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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0153

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M 3S

Srscheint, MontagS auSgenommen, taglich.
PreiS vierteljährlich 54 kr.

Sonntag, 13. Zebruar

Insertionsgebühren für die Sspaltige Petit-
zeile werden mit 3 kr. berechnec.

L8S3.

Frbruar und Mäy mit 36 Kreuzern abon-
niren bei allen Postanstalten, den Boten und
Trägern, so wie der Erpedition (Schiffgaffe
Nr. 4).

K Die Borgänge in Polen und deren
Bedeutung. *)

Wie eS vorauszusehen war, hat die in den
letzten Tagen des vcrgangcnen MonatS mit
barbarischer RücksichtSlosigkeit durchgeführte
heimliche Conscription in Ruffisch - Polen zu
einer offenen Schilderhebung der durch diese
Maßregel Beiroffencn geführt. Aber dabet ist
die Sache nicht stehen gebliebcn; eS haben
vielmehr die Unzusriedcnen im Lande gemci»'
schaftliche Sache mit den flüchtige» Rccrulcn
gemacht und wir stehcn .fomit am Anfange
eincr Umwälzung, die von tiefgehende» Folgen
begleitet sein dürfte. Noch ist die Meinung
allgemein verbreitet, die jetzige Erhebung könne
durchaus keinen Erfolg haben, da die Macht
dcr Russen zu groß sei, um desiegt werden zu
können. Dicse Meinung wird noch bestärkt
durch die Art unb Weisc, wie die Nachrichicn
aus Pvlen unb Rußländ Eingang in bie aüS-
ländischen Blälter findcn. Bekannllich bilbet
daS Pclersburger Journal nebst cinigen in Po-
len selbst erscheinenden amtlichen Blätlcrn die
einzige Fundgrube für die Redaclionen aus-
ländischer Bläiter in Betreff dcr polnischcn
Zustänbe und somit tragen alle ZeitungSnach-
richten aus biesem Lande dcn Stempel absicht-
licher Enlstellung unb Verdrehung der Nach-
richtcn. Man sieht dieS setzt wiedcr recht
deullich. Währenb eS nach dcm Journal dc
St. Petcrsbourg noch vor wenigcn Tagen
hieß, dic Ruhc im ausgestandcncn Lande sei
überall wieber hergcstellt, spricht dasselbe Jour-
»al nunmehr von „Truppen" der Aufstanbi-
schcn. Wir wvllen mit Nieinand über den
Enoerfolg der Erhebung rechten, denn nur
Thatsachen können solchen MeinungSverschie-
deuheiten ein Ende machen, aber eS sei uns
doch erlaubt, auf dic ungcheure Wichtigkcit
der polnischen Ereigniffe eincn Blick zu wer-
sen. Bckaüntlich war Rußland bis zum Tode
Nikolaus l. eine wahre tsrrs invoKnits für
jeden Nichtruffen. Mit ängstlicher Verwun«
berung hörte der Philister auf die Erzählung

Wlr bemerkcn, daß dtescr Arlltel bereit« vor achl
Tagen zur Druckerei gelangte.

von der unermcßlichen Macht RußlandS, von
seiner Million Streiter, seinen Kosacken, Basch-
kiren und Kaukasiern (auS den unterworfenen
Theilen), von seiner Macht zur Scc, seinen
Truppenmaffen und Festungen in Polen und
Anderes mehr. Zur Zeit deS schleswig« hol-
stcinischen Kricges war RußlandS Macht ein
wahres Schreckgespcnst für die guten Deutschen
und noch bei Beginn deS türkischen Feldzugs
glaudtc» Manche, jetzt seien dic Moskowitcr
iui Begriff, ganz Europa mit Haut u. Haar
zu verschlucken. Aber im Rathe der Gölter
war es anderS beschloffcn. Die Schlacht an
der Alma, die großen Unfälle bet Silistria u.
die Eroberung von Sebastopol lüsteten den
Schleicr, welcher deS heiligen Rußlands Macht
vcrhüllte. Die Schäden beS ungeheuern Rei«
cheS lagen offen am Tage. Man sah, daß
die großen Armeen auf dem Papicr bci weitem
stärker sci'cn, alS tn Wirklichkeit; wie viele
Opfer dic einfachsten Märsche in eincm stra«
ßenloscn Lande kosten; wie schlecht die Ver-
waltung von Lanb und Heer bestcllt set, da
fast alle Beamten von Betrug lebten, waS
auch angehen kann, weil jede Controle schlt.
Nun bestieg Alcrander ll. den Thron, mit dem
festcn Vvrsatz, zu reformiren, wobei ihm ganz
Europa Beifall zuricf. Wir wollen hier in
bic Absichlen deS KaiserS kein Mißtrauen
setzen, aber wie sollen in Rußland Neformen
eingeführt werden? Der Alleinhcrrscher, auch
wenn er von den rcdlichsten Absichtcn beseelt
und von den tüchtigsten Ministern u. Räthcn
unterstützt wird, sieht nicht den tausendstcn
Theil der Gcbrechen, an wclchen die riesenhafte
Staatsmaschinc lcidct. Dcr Staat muß von
den Beamtcn regiert werden und diese sind
eben noch — die alten, auch wenn man dann
und wann einige abgesctzl hat. Die finanzielle
Lage deS Neiches verschlimmcrt sich zusrhcnbS
und die wichtigsten VerkchrSstraßcn schen auS
Mangcl an Gelv und ArbeitSkräftcn ihrer
Ausführung noch immer entgcgen. Unglückli-
cher Weise hat Rußland in Bezug auf auS-
wärtige Politik den Traditionen PeterS deS
Großcn nicht entsagt und fast alle verfügbaren
Truppen augenblicklich im KaukasuS unb an
der türkischcn Grenze stchen. Gcsctzt auch,
man wird deS PolcnaufstandcS Herr, so ist
Polen dadurch nicht pacisicirt und muß eine
mindestens doppelt so starkc Besatzung erh«l-
ten; auch wirb bie Finanzlage dadurch nicht
gebeffcrt und bie polnischen Länder gchen ihrem
öconomischen Ruin entgcgen. Dann aber dürste
Nußland auf lange Jahrc hinaus keinen Mann
und keincn Rubcl mchr aufwendcn können,

Eine Entsnyrung.

(Schluß.)

Bcide Damen steigcn in eincn Fiaker und dicscr,
wohlverschloffcn, führt sie zur Südbahn; mtt Ar-
gusaugcn mustert die Hüterin die Mitfahrendcn,
es zcigt sich nichts VerdächtlgcS. Glcichwohl «eiß
Madame Drach sich cin Coupc zu verschaffcn und
ihre schöne Arrcstantin von aller Welt abzusondcrn.
Emma duldct schwcigend, nur in Mödling schwcigt
fie nicht mehr, sondern beginnt zu seuszcn, zu kla-
gen über cincn Zustand, der die Folge von Ver-
kühlung zu scin pflegt. Allein man fährt zu rasch
fort, um Abhilsc zu treffen, und in Gumpplds-
kirchcn angelangt, hat Emma bereitS solche Schmer-
zen, daß sie aus dem Separat-Coupe anSsteigcn,
und La „zwci Minüten Aufenthalt" den Bcsuch deS
Schweizerhäuschcns nicht gcstatten, eineS jener cbcn-
salls separirtcn CoupeS aufsuchen muß, die jcden
Postzug bcgleiten. Madame Drach begleitct fie
bis an dic Psorte dicses gcheimnißvollcn Cvupes,
dann kehrt sie eilig in ihren Wagen zurück, denn
scbon lärml dic Glockc zur Absahrt. Zn Badcn
springt sic rasch wieder ans uno eilt an dieThüre,

dic ste hinter Emma zugcmacht. Allctn von Emma
war keine Spur. Madame Drach hatte vcrgessen,
daß dcrlei CoupcS zwci Thüren haben; kaum war dic
Thüre rechts zugeschlagen, ward die Thüre links
aufgertffcn und Emma sank in die Arme etnes
jungcn Mannes, der von Wicn aus in dcm gc-
hcimnißvollcn Coupc mitgefahren und nur in Gum-
poldskirchcn verabredetermaßen einen Augenblick
links auSgcsticgcn war, um von dcr Duenna nicht
gesehcn zu wcrden. Ein bereitstehendcr Fiakcr brachte
die Liebeslcute in Sichcrhcit, und Papa Wundcr-
lich, der seine Tochtcr bei SchnellmcyerS auf dem
Balle glaubte, erhtelt cine telegraphischc Depesche
mit dcr Nachricht von der glücklichen Entführung
seiner Tochter.

„Mir recdt", brummtc der Altc lachend, „cin Be-
wcis, daß mir daS Mädel zu gcschcidt gcwordcn ist.
Bin froh, daß ich sie los habc. Soll mich wun-
dern, wcnn diesc Geschichte nicht von so ctnem Zei-
tungsschreiber erzahlt «ird. Will selber lachcn
darüber."

(Schandthat' aus dcm polnischcn Aufstand.) Die j
Lücke der Jnsurgenten greift zu den schrecklichstcn !

um Händel init seincn Nachbarn anzufangen,
dann wird eS zwar dem Umfange nach noch
eine Großmacht, in der That aber ein —
bankerotter Staat und eine Macht drittcn Rau-
ges scin, während grankreich und England
allein daS curopäische Cancert auSmachen
werdcn.

* Politische Umschau.

Nach der „National-Zeitung" wird von
officiöser Seite der Abschluß einer Convention
mit Rußland durch den preuß. Gencral von
Alvensleben angekündigt, und bei diesem An-
laß einem Einmarsch in Polen, wenn der dortige
Aufstanb größere Verhältnisse annehmen follte,
das Wort geredet. (s. auch Berlin, 12. Febr.)

Ein Correspondent dkr liberalen „Schles.
Zig." erzählt, baß ver Abgeordnete Walbcck
die Sitzung bes AbgeordnetenhauseS, in welcher
die Antwort bes Königs mitgetheilt wurde,
mit den Worten verlaffen haber „Das hat
man vom Adreffenschreiben."

Die Einberusung des österr. RcichsralhS
steht für Ende April sicher bevor.

Auf einem Londoner Theater ist schon wie-
der eine Tänzerin vor den Augen deS Publi-
kums verbrannt. Der Unwille über solche
Vorfälle ist so allgemein, daß ber Schatzkanz-
ler aufgcfordert wirb, eine Steuer auf Ert-
nolinen zu legen.

Nachrichten aus Newpork vom 31. Januar
melden, baß ber Süben licber cine engllsche
ober französische Colonie werben, alS iii die
Union zurückkchren wolle.

Deutschland

Karlsruhe, ir. Febr. Ordensvcrlclhung: An den
kais. drasiltanischen GeschäslSIräger dahter, vk. Z. A. Lon-
retro, das Eommandeuikreuz mtt Slrr» des OrdenS vom
Zährtnger Löwen.

Ärlaubntß zur Annahme etncs fremden OrdenS: D-m
Obcrltcutenanr Rayle vom 2. FnflllerbalatUon sirr daS thm
von Sr. Hohetl dem Hlrzog von Naffau vcrltcheue Rtttcr-
kreuz mtt Schwertcrn des Mtlttär- und LivllvcrdtenstordcnS
AdolphS von Nassan.

MeoaMenv-ilelhungcn: An den Bnrgermeister Zoseph
Heitz tn N-uburgw-t-r und an den evangel. Hanptlehrer
Jvhann Zakob S-ysried tn Mullhetm, tn An-rlinaung
thrcr langjihrtgcn trcnea Dtenstlcistuagen, dle klctnc gvl-
denc Civtloerdtenstmedatile.

Der »vn dcr Gcmetndc Prechthal gewählle nnd präsen-
ttrlc Psarrverweser Wilhclm Hosfiugcr zu Prechthal wnrde
zum Psarrcr dascldst ernaanl; das cvangel. Sladlvicartat
Mannhetm dem Vicar Zultus Zährtngrr oaselbst ubertragen.

Dtc Psarret Schtcncn, D-canatS H-gau, avurde von Sr.
Erc. dcm Erzbtschof dem btshertgen Pfairverweser Johanu
Gcorg Frnh tn Hcpbach, dte Psarret Achdors, Decanats
VMtngcn, dem btshertgeu Psarrverwcser Zoseph Thoma tn
OtterSdors verltehen.

barbartschsten Mitteln im Kampfe gegcn dic Sol-
daten. Ucber das in vorigcr Wochc gcschchene
Eisenbahnunglück schretbt man der „Schlesischcn
Zettung": „Die Schicnen dcr Warschauer Bahn
sind am Mittwoch Abend von den Znsurgenten
abcrmalS, und zwar bci Ramdosk aufgcriffcn «or-
den, um ctnen Militärzug dcm Untergang zu weihcn.
Es war nämlich von den Aufständtschen in Erfah-
rung gebracht wordcn, daß dicse Bahnftrcckc ein
Zug Milttär, wclchcS zum Thcil auf Güterwagen
seine Bcsörbcrung erhielt, ba oie Personcnwagcu
nicht ausrcichten, in der Nacht passiren würdc. Die
Znsurgenten riffcn nun deö Abcnds kurze Zeit zu-
vor an einer waldigcn, unwcgsamen Stcllc dte Schie-
nen auf, in Folgc dcssen der ganze Zug, deffcn
Führcr mit vollcr Schnelligkeit angesahren kam,
entgleiste. DaS- cntstandene Unglück soll ein sehr
großcs und schweres scin. Eine nicht geringe An-
zahl Soldatcn ist mehr odcr wentger »erletzt, viele
find getödtct.

Nach der jüngsten ZLHlung zäblte Berlin 547,571
Einwohner, davvn 22,626 vom Militär. Zm Zahre
1858 ergabcn fich nur 458,637 Seelen.
 
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