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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0205

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Dtenstag, 3. März


18«3

^ Auf di'e „Heldelberger
Zeitunft" kann man sich
noch für den Monat
MLrz mit 18 Kreuzern abonm'ren bei allen
Postanstalten, de» Boten und Trägern, sowie
der Erpedi'tion (Schiffqaffe Nr. 4).

* Politische Nmschau.

Wie von glaubwürdiqer Seite mitgetheilt
wiid, soll der Feldzeuqmeister Gpulai die Ab-
sicht haben, anf die „vkrlkiimder.ischen" Aenße-
rungen des „Russischen Jnvaliden," daß der-
selbe während des italiknischen Krieges im
Jahr 1859 Erschießungen dutzendweise habe
vornehmen laffen — selbst zu antworten, und
zwar in einer Weise, die Aufsehcn erregen
werde. Diese bevorstehende Erklärung des
Hrn. Feldzeugmeisters dürfte um so interes.
santer werden, als bekanntlich Hr. Graf Gpulai
vor der Zeit, wo er daS Obercommando in
Jtalien führte, mit mehreren politischen Mis-
sionen am Petersburger Hofe betraut war und
dort bis aus die jüngste Zeit alS persooa
Krstissims galt.

Man schreibt aus Athen vom 21. Febr.,
daß einige Compagnien des Bataillons Leokiako
allcin auf Seite Bulgaris stchen, während
Armee und Nativnalgarde überhaupt entschlos-
sen sind, die Nationalversammliing unter allen
Umständen zu stützen. Es war bereits zwi-
schen beiden Parteien zum Schießen gekommen.
Die Lage der Dinge ist ernst unb wird, da
bis jetzt noch kein hinlänglich populärer Führer
der Bewegung aufgetreten ist, mit jedem Tage
ernster.

„Temps" sagt, die Sprache der englischen
Blätter über das, was sie von Frankreich in
der polnischen Frage hoffen, werde nachgerade
impertinent; sie sprächen von Compensationen
am Rhein, allein man müffe solche Eröffnun-
gen für das halten, was sie sind. England
möchte gern Frankreich zu einer Jntervention
verleiten, bei der dieses alle Gefahrcn über-
nehme, währcnd die Bortheile für ganz En-
ropa wären. Die Rheingrenze aber bedeute
den Strich bis Köln, Belgien und einen Theil
von Holland; sie schließe Antwerpen ein, die
gegen England gerichtete Pistole, und diese
Grenze wnrde Frankreich nie ohne einen TodcS-
kampf mit England, bei dem es umkonimen
könne, erhalten. Wenn Frankreich etwas ab-
halten könne, sich für Polen zu begeistern, so
sei es gerade die Plumpheit dcr Verführung,
die England niin versuche.

Der preußische Gesandte soll nun in Paris

die Erkläruug abgegeben habcn, die russische
Convention sei eine Polizeimaßregel ohne aüe
politische Tragweite.

Ueder das jüngste Duell i« Wien .
schrcibt man der „Bcrl. Allg. Ztg." aus Wien das
Nachstehcndc, dcffen Vcrantwortung wir genanntcr i
Zcitung überlaffen müsscn:

„Dic Dame, um dcrcntwillcn hicr zwischen zwei ^
Mitgliedern des diplomatischcn Corps cin Pistolen- !
duell mit tödtlichcm Ausgange ausgefochtcn ward, !
ist eine renommirte, aber weit weniger durch ihrcn !
Gcist, als durch eine gewisse Art provoeirender !
Eleganr ihrer Toilette und durch cine Art von >
lorettenhaftem Auftreten stadtbekannte Schönheit.
Man sagt, bci einem Corso im Prater habe cine
schr hohe Frau, durch dic glänzende Erschcinung
gescffclt, zuglcich aber Lurch die cigenthümliche Hal-
tung dcr in ihrer Equipage hingcstrecktcn Dame irre
gcsührt, stch nach ihrem Namen mit den Worten
erkundigt, wer denn die Grisette sei. Sic tst die
rctche Frau cincS rcichen Kaufmanncs, der man
ofstciell nichts wciter nachsagen kann, als jenes in
Wien nur allzu häustgc Verhältniß, daß ste ihre
Salons voll jugcndlichcr und distinguirtcr Anbeter
zu haben liebt, währcnd der chrsamc Gemahl sich
nach besten Kraften effaciren muß. Schon vor Zah-

Debatte über die Resolution in -er
polnischen Angelegenheit.

Berlin, 26. Febr. Zm Abgeorduetenhause
fand heute unter überaus großem Andrang deS
PublikumS die Debatte über die von den Abg.
v. Hoverbeck und v. Carlowiß beautragte Re-
solution in der polnischen Angelegenheik statt.
Dem Commiffionsantrage auf Annahme der
ursprünglichen Resolution steht entgegen ein
Antrag von Bonin (Genthin), folgenbe Re-
solution anzunehmen': „Das Intereffe Preu«
ßens erfordert, daß die königl. Staatsregie-
rung dem im Königreich Polen ausgebrvche-
nen Aufstande gegenüber sich lediglich auf die
zum Schuß der preußischen Landcsgrenze er-
forderlichen Maßregeln beschränke, jebe darüber
hinausgehende Einmischung vermeide und Be-
waffneten nicht gestatte, daS preußische Gebiet
ohne gleichzeitige Entwaffnung zu betreten."
Ein zweites Amendement v. Viucke (Stargarbt)
will nur ausgesprochen wiffcn, daß ruffische
Soldaten nicht die preußische Grenze über-
treten sollen. Es melben sich für den Com-
miffions-Antrag 15, gegen dcnselben 11 Red-
ner. Der Berichterstatter Abgeordncte v. S p-
bel eröffnet die Dcbatte mit einer Rechtfer-
tigung des Standpunktes der Commiffion. —
v. Gottberg gegeu den Antrag. Der Redner
hält das Haus nicht für befugt, sich um aus-
wärtige Angelegenheiten zu kümmern und übcr
Dinge zu beraihen, zu dcnen jeber thatsächliche
Anhalt fehle, da die Regierung jede Auskunft
darüber verweigcrt hat. Preuße» lreibe hier
keine ruffische, sondern in Wahrheit preußische
Poli'tik, Preußens Maßregeln führen lediglich
zur schnellen und energischen Unterdrückung
der polnischen Jnsnrrection und darum seien
sie willkommen zu heißcn. Die ganze Reso-
lution sci nur ein neucs Manöver der Oppo-
sitivn, um der Regierung Schwierigkeiten zu
vcrei'ten. Die Regierung aber möge sich nicht
durch dic Resolukion aus ihrer Position drän-
gen laffen und nicht abweichcn von dcm alten,
auch von ihr sanctiönirtcn Grunbsatz: Recht
geht vor Gewalt. — v. Rönne (Solingen).
Die deutsche Fortschrittspaktei habe bie Re-
solutioy beschloffen im Namen nicht nur Dcutsch-
lanbs, sondern im Namen dcr Civilisation ber
ganzen Welt. (Beifall.) Die heutige Debatte
müffe dcr Opposition den Anspruch auf den
Namen „Sr. Majestät allergetreueste Oppo-

resfrist ctrva «ar aus dieser Sücht ctn Ducll cnt-
sproffen, dem später noch ein zwcites folgte: tn
lehtercm wurde dcr Legatioiissecrctär dcr nicder-
ländischen Gesandtschaft, Graf Rcchteren, ein lie-
benSwürdigcr Lebemann und das Opfer des vor-
gcstrigcn Duclls, von cinem Grafen S. nicht un-
bedeutcnd vcrwundet. Rcchtcren war noch nicht gar
langc von sciner Krankheit genesen, als er aus den
unglückltchcn Einfall gerteth, dic intereffante Po-
sttion, die ihm dcr Zwcikampf gcschaffen, bci der
in Rede stehendcn Dame zur desinitiven Beseiti-
gung desjenigen Rivalcn zu benutzen, der ihm von
allen Concurrenten dcr gcfährlichste schien. Es
war dies Hcrr v. Muruaga, Legationssccretär der
spanischen Gesandtschast.

Rechteren erklärtc demnach seiner Angcbeteten
rund heraus, als Nothnagel laffe er sich nicht ge-
brauchcn; die gnadige Frau müffe sich daher ent-
schließcn, entwcder ihm öder seinem Ncbcnbuhler
ihr Haus zu verbicten.

Dic Dame, in gerechter Würdigung dcr Ver-
dienstc und Ansprücht Rechtercn's, entschcibet stch
scinem Wunsche gemäß — und der Hcrr Gcmahl
«ird instruirt, den abgedankten Cav-iliero serveute

sttion" erwerben. (Bravo.) — v. Röpell
(OelS): Die Veranlaffung zu einer Resolu«
tion sei gerade gegenüber dem Schwkigen der
Regierung auf die vorhergehende Jnterpella-
tion eine dringende. Zwei Tage nach der
Weigerung des Ministerpräsidenten, sich über
den Znhalt der Convention auszulaffen, müffen
wir denselben aus dem englischen Parlament
erfahren. Der Rebner geht auf den Zustand
des Polens, das zu Rußland seit 1815 ge-
hört, ein. Zst dort der Znstand herrschend,
ben Ruffisch-Polen nach den Verträgen von
1815 haben söllte? Das ruffische Polen habe
keine nationale Aimee u. s. w. Rußland habe,
um nur eines zu erwähnen, allc Bildungs-
anstalten »i Polen untcrdrückt. Zum weiteren
Verständniß der polnischen Bewegung bernft
sich Redner aus eincn Ausspruch Wielvpolski's
über den Zustand Polens unter bcr ruffischen
Hcrrschaft bis zur Thronbesteigung Aleran-
ders. Die Resormpoliiik Aleranbers u. Wie-
lopolski'S habe nicht bie versvhnliche Wirkung
gehabt, weil man den Grundgedanken dersel-
ben durchschaut, Polcn mit Nußlanb vollstän«
dig zu verschmelzen. Dcr Redner wchrt fer-
ner den Vorwurf des Panslavismus von den
Polen, die demselben gerabe am meisten ent-
gegcngetreten seien, ab. Wir können nicht
mit unserm Gut und Blut die ruffenfreund-
liche Politik Wielopolski's unterstüxen. Die
Sicherheit des preußischen Staates wird am
meisten gefährbet, wenn wir die ruff. Macht
in Polcn noch stärker machcn helfen. (Hört!
HLrtj) Es ist also dies nicht im preußischen
Zntcreffe. Schließlich empfiehlt Reduer das
Bonin'sche Amendemcnt. — Der Minister
des Znnern rechtfcrtigt das Verfahren, aus-
wärtigen Mächten Verträge früher vorzulegen
alS dcr Landesvertretung. Die Cartel-Con-
vention sei für die Regierung maßgebend, nach
dieser Conventiön wurden auch in Thorn vier
nicht ausreichend legitimirte Polen nicht aus-
geliefert, sonbern ausgewicsen. (Gelächter u»
Widerspruch links.)— Becker (Dortmund).
Das Haus habe die Frage nicht provocirt,
die Frage sei über das Haus gekommen; hier
handle es sich nicht um Spmpathien für Po-
len, dies Haus habe bie Pflicht, für seine Jn-
tereffcn, für die heiligsten Jnteressen Preußens
einzutreten. Der Redner gibt einen Wckdlick
auf bie Geschichte der Theilungen Polens und
charakterisirt dic ruffische Herrschast in den
verschiedeiien Epochen der pvlnischen Geschichte.
Redner hält es für die Pflicht des preußischen
Volkes, dic Störung eines selbstständigen pol-
nischen Staates als ein Verbrechcn zu kcnn-

von diescm Bcschluß in Kenntniß zu setzcn. Sct
es Ungcschicklichkett, «te die Einen — sei eS wohl-
berechnete Schlauheit, wic die Anderen wollcn, kurz,
Herr N. N. begtebt sich zu Muruaga und zcigt thm
ganz gcschäftSmäßig an, dem Vcrlangcn deS Gra-
fen Rcchteren gemäß habe scine Frau sich dafür ent-
schieden, ihn nicht mehr bci sich zu empfangcn. Sclbst-
verständlich cntgcgnct Muruaga, dcr übrigens gleich-
falls ein liebcnswürdiger Mann sein soll, das sei
rin Act nicdcrträchtiger Feigheit von dem Grafen:
und cbcn so sclbstverständlich bittet der Kaufmann,
dcr von Ehrcnsachen nun einmal absolut nichtS
vcrsteht, scine Frau tn Gcgenwart Rechteren'S und
anderer Zcugen, ihn in Zukunft mit solchcn un-
angenehmcn Coinmissioncn zu vcrschoncn; denn dcr
Muruaga sci ein gar ungcschlachter Mensch, dcr von
dem „lteben" Hcrra Grafcn das und daS gesagt
habc.

Wie konnte dcr ehrliche Handelsmann auch wiffen,
daß nunmehr ein Duell auf Lebcn und Tod zwi-
schen dcn beiden Lavalieren unauSbletblich gcwor-
den?! Rechtercn siel auf dcn ersten Schuß, und
Muruaga hat dte österreichischen Staaten ebenfallS
sosort verläffen.
 
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