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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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W: 72

Erscheint» MontagS auSgenoinmen, täalich.
PreiS vierteliäbrlich 54 kr.

^ Die polnifche Frage als europäifche.

Mtt der Niederlage von Langiewicz ist der
Aufstand iu Polen zwar nicht vöüig nieder-
geschlagen, doch ist, da dieser taleutvolle An-
führer alS das Haupt dessclben galt, und zu>
glcich das anfehnlichste Lruppencorps befeh-
ligte, demselbcn ein wescntlicher Theil seiner
Lcbenskraft cntzogen, und die ruffische Herr-
schaft in Polen dnrfte durch*den hie und da
noch sortwährenden kleinen Krieg kaum ernft-
lich gefährdet sein. Die polnische Frage, in-
sofern sie eine curopäifchc ist, und bereitS so
bedeutungsvolle diplomatische Verwickelungen
in ihrem Gefolge hatte, erfcheint scdoch hier«
durch keineswegs gelöst, vielmehr vermag die-
selbe setzt, wo es um endliche Pacificirung des
Lanbes und Verleihung dcr Polen nach den
Verträgen von 1815 zustehendcn verfassungs-
mäßigen Nechte sich handelt, unter Um-
ständen erst ihre volle Tragweite zü äießern.

Der französische Entwurf einer Collectiv-
note an Preußeu war seiner Zeit wahrschein- ^
lich darauf berechnet, dieseS zu einer abschlä-
gigen Antwort zu reizen, und dadurch bie
Gelegenheit zu cinem kriegerischen Vorgehen
sür Frankreich vorzubereiten. Napoleon 111.
konnte ein in Frankccich so populärer Krieg
zu Gunstcn PolcnS aus den verschiedensten
Gründen, besonbers äuch mit Bezug auf dic
merikanische Verwickelüng, gewiß nur gelegen
kvmuien. England unb Oesterreich lenkteii die
Gefahr eines brohenden KriegeS von Europa
ab, jndem LetztcreS sich bis setzt völlig neutral
verhielt, und Ersteres sich dem franzvsischen
Dorschlage nichl auschloß, vielmehr für sich
allein eine Note in versöhnendem Sinne au
Rußlaud abgehen ließ, zugleich aber dem Ber-
liner Cabinete ernste Vorstellungen bezuglich
deö Fallenlaffens der verhäiignißvollen Eon-
vention machte. Stiüschweigcnb geschah dicses
bekanntlich auch von Preußen, und unter den
jetzt veränderten Verhältniffen in Polen hat
bie Convention so ziemlich ihren Slachel ver-
lorcn. ES war dieselbe hierdurch ihrcr Zeit
offenbar nur ein einzelner Zug in einer wich-
tigeren und größeren politischen Operation,
in wclcher Nußland die Hauptrolle spielt unb
beren Schauplatz der Orient ist. Für dic
ruffischen Pläne schien gerade Herr v. Bis-
marck der rechte Mann. Einer Version zu-
zolgc, die jedoch bloße Muthmaßung ist, und
mit den aggreffiven Absichten Napolcons in
Bezug auf Preußen in directem Widerspruch
steht, soll vieser sogar für dje russisch-preußi-
schen Pläne durch das Ancrbieten Egpptens
gewvnnen gewesen sein. Seine Behelligung

Carrousel i» Wie«.

(Schluß.)

Es kommt uus nicht zu, hier noch einmal die
Namen der Blüthe unserer Aristokratie anzuführcn,
und «ir find vielleicht am klügsten, »enn wir bci
s» »iel Pracht und Aufwand, bei dicscm Lurus in
Pferden, uns einem Urtheil über dic Tinzelnen
mit der Voiksredcnsart, es habe uns die Wahl
wehe gethan, entziehen. Nachdem fo die ganze
Maffe der Carrouscl-Theilnehmer fich vorgestellt,
kehrten die Schaaren nach dem Ausgangc zurück,
nur dte Damen wurden von ihrcn Rtttcrn auf dje
untcr ber Hojloge bcfindliche Estrade geführt, um
dort dem zu erwartenden Reitcrspiele zuzusehcn, bet
«elcher Gelcgcnheit die reizrndc Fürslin Licchten-
stein von Ihrer MajeftLt der Kaiserin angcsprochcn
wurde, währcnd ein allerliebstes Zntermezzo das
Zntereffe deS Publikums erregte. Der Kronppinz
erkannte nämlich.unter de« Rittern seinen jungen
kaiserlichen Oheim und k-nnte fich nicht enthalten,
ihm aus der Loge ein freuoiges: „Ludwig!" zu-

Donnerstag, 2«. März

ZasertiollSgebuhren fur die ZspaltiaeZBetit-
zeile werdeu mit 3 kr. berechaer.

L8S3.

Rußlands mit der polnischen Frage wäre hier-
nach bloS eitler Schein gewesen! Sicher ist
es, daß man in England vielfaches Mißtrauen
in dicser Beziehung hegte. Als Lohn für den
Dr'cnst, den Preußcn Rußland leiste, wenn es
diesem den Rücken decke, soll diesem eia Theil
von Congreßpolen mit Jnbegriff von Warschau
vcrsprochen gcwcsen sein. (Eben dieses Ge-
biet hatte Preußen schon frnher nach der
Theilung Polens beseffen, mußte jedoch das-
selhe nach dem Tilflter Frieden, als Napoleon
I. 'das Großhcrzogthum Warschau gründete,
an dieses herausgeben, worauf eS im Jahre
1815 an Rußland siel.) Rußland hätte im
türkischen Süden mehr gewonnen, als es von
Polcn abgab, und wäre eines großen Theiles
seiner Verlegenheit in Polen los geworden,
die sodann auf Preußen übergegangen wäre.

DieseS Letztere steht nun unter den gegen-
wärtigen Verhältniffen in wcitem Felde, und
selbst dic drohende Kriegsgesahr ist momen-
tan für Europa in den Hintergrund gedrängt.
Ocsterreich scheint vorerst, trvß der so eifri-
gen Unterhandlungen milFrankreich durchseinen
Gesandten Metternich, ncutral bleiben, und
England bie polnische Frage als eine isoiirte
behandeln zu wollen. Selbst" vo» Frankreich
haben die Polen zur Zcit keinen materiellen
Beiftand zu erwarte», hauptsächlich wohl beß-
halb, wcil Napoleon 111., indem er der Con-
vention cntgegentrat, zwar Preußen einen
Schlag versetzen, aber kcineswegs mit Ruß-
land brechen wollte. Die Verhandlungen im
Senate zu Paris deuten, trvtz der enlschiede-
nen Ausdrücke bcr Spmpalhien einer Minder-
zahl dieser Versammlung, nur allzu deutlich
hierauf hin. Allein über alle Verlegenheiten
ist man damit noch keincSwegs hinaus: die-
selben können neuerdings und im vergrößer-
ten Maßstabe eintreten, wenn es sich um künf-
tige Gestaltung der Lage Polens unter ruffi-
scher Suprematie handelt. Hierdci ist die Lage
Europas überhaupk so gespannt, daß anschei-
neiid kleine, unvorhergesehene Ereigniffe Gro-
ßes zu bczwecken im Stande find, so daß die
bis jetzt vorhandenen politischen Combinatio-
nen eine feste Grundlage annchmen können,
und nichls geringeres, als eine durchgreifende
Aenderung bes curopäischen Allianzspstems in
Aussicht steht. Am schlimmsten käme alsbann
— dies dürsen wir uns nicht verhehlen —
Deulschland weg, weil alsdann der beklagenS-
werthc Dualismus seiner beiden Großmächte
in offcne Spaliung übcrginge, Oesterreich zu
Frankreich und England, und Preußen zu
Nußland hinübergedrängt würbe.

* Polittsche Umschau.

StaatSrath v. Goppelt, ^iner der März-
minister, wurdc in Heilbronn in die Kammer
der Abgeordnetca gewählt.

Die Köln. Ztg. sagt: „Das Wochenblatt
des NalionalvereinS fordert zu einer allge-
mcinen Feier des 28. März, des JahrestageS
der Reichsverfaffung von 1849, aus.- Wenu
die deutsche Einheit mit Festeffen, Festschießen
u. s. w. zu erlangen wäre, so hätten wir sie
schon lange beschmauscn können. Wir haben
svlchcn Dingcn nie mchr werth beigelegt, als
ste verdienen, und s» hoch wir die Reichsver-
fassung vom 28. März halten, so scheint uiis
doch die jexige Zeit weniger als je zum Fei-
ern angethan."

„Morningpost" sagt, daß Oesterrcich Langie-
wicz auf Ehrenwort freigeben würde. Eiue
österreichische Sladt würde ihm als Aufent-
haltsvrt angcwiesen. Die in Galizien über-
getretenen Polen werden unter die Aufsicht
der Behörden gcstellt und erhalten Rationen.

Wie man von Wien dem Pesther „Llopd"
schreibt, ist Graf Chojekp, der Secretär des
Prinzcn Napolcon, auf einer Reise nach Po-
len ins Lager der Insurgenten begriffen und
hat bereils Wien paffirt. Man versichert,
baß er sehr wichtige Nachrichten für die Actions-
partei zu überbringen habe.

Nach der „Europe" hat am 21. d. in Wien
zwischen Graf Rechberg, Fürst Metternich
unb dem Herzog v. Grammvnt eine Bespre-
chung stattgehabt, um die gemeinschaftlich in
Petersburg zu Gunsten ber Polen zu thuen-
den Schritte zu berathen, welchc demnächst
weiter auch mit Englanb besprochen werben
sollen. Auch das Berliner Cabinet werde
sich den anderen Großmächten anschließen, um
in Petersburg den Polen gegenüber eine Po-
litik der Gnade unb Versöhung zu empsehlen.
-- Die „Europe" theilt mit, daß der Papst
dem wiederholten Andrängen RußlandS gegen-
über sich standhaft weigert, den katholischen
Klerus Polens wegen seiner Theilvahme am
Aufstande zu tadeln.

Der „Diritto" veröffentlichk eine Depesche,
daß Garibaldi sich beffer besindet und seine
Promenaden auf der Jnsel begonnen hat.

Dcr in russischer Gefangenschaft befindliche
Muridenhäuprling Schampl hat eine Beru-
fung an Lie europäischen Großmächte gerich-
tet, worin dieselben um Jntervention zu sei-
nen Gunsten beim Czaren angegangen wer-
dcn, letzteren wenjgsteus zu vermögen, den
tapsern Tscherkeffen-Feldherrn, in der Weise

' zurufen, wie überhaupt die beidcn kaiserlichen Kin-
der der ganzen Ausführung mit dem gespanntesten
Zntereffe beiwohnten und lebhast applaudirten. Die
Productionen fanden nun in der »om Programme
angegebcnen Weise Mtt; als besonders gelungcn
müffen wir die Quadrille der Ritter und dcr Sa-
racencn, sowie die Herolds-Quadrille bezeichnen,
obwohl alle andern Reitprvductionen cbenfalls mit
ciner Sichcrheit, Gewandtheit und Präcifion aus-
geführt «urden, welche der Tüchtigkeit der Reiter
alle Ehre macht, währcnd andererseitS die Erfin-
dung der Figurcn, daS Arrangement des Ganzen,
wic dcr Einzclleistungen dem Obcrstlieut. Török,
der das Ganze in Scene setztc, zur besvndcren
Ehre gereicht. Man wuß wiffen, welche Schwierig-
keitcn eS macht, dcrartigcS zu arrangiren, um das
Verdienst zu bcgreifen, «elches Török sich erworben.
Ein paar klcine Unfälle, der Sturz eines Sara-
cenen b-im Lanzcnrciten und zwcier Ritter bctm'
Kopfrcnncn abgerechnet, ging allcs bis ins kleinstc
Detail zusammen, und die geladencn Gästc ent-
fernten fich nach dem Schluffe sämmtlicher Pro-
duciionen, wclchc »on dcr Regimentsbande Graf
Earonint mit passenden Wetsen begleitet wvrden,

in der angeregtcsten Stimmung, um den warten-
den Freunden zu erzählcn, daß hier ei» Prachtbild
altöstcrrcichischen Glanzes zu schen sei, deffen An-
blick keiner fich versagen mögc, dem dte Gclegenheit
geboten, eine Karte zu eincr der dre! Borstellnngen
zu erlangen. Die Ordnung im Schauplatze, sowie
bei der Zu- und Abfahrt war eine musterhaste.

(Preffe.)

Hamburg, 18. März. So ist denn der erste
Tag dcs großartigen FestcS, mit dem dte Hambur-
gische Bevölkerung das Andenken an die Erhebung
DeutschlandS im Frühjahr 1813 feiert, «orüber.
Glanzvoll in rcichster Abwcchslung bewegte fich der
gewaltige Festzug oom Ostenve der Vorstadt St.
Gcorg durch die im reichsten Klaggen- und Blu-
menschmucke prangcnden Straßea der Stadt zur
Wichaeltskirchc, wo der Festausschuß, eine alt« Bür-
gerwachefahne von 1792 an seiner Spitze, die am
18. März 1813 am Stcinthore, durch das Tetten-
born seincn Einzug in die Stadt hielt, gewcht hatte,
aus dem Zuge herausschwenkte, die Schützen Spa-
lier bildetm und die Veteranen von 1813 und 1814
 
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