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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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DaS österrei'chlsche Verfahren habe größ.re
Weitläufigkerten als das unsere, der Angeklagte
habe dort in zwei Znstanzen das Recht der
Beschwerde. Wenn es mit der Zeit inögüch
wäre, würde man die RathS- und Nnklage-
kammern freilich fallen laffen. Herth stellt
hieranf den Antrag, den 8- 202 ;u streichen.
Haager deutet darauf hin, daß in Oester-
reich und Frankreich Recurse stattfinden, bei
unS nicht; abrr er glaube, daß bei uns einst
das englische Syftem aufgcnommen werde,
wo eine Anklagesurp bestehe, von wo die Sache
an'daS erkennende Gericht gehe. Federer
unterstützl den Herlh'sche» Antrag. Kirsner
erklärt sich dagegen, nachdem er des Ministers
Aeußerizng gehört. Prestinari ist ebenfalls
gegen den Antrag. Die Frage se, bereits in
der GerichtSverfaffung entschieden. Das öster-
reichische Verfahren sei vcrwickelter, als das
unserige. Der Herth'sche Antrag HStle in der
allgemeinen Discusfion gestellt werden müffen,
denn eS handle stch dabei nicht um vorliegen-
den Paragraphen, sonbern um Abändcrung
des ganzen Spstems. Der Antrag dcs Abg.
Herth wird hieraus mit allen gegen 3 Stim-
men (Herth, Mcpr und Fcderer) verworfen
uud der Commissionsantrag angenommen.

Bei 8- 22S frägt Haager, ob die großh.
Regierung schvn daran gcdacht habe, für Rich-
irr, Staatsanwälte und Anwältc Amtstracht
einzusühren. Minister Stabel verneint diese
Frage. Beck: Von Formen hänge gar viel
ab; der Richterstand sei ein heiliger, deshalb
spreche man auch von dem Priestcr der Ge-
rechtigkeit — im wahren Sinnc des Wortes
meine er — und namentlich bei dem öffent-
lichen Wirken seien Formen noch mehr zu be-
rücksichtigen, er wünsche also irg;nd eine Aus-
zeichnung sür den Richter und auch am Ein-
gang der Richtersprüche die Fvrmel „Jm
Narnen S. K. H. bes Großherzogs." Die
Kammer schweigt. Zu 8. 226 steüt Haager
den Antrag, daß zu geheimen Sitzungen auch
die niLt gezogenen Geschworenen unbcdingten
Zutritt haben svllen. Prestinari ist da-
gegen, wan müffe auf dic Angeklagten auch
Rücksicht nehmen. Moll unterstützl den An-
trag. Ministerialrath Amm ann: Die Sitzung
werde geheim auS Gründen der Schicklichkeit;
abgesehen vou den Angeschulbigten müffe man
die Verletzlen insbesondere schonen; diese woll«
ten kein Publikum, denn es komme sie schon
schwer genug an, ihre Aussagcn vor den Rich-
tcrn, 12 Geschworenen und den Anwälten zu
machen, jetzt wolle man auch nvch die 18 ün-
thätigen Geschworenen zulaffen. Kusel spricht
in gleichem Sinne, es sei bekannt, daß die
Geschworenen hauptsächlich gerne in ben gc-
heimen Sitzungen weilen; fie hättcn dazu
kein Recht. Kirsner: dann müffe man auch
die nichr mitwirkenden Richicr unb Anwälte
ausschließcn, denn vie Geschworenen seien anch
Richter. Federer verwahrt sich gegen Ku-
sel's Aeußerung, die grundloS sei. Der An-
trag Haager's wird mil 27 Stimmcn ange-
nommen. Bei §. 231 wünscht Federer,
daß dic Eide selteuer werben, denn im Volke
herrsche die Ansicht, es würden zu viel Eidc

14. allgemeine deutsche Lehrerversammlnng.

Drttter Tag (28. Mai).

Zu Anfang ber heutigrn Sttzung, als dcr lctzten
der dicsjährigcn Lchrervcrsammlung, wurdc cin für
diesen Zweck gedichtetes AbschiedSlied gcsungen und
diesclbe alsdann für eröffuct erklärt.

Dcn Gegenstand der Tagesorduung bildet der
Dortrag des Hrn. DircktorS Schröber vonMann-
heim über den Mangcl an cincr wehrhaf-
tenLrziehung der Zugcnd. — Einen zweiten
Vortrag über ein verwanbtcs Thema, nämlich übcr
die Erziehung zur Mannhaftigkeit, hielt
Herr Schnell, Vorstehcr einer Bildungsanstalt
für SchuIamtSPräparanden in Prcnzlau. Nachdem
der Redner die von Audern bczeichneten Bestand-
theile und Bedingungcn der Vaterlandslichc auf- ,
gczählt hatte, bemerkt er, baß auch dic deutsche
Mannhaftigkeit dazu gehörc. Aber gcrade in
dtcser Beziehung leide unscrc Erzichung an einer
bedauernswcrthcn Eins-itigkeit, wie schon Acan
Paul tn scincn Schriften nachgcwiescn habe. Es
sei eine Ratur- und zugleich esnc Kulturfordcrung,
nnserc Augend zur Mannhastigkeit zu erziehcn,

abgefordert. Bek §. 237s wird ei'n Antrag
Haager's angcnommen, wornach der Boi sitzende
dem Staatsanwalt uud Bertheidiger aus deeen
übereinstimmenden Antrag die Vernehmung der
Zcugen zu überlaffen hat, und hjerauf die
Sktzung gcschloffen. (K. A.)

— Mannhei«, 1. Zuni. Dke 34. Sitzung
dcr I. Kammcr war eine dcr ausgezeichnetsten
durch dke enkschloffene frekstnnkge Haltung des
Hanses gcgenüber dcm Vcrtreter ver Regierung.
Es galt einem Fundamentalgesetz des konsti-
tutionellen Staales, näMlich der Unabhängig-
keit des RichlerstandeS, die nach dem vorge»
legten GesetzcSentwurf der Regtcrung fich nur
auf die Collegialrichtcr erstrecken sollte, wo-
gegcn die Kammer darauf bcstand, daß fie auch
auf die Amtsrichter ausgedehut werde. Ein
unS vorüegender Privatbrief auS Karlsruhe
sagt, das Ministerium Stabel habe in dieser
Sitzung seine erste bedeutcnde Niederlage er-
litten, und wir müffen die Sache ebenso an-
sehcn. ES sind aber auch die scharfsinnigsten,
angesehensten und einflußreichsten Jurifien der
Kammcr, Hofrath Bluntschlk, Geh. Ralh v.
Mohl, Stadtdirector Graf v. Hennin und
der Berichterstatter der Commisfion, Hvfrath
Schmkdt, mit vereinter Kraft und unbeugsamer
Standhaftigkeit für die Unabhängigkeit des ge-
sammten Rtchterstandes in die Schranken ge»
treten, und die ganze Kammer, mii Ausnahme
zweier Mitglkeder, folgte, der überzeugenden
Macht der Gründe nachgebend, den itclli'gen-
ten Führern. Znsbesondere soll Bluntschli mit
unwiderstchlicher Beredsamkeit den Commis-
fionsantrag vertheidigt und mi't rücksichtsloscr
Eiitschiedenheit unb Consequenz erklärt habcn,
daß cr und seine Freunde lieber das ganze
Gesetz fckllen laffen, als daS Princip der Un-
abhängigkeit der Richier in eincr Halbhrit an«
nehmcn würden. Ueberhaupt muß man unserer
gegenwärtigen l. Kammcr das Zeugniß geben,
daß fle — was in dcr Geschichte unseres par-
lamentarischen Lebens elwas Neues und Un-
erhvrtes ist — in mehreren wichiigen Fragen
sich sreisinnkger erwieS, als die Majorität der
11. Kammcr, und daß ihre Mitglieber durch.
gängig mehr zusammenhalten. Um aber nvch
cinmal auf die erwähnte Sitzung zurückzukom-
men, so hegen wir die besten Hoffnungen für
dic Durchsetzung der äußeren Unabhängigkeit
des Richterstanbcs, nachdem Männcr bafür ge-
stritten, die ibrc geistige und siitüche Unab-
hängigkeit durch i'hre Abstimmung so glänzcnb
bewiesen haben. Möchten unsere bciden Kam-
mern aus dem hicr angebahnten Wegc fort-
wandeln und dadurch den Beweis ücsern, daß
sic, wie man vfk und nicht ganz mit Unrccht
behauptet hat, sich nicht bloß von der frei-
sinnigercn Regierung in das Schlepptau neh-
men laffen, sondern dieselbe nöthigensalls auch
vorwärts zu schieben bemüht sind.

<? Vom Rhein» 25. Mai. Der neuüch
in der ersten Kammer vor sich gegangenen
Verhandlung über ben Entwurf ei'nes Nota-
riatsgesetzes enlnehmen wir vas Ergcbniß, daß
der Weg zu einer consequenten, principiellen
Umgestaltung immer noch nicht angebahnt wor-
den. Nur darin kann solche ihre Basis finden,

damit zu seiner Zett der Mann ein rechter, cin
ganzer Mann sci. llm dic dcutschc Mannhaftig-
keit an konkreten Bcispielen anschaulich zu machcn,
wirb an den Turnvatcr Jahn und an FrieS crinnert.

Hierauf spricht Redner von dem Werth dcr AuS-
bildung deS Gefühls, welches, gegcnüber dcm
Verstandc, »on Manchen so gcring geschätzt werdc.
Das Gefühl sci die Wurzel dcS gcistigen, pcrsön-
lichen LcbenS, und daS Gcfühl dcr Jugend müffc
früh für Ehre und Sclbstbestimmnng belebt wer-
dcn, damit fir cin Herz gewinne für alle großcn
und erhabenen Zwcckc. Aber daS Gefühl allcin
mache cs frcilich nicht; daS Höchste deS ManneS !
sei «eder daS Gefühl, noch der Gebanke, sondern !
dic Thai. An der That «ird man dcn Mann !
crkcnncn, in ihr offenbart fich die Mannhaftigkeit.
Man findct oft fehr hochgcbildete und durch Wis-
senschaft ausgezcichnetc Männer, die abcr ketncn
Eharakter, kcine Mannhaftigkeit haben. Die Wis-
senschaft ist nicht für Alle, abcr die Sittlikeit ist
unser Allcr Bestimmung, und zu thr hinzuführcn,
ist unserc Aufgabe. „Vor dem Sklaven, wcnn er
die Kettc bricht, oor dem freien Menschen erzittre
nicht." -

daß bi'e den Geschäslskreis des RotariatS be-
griffsmäßig ausmachenben Amtshanblungen als
ein besonderer, selbstständiger Zweig der frei-
wi'lligen Gerichiöbarkeit von dieser streng ans-
geschieden, nnd ci'nhei'tll'ch, durch cin Or-
gan, verwaltet werden; daß man also alle die-
jcnigen Befugniffe, wclche dem Amlsrevisor in
seiner Eigenschast als Nvtär zustanden, z. B.
di'e AuSfertigiing von Pfandurkunden rc., mi't
denen des vorzugSweisen NotarS vereinige,
und jenen durch Ablösung seincs notariellen
Characters von seiner Zwitternatur be-
frcie. Die übrige freiwillige Gerichlsbarkeit
des Amtsrcvisorats wird zweckmäßig demAmts-
grrichte überwiesen, nnb entweder für sich, oder
besser mii der frciwiüigen GerichtSbarkeit des
letzteren überhaupt, durch cinen besonderen Bc-
amte» dcffelben verwaltet, welcher dem Proceß-
richter glei'chzustellen und paffend mit dem Na-
men eincs GerichtS- oder Justiz-KommiffärS
zu belegen sein möchle.

Di'e Stellnng der Rotare betreffcnd, muß
diese, wenn sie gegen die Gesahren dcr Burean-
kraüe- und Regierungs-Willkür gcschützt sein
svll, derjcnl'gen der Anwülte ganz gleich sein.
Hiegegen war kürzlich einc dilatorijche Einrevc
zu vernehmcn: zur Zeit stchcn bie Notare bei
uns noch nicht auf einer wiffenschastlichen
Stufe der Bildung, wie die Anwältc. Ün-
zweifelhaft sollte dies in Bezug aus Gc-
setzkcnntniß verstande.n werden. ES ist »un
freilich n'chüg, daß die ältercn Nolare hinsichl-
lich der Gesetzkenntnisse nicht die Präsumtion
einer wiffentjchastlichen Stuse für sich haben,
und daß baS Gegenthkil. im Zntereffe einer
guten GeschästSjührung zu' wünschen wärc.
Allein schon bereits seit 13 Jahren habea die
Notarialscaiidibaten einc thevretijche Staats-
prüjung, u»d überbics noch cine praclische zu
crstehen. Foigewcise finben stch schon eine
Reihe von jungen Männern in der Praris,
wciche auch die Präsumtion eincr wiffenschast-
üchcn Stuse i'n ihrem Fache sür sich haben.
Und so schiene uns denn doch räthlicher, licber
gegen ein Dußend etwas liberal zu sein, als
nur Einem scin Recht dis zu nnbestimmlen
Zeitcn vorzuenthaltcii.

Beiiii Lichte betrachtet, sind die vorgehatle-
nen Mäuge! nicht stichhaltig, und sie können
iiicht alS ein Grnnd geitcn, vic Wünsche beS
Fortschritics von günstigen Zeitcn aus uiige-
wiffe Tagc zu verschicbe». Wir sehen näm-
lich nicht ein, welche Gefahrcn der Mangel
ciner wiffenschaftüchen Zugendbildung der äl-
teren^d u r ch Erjahrung gereiften Notare,
oder ciiie, mehr raiion elleS, als empiri-
scheS Wijjen zu wünschen übrig laffcndc Ge-
setzkenniniß der jüngeren, iiisoscrn herauf-
bcjchwören jollte, als ihre Stelluiig derjcnigen
ber Anwälte gleich würde.

Es köunen ja dicse Herrcn an imiereii Vor-
zügcn nur gewinnen. Das Häustein wird dic
Zeit, mil unb ohiw seine» Willen, durch neue
Kräste schncll verjnngen. Und hält män doch
die betreffenden Herren snr fähig, ats AmtS-
revisoren zu selbstständigen Staatsdicnern er-
nannt zu rverden! Wir rcchne» auf Unter-
> stützung in unserer Bolkskammcr!

Die »on dem Präsidcnten zuletzt gestellte Frage,
ol> dic Versammlung zur Abstimmung geneigt ftt,
wurde allgemein bejaht, und das Resultat dieftr
Abstimmung «ar die Annahmc der bctdcn Anträge
von Schröder und Schncll.

Mtt dieser Abstimmung war die Tagesordnung
beendigt, und cs wurdcn, der vorausgcgangcncn
Ankündigung gcmäß, nun noch allerlci äußere An-
gelcgenhetten von untergeordneter Wichttgkeit be-
sprochcn. Es kamen noch zwci Telegramme ein,
das eine von Hannovcr, daS andere von dcm rüsti-
grn Greift Diestcrweg tn Berlin, der tn kurzer
und humoristischcr Weift, durch Bezcichnung ftiner
verschtedcnen Berufsstationen, ftinen LebenSlauf
andeutetc, der (abgcfthcn von Siegen, wo Die-
sterweg gcboren ift, und von Herborn uno Tü-
bingen, wo er ftine Ausbildung crlangte) von
Mannhcim über Wvrms, Franffurt, Elberfeld
und Wörs nach Berlin führte. DteftS Telegramm
wurde mit einem bcgeiftertcn Bravo aufgenommen,
(Schluß folgt.)
 
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