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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0106

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den. (Der Mi'ni'sterprästdent tritt eln.) Die
letzten Zweifel habe vie gestrige Rede deS Mi-
nisterprästventen beseitigt. Derselbe habe recht,
klar sei die Situakion, gut aber sei fie nicht.
Herr v. Bismarek habe klar gesagt, daß lei-
der der Conflict nichk zwischen dem Hanse
und dem Ministerium, sondern zwischen Krone
und Volksvertretung, b. h. zwischen Krone
und Land. Der Ministcrpräsident habe sich
mit seiner Rede weit hinaus über das consti»
tutionelle Gebiet bcwegt, er habe den reinen
Absolutismus herauSgekehrt. (Rechts: hört!
hörk!) (Der Finanzminister tritt ein.) Der
Redncr wendet sich zu einer Beleuchtung der
rechilichen Seike der Bewilligungsbefugniß des
Hauses im Budget. Ständc die Sache so,
wie sie Herr v. Bismarck darstellt, so wäre
unsere Versaffung nicht das Stück Papier
werth, woraus sie geschrieben. (Bravo links.)
Zur Bewilligung sind aüerdings drei Factoren
nöthig, zum Versagen genügt ein einziger.
(Beifall.) Wenn abcr, wie es der Fall ist,
daS Lanv zu dem Hause steht, dann hat auch
das Land das Recht, seinen Willen auszuspre-
chen; es ist richtig, Einer muß weichen, das
Haus aber wird und kann aus dem Boben
seines guten Rechtes nicht zurückwcichen, die
Zustimmung des Landes aber verbürge jenen
Rechisstandpunkt deS Hauses. Dl'esen Skaud-
pnnkt iheilten übrigens aüe Parteien des Hau«
ses, mjt Ausnahme jener kleinen Fraction,
welche sich nur auf egoistische Zwecke stütze,
weil ihre Angehörigen die höchsten Stellen in
der Armee wie in der Civilverwaltung und
in der Nähc der Krone einnehmen, einc Par-
tei, welche nur stark, wenn die Krone im Con-
flict mit der Mehrheit des Landes ist. (Leb-
hafter Beisall.) Auf die Stellung und den
Einfluß dieser Partei kvmme eS gar nicht an,
sic sei nicht stark genug, um aus die Dauer
eine budgetlose Negierung zu ermöglichen. Man
mache von Seiten der Regierung cin gefähr-
liches Erperiment, sie mache für die Zukunft
selbst cin mäßiges liberales Regiment äußerst
schwicrig. (Beifall.) Wohin kvnne das jetzige
Spstem führe»? Ocirvyirungen versprächen
geringen Nutzen. Ein Wahlgesetz müßte un-
ter dcn jetzigen Umständen schon ein höchst
eigcnthümliches sein (Gelächter), die Regierung
würde jetzt immer die Jntelligenz und das
Vermögen gegen sich habcn. Man dürfe sich
üdcr die Lage keine Jllusionen machen, die
Regierung bcfinde sich nicht in guten, svndern
in gefährlichen Händen; nicmals habe eine so
schwere Krisis Preußen bevrückt als jetzt und
da alle Parteien, mit Ausnahme jener kleinen,
darüdcr einig seien, so sei auch der Zeitpunkt
gekommen, wo es gcsagt wcrden könnc und
müffe. Da müffe hinsichtlich dcr Form die
Minvrität sich ber Majorität fügen; Redner
wünsche allerdings Manches im Majoritäts-
entwurfc nicht, Manches anders gcsagt, allein
darauf kvmme es nicht an. Bei der Unmög-
lichkeit eincs Zusammengehens des Hauses
mit dcm Ministerium würde von Seiten der
Negierung jeder Adreßentwurf des Hauses für
eine Bkleidigung verschrien werden. Noch sei
von keiner Seite, abgesehen von den Feuda- !

bietet cs mir, Jhnen dieseS zn crlaubcn. Lcgcn
Sic sich glcich wieoer zu Bettc, damit Sie sich nicht
erkälten. Die Wahl kann ohnc Sie vor sich gchen,
nnd eS wird dabct auf eine einzelnc Stimme in
kcincm Fallc ankommen!"

„Nun, wcnn Sie meinen", cntgegncte dcr Patient,
„und wcnn cS durchaus nicht scin kann, so muß
ich cS halt unterlaffen. Es thnt mir aber schr leid,
dcnn.ich hätte gcrne meine Schuldigkeit gethan und
habe cS dem Herrn Pfarrcr sest »crsprochen, als
er mich die vorige Wochc besuchte."

„Dem Herrn Pfarrcr?" fragtc der Doctor cr-
staunt, „was habcn Sie dem vcrsprochen?"

„Sie müffen mich jcdenfallS bet dcm entschuldi-
gen", entgegnete dcr Kranke, „ich werde Allcs auf
Sie schieben. Jch hatte dem Herrn Psarrer ver-
sprcchen müffcn, zu wählen, wrnn cs Lußerst mög-
lich wäre, und dem Herrit M.. meine Stimmc zu
geben. ES wäre wie gesagt, recht gut gcgangen,
«eil mcine Frau nicht zn Hausc ist."

„Wic? — WaS sagen Sic?" rief der Doctor.
„Wartcn Sie einmal ctncn Augenblick, — laffcn
Sie mich einmal Zhrcn PulS fühlen! — Eincn
Augenblick Geduld, ziehen Sie ihren Rock nicht

len, der Vorwurf der Unwahrheit gegen die
Adreffc der Majorität erhoben worden, der
Ton sei weder unehrerbietig noch verletzend,
die alten Landständc hätten sich in Adreffen
gegen ihrc Fürsten einer noch ganz anderen
Sprache bedicnt. (Heiterkeit.) Redner hätte
den Passus über das Ausland anders gewünscht,
um den Scheiii vcrmieden zu sehen, als vb
man auf das Schiedsrichteramt des AuSlan-
des provocire. Dies sei nicht der Fall; in
den Ländern des höchsten Nationalgefühls gc-
braucht man den Hi'nweis auf das Ausland
als letztes Mittel zum Sturz einer unpopu-
lären Regicrung. Die Sprache Preußens am
Bunde sei in diesem Augenblicke nichtssagend,
Niemand in Deutschland halte eine Reform
der deutschen Zustände unter dem jetzigen Mi-
ni'steriiiin für denkbar, die Organe der Presse
seicn einstimmig in ihrem Hohn gegen die
jetzige Regierung' man denke nur an die Lcip-
zigcr Zeitung, und bedenke, daß dic rinzige
Ausnahme sich in Pariser Zeitungen mit ihren
Bcrliner Correspondenzen darbiete. (Geläch-
tcr.) Ueberall in Deutschland komme man auf
constitutionellem Boden vorwärts; nirgends,
selbst in Oesterreich nicht, gehe man so weit,
die Basis der Verfassung zu erschüttern; ge-
schieht dies wie bei unS, so müffen Alle zu«
sammenhalten. Ehe man dem Absvlutismus,
der über uns hereinbreche, freien Spielraum
gönne, eher werde man die heillgsten Bande
zcrreißen sehen, ein Versuch dazu würde die
Eristenz dieseS LandcS erschüttern. (Beifall.)
Herr Dr. Zehrt ist gegen die Adreffe, weil
dieselbe von einseikiger Auffaffnng der Lage
auSgegangen. Das Haus trage dic Schuld
an dcm Conflict, durch kie Stcllung, welche
es in der Militärfrage eingenommen, burch
den Mangel an Mäßigung in dem vergangc-
nen Jahre. Es fehle an einem offenen Be>
kenntiiiß der Schuld und in die Lücke träte
einc Sprache, welche den Conflict nur ver-
schärfcn könne. Man habc kein Rccht, stch
über Beamtcnmaßregelungen zu beklagen, Je-
der gebrauche seine Macht, wie er könne, habe
doch die Majorität die Mitglieder der Mlno.
rität von den Coniiniffionen ausgeschloffen.

(Kortsetzung folgt.)

Berlin. Zm Herrenhausc ist von der
Fraction Stahl eine Adreffc in Anrcgung ge-
bracht worden, welche natürlich zu der Adreffc
der Abgeordneten einen scharfen Gegensatz bil»
de» svll. Die Fraction Hohenlohe, zu welcher
die conservativ-Iiberalc hohe Aristokratie, an
ihrer Spitze der Herzog von Ratibor und von
Ujest, gehört, svwie bie Vertreter der Städte
haben jedoch gegen einc Adreffe sich ausge-
sprochen. Da demnach elne Adresse im Her-
renhause mit einer sehr bcdeutenden Minorität
beschloffen werden würde, so dürfte sic gänz-
lich unterblkiben.

Berli«, 29. Jan. Nach der neuesten Zu-
sammensteUung der Abgeordneten, nach den
Fractionen geordnet, ergibt sich folgendes Re-
sultat: Fraction der Cvnservativen 11, Con-
stitutionellen (v. Vincke) 22, Freicr parlamen-
tarischer Verein (v. Rönne-Lette) 18, Centrum
(Katholikcn) 32, Fraction des linken Centrums

aus, bis tch mtr dic Sache noch cinmal überlcgt
habc. Haben Sic gestern Abcnd vic Pillen genau
«ach meincr Anordnung eingenommen, «clche tch
Jhnen vcrschrieben habc?"

„Ja wohl", antwortctc dcr Kranke, den die übcr-
hand nehmcnde Schwäche jetzt nöthigte, sich ntcdcr-
zusetze», „ganz nach Vorschrift, wic tminer!"

„Welche Wirkung hatten fie?" fragtc der Doctor
weitcr.

„Nicht die bcste, Herr Wcdicinalrath", erwiderte
jener, „fie habcn mtch ganz außcrordentlich ange-
griffen, und drückten mtch lange nachher noch fürch-
terlich."

„DaS ist etn guteS Zcichen", versetzte der Arzt
mit wtchtiger Miene, „eS ist ein Beweis, daß sie
ihrc Schuldigkcit gethan und gehörig gewirkt ha-
bcn. — Dcr Puls ist allcrdings etwaS schwach, —
er grht aber in der That nicht schlecht, — ganz den
vvrliegenden Umständen gemäß! — Wic haben Sie
diese Nacht geschlafcn, metn Freund?"

„Sehr unruhtg, Herr Doctor", antwvrtetc dcr
Zimmermann, „ich konnte vor Lcibschmerzen lange
kein Augc zu thun, — erst gegen Morgen habe ich

(v. Bockum-Dolffs) 96, Fortschrittspartei 136
Polen 23, Wilde 9, erledigte Mandate 5.

Breslau, 26. Jan. Die „Schl. Ztg."
schresbt: „Heute frllh sollten mit dem Schnell-
züge alle hier nur irgendwie verfügbaren Gen-
darmen an die polnische Grenzc abgehen, um
d«'e Sicherheit diesseits zu untcrstützen."

Breslau, 29. Jan., Abends. Oie Brcs-
lauer Zeitung berichtet, daß die Eisenbahn
heute bei Petrikau wieder zerstört wurde. Die
Communication ist unterbrochen, der War-
schauer Zug auSgeblieben.

Paffau, 27. Zan. Hier hat sich gestern
auf Grund dcr Münchencr Satzuugen ein
großdeutscher Verei» gebildet, dem svfort gegen
60 Mitglieder bcitraten.

Oesterretchtsche Monarchte

Znnsbruck, 27. Jan. Von dem Fürst-
biscyof von Briren und einer Anzabl andercr
Abgeordneten ist bei dem Landtag ein Antrag
auf Abänderung des Protestantenpatents für
Tyrol eingebracht worden. Dersclbe geht da-
hin, daß keine Bildung einer protestantischen
Gemeinde im Lande zugelaffen werde und die
in Tyrol sich aufhaltendk» Proiestanten in
seelsvrglicher Hinsicht an dic zunächst gelegene
Gemeinde Oesterreichs gewiesen werden, jedoch
unter Aufrcchihaltnng der privatcn Religions-
übung. Dcr Ankauf unbeweglicher Güter sel
von Fall zu Fall durch ein Landesgesetz zu
gestatten. (Preffe.)

K r a n k r e t ch.

Paris, 28. Januar. Wie der „Temps"
meldet, hattc der Deputirte Em. Ollivier beim
Polizcipräfecten um die Erlaubniß nachqcsucht,
unter der ersorderlichen polizeilichen Aufsicht
und unter dcm Veisprechen, in Nichts dic
öffentliche Ordnung zu stören, eine öffentliche
Versammlnng znr Einsammlung von Beiträ-
gen für die noihleidenden Arbeiter einberufe»
zu dürfen. Am 25. Dec., am Tage ber kai-
serlichen Rede, wie der „Temps" hervorhebt,
wnrde dem Herrn Em. Ollivier durch einen
Polizei - Commiffär mündlich ein abschlägiger
Bescheid erthcilt.

Z t a l i e ,r

IkvM, 27. Zanuar. Der Papst hat im
„Giornale ki Roma" einen Bericht siber die
grausamen Bcrfolgungen drncken laffcn, mit
wclchcn man im anamitischen Reich gegen die
Christen wüthet. Darnach gehl auS authen-
tischen Documenten hervor, dnß im Zahre
1862 16,000 Christen den Märtyrertod erlit-
ten haben und 20,000 zu Sclaven gemacht
worden sind.

Rußland

Warschau, 25. Zan. Der „Nat.-Ztg."
wird geschrieben: Die Anfständischen scheinen
eincn Gueriüakrieg führcn zu wollcn. Bereits
hat ein großcr Theil der hicstgen Garnison
die Stadt verlaffen. Hier ist noch Alles ruhig,
aber wer kann wiffen, wie lange. Gcstcrn
kam die Schnellpost von Siedlce hier an und
brachte die Eingeweide des Gencrals Tscher-

ctwa zwei Stunden geschlummert, — ich glaube,
es war vor allzu großcr Schwäche!"

^ „Recht schön, rccht gut! Zwet Stunden warcn
hinrcichcnd", sagtc der Arzt. „Wiffen Sie «as,
liebcr Freund?, Es schcint mir, daß die Wahl
Jhne» viclc llnruhe und Bcsorgniffc macht, — d»
wird es doch wohl beffcr sctn, Sie befriedigen Jhr
Verlangcn, um so mchr, als Sie cs Jhrem Scel-
sorger versprochen haben. Dergleichen Dinge schla-
gen manchmal in übcrraschender Wcife zum Bestcn
auS. DaS Wetter ist zwar nicht befondcrs gut,
aber wcnn Sie hinfahrcn, fo «ird cSAHncn «ohl
nicht schaden. — Wiffen Sic waS, mein Wagen
HLlt untcn, ich will Sic selbst hinfahren. Kominen
Sie, ich führe Sic die Treppe htnab."

Der Patient war abcr zu schwach, er konnte ntcht
mehr stehen. Da kam aber gcrade der Wärtcr zu-
rück; mtt desscn Hiifc wurde der arme Mann tn
den Wagen getragen. Der Medicinalrath fuhr
mit thm nach dem Wahllocale, dort gab er scinc
Sttmme dem Candidatcn dcr Ültramontancn M„
wurde dann »vm Arzte !n seinc Wohnung zurück-
gebracht, — und starb nach zwei Stunden, noch che
cr gehört hattc, daß der Gegencandidat mit großcr
Majorität aus der Wahlurne hervvrgcgangen war.
 
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