Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Januar
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0093

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
N: 2L.


Donnerstag, 29. Ianuar

InsertiollSgebährea für die Sspalttge yrtit-
;eile werdea mit 3 kr. berechael.

L8«3

* Politische Umschau.

Nach der „Breslauer Zeüung" >st >m Krelse
Kostroma die größte Jnsurgentenzahl; Kielce
und Pieirokow (Petrikau?) soll >n dcn Hän-
den der Aufständischen sein. Eine Proclama-
tion verspricht den Bauern Grundstücke als
Eigenthum und sagt, Mieroslawski sei im
Lande. Viele Gutsbefiher stüchten nach War«
schau.

Von einer bevorstehenden Unterredung zwi-
schen den HH. v. Rechberg und v. Bismarck,
von welcher neuerdings auswärtige Blätter
sprechen, ist in Wien nichts bekannl.

Eine Correspondenz der N. F. Z. äußert
über ren Untergang dcr Amazvne schließlich,
daß die ganze Mannschast vom Capitüu biS
zum leKten Auswärter von der Seeuntüchtig-
keit des Schiffes übcrzeugt gewcsen ist, und
das sie, alS der bcstinimkeste Besehl der höhe-
ren Behörde daS Schiff zum Auslause« zwgng,
dicsen Besehl als ihr Tovesurtheil betrachtet,
das Winv uud Wellen sicher an ihnen voll-
ziehen würde. Darüber liegen eine Reihe Briese
aus allen Kreisen der Mannschast und andere
sestgcstkllten Aeßerungen vor. Hiernach haben
wir es nicht uiehr mit dcr Geschichte eines
Ungliicks zu thu», sondern mit einer Anklage.
Eine Ankiage licgl vor, mindestens aus Tödt-
ung vvn Menschen durch Fahrlässigkeit. Stras-
gksetzbuch K. 1814 sagt: wer durch Fahrlässig-
keii deii Tod eines Menschcv herbeisührt, wird
mit Gesängniß von 2 Monalen bss zu 2 Zah-
ren HMqjt. — Wenn der Thäter zu der Aus-
merksamkeit oder Vorsicht, wclchc er bei der
fahrlässigcn Tödlung aus de» Augen setztc,
vermöge seines AmteS, Beruses oder Gewer-
bcs besonbers verpflichtet war, so kann der-
selbe zugleich aus eine bestimmkc Zcit, welchc
dic Dauer von süns Zahren nicht überstcigen
dars, »der für immer zu eincm solchen Auite
für unsähig rc. — Die Anklage ist also da,
aber wo ist nun der Kläger und wo ist der
Angeklagle? Dcn Ankläger muß bas Abge-
ordnctenhaus stellen, denn cs kann nicht wie-
der üder solche bcstimmte Thalsachen mit eincr
tabelnben Bemerkung sortgeheii; es muß. sie
durch einc gcnaue Untersuchung seststellen, und
wenn sie begründet sind, woran leider kaum
noch zu zweiseln, s» muß es im Zatereffe bes
Dienstes, im Znlereffe des Landes und vor
AUem im Zniercffe der Gerechtigkeit dic Schul-
digcn, wer und wo sie auch sein mögen, zur
gerechten Strafc bringen.

Dcn von ben Abgeordneten Virchow und
vou Earlowitz eingebrachten Abreß-Entwurf

haben die Abgcordneten von Bockum - Dolffs,
Haackc, Seubert und Ziegert nicht unterzeich-
net, und erklärt man dies auS Rücksichten auf
ihre persönliche Stellung zu der Folge der
Beamtendisciplinirung.

Jn Coblenz hat sich unter Lcitung hervor-
ragender Persönlichkeiten ber kaiholischen Par-
tei ein viertes und zwar ein katholisches Ca-
stn» gcbildet.

Die Veräaderung, welchc in der Lage der
österreichischen Preffe in Folge des neuen Ge-
setzes eintritt, ist cine principiell sehr bedeu-
tende. An die Slelle des Concesstonswesens
und der administrativen Züchtigung der Preffe
tritt nun dem Wesen nach das Spstem der
Preßfreiheit. Aber wer glauben wollte, daß
damit den Journalen etwa auch schon ein un-
gleich größeres Maß von Bewegungsfreiheitge-
währt, könnte leicht irren. Das neuc Preß-
gesetz trifft der Hauptsache nach doch nur bie
Form; in ungeschwächter Gilttgkeit bleibt das
alte, man weiß welcher Zeit entsprungene,
Strafgesetz, feßt noch ergänzt durch die nun
publicirte, beretts genügend gewürbigte Stras-
novelle. Unter ber Herrschaft schlechker Ge-
setze, haben wir jüngst bei ähnlichem Anlaß
gesagt, kann es auch recht gut gehen, und die
desten Gesctze kann eine schlechte Praris ver-
derben. Das findet vielleicht nirgenvs eine
überzeugeudere Nutzanwendung, als gerade
beim Preßgcsctz. Die Wirksamkeit der neuen
Gesetzc dcschränkt sich übrigeus auf die im
cngeren ReichsSath vertreteiie» Länder.

Hcute tritt auch der Pefther „Sürgönp" mit
einem präciseren Vorschlage „zur Lösuug" her«
vor, — Ueber die Art und Weise, wie baS
Resultat, ein Compromiß zwischcn den 48er
Gesetzen unb dem Febrnarpatente zu schaffen,
angebahni werdeii könnte, spricht sich genann-
teS Blatt dahin aus: „daß die ersten Schrstte
zur Nachgiebigkeit auf Seite des Hebruarpa.
tenteS zu gkschehe» habe, unb zwar, indem
man den cngeren Reichsrath gusnahmsweise
sür compctent erklärt, dif Februar-Vcrsaffung
zu revibiren. Es könntk bies um so leichter
geschehen, als man auff diescr Seste keine
Traditionen zu opfern habe."

Nach eincr Correspoiidenz der „Allg. Z."
würde die Deiegirtcnversammlung „des. pro-
feciirten SonderbundeS" der großdeutschen Re-
sormstaaten mulhmaßlich nach Frankfurt zu-
sammenberufcn werden.

„Nord" sagt, die Höllenmaschine, welche
durch bas Dclegirtenproject am Bund gelegt
werden svljte, sei, ohne weiteren Schaden zu
lhun, verpufft.

Dke zwökfte ordentli'che holsteinische Stände-
versammlung ist heute eröffnet worden.

Nach der „Turiner Zeitung" ist Arace di
Negro zum Marineministcr und Pepoli zum
Gesandten in Petersburg ernännt worden.

Nach dem „Movimento" siad in Genua
strengc Verorbnungen für Ueberwachung des
HafenS, namentlich zur Nachtzeit, gegebkn
worden; es sei die Rede von einer viazzi-
nistischen Erpedition oder von bourbonijchen
Zntriguen.

Die „Mornig-Post", Lord Palmerstons Or-
gan, und die „Dailp News" betrachten den
Aüfstand in Poleu als einen VerzweiflungS-
Act, deffen Erfolg unmöglich sei. Dic „Mor-
ning-Post" ertheilt dem Kaiser von Rußland
drn Rath, Polen eine Cvnstitution zu geben.

Jm Widcrspruch mit den St. Petersburger
Nachrichten wiffen weder dic directen Korre-
sponbenzen noch die Privatdricfe aus War«
schau bis zum 25. d. M. Etwas von cinem
Kampse in der Scadt am 23. d.

Nach der „A. Z." wirb die Annahme der
gricch. Krone bei ständischer Gewährung der
herzoglichen Ansprüche nicht bezweifelt. Der
Brüsscler Conferenz wohnten RußländS und
Frankreichs Vertreter bei.

Die Handelskammer in Corfn protestirt
einsti'mmig gegen dic Behauptung auSwärti-
ger Blalter, sie wünsche den Anschluß an
Griechenlanv nicht unv habe der Dankavreffe
ihrc Unterschrist verweigert. Zonische Blät-
ler behauplen, daß Riemand auf den Zvnischen
Jnseln sei, der die Union nicht wolle.

D eutschla « -

Kaffel, 26. Zanuar. Die Beisetzung der
Leichc beS Generallikulenanis v. Hapnau er-
folgte heute Vormiuag auf dem Militärtodten-
hofe? da man eine GeisteSstörung constatirt
hatte, so wurden die üblichen Feier.iichkeiten
beobachtet.

Dresden, 27. Zan. Das heutige „DreSd.
Zournal" bringt ein Warschauer Telegramm
von heute Vormittag. Gestern wurde daS
Standrecht sür AUe, die mit den Waffen in
der Hand ergriffen werben, proclamirt. War-
schau ist ruhig. Verschärfte Polizeivorschrif-
ten;.Latera,eujwang.

Berlin, 23. Jan. Der König empsing
gcstern wieder einmal eine Deputalion auS
dem Großherzogihum Poscn, geführt vom
Kammcrherrn Freiherrn Hiller.v. Gärtingen,
welche eine Lopalitätsadreffk mil 4000 Ünter-
schriften überretchte.

Eine Spaziersahrt nach der neuen Welt.

(Fortsetzung.)

Zch «eiß recht gut, Alles hat seine Schattensci-
ten, und ble Bestialität ist hicr wie üderall zu
Hausc, allein ich reisc nicht um zu moralisiren.
WaS kümmert's mich also, wenn in dcm Boot,
wclcheS jetzt unter unserm Spicgcl dahcrftiegt,
zwei dickc Gestalten mii coufiscirtcn Phyfiognomien
schadig gentit, dcn H»t im Racken, tn dlosen
Hemdärmeln, mit Stcntorftimme'brüllcn: „Hal-
loh! Zhr Leute aus Heffcn! Euer Landsmann, dcr
Doctor Kellncr, läßt grüßcn und ladct Euch cin,
ihn heut Abend in ShakcSpcare's Hotel zu desu-
chen; er wird einc Rcde haltcn!" Jch sagc, was
kümmert'ö mich, wenn geschickt gevorsen, aus dcm
Boote zwci Pakcte mit Adreßkarteu jenes nicht im
bestcn Renomme ftchenden Hotels, dcr Kncwsam-
melplatz dubiöser polktischer Flüchtlinge, aus unscr
Deck ftiegen? Es ftnd Runners zu Waffcr, wclche
die Grünen anlockcn und dabci cin Paar Schilling
Provifiou verdienen. Daß die guten Hcssen ohne
Ausnahme nach den beiben LandSleuten reckhalseten,

versteht sich von sclbst; daß sie selig waren, sich in
Amcrica deutsch angercdet zu hören, dito; daß sie
der Linladung folgtcn und tüchtig geprellt wur-
den — höchst «ahrschcinlich.

Wir fuhren jctzt in dcn Northriver hinetn und
sahen erft hler die ersten Häuser der Siadt New-
Nvrk. Ein mehr als cine Stunde langer brcitcr
Quai zieht fich an dem Fluß cntlang, in welchen
allc hundert Schritte langc hölzerne Fahrstege »om
Landc aus hineingebaut sind. An diescn „PierS"
legen die Schiffe an, um zu löschen, und die Klü-
vcrbäumc der grvßen Fahrzeugc ragen oft bis in
die Mitte d-r Straßc hinein. Diese PierS sind
nummcrirt. Von Zeiv.zu Zcit erblickt man große
Hallcn, mit Gittcrthvren versehen, am Ufer. Das
sind die Stationcn der Klußdampsschiffe und der
transatlantischen Stcamer.

Stopp! Nieder ging der Anker. Wir lagen auf
der Rhedc still, denn der Pier der Lompagnie war
bcsetzt.

Bon diesem Augcvblick an entstand ein heilloser
Wirrwarr. Wic ein Mückcnschwarin schoffen Boote
auf u»S zu und Schaaren baffcrmannscher und
Lhnlicher Gestaltcn erklettertrn unser Bord. Dtc

menschliche Verworfcnheit, Schurkerct und Bestia-
lität öffneten thren Bazar. Habgier, Roth uud
Hunger arbeiteten. ES rcgnctc Klugschriften, dicse
oder jene Comith elneS Staates im Wcstcn, diese
oder jenc rail-ivaä dahin zu empfchlen, Adreßkär-
tcn, Mock-Dicnstancrbietungen, »Keats koi 6er-
MLN serrants, welche aus den Aermel» die besten
Stellcn schüttclten, Runncrs von Boardinghäusern,
schäbigc Gentiemen, auf deren Gcsichtern die Wan-
zen daS Recommandationsschrctben deS HotelS, daS
fie vcrtraten, eingcfreffen hattcn, unh welches na-
tftrlich tn Grcenwich-Strcct lag, jcner meilenlan-
gcn doppelten Häuserreihe, wo deutsche Knetpen mit
deutschcn Schusterbubcn abwcchseln, und wo eSne-
ben wenigen ehrlichen Gaftwirthen viele menschen-
freundlichc Blutsaugcr gibt, die dem Einwanderer
so lange Kost und Logis credittren, biS er eine
Stclle gefunden hat, inzwischen ihm aber das Hemd
vom Leibe wcg dcbitircn.

Der „Alte" war so menschensreundlich gewesen,
unseren Auswanderern an Bord vorher gchörig
einzubläueu, daß sie unter keiner Bedingung auf
irgcnd einen Unbckanntcn hören svllten, und eS
schien «irklich, alS habe daS gewirkt, denn lange
 
Annotationen