus den 3. Februar festgeseßt
worden.

Nach Londoner Berichten soll Prinz Ferdi-
nand von Portugal nun dvch auf König Leo-
polds Verwendung den griechischen Thro» an-
genommcn haben. »

In ben letzten 10 Jahrcn haben in dcn
englischcn Kohlengruben mehr als 9000 Men-
schen ihr Lebcn verloren.

Das Journal „L'Europe" meldet, daß Hr.
Scialoja nach Paris zurückkehrt und daß cine
einzige Conferenz genügen werde, um die dcsi-
niiive Unterzeichnung des Handelsvertrages
zwischen Frankreich und Jtalien vorzubereiten.
Die Umstände, welche vie Unterhandlungen
übcr denselbcn unterbrochen haben, seien gänz-
lich geschwunden.

An die Stelle des verstorbenen Cardinals
Morlot ist der Bischof von Nancp, Hr. Dor-
boiö, zum Erzbischof von Paris ernannt.

Jn Paleemo sind 180 Galeerensträflinge
enisprünge». Z» Neapel wurden die klerikalen
und bourbonistischen Blätter confiscirt.'Meh-

rere Banden sind geschlagen und der berüch-
^ tigte Führer Pctrozzi getödtet worden.

Der „Preffe" wird aus Vcrona gcschrieben:
f Das srühere außerordentlich gespanntc Ver-
! hältniß zwischen Oesterreich und Piemvnt be-
ginnt stch na'ch und nach ekwas zu beffern.
Die gewiffcn Grenzconflicte haben gänzlich
aufgehört, und im Gegenthcil bcfleißigt man
sich einer gewiffcn gegenseitigen Courtoisie.
Während der letzten Feiertage waren mehrere
piemontesische Officiere, darunter selbst gebür-
tige Venetianer, auf Besuch hierhergkkominen
und wurden allcnthalben mit der größte» Aus-
merksamkeit und Artigkeit behandelt.

Briefe aus Rom berichten, daß der Papst
dcn Liberälen von Biterbo, welche nach dcm
Aufhören der piemontesischen Besetzung im
Jahr 1860 ausgewandert waren, die Rüch-
kehr gestatlet hat.

Nach den letzten Nachrichtcn aus Athen soll
König Ferdinand erklärt habcn, er werde die
griechische Krone nur bei bedeutender Gebiets-
vergrößerung annehuien.

Die Berichte aus Konstantinopel übcr die
Verschwendungen des Sultans lauten immer
schlimmcr; er hat nun seincm Zahnarzt, der
ihm einen Zahn geschickt ausgezogen, ciiien
Palast am Bosporus geschenkl.

Deutschland

Karlsruhe, 10.. Zan. Nicht gcringe
Verwuiiderung hat hier eine Notiz über un-
scrn trefflichen Landsmann, den Verfaffcr
dcs „Ekkeharl", Hru. V. Scheffel, erregt, bic
jctzt durch die Preffe läuft. Man weiß hier
allgemein, daß derselbe es liebt, abwechsclnd
längere oder kürzere Zeit a» solchen Orten
zu verweilen, wo Geschichte und Sage spic-
len, die ihn gerabc beschüftigen, oder wo Bib-
liotheken sinb, die ihm gewiffe Studien
ermöglichen, oder wo Freunde von vcr-
wandten Bestrcbungen leben u. s. w.,
und baß er oft jahrelang von hier abwksenv
ist. So brachte er den letzten Sommer und
Herbst in der Schweiz zu, die er nach allen
Richtungen bis in's Engadin durchstreifte.
Von dort ist er vor einigen Wochen hierher
zurückgekehrt, heiter und mit reicher poetischer
und literarischer Ausbeute. Was da von
Zlmenau ober Zllenau ausgestreut wird, ist
eitel Fabelei. Es stchl zu hoffcn, daß in nicht
ferner Zeit eine ncue Frucht des poetischen
Schaffens Scheffels juTage lrkten wird. (Fr. I.)

Aus dem Grvßherzogthum Hcffen,

9. Zan. Nach den in Darnisladckerschenieiideii

Zur Eutdeckuug der Verschwörung des pol-
nijchen Centralcomite's
haben, der „Schl.-Ztg." zufolgc, folgende That-
sachcn gcführt: Eine Damc war es, die dcm Poli-
zeimeistcr Oberstcn v. Sengbnsch die wichtigstcn Ent-
hüllungcn gcmacht hat. Jn Folge deffen bcgab sich
s dcrselbe zu Nicolaus Epstcin, den er geradc bci sei-
ncm Schrcibsccretär antraf. Diescr wiedersetztc sich
nicht, bot aber dcm Oberstrn 10,000 Silberrubel
f an, wenn er thm erlaubcn wollte, ein Blatt untcr
den bci ihm consiscirtcn Papieren zu vernichten,
ein Vorschlag, auf den der Oberst natürlich nicht
einging. Man sägt, es seien auf jenem Papier die
Namen der Mitgliidcr deS galizischen und Posener
> Revolutionscomite's vcrzeichnct gcwesen. Die Pa-
i piere habcn sonst ergebcn, daß Epstein Mitglied dcs
Centralcomitc's und „Finanzminister" war, wäh-
f rcnd sein Schwager, Lcon Frankowski,alS „Kriegs-
f minister" fungirte. Auch dieser und ein dritter
„Minister" des Eomite's sind verhaftet. Des Mor-
' gens früh am 23. v. M. begab sich nun Scngbusch
i in Begleitung von vier Polizeibeamten nach dem
s Hause der Wittwe Hatrich in der Widokstraßc. Es

ist dies cin kleincS einstöckigcS, unscheinbares HLus-
chcn. Hier theilte er der Dame mit, er müffe cine
Haussuchung bct ihr vornehmcn, worauf diesc schein-
bar ruhig cinging, indem fie die Polizei in Be-
gleitung eines verwachfenen Manncs, NamcnsKlas-
sowicz odcr Kloffowicz, dcr sich als HauSdiener an-
kündtgtc, überall hcrumführte. Man fand nichtS.
Dcr Obcrst war indeß sehr genau unterrichtet, und
auf cine klcine Thür auf dem Boden dcutend, fragte
er, wohin diese führe. Man sagte ihm, cs sei eine
Holzkammcr, und bei der Ocffnung der Thürc fand
Man auch diesc Angabe bestätigt. Schon glaubte
mau, das Nest fei bereits vorher geleert «orden,
alS noch cine zweite Thüre bemerkt wurde. llnd
dicsc Thüre? Ach, sagte Hairich, das ist ein Zim-
merchen, das ich ciner altcn Frau vcrmiethet habe;
ich könnte es Ahnen nicht ctnmal öffnen, denn sie
ist seit zwci Tagen verrcist und hat den Schlüffel
mttgenommcn. Der Oberst wußte indeß bercitS,
an wclchcr Stclle dcs Bodcns der Schlüffel hing,
nahm densclben von dort und sagte: So versuchen
Sie eiiimal mit diesem Schlüffel, Madamc! Die
Frau stclltc fich an, als licße sich das Schloß nicht
öffnen. Da öffnetc der Oderst seibst, und fiehe da,

eine vollständtge Druckerei «ard sichtbar. Die Frau
fiel mit einem Schrci ohnmachtig zu Boden. Und
wcm gehört diese Druckcrei? Mir! bcmcrkte der
Vcrwachscne. So! da könucn Sie wohl auch drucken?
Die Frage wurde bejaht. Ziehen Sie cinmal einem
Jeden von unS ein Eremplar dicses Satzcs ab.
Dies g'eschah und jcder Polizeibeamte hattc ein
Eremplar von Nr. 10 dcS „Ruch", dcs amtlichen
Blattes dcö revolutionären Centrakcomite's in Hän-
den. Zndeffcn hattc der Polizeimeifter am Ein-
gange dcs HauseS eincn Polizcisoldatcir hlngestellt,
mit dem Befehl, Jcdermaim cinzulaffen, aber Nie-
manden wieder hcrauszulaffcn. Gcgcn eilf Uhr
Vormiiiags nun crschicn ein Herr, dcr angab, Frau
Hairich, die tnzwischen mit ihren bciden Töchtern
sammt Kloffowicz vcrhaftcr «orden war, gehöre zu
scinen Vcrwanotcn; er habe in dcr Stadt gchörk,
eS sci hter ctwas vvrgcfallcn, er komme, sich nach
ihrcm Schicksal zu erkundigen. Man ließ ihn ruhig
hinein; alS ihm aber später oer Wache stehende
Polizcisvldai den Ausgang wehren wollte, zog er
einen Revolver hervor, und da dicser stch damit etn-
schüchtern licß, gelang es ihm zn enikommen. Zn-
deß «urde er angenblicklich verfolgi. Trotzdem ltkf
 
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