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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0150

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Buchstaben kleben, aber hier ll'eqt der Fall
vor, daß Em Wahlmann die Wahlzettel v»n
ntcht weinger alS »eun Wahlmännern auSge-
füllt hat, ei'ne ungehirige Elllwirkung ist dem<
nach leicht denkbar, und eine Untersuchung im
Jntereffe der Sache.

Abg. v. Roggenbach will gewiffen Theo-
rien, die hier ausgesprochen wurden, enkgcgen-
treten. Er habe dabei nicht die Richter, be.
züglich deren ber Slaatsministcr der Zustiz
schon sich ausgesprochcn, sondern die Admini»
strativbcamten im Auge, und da begegne er
zwei eriremen Ansichlen. So weit wic dcr
Abg. Beck zu gehen, sedc Wahl zu beanstan-
dcn, bei der sich ein Beamter bctheiligt habe,
sei liicht zu billigen; es kann diese Betheili-
gung unter Umständen die Pflicht der Regie»
rung sein; cs gibt Fälle, wo die moralische
Ueberzeugling der Regierung laut und vernehm-
lich ansgesprochen werdcn muß. Das führt
aber noch nicht zu dem andern Ertrem, zu
der Ansicht des Abg. L-chaaff. Was die wei-
tere Frage bctrifft, so liegt die Prüfung einer
juristischen Frage vor. Gegen die deutliche
Bestimmung des 8. 76 der Wahlordnung ist
der Wortlaut drs Protocvlls gcltend gemacht
worden; was beweist abcr das Protocoü?
Es kommt ganz darauf an, wie die Fragc-
stcllung lautele, ob: „Jst das Eure Hand-
schrift?" oder: „Jst daö Euer Nauic?" im
letzten Falle folgt aus der Zustimmung keinerlei
Bcweis.

Wknn der Abgeordnete Regenauer gemahnt
habc, als Jurp den Faü zu entscheiben, so
dürfe das nicht s» aufgefaßt werden, daß man,
statt nach formell rechtlichen, nach Biüigkeits-
rücksichten entscheide. Er stinime in dieser Be-
ziehung vielmehr ganz der Ansicht des Abg.
Spohn bei.

Berichterstatter Häusser wendet sich zu-
nächst gegen die höchst bedenklichcn Ansichlen,
die der Abg. Schaasf über Wahlbeeinflussung
eiitwickelt habe, die das Hans aber zurück-
weisen müffe.

Wenn der Abg. Regenauer den Muth des
betreffenden Beamten gepriesen habe, sv ge-
hvrc wahrlich unter eiuem so toleranten Mini-
sterium dazu kein großcr Muth; er wünsche
aber gerade deßhalb nicht, daß auch noch
Lorbeerkränze auf daS Haupt des Beamten ge-
sammelt würden.

Es ist nicht zu untcrscheiden, wo dcr Be-
amte aufhört und der Mcnsch anfängt; der
Beamte soü sich deßhalb der Einmischuug ent-
halten, und er (Redner) danke für die dahin
gehende unumwundene Erklärung deS Herrn
Zilstizuiinisters.

Was die Frage der Formverletzung betreffe,
so verlikren die sich entgegenstehenden Stim-
men der Juristen für den Nedner ihre Be»
dcutung. Jhm selbst sei aber entscheidend,
daß der Wortlaut des Gesexes an und für
sich deutlich sei. Wo, wie hier, die ganze
Wahrhaftigkeit des Wahlacts in Frage steht,
soll man nichl über die Beanstandung zwei-
felhaft sein. Die mittelbare Wahl hat gerade
den Zweck, wohlerwogene selbstständige Wahlen
zu erzielen; dies Ziel wird aber vereitelt,
wenn nicht Jeder selbst stimmt und schreibt.

Abg. Pagenstecher: Er stimme ganz dem
Vorredner bei, Auch dem Gewählten müsse
es lieber sein, wenn die Sache aufgeklärt
werde.

Abg. Prestinari; Die Untersuchung solle,
wenn beschloffen, doch der Würde der Kammer
wegen nur auf die zweite Beschwerde, die for»
melle, beschränkt werden.

Der Berichterstatter Häusser bemerkt, daß
dahin auch auSdrücklich der Minoritätöantrag
gehe.

Die Abstl'mmung haben wir bereitS i» Nr.
36 mitgetheilt.

StaatSminister Dr. Stabel legt dem Hause
nvch den Entwurf der Strafpolizeivrdnung
vor, worauf die Sitzung, die von b bis halb
1 Uhr gedauert hatte, geschloffen wurde.

Karlsruhe, 1l. Febr. Gestern Nachmit.
tag um 1 Uhr überbrachtc die Dcputation der
zweiten Kammer, bestehcnd aus den drei Prä-
fldenten, dem Bureau des Hauses und dcn
Abg. Krausmann, Lamep von Pforzheim und
v. Runkel, Sr. K. Hoh. desti Grvßherzoge die
Glückwünschk des Lanetags zur bevoislehen-

den Bermählung seines fürstlichen BruderS,
des Prinzen Wilhelm. Der Empfang war
ein überaus freundlicher, und der Großherzog
äußerte wiederholt seine innige Freube übcr
die zwischen ihm und dem Volke bestehende
vollständige Eiuigkeit; die Deputation möge
es den Uebrigen sagen, daß sein ganzes Stre-
ben, sein höchster Stolz darin bestehe, dem
Wohl des LandeS mit aller Kraft zu dienen.
— Der Landtag wird, nachdem die Cvmmis-
sionen für die vorgelegten Gesetzentwürfe be-
stellt sind, Eiide dieser Woche bis nach Oflern
vertagt werden. BiS dahin gedenkt man mit
den Commissionsberichten fertig zu sein, und
dann wird erst mit dem übrigen Stoff auch
die Berathung des Polizeistrafgesctzbuches statt-
finden. (S. M.)

Karlsruhe» 12. Febr. Nach telegraphisch
von St. Petersburg heute Vormittag einge-
troffener Nachricht hat daselbst gestern Abcnd
9 Uhr im Winterpalaste der Restdenz Sr. Maj.
des KaiserS die Trauung Seiner Grvßherzog-
lichen Hoheit des Prinzen Wilhelm von Baden
mit Jhrcr Kaiserlichen Hohcit der Prinzeffin
Marie Marimilianowna von Leuchtenberg in
feierlichster Weise stattgefunden. (K. Z.)

* Hei-elberg, 8. Febr. Die „Freiburger
Zeitung" erzählt in einer der neuesten Nrn.
ihren Lesern, in einem langathmigen, ziemlich
intcresselosen Artikel die Geschichte thres beweg-
ten Lebcns, worauS besonders hervorzuheben ist,
daß sie seit ihrem Beginne stetS das Schooß-
kind der Behörden war, welche theilwcise an-
gewiesen wurden, für Verbreitung des Blattes
zu sorgen, und ihr die amtlichen Bekanntma-
chungen zuzuwenden. Nachdem die Freibur-
gerin sich männiglich gelobt, sagt sie am Schluffe
des Aufsatzes hochfahrend:

„Wie manche Blätter und Zeitschriften flnd
nicht neben ihr mit großen Hoffnungcn ent-
standen und nach kurzer Frist wieder erloschen.
Wir erinnern aus den letzten 40 Jahren nur
an die „Elcutheria", das „deutsche Museum,"
das „badische Volksblatt", ven „Schwarzwäl-
der", „ächten Schwarzwälder", „Oberländer",
„Landboten", „Morgcnboten", die „Süddeuische
Zeitung" und „Oberrheinische Zeitung" und
wic sie sonst geheißen haben mögen! —

Die Einwohnerschaft Freiburgs hat von
jeher ihren Stolz darein gesetzt, alte Znstitu-
tionen mit Liebe zu pflegen, ste wird auch die
«Freiburger Zeitung" als ein übernommenes
Vermächtniß ihrer Väter in Ehren zu halten
wiffen!"

Hierzu nur eine Bemerkung bezüglich der
„Oberrheinischen Zeitung." Die edle Frei-
burgcrin weiß recht gut, welche Kämpfe um
ihre Eristenz zu bestehen waren, so lange je-
nes allgcmein verbreitete Blatt erschien. Die
Freibnrgerin weiß fcrner recht gut, daß die
Oberrheinische nicht „nach kurzer Zeit wieder
erloschcn ist", sondcrn daß ste vielmehr durch
den Machtjpruch eines beliebigcn preußischen
Cvmmandanten während des Kriegszustandes
gcwaltsam gemvrdet wurde, n. nicht ihrer eige-
nen Schwäche erlegen rst. Die Freiburgerin wird
auch die Ueberzeugung theilen, daß sie schou
längst in daS Reich der Todten gewandert
wäre, hätten nicht die verschiedenen dienstlichen
Zwangsmaßregeln ihr Leben nothdürftig ge-
fristet. So viel zur Vertheidigung einer heim-
gegangenen Collegin. >

Darmstadt, 8. Febr. Eine zahlreiche
Versammlung aus allen Theilen des Odenwal-
des und des Ncckarthales berieth hcute hier
über die projectirte Odenwaldbahn. Es wurde
beschloffen, eine Commiffion solle eine Eini-
gung über die am vortheilhaftestcn einzufchla-
gende Richtung der Bahn zu erzielen suchen
und das Ergebniß demnächst einer größeren
Versainmlung zur Genehmigung unterbreiten.

Berlin, 10. Febr. Zn der heutigen Si-
tzung des Abgeordnetenhauses erschicnen
am Ministertische der Miuisterpräsident und
der Zustizminister, so wie zwei Regierungs-
cvmmiffaricn. Unler vcn Urlaubsgesuchen er-
regt das dcs Abg. Heptenreich allgemeines
Bedauern. Der Präsident verliest scin Schrei-
bcn an den Ministerpräsidenten vom gestrigen.
Tage, welches über die Vorgänge der gestri-
gen Sitzung berichlet u»d auf Grund des
Ari. 60 dcr Berf. die Anwesenheit der Mini-
f ster in der heutig«» Sitzung beantragt hadr,

Es sei' darauf ein Antwortschreiben des Mini-
fterpräsidenten cingegangen, welches der Prä-
sideut verliest. Jn bicsem Schreiben wird ge-
meldct, daß der Ministcrprästdent den Brief
des Präsivenken Grabow znr Kenntniß dcs
Staatsministeriums gebracht habe und gleich-
zeitig hinzugefügt, daß die Minister gestern
durch „wichtige und dringende Gefchäfte" ge-
nöthigt waren, zu ciner Berathung zusammen-
zutreten und durch den unerivaricten Schluß
dcr Sitzung, in welcher sie bis dahin ver-
treten gewesen, der letzteren nicht mehr bei-
wohncn konnten. — Der Ministerpräsident:
Das Schreiben des Präsidenten ist inir gestern
Abend 9 Uhr zugegangen und ich habe in
Folge dessen die Sache heute früh dem Staats-
minifterium Hligehcn laffen. Jch habe jetzt
nur das Verlangcn, meine eigene Anflcht zur
Sache zu äußern. Die Regierung hat aller-
dings das lebhafteste Zntereffe, Jhren Ver-
handlungen beizuwohnen und es liegt dies
auch stets in ihrem Wunsche, allein eine stricte
Verpflichtung dazu, welche in ber Verfaffung
formulirt wäre, liegl ihr nicht ob. Die Mini-
ster haben sehr häufig dringenve Angelegcnhei-
ten zu erledigen, welche ihnen so wichtig
seien, wie ihrc Anwesenheit auf diesen Stüh-
len. Zn solchen Fällen hat die Regierung
ihrer Pflicht genügt, wenn ste Staatsbeamte
abordnet, welche sie hier vertreten. Anders liegt
dieSache, wennSiedieAnwesenheitber Minister
aus Grund des Arl. 60 der Verfaffung ver-
langen. Die königliche Regierung hat daS
Bestreben, Zhren gerechten Wünschen entgegen
zukommen, nur kann .sie ihrerseiks den Wunsch
nicht unterdrücken, daß dann mit ihr vorher
über Tag und Stunde der Sißung Ab-
rede gcnommen werde, damit bei den mannig-
faltigen und nicht minder wichtigen Geschäften
deS Ministeriums keine Collisioneu entstehen.
— Der Zustizminister: Jch habe zu der
gestrigen wie zu ber heutigen Sitzung cin
Mitglicd meines Ministeriums bei dem hohen
Hause beglaubigt. Die Ansicht, daß zur Func-
tion meines Assistenten meine Anwesenheit
erforderlich sei, halte ich für irrig. Jch glaubc,
daß ich meincr Pflicht genüge, wenn ich mich
im Hause vertreten laffe uuo kann verlangcn,
daß das Haus meinen Assistente» anerkcnnc
und respectire. — Herr Ebertp, vor dcr
Tagesordvung, bringt den vom Ministerpräsi«
denten bei der Avreßdebatte (am 29. Zan.)
angeführten Fall erzwungener und gefälschter
Unterschriften zu einer Zustimmungsadrcsse an
das Haus aus der Gemeinve Muschwitz zur
Sprache und constatirt »Is Vertreter des
Kreises, in welchem der Ort liegt, aus dem
Schreiben eines dort Angesessencn, daß aller-
dings unberufene Leuie bie Aoreffe untcr-
schrieben hälten, daß aber die Unterschriften
zurückgewiesen worden, bie Avresie somit aus
Muschwitz gar kcine Unlerschriften Irage. Die
Anführung des Ministerpräsioenten, welche
der „Kreuzzeitung" oder eineui anoeren feu»
dalen Blatie eninommen, entbehre somit der
ihatsächlichen Bcgrüubung. Dcr Vcrfaffer
des angegebenen Artikels sei der der Kreuz-
zeitungspartei angehörige Pastor Stephan in
Muschwitz. (Sensation, Ruf: hört, hört!
von der Rechten.) — Der Ministerpräsident:
Die Angelkgenheit habe für die Regierung
nicht das hinreichende Zntereffc, um auf eine
Discussion darüber einzugchen. — Der
Kriegsminister hat eine Novelle zum Militär-
gesetze eingebracht, und dabet erwähnt, daß
dieselbe das Resultat dcr ausführlichsten all-
seitigsten Erwägungcn und im möglichsten
Anschlusse an bie bestehenden Gesetze abgefaßt
sei. Dic Reorganisaiion sei wörtlich die
Wiederherstcllung ver ursprünglichen Organi-
sation im Sinne und Geiste der Urheber.
(Sensation und Widcrspruch.) Der Znhalt
der Novclle rst kurz foigendcr: vierjähriges
erstes Aufgebor dcr Landwehr unb fünf-
jähriges zweites; die Landwchr-Cavalleric-
Uebungen sollen wegfallen; die Landwehr-
Jnfanterie soll alle zwei Jahre acht bis vier-
zehn Tage lang Uebungen halten; Freizügig-
kcit und Auswanderungsfreiheii sür aüe nicht
unter der Fahne stehenden Preußen wird gc-
währleistet, siebenjährigc Dienstzeit, davon
vier in der Reserve. Zugleich enihält der Ent-
wurs die Regelung für bie Marine; Scebtenst.
 
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