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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0126

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»reue Söhne des Vaterlandes, und in dieser
Eigenschaft bitten sie Mich, auf eine V/rein-
barung über den Staatshaushalt und auf Her-
fiellung des Rcchtszustandes zu wlrken, welcheu
fie dadurch verlcßt erachten, daß Meine Regic-
rnng die Finanzverwaltung ohne die Grund-
lagen eines gesetzlich festgestellken Staatshaus-
balts-EtatS führte. An Meinem und Meiner
Regierung aufrichtigem Wunsche, den fetzigen,
die Gemüther beunruhigenden Zustand zu be«
seitigcn, dürfen die Unterzeichner der Adreffe
nicht zweifeln, aber sie dürfen sich auch der
Prüfung der Frage nicht entziehcn, wer den-
selben hcrbeigeführt hat. Alle Actc Meiner
Regierung zu Anfang deS verstoffeuen Jahres
bewcisen, wie sehr es derselben darum zu thun
war, der Volksvertretung entgegen zu kom-
men und auf verfaffungSmäßigem Boden mit
ihr zusammen zu wirken. Meinc Regierung
durfte, indem sie mehr gewährte, als bis da-
hin üblich gewesen war und außerdem noch
auf die Wcitererhebung der Zuschlagssteuer
von nahezu 4 Millivnen Thalern verzichtete,
auf Ancrkennung ihreS guten Willens hoffen
und hätte diese Anerkennung namentlich in
einem weiscn Gebrauch der Rechte gefunden,
welche der Volksvertretuug zustehen. Allein
sie ist in dieser Hoffnung getäuscht wvrden.
Nach fünfmonatlichen Beralhungen hat das
HauS der Abgeordneten das Budget pro 1862
mit fo erheblichen Absetzungen votirt, daß mit
der Annahme desselben die Wvhlfahrt und
Sicherheit des Staates unvereinbar gewesen
wäre, wie dieS Meine Regierung im Laufe
der Debatten zum Ocfkern unumwunden er-
klärt hat. Das Abgeordnetcnhaus selbst war
nach mehrfachen klaren Aeußerungen von der
Unmöglichkeit der Ausführung der gefaßten
Beschlüffe überzeugt. Es hat die Unmöglich-
keit der Vcreiiibarung über einen Staatshaus-
Halts-Etat selbst und wissentlich herbeigeführt.
Wenn das Herrenhaus den absolut unausführ-
baren Beschlüffen des ASgeordneten. Hauses
gegenüber den ungebührlich verkürzten Etat
nach dem ihm zustehenden verfassungsmäßigen
Nechte verwarf, stch aber gleichzeilig auf die
Seite Meiner Regierung stellte, so that es,
was es nach den Umständen für unvermeid-
lich hielt, und verdient das Urtheil nicht, das
die Adreffe über dasselbe fällt. Ungern habe
Zch die Aeußerung gelesen, dic in der Adreffe
mit Bezug anf die ErgebenhcitS-Bezeigungen
Platz gefunden hat, welche Mir von einer gro-
ßen Zahl Meiner Unterthanen schriftlich und
münblich dargebracht wvrden stnd, und zwar
mit gleichem Rcchte, mit welchem die rheinisch-
westphälische Adreffe Mir vorgelegt worden
ist. Drc Adreffe nennt die von Mir angeord-
nete Armee - Reorganisation eine wcise Maß-
regel, die aufrecht erhalten werden müffe, da-
mit in Zeiten der Gefahr ein starkes Heer
vorhanden sei, ipelches die ganze Kraft des
waffenfahigen VolkeS umfaffe; gleichzeitig aber
wird eine Abkürzung der Präscnzzeit gewünscht.
Eins widerspricht dem Andern. Nach Meiner
auf langjährige Erfahrung begründeten festen
Ueberzeugung würde nichts so sehr zur Schwä-
chung des Heeres beitragen, als eine gesetz-

bcn so zutraulich «urden, daß sie daS schwache Junge
auf seincr Haud füttcrten. Ntcht mindcr lieb hatte
der Man» seinen HauShund. DaS treue Thicr schien
dies aber auch zu erkennen, seines Herrn LicblingS-
neigungcn zu studiren und wachte so mtt gleicher
Sorgfalt wic dicser über die jungcn Schwalben,
wenn etwa der Hcrr zusällig bei dcm erstcn Aus-
fiuge dcrselben nicht zugegen war; denn es war bc-
rcitS vorgekommen, daß cr cincs dcr jungen Thicr-
chen, wclchkS zur Erde fiel, behcnde aufgchoben
hatte und dcm Herrn freudig ins Zimmcr brachtc.
Jn dicsem Aahre nun schlich fich mehrmals eine
Nachbars-Katzc tn das Haus und richtctc thr Au-
genmerk auf das mit Zungen gesüllte Schwalben-
nest. Man hattc sic zwar öfterS vcrschcucht, abcr
das Grlüstc nach einem jungen Schwalbenbraten
war so groß, daß sie immer «ieder von N-uem das
HauS umschlich. Eincs Tageö, gerade als diejun-
gcn Schwalbcn den crsten AuSfiug wagen, hatte fie
fie fich, um möglicher Weise cinen Fang zu machen,
vor dem Hause-in ein Kellcrloch versteckt, ohne datz
Jemand ihrer ansichtig wurde. Der HauShcrr satz
in der HauSthüre, den erstcn AuSflug beobachtend,
sein treuer HauLhund lag neben ihm. Diejungcn
Schwälbchcn kommcn aus dem Nestc und wollen
auf dtc Straßc hinausflattern. EincS derselben,
zu schwach, daS Zicl zu crrcichen, Mt auf deö Haus-
hcrrn Kopf, kann fich abcr hicr nicht erhalten und
finkt zur Erde hcrab. Wie cin Blih fährt dic Katzc
hervor, erfaßt eö und springt damit fvrt. Aber ^

li'che Vermtndcrmig der Dienstzei't. Endlich
spri'cht die Adreffe zu Meiner Genugthuiing
aus, wie man allgemein anerkenne, daß Jch
daS Wohl des Volkes im Herzen trage. Bei
einem solchen Anerkenntniß ist eS um so be-
trübender, zu sehcn, wie Meine besten und
redlichsten Abstchten eine ungerechtfertigte Be-
urtheilung und unmotivirten Widcrstand fin-
den. Jch muß den Unterzeichnern der Adreffe
Meine Königliche Aufforderung zugehen laffen,
dcn auf Organifirung eines solchen Wider-
standes gerichleten Einfiüffen zu bcgegneu und
deren Wirkung nicht durch aufregende Schritte
zu verstärken. Die Verständigung zwischen
Thron und Land wird dadurch nur erschwert.
Berlin, 18. Zan. 1863. gez. Wilhelm."

Berlin, 3. Febr. Der heutige Gedenktag
an die große Erhcbung des preußische» Vol-
keS, der 50jährige Gedenktäg des Aufrufs
Friedrich Wilhclms III. zur Bildung der frei-
willlgen Jägerdetachements im Zahre 1813,
ist von dcr Rcgierung ganz unbcachtet gelaffen
worden; dagegen haben die städtischen Behör-
den und andere Kreisc das ihrige gethan, um
denselben nichl spurlos vorübergehcn zu lassen.
Heute Abend fand ein Fackelzug statt; um
halb 6 Uhr zogen die Studenten vom Pariser
Platze aus mit brennenden Fackeln nach der
Victvri'a-Säule auf dem Beüe-Alliance-Platz.
Dic Burschenschaften betheiligten sich übrigens
aus politischcn Gründen an dieseu studentischen
Aufzügen nicht. Dic Stadt war theilweise
beflaggt; von einer rechten Betheiligung der
Bürgerschaft an der Feier war nicht viel zu
merken. Mittags war eine öffentliche Fest-
sitzung der Vertreter der Stadt, in welcher
verkündet wurde, daß jedcr Veteran, der in
Berlin wohnt, von Seilen der Stadt ein Geld-
geschenk von 10 Thlr. erhalten sov, und daß
außerdem zur dauernden Unterstüßung dersel-
ben ein Capital von 30,000 Thlr. angcwiesen
sei. Der ausgeschriebene Preis für eine po-
puläre Gcschichte dcr Freiheitskriege ist auf
100 Frd'r. festgeseßt. Nachmiltags vereinten
sich der Magistrat, die Siadtverordneten und
die liberale Partei Ler Volksvertretung zu
einem Festmahl; außerdem finden in verschie-
denen öffentlichcn.Localen Festeffen unter Be-
theiligung der Kämpfer aus den Freiheits-
kricgen statt. So ist Alles gefchehen, um die-
sen Tag, trotz der officieüen Gegcnwirkung dcr
jetzt herrschendcn Partei, festlich zu begehen.

(Fr- J>)

Berli», 4. Febr. Die gestrige Feier des
3. Februar war überall freudig bewegt; bei
den Festmahlen des VereinS der Freiwiüigen
und der freiwilligen Jäger erschien der König
anf einen Augenblick persönlich. Se. Majestät
brachte dvrt ein Hoch aus auf daS Andenken
an die Manen der Hochseligen Könige, hier
ein Hoch auf unfer theures Vaterland und
sein Heer. Beide Toaste waren rückblickend,
ohne besondere Beziehungen auf die Gegen-
wart.

Breslau, 3. Febr. Die neueste „Bresl.
Zeituug" meldet, daß heute das 73. Jnfan-
terie-Regiment nnd zwei Batterien von Neiße
zur Grenzbesetzung des beuthener Kreises ab- f

schnellcr als der Blitz ist tcr Haushund hinter der-
selben hcr, faßt fie veim Genickc, schüttclt sie der
Art, daß sic vor Schmcrz jämmcrlich miaut und
das Schwälbchen wicdcr zur Erde failen läßt. Nun
schieudcrt ste der Hund wohl fünfzchn Schrittc weit
fort, eilt zu dem, glücklichcrweisc nicht arg vcrwun-
deten Schwälbchen, beleckt es, faßt es dann sanst
und trägt es scinem Herrn, der jetzt ebcnfallS her-
zugcsprungen war, cntgcgen, lcgt cü in deffcn Hand
und springt bellend und freudig um ihn herum.
Das Schwälbchen erholte sich wirklich «tcder zur
Frcude oes HauShcrrn. Wicvicl Verstand uno lleber-
legung zetgt dic Handlungsweise dicscS HundeS!

Theater i» Heidelberg.

Herr vr. Grunert als Ludwig XI.

LudwigXI. rst in unserm Jahrhundcrt zweimal dra-
matisch behandelt wordcn fwenigstens glauden wir,
daß dicse beiden Dichtungcn die einzigcn sind, dic
cine einigermaßen allgcmcinere Verbreitung gefun-
dcn habcn). Jn Dcutschland war cs dcr Kreiherr
von Auffcnberg, dcr ihn in seinem „Ludwig XI. in
Pcronnc" zu Vorwurf wählte; in Krankrctch, erkor
rhn Delavigne zum Titelheldcn cincr Tragödie. Dic
letztcre war es, dic in cincr gclungenen Uebertra-
gung von Külb hicr zur Ausführung kam. Der
blutdürstige, heuchlcrische Köntg von Frankrcich wird

unS in diesem Werke in seinen letzten Lebcnsjahren

marschirt seien. Ein Regi'erungs - Commiffar
ist von Oppeln an die polnische Grenze ge-
gangen, um, falls eS gewünscht werden sollte,
ruffischc Cassen entgegenzunehmkn und nach
Cosel abzuliefern.

Breslau, 4. Febr. Die „Bresl. Ztg."
enthält Nachrichlen aus Warschau vom 2.
Febr. Abends. Die Hauptmacht der Znsur-
genten soll im Augustowo'schen sein, befehligt
von dem Obersten der Garibaldischen Armec,
Jelinkicwicz. Die zwcite Abtheilung untcr
dem Grafen Tpskiewicz agirl bei Rawa. Die
dritte unter Frankowski ist im Lubliiiischen.
Auch im Radomer Gouvernement sind die Zn-
surgenten stark vertreten. Die Communica«
tion ist unlerbrvchen.

Pyse», 2. Febr. Die Nachrichten über
die Revolution im benachbartcn Königreich
Polen lauten äußerst bebenklich, da die Auf-
ständischen jetzt i» Haufen von mehreren Tau-
senden erscheinen und wohl orgauisirt sind;
an ihrer Spitze stehen durchweg ehemalige Mi-
litärpersonen. Jn verschiedknen Gegenden ha-
ben nun doch auch bie Bauern stch ihnen
schaarenweise angefchlöffen, und an mehr als
zwanzig Punklen haben Gefechte mit den
Truppen stattgefunden, in denen freilich die
Ruffen überall gesiegl haben wollen, was je-
doch burch anbere Nachrichten aus Polen wi-
derlegt wird. Eben bringl ein Ertrablalt
nachstehenven, heute Nachmittag eingegange-
nen Artikel: „Jm Lubelskischen sollen sich bie
Bauern der Bewegung angeschloffen haben.
DaS wichtigste Ereigniß, über bas jeboch daS
amtliche.Blatt schweigt, ist die Beseßung der
kleinen Eisenbahnstation Lypa durch die Jn-
surgenten. An der Grenze zwischen Polen und
Lilhauen gelegen, kann es sehr leicht befestigt
werden. Da dort sämmlliche Fabrikanstalten
für die Eisenbahn von Warfchau nach Bialpstok
und Petersburg cvncentrirl sinv, so haben dic
Jnsurgenten in der Hand, die Verbindnng mit
Lithauen jcderzeit zu zerstören. Es sind be-
reitS Artillerieabtheilungen borthin abgegangen.
Die Jnsurrection zieht sich überhaupt immer
mehr nach Lithauen. (Frkf. P. Ztg.)

Pose», 2. Fcbr. Deu heutigen Privat-
nachrichten aus Polen zufolge ist dcr Aufstand
bereits über ganz Polen, mit Ausnahme der
nächsten Umgegend ber Hauptstadt, ausgebrci«
tet; an mehr als 20 verschiedenen Punkten
haben Gefechte mit den russtschen Truppen
stattgehabt, deren Resultate großentheils noch
unbekannt sind, wenn gleich das Militär sich
überall be» Sieg zuschreibt. Die Aufstänbi-
schen find jetzl durchweg gut organistrt, und
haben Militärs zu Anführern.

Arankreich.

Paris, 3. Febr. Die fünf Mitglieder
der demokratische» Opposttion des gesetzgeben-
den Körpers haben einen Nachtrag zur Ant-
worlsadreffe eingereicht, worin sie zur Be-
sprechung der allgeuieiiien Politik vor Allem
die Freiheit des Wortes und der Prcffe ver-
laiigeii; i» Betreß Merico's bewunbern sie
zwar dcn Muih unb die Ausdauer der Sol-
f daten, nichts desto weniger aber erklären sie

vvrgeführt, als er von Gcwiffensbiffcn gefoltcrt,
ein Lebcu lcbt, worin ihn schou vor seincm Ende
dic Strase für scinc Grausainkeitcn ereilt, indem
dic bcstLndigc Furcht vor dcm Todc viel schrecklicher
für ihn isl, als dicfer, der ihm sogar unter solchen
Umsländcn alS ein Erlöser crscheint. Herr Grunert
liescrte ein erschütterndeS Seelengemälde des Ty-
rannen. Die Hcrrschsucht des Despoten, dcr keinen
Widcrspruch duldet, die Frömmelei deS Hcuchlers,
dcr der Welt, ja bisweilen sogar sich selbcr, ein L
für ein ll vormacht, das Mtßtrauen deS Pessimisten,
dcr, dic andern Mcuschen nach sich beurthcilcnd,
in Jedermann cincn Verräther crblickt und'selbst
in seinem Sohne, der ihn mit dcr kindlichsten Liebe
liebt, nur cincn Kron-Prätendcntcn sieht, d'er nach
seinem Throne strebt, bies und noch so manches
Andere gipfclte sich zu einem wahrhaft gigantischcn,
ächt tragisch erlchutterndcn Estcctc. Grunert war
ein Stück persontstcirte Geschichtc. Maske, Gang,
Haltung, AUcs entsprach dem Biide, das sich un-
scre Pbantasie, gestützt auf Tradition und Historic,
von dtcsem Schcusal iu Meiischengestalt macht. Dicse
Rolle bildete ciiicn «ürdigen Schluß von Gruncrt's
dicSnialigem leidcr nur drci Abende umfaffeudcm
Gastspielc. Äußer dem enthusiastischeu Bcisall deS
Publtkums wurden dem Mimen auch Lorbeerkränze
zugeworfen, und gcwiß ist nie ciuem Künstlcr mtt
größerem Rechte etne solche Ovation zu Theil ge-
worden. x,
 
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