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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0289

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Samstag, 28. März


* Politische Umschau.

In Shoklnirynkß wurden iyit «iner Arm-
stronq-Kanoiik, die eine eiserne Hohlkugel von
286 Pfund Schwere uiid 11 Pfund erplodi-
rendem Pulver mit cinxr Ladung von 45 Pf.
warf, Versuche angcstellt, bei welchcm 7*/,
Zoll dicke Eisenplatten, die an 10 Zoll dicke
Eichenplanken befestigt waren, durchbvhrt und
damit erwiesen wurdc, daß auch das stärkste
Panzerschiff, wie der „Warrior", solchem Ge-
schütz nicht widerstehen kann. Ende nächsten
Monats soll ein Mörser, der eine Bombe von
590 Psund, und im Herbst ein anderer, der
eine Bombe von 1000 Pfund wirst, erprobt
werden.

Die polnische Frage bringt die Pariser
Prcsse in arge Verlegenheiten: alle Parteien
möchten etwas thun, allein keine weiß was.
Die Officiösen vertrauen auf die Nachgiebig-
keit des ruffischen Kaisers und auf die Mit-
wirkung Oesterreichs, weniger auf die Eng-
lands; die liberalen Blätter geben aller-
lei unausführbaren Rath und halten fich noch
an dem lctzten Strohhalm. „Siscle" bringt
einen geharnischten Artikel gegen Preußen we-
gen des den Nuffen gestatteten Durchmarschs,
obgleich diesem bereits osficiell widersprochen
worden. Der Artikel schcint indeß fertig ge-
wesen zu sein und die Leser solllen nichk um
die sonoren Phrasen verkürzt werden. Die
Polemik über Polen dreht sich in cinem Cir-
kel, aus welchcm fie nicht hcraus kann; es
ist Pole» Unrecht geschehen, darüber stnd alle
einig, wie ihm aber zu seinem Recht zu ver-
helsen, darnber gehen die Meinnngen aus-
einander; Reden und Demonstrationen werden
an der Sache nichts ändern. Palmerstons
neueste Erklärung, daß jede Macht das Necht
habe, die Einhaltung eines Vertrags, zu dem
sie mitgewirkt, ;u erzwingen, wenn sie die
Mittel dazu zu haben glaubte, macht die fran-
zösischen Blätter vollends unwirsch, denn daß
England dics Necht »icht üben will, sprach
der Msnister deutlich genug aus und Frank-
reich aüein es zuzumuthen, nehmen sie denn
doch Bedenken.

„France" bringt einen Brief aus Orizaba
vom 15. v. M., nach welchem cin mit Auto-
risalivn desertirter Sergeant, was man im
gewvhnlichcn Leben eincn Spion nennt, auß
Puebla, wo er in der merikanischen Armee
diente, zurückgckommen sei und berichtet habe,
daß die Garnisvii aus 16,000 Mann bestehe,
bie schlecht bewaffnct seien und unter denen
Eholera und Tpphus herrschten. Außerdem

seien dort 1500 Mann Cavallerie «nter An-
führung von Straßenräubern. Je weiker man
vvrrücke, desto mehr überzeuge man fich, daß
dic Merikaner mit Europa nichts gemcin hät-
ten und das allgemeine Stimmrecht vort nicht
anwendbar sei, da nur ein kleiner Bruchtheil
lesen uNd schreiben könne. Den Franzosen
war in Orizaba ein Abschiedsball gegebcn
worden, der rechte Tanz sollte nun angehen.

„Constikutionncl" sieht in den Wahlcomite'S
der Colonisten und Republikaner gespenster-
haste Erscheinungen, welche stch gegen das
Kaiscrthum coalifiren.

„Debats" sagen, nur eine mächtige Coa-
lition, wie die welche Polcn vernichtet, könne
ihm wicder aufhelfen; es frage sich nur, ob
eiiie solchc Coalition in jetziger Zeit, wo so
grvßes Mißtraucn zwifchen den Mächten
herrsche, sich bilden laffe.

General Dembinski schreibt an dic.Zour-
nale, er habe am 11. d. M. dem Grafen Rech-
berg ei» Project vorgelegt, das, wenn es an-
genommen worden wäre, Polen gcrettet und
Oesterreich an die Spitze Europas gestestt ha-
ben würde, unb zwar auf so dauernde Weise,
daß Niemand daran hätte rütteln können.

Der vormalige Herzog von Modena hat
seinen Trnppen angezeigt, daß er ste entlaffen
werde, wcil Ende dieses Monats der Termin,

' welchen die italienische Regierung zur Rück-
kehr gestellt hade, gbläuft; dabei wird ihnen
freigesteüt, in die österreichische Armee einzu-
treten.

Die Stärke der ruffischen Armee kn Polen
wird auf 70,000 Mann reguläre Truppen
und 40,000 Kosacken, Baschkiren, Kirgisen '
und andercs Steppcngesindel angegeben; da-
von liegen 25,000 Mann.in Warschau, 25,000
in den Festungen, 30,000 manövriren im Sü-
den und die gleichc Zahl im übrigen Polen.
Bofi den beiden Icßteren Corps ist aber die
Garnison von 20 Städten in Abzug zu brin-
gen. Der Guerillakrieg kann haher trotz der
Niederlage der Jnsurgenten im Südcn bis
zum Eintreffen der Vcrstärkungstruppen noch
einige Zeit fortdauern. Die polnische Jnsur-
reclion war militärisch verloren, svbald sie
nicht durch raschen Uederfall sich in Besitz der
Stäbte setzen und die ruffischen Truppen we-
nigstens in die Festungen treiben konnte, ehe
Verstärkungen herankamen.

De«tschland

Kurlsruhe, 26. März. Jhre Kaiserl.
Hoheit die Großsürstin OlgaFeodorowna

von Rußland ist heute Nachmittag 2 Uhr 21
Minutkn dahier eingetroffen.

Karlsruhe, 25. März. Verschiedcne geg-
nerische Blättcr beschäftigten sich in den letzten
Tagen mit.Conjecturen über die Jnstructionen,
weiche der diesseitige Bevollmächtigte zur Ge°
neralzollconserenz in Münchcn mitgenommen.
Sie wiffcn darüber „auS guter Quelle" immer
Das zu crzählen, was ihnen und dem Effecte,
den sie hervorbringen wvllen, am besten dient.
So soll er bald ohne Jnstruction, bald mit
einer der Jnstruction deS preußischen Bevoll-
mächtigten in Form oder Motiven identischen
Weisung versehen sein. Wieder andere meinen
es noch beffer und laffen ihn allein gar nicht
in München erscheinen. Der in München auf
der Generalzollconfercnz thätige Bevollmäch-
tigte der großh. Regierung wird daselbst an
dcn, vor die Gcneralzollconferenz statutenmäßig
gehörigcn Arbeiten Theil nehmen. Er wird
dagcgen an der Discusston von Fragen, welche
über die Competenz einer Conferenz von Zvll-
vereinsbevoümächtigten hinaus liegen, oder
dieser Conferenz durch Zuzug von Bevollmäch-
tigten, die Nl'cht-Zollvereinsstaaten angehören,
einen andern Charakter verleihen würden, sich
nicht bctheiligen. Sind wir recht unterrich-
tet, so würde dic Frage der nähern Verbin-
dung Oesterreichs und der im Zoüverein ver-
einigicn Staaten sich mit einiger Aussicht auf
Erfolg erst nach vorgängiger Sichersteüung des
Zvllvereins selbst und dann in einer Conferenz
der Minister dcr deutschen Staaten, nicht in
einer zur Erledigung der laufenden Geschäste
deS Zollvereins bestimmten Generalconferenz
behandeln laffen.

Dieser Auffaffung dürfte» sich in München
Regieriliigkn, welche ungefähr 25 Millionen
der Zollvereinsbevölkerung vcrtreten, anschlie-
ßen. Es hat also wenig Gefahr, wenn Blät-
tcr, deren Ansichten mit der Pvlitik von Staa-
ten übcreinstimmen, welche 8—9 Millionen
repräsentiren, Baden als im Zollverein isolirt
darstcllen.

Frankfurt, 26. März. Der „Köln. Z."
wirv unter bem 24. von Berlin geschrieben:
„Die neuestcn Nachrichtcn aus Polen laffen
annchmen, daß die bewaffnete Znsurrection in
Folge der combinirten Angriffe der Ruffen
auf die Aufständischen ihrem Ende entgegen-
geht, wcnn auch die Verfolgung dcr einzelnen
Jnsurgentengruppen nvch einige Zeit in An-
spruch nehmen wird. - Freilich bcginnt dann
dic nicht minder schwierige Aufgabe des rufs.
Gouvernements, das Land zu pacificiren. Wie
»Cngland, so hat stch auch das diesseitige Ea-

Eine mdische Äönigm.

Zm Zahre 185L starb zu Radschpur im Maha-
rattciilande die Fürstin Baka Bah, dercn Mann
und Sohn Behrrrscher cineS jetzt den Engländern
unmitkelbar unterworfenen Fürstenthums gewesen
«arcn. Sie übte cinen großcn Einfluß auf das
Votk und behauptete denselbcn ein halbes Jahr-
hundcrt tzindurch. Als die Briten 1853 Anstalt
machten, dasFürstenthum rinzuvcrleiben, hätteein
Wort aus ihrem Munde hingcrcicht, nachdrücklichen
Widerstand hcrvorzurufen; allri» sie schwieg, und
auch im Jahrr 1857, währcnd dcs großen Aufstan-
deS der Sipahis, war fie Ursache, daß im Gcbietc
vvn Nadschpur Alles rutzig blirb.

Baka Bai' war eine mit ausgezeichnetcm Ver-
stande bcgabte Krau von energischcm Character und
der altcn Landcsreligion mit unbegrenzter Anhäng-
lichkeit zugethan. Es hat wohl nie cine eifrigere
Verehrcrin dcs Brahmanenthums gegcben alS diese
Kürftin. Sic war den Leremonten völlig hingc-
gcben und verlcbte einen Tag wte den andern in
folgender Weisx:

, Um fünf Uhr Morgcns stand sie auf und «id-
1 mcte dic ersten Stunden des Tages dcr Vcrehrung
der hciltgen Knh und des hetligen BaumeS
Tulsi. Dann sprach sie sitzend die Namen aller
threr Göttcr und bediente fich dabei ciner Art von
Rosenkranz, deffen Kugeln thr zum Anhaltspuncte
für das Gedächtniß dicnten; denn cs traf sich oft,
daß sic durch drtngende Rcgicrungsgeschäfte beim
Betcn gestört wurdc, Audicnzen geben odcr irgend
eincn wichtigen Gegenstand crledigcn mußte. Nach-
dem fie dergleichen abgethan, fuhr sie in ihrer Li-
tanei fort.

Zur Mittagszcit crschienen dte Brahmapriestcr.
Die Fürstin nahm «in Bad, zu welchem das Was-
ser mit großcn Kosten aus dem «eit entfernten Gan-
ges herbeigeschafft wurde. Nachhcr brachte sie der
Sonne ihre Huldigung dar, stcllte Opser vor die
Götterbildcr ihrer Hausgötter und licß sich dann
Gedichtc zum Prcise der Götter vorlesen. Nach-
dcm fie cinc Weilc geruht, widmete fle abermals
der hciligen Kuh Verehrung und begab fich als-
dann in den Palastgartcn, um dort die Ameisen,
welche sie in großeft Hügeln pflegte, mit Zucker zu
füttern.

Jnzwischen harrten ihter im großen Saale die
Brahminen, für welche tagtäglich cin leckeres Mahl
zubcrcitet wurde. Abcr die Speisen wurden crst
genoffen, nachdcm «ine eigenthümliche Fcicrltchkett
vorausgegangen «ar. Baka Bai' trat chrfurchts-
voll an jeden Brahmincn hcran, machte ihm hci-
ligc Zcichen auf dic Stirn und hielt ihm eine mit
Waffer gefülltc Schalc vor, in welche de, Priester
seine großc Fußzche halten mußte. Dann vertheilte
sie an alle anwescnden Brahminen geweihte Blät-
tcr, Blumcn und Silbcrstücke, ging i» ein andcrcs
Gemach und trank das Waffer, welches durch dic
Bcrührung mit dcn Zchen der Brahminen gchet-
ligt war. Sie glaubte iruf solche Weisc die etwa
begangenen Sündcn hiNwcgwaschenzukönnen. WLH-
rend dann dtc heiligen Männer sich an Speise und
Trank erfrcutcn, »ertheilte die Fürstin Almosen an
die Armen. Sie nahm nur etnmal ctwas Rahruug
zu fich und zwar Abends, nächdem fie abermalsdcr
hetligen Kuh thre Verehrüng dargebracht hatte.

Die Andachten nahmen täglich zchn bis zwölf
Stunden Zett in Anspruch. Als getstltche Gehil-
fen dienten dabei fünfzchn Brahminen und dretßig
Gosains vder Fakire; dazu kamen dann noch ganze
 
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