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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Mai
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St: L2»

«rschriat, WontagS auSgenvmmen. taglich.
PreiS vierttljährlich 54 kr.

* Polttische Umschau.

Aus Saarbrückeu schreibt die »Rhein. Z.":
Die gegeuwärtige poliiische Krisis drückt wohl
auf keinen Theil der Monarchie beängstigender
ale auf unser Kohlenrevier, deffen Besitz nach
Napoleons oder Laguerronniere's Behauptung
für grankreich von unbedingter Nothwendigkeit
ist. Unsere Gegend ist so gut deutsch gesinnt,
als irgend ein anderer Theil des Vaterlandes;
um so größer ist hier die Unzufriedenheit mit
der gegcnwärtigen Politik der Regierung, weil
zu besürchten stcht, daß durch ihre Hinneigung
zu Rußland und ihre Haltung Polen gegen.
über die Franzosen ihrer „Sehnsucht nach den
Kohlen dcr Saar" entsprechend handeln möchten.

Dic „Rh. Z." äußcrt: Die Farce, wrlche
von der „neuen Aera" in Scene gesctzt war,
ist zu Snde, und das historische Schauspiel
beginnt. Mit der Thronrebe, wclche den Land-
tag schloß, ist der erste Aufzug eingeleitet. Die
donnernden Artikel der ministeriellen Presse
werden dic Scene weiterführen. Mögc daS
Land denselben die Antwort nicht schuldig blei-
ben. Die Antwort kann in Zweierlef bestchen:
1) Jn Adreffen an die Krone; 2) in Bilbung
von Vereincn zum Schutzc und zur gesetzlichen
Reform der Verfassung. Wir nennen Schutz
und Reform zusammen. Denn das Eine ist
vom Andern nicht mehr zu trennen. DaS ist
ein Punkt, über welche» daS Land vorzugs-
weise aufgeklärt werden muß. Hierzu gehöre»
geistige und waterielle Kräste. Möge man
deßhalb endlich unserer Mahniiiig nachkommen
und soforl in jedew Wahlkreise wcnigstenS
einen Vercin bilben, wclcher die Mittel sammle
und verwende. Die Vereinc müffen sich nur
hülen, mit einander in Verkehr zu trelen, weil
sie sonst aufgelöst und ihrc Lciter bestraft wer-
den. Bei sorgsälligster Jnnchaltung dcr ge-
setzlichen Grenze wird di« größec Energie mvg-
lich scin. Denn blöde wird die Reaction nicht
mehr auftreteu. Das Volk in Preußen hat
eine große, aber auch preiSwürdige Probe zu
bestehen. Was dic Kurheffen gcleistet haben,
kann es zehnmal lcistcn, wcnn eS will. ÄS
gilt, den letzten Kampf Ler modernen Gesell-
schaft, dcs bürgerlichen SlaateS, gcgen dic
feudale Gesellschaft, den Militärstaat, z« be«
stehen.

Zn wclchem Tvne die „Krcuzz." von dem
nun doch nur geschloffenen (nicht aufgelöstcn)
Abgcordnetenhausc spricht, mag folgende Probc
zeigen: „Maii hal eS vcrstandcn, sich in der
ncuesten Adrcsse selbst zu übcrbieten, und un-
ter dem AuShängeschilde der Ehrcrbictung, der

Gonntag, SL. Mai

WahrheitSltebe und des Patriolismus dem
Throne mit einem Schriftstücke nahe zu tre-
ten,, welcheS sich zauf der äußersten Grenze
der Heuchelei, der Masestätsbeleidiguag und
deS Landesverrathes bewegt."

Die Wiener Blätter behaupten, Frankreich
habe die österreichischen Vorschläge zur Rege-
lung der polnischen Frage als Grundlage
adoptirt.

Die französischen Bischöfe fordern nun in
einem Circular ihre Anhänger auf, sich bei
dcn Wahlen zu betheiligen, aber nur Leute zu
wählen, von welche» sic gewiß sind, daß sie
die weltliche Macht deS Päpstes vertheidigen
werden; der Wahl enthalten dürfe man sich
nicht. Wer ins Waffer fällt, sagt daS Cir-
cular, ist nicht gewiß, sich durch Schwimmen
relten zu könncn, allein er wird gewiß er-
trinken, wenn er nicht schwimmt.

Die Nilquellen sind, wie „TimeS" melden,
endlich entdeckt; der Nil kommt nicht, wie man
vermuthcte, auS dem Monbgebirge, svndern
aus kleinen Seen, 150 englische Meilen süd-
lich vom Aequator, in welche sich die Aequinoc-
tialregen sammeln; dies erklärt auch daS Fallen
und Sleigeu des Fluffes. Die Umgegend kann
ohnc bcsondere Gefahr für die Gesunbheit oder
persönliche Sicherhcit bereist werden, für Han-
del und Ackerdau hat aber die Cntdcckung we-
nig Werth.

Deutschland

KarlSruhe, 28. Mai. (92. öffentliche
Sitzung der II. Kaminer. Fvrtsetznng.) Bei
K. 2 veranlaßt Kusel eine längere Discus-
sion über die Frage, ob der §. 9 deS Ein-
führungSgesetzeS, welcher bestimmt, baß die
Vecfolgung eines öffentlichen Dieners wegen
eineS AmiSvergehruS nur mit Genehmigung
des StaatSministeriums statthaft sei, aufzu-
heben sei oder nicht. Er wünsche deffen Auf-
hebung, wolle aber keincn Anlrag stellen. Eck-
hard stelll den Anlrag und begründet solchen.
Prestinari wäre auch für die Aufhebung,
wenn die Regierung damit einverstanben wäre,
diese habe solche aber abgelehnt. UebrigenS
habc diese Fragc eine zu große Tragweite,
alS daß man heute schvn sie entscheiden könnle,
der Weg der Motionsbegründung sei vorzu-
ziehen. Ministerialrath Ammann: Die Frage
gehöre in da« Strafgesctzbuch und dic großh.
Regierung wünsche, baß fle nichl heutc, jon-
dern bei der Revision des StrafgesetzbucheS
entschieden, jedenfallS aber wenigstenS in dic
Eouiuiission zurückverwiesen werde. Nur bei

z«s,rl>on«,,büdr>» fö-^dn Zsv-Mg-lP,ti>-

Ehrenkränkungsklagen habe die Frage noch
praktische Bedeutung, aber die Regierung sei
ihren Beamten Schutz schuldig, weil sie im
Namen deS SkaateS handeln, daher daS Recht
haben, zu verlangen, daß dic Regierung vor-
her prüfe, ob er seine Amtsbefugniffe über-
schritten habe. Schaaff: Die Bestimmung
sei hauptsächlich für die Gemeindebeamten da,
welche die Polizei ausüben. (LeumunbSzeug-
niffe.) Beck stellt dcn Antrag, den Wunsch
auSzusprechen, baß bei Revision dcs Skrafge-
setzbucheS der 8- 9 des EinführungSebictS ge-
strichen wcrde, wird aber nicht unterstützt.
Walli ist gcgen den Strich; es könne den
Beamten nicht einerlei sein, immer oor Gericht
gczogen zu werden, der UntersuchungSrichter,
ja der Richter seibst, wäre davor keinen Augen-
blick sicher; die Stänbemitglieder selbst hätten
ja glcichen Schutz. Es sprechcn noch Herth,
Minister Stabel, Schaaff, Eckhard und Pre-
stinari. Der Antrag Eckhards, die Frage an
die Cvmmisston zur Berathnng znrückzuweisen,
crhält Stimmengleichheit und der Präsident
entscheidet für denselben. (Schluß f.)

Karlsruhe, 29. Mai. Die I. Kammer
hat heute das Gesetz über die Rechtsverhält.
niffe der Richter durchberatheu, und ungeachtet
der Einsprache deS RegieruugScommiffärs daS-
selbe auf die Amtsrichter auSgedehnt. Wesent-
liche Aenderungen am CommissionSvorschlage
wurben nicht gemachl, nur dem §. 3, von
Versetzungeil auf gleiche oder höhere Steüe
handclnd, beigefügt: „jedoch lediglich im 3a-
tereffe des öffcntlichen DiensteS." Die An-
nahme deS GesetzeS geschah mit allen gegen
zwei Stilnmen (Prälat Holzmanii und Geh.
Ratb Dr. gromherz).

Mannheiw, 28. Mai. Nach Beschluß
wird bie nächstjährige allgemeine deutsche Lch-
rervcrsaminluug in Leipzig stattfinden.

Berli», 27. Mai. Jm Heircuhause, in -
welchoin wcgeii „geschäftlicher Mittheilungcn"
auf heute Vormittag in allcr Eile eiuc Sitzuug
anbcraumt wordcn war, eröffiiete der Präsi-
dent, Graf zu Stvlberg, dieselbe gegen 12 Uhr.
Am Ministcrtisch waren erschicnen der Mini-
sterpräsidenl v. BiSmarck-Schönhausen, Graf
Ztzenplitz und Graf zur Lippe. Obwohl die
Tribünen nur spärlich besetzl waren, waren
diesclben doch gefüllter als das HauS selbst,
in welcheni sich nur etwa zwanzig Mitglieder
eingefunden hatten. Nach Gcnchmigung des
Protokolls der vorigen Sitzung ertheilte der
Präsibent dcm Ministerprästdenten das Wort.
Derselbe verlas eine königliche Botschaft, durch
wclche er ermächtigt worden, die Session deö

14. allgemeine deutsche Lehrerversammlung.

(Fortsttzung.)

Nach anderthalbstündigcr Pause beginnen um
2 Uhr dic Verhandlungen von Neucm. Auf Vor-
schlag des Präsidenten ivcrdcn zunächst dic am
morgenden Tagc zu haltenden Vorträge bestimmt.
Daraus hälb Hcrr Dr. Riccke auS Neuffcn (in
Württemberg) einen Vortrag über die Volks-
schule als Denkschulc. DaS Thema sei von
großer Wichtigkeit sür allc Schulen, am meisten
ader für VolkSschulen. ES handle sich darum,
ob unsere Schule cinc Denkschule oder bloße Sr-
dächtnißschule sein solle. Der Rcdncr legt einc
Reihe von Thesen »or, wclche den Weg bczeichncn,
die Schule zu riner solchen Dcukschulc umzubilden.
Oberlehrcr Dr. Llrmen aus Kajsel bemerkt, der
ebrn gchörtc Vortrag habe oarum besonderS gc-
sallcn, wril er Wahrhcitcn auSspreche, die schon
bcreit« bielfach zur Wirklichkeit geworden scicn.
Dic Schulc sei bcrcit« an virlen Orten zur wirk-
ltchen Dcnkschule gcworden. Hauptlehrer Speng.
ler von hier bczweiselt die Behauptung de« Vor-
rednerS; an vielen Orten habr allcrdtngS dic

, Volksschule nvch keine Denkschule werden können.
Da« erste Hinderntß ist: die Eltcrn wollcn zu srüh
grcisbarc Resultatc schen und darauf wird in dcn
öffcntlichen Prüfungen hingearbeitct. DaS ist vtel-
fach Scheinwerk. Die Prüfungen gebrn kein Zeug-
niß von den wirklichcn Leistungen der Lchrer. Diesc
Leiftungen der Lehrer sollen durch sachverständige
i Vorgcsctztc erforscht wcrdcn, welche den Lehrcrn
! nicht unpraktische und von den Zöglingcn »icht

> denkend zu erfaffendc Stoffc zur Bchandlung in
! drr Schule vorschreiben wervcn. Herr Loher auS
. MoSbach erklärtlflch dagegcn, daß «inzig das Dcn-
' ken in den Schulen gcpstegt werdc. DaS Denkcn

> zum cinzigen Prinzip deS SchulunterrichtS machcn
zu wollen, sei falsch. Direktor Zanson aus Bre-
men spricht fich namentlich übcr das religiösc Ge-
biet deS llntcrrtcht« aus und erklärt fich glcichfalls
gcgen vas Denkcn als daS ctnzige Prinzip dcS
UuterrichtS. Dr. Dcnnhardt au« Hanau: ES
sei gcsagt worden, öffcntliche Prüfungen vcran-
laßten viele Scheinarbcit. Er habe einc befferc
Mernung von den Lehrcrn; die öffcntlichen Prü-

j fungen hättcn ihr gutes Recht. Gucrikc au«

> Schwelm (Rheinpreußen): Sr meine auch »icht.

- daß daS Denken einziges Prinzip der Schule scin
^ dürfc, aber der Gegensatz dagegen ift auch nicht
? zu übcrtreiben. Durch nichtS «erde der Denkschule
? mchr cntgegengetretcn, alS durch dic Art, wte der
ReligionSunterricht vielfach erthetlt werdc, es werde
das Gedächtniß mit unverarbeitetem Stoff über-
süllt. Dr. Mcier auS Lübcck: Die Prüfungen
scien bisher nicht Schul-, sondern nur Schüler-
prüfungen gewcsen. Dr. Lange au« Hamburg
vertheidigt besonders gegenüber dcn reaktionären
Strömungen dcr Neuzeit dic Schulc als Denkschule
unter großem Beifall dcr Versammlung. Zum
Schluß rcchtfcrttgt sich Hcrr Dr. Riccke gegen
einzelne unrichtige Auffaffungcn seincS VortragS.
Die Dcnkschule, wl, er sic wolle, schließe keineS-
wegS Pstcge dcS Gefühle und deS Wvllens auS,
aber daS Kühlen und Wollen solle eben etn klareS
j und bewußt-S, kein gcdankenloseS sein. Der Prä-
sident rcsumirt hieraus den Znhalt der Debattc
und veranlaßt einc Abstimmung, welche Hcrrn
Riccke dcn Dank drr Versammlung für seinen Vor-
? trag aussprtcht, ohnc gerade den Wortlaut seincr
. Thcsen fich anzueignen. Zum Schluß der heutige»

> Verhandlungen HLlt noch Profeffor Sto? auS
 
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