Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Juni
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0526

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
raq, da die alten Boraussetzunqen der Ein-
fnhrung der Todesstrafe weggefallen feien und
viesc nicht mtt der Jetztzeit im Einklang stche.
Die Wiedervcrgellungsiheoric sei unhaltbar,
die Möglichkcit eines Justizmorbs iminer vor-
handen. Beck: Es wäre beffer gewcsen, sich
bei der Erklärung dcr Regierung zu beruhi-
gen und diese Frage erst bei Revision deS
Strafgesetzbuches vorzubringcn; da aber daS
Haus anberer Absicht zu sein scheine, so wolle
er seine Ansicht mittheilen. Es sci dieser
Gegenstand auf die Gcsühle ver Menschcn be-
- rechnet und mehr oder weniger von ciner ge-
wiffen Stimmung abhängig Grstnde u. Gegen-
. gründe beruhten meistens auf Theorien und
abstracten Zbeen. Er felbst sei von jeher ein
Gegner ver Todesstraf» gewesen. Er halte sie
in 'allen Fällen fstr ividerrechtlich, auSgenom-
mcn den Fall deS vordedachten adsichtlichen
Todtschlages, des Words. Wer eincn solchen
begehe, stelle sich außerhalb der menschlichen
Ordnung nnd setze allc anderen Menjchen in
den Stand der Noihwkhr und biese allein be-
rechligc zum Töbten des Mörders. Für diesen
Fall finde er zur Sicherguig der Geseüichaft
die Tobcsstrafe noihwendig. Und doch sei er
wicder gegen alle Todesstrafe und zwar weil
immer em Justizmord wenigstens möglich ist.
v. Stockhorn: Es wäre freilich erfreulich,
wenn bie Todesstrafe wegfallen könnte, aber
so lange Verbrechen, bie ben Tob verbicnen,
begangen wurden, sei dieses nicht möglich.
Wer zu lebenslänglichcr Zuchthausstrase ver-
urlheill werde, hade imuier noch dic Hoffuung
anf Begnadigung, sie ist also kein Surrogat
für dic Todessirafe. Rcdner zählt eine An-
zahl todeswurdiger Verbrechen auf. Wenn
sür solche Verdrechen die Tobesstrafe abgehe,
kann sei bie Gesetzgebung eine schwache und
daS Vvlk werde cndlich sreilich dazu kommen,
zu scinem Schutze daS Schwert in bie Hand
zu nkhuien. Aadische Gerichte hätten nvch
keinen Unschulblgeii zum Tode verurtheilt;
man könne üdrigins auch an einem zur Ge-
säiignchstrafe Vcrurlhellleil cinen Zuslizmorb
uben, wrnn «r z. B. im ZuchihauS sterde u.
nachhrr seine Unschulb sich ziige. Faller
erklärt sich frcubig sür de» Eomliiissioueaii-
irag, das Ledcn dcs Menschen fvllc man der
Vorsihung stbcilaffen. Prestinari: Wcr
bedcnke, daß die Tvbcsstrasc auf ganz wenige
Fälle beschränkt sei und daß selbst hier noch
v,l Bkgnadigung crfvlge, bcr müffe die Frage
«mit der grvtzh. Regieruug sür eine Fragc der
Zeit ankrkenuen. Er selbft sci gegen die Tv-
besstrafe. Das schwerste Verbrechen joll mit
ber schwersteu Strafe dcbroht werben; aber
waS sei denn bie schwerste Strafe? Vom
christlichen Standpunkte aus sei die TodeS-
strafe eigentlich keine Strase, denn das cwige
Leben sei ein höhereS, befferes, glücklicheres
'Leben als bas Erbenleben, aber der Trieb der
Selbsterhaltuug schc den Tob als bas ärgste
Uebel an; doch dcöhalb sei die Todcsstrase
in vernüustiger Weise nicht begründct, burch
lebenslanglichc Eiiisperrung könne der Ver-
brecher auch unschadlich gemachk werden. Moll
spricht für Abschaffung der Tvbesstrafe. Mi-

Leipzig, den 29. Mai. Dcr zur Abhaltuug
des großen TurnfcsteS bestimmtc Platz, südlich
von unserer Stadt, in der Nähe des bayerischen
Bahnhvfs, hält 1>/- Mill. Quadratschuh. Die
nach ocm Plan unscrcs genialen Architekten Lipfius
zu errichtende Fcsthalle wird 70,000 Thlr. herzu-
stcllen kosten, doch wirb der KestauSschuß nach Rück-
gabe der zu derselben gebrauchtcn Materialien nur
uoch 28,000 Thlr. zu crlegen haben. Sie wird
ein längliches Viercck von 60 Ellcn Brcite und
324 Ellen LLnge bildc», und in ihrcr Längerich-
tung iuS eincin Mittclschiff und zwei Scitcnschiffcn
bestehen. Tie Vordcrfapade wird durch cinen große»
Wittelbau mit zwei 55 Ellcn hohcn Thürmen aus-
gezeichnet, an den S-itcn der Halle wcrden sich
zwei 50 Ellen hohe Thürmc crheden. Dcr innere
Raum der Halle wird Sitzplätze für 6000 Menschen
gewährcn. Die Anlagc der BüffetS, Rüchen rc. ist
rntsprcchend koloffal; 250 Kellncr werdcn scrviren,
2000 Dutzcnd Teller, 2000 Schüff-ln, 6000 Paar
Meffer und Gabeln, etwa 10,000 Biergläscr rc.
vorräthig gchalten werden. Der Fcstturnplatz bictet
in dcr Mittc einen 252,000 Quadratschuh cnihal-
tcnden Raum zur Aussührung von Maffen-Krci-

i nister Stabel; Der großh. Regierung sei er-
wünscht, von der Kammer die Ansicht über
diese Frage zu hörcn, denn dre öffcntliche
Stimmuiig sei hi'er eine Hauptsache. Die Re-
gierung habc früher schon eine Revision deS
Strafgesctzbuchcs zngesagt^ sie sci mit ihren
Arbeiten noch nicht zu Enbe gekommen und
könne sich also auch jetzt nicht über diese Frage
bindend erklären. Es handle sich nur darum,
ob die Todesstrafe norhwendig sei im Znlereffe
der öffentlichen Sicherheit, nicht aber, ob sie
übcrhaupt rechtlich zulässig sei. Sieb erklärt
sich für bieTodesstrafe. Pagenstecher würde
mit Begeisterung für die Abschaffung stimmen,
wenn bamit auch zugleich dte Verbrechen ab-
geschafft würden; allein im Volke sci eine Ab-
schaffung der Tvdesstrafe nvch »icht allseitig
gewünscht. Die Hgrolmn bestehe nicht mehr,
die TodcSstrafe sei aus wenige Fälle beschränkt
unb eine alte göttliche Regel sage: „Wer
Blut vergießt, deffen Blur soü wieder ver-
goffen werden." Aber cio Zustizmord sei mög«
lich und dcshalb wolle er sich auch gcgen die
Tobesstrase erklären. Herth stimml mit voüem
Herze» für die Abschaffung. ES sprechen nvch
Kusel, Hoffmeister, Arlaria, Kirsner, Allmang,
Lamcp v. Ps. unb Haager gcgen die Todes-
strafe unb wird der Wunsch mit allen gegen
2 Stimmen zu Prolokoll gegeben. Ttt. XXIX.
und XXX. werden angeiiommen. Schlußder
Sitzung.

Klagenfurt, 31. Mai. Die feierliche
Erössnung bcr Karmhner Eisenbahn hat unter
bc» besten Auspicien stattgesundeu. Der Er-
öffnungszug wurdc in Graz mit großer Theil-
nahme empfangen. Bci der Eröffnungöfeier-
lichkcit hiclicn ber Bischof Vterrp und per
Handclsminister Graf Wickenbnrg d>e Festreden.
Bei dem Festmahl brachle Graf Wickenburg
cinen Toast aus dcn Kaiser und Grvß-Oester-
reich auS. Der Toast bes Bischofs Vierrp
galt der Einigkcit aller Rationalitate» und
Eonfkssionen. Beide Trinksprüche erregten
großen Zubel.

Triest, 4. Zuni. Die „Triester Zcitung"
vcrossenilicht ein Schreiben, weiches Herr v.
Lesieps unicrm 25. Mai an Herrn Gerarbin,
ben Oberagenten ber Suezkanal-Gescllschaft rn
Alerandrieii, gcrichtet hat, uno in welchem die
bekannte PsorkeioNote ein veralteter unb ge-
jcheiterter Vcrsuch, den Fortschritt seines Un-
ternehmens aufzuhalten, genannt wirb. Dic
Veriräge vom 18. und 20. März — wird
ferner barin ausgeführt —, welche die schwe-
benden Fragen tm Einklang mit dcn von der
ägpptischen Negierung übernommenen Ver-
pflichlungkii regeln, seien späleren Datums.
Die edle und lopale Haltung deS SultanS bei
deffen Ausenthall in Aegpplen habe den in jc-
ner Note ausgesprochenen dcsrembenden Grund-
satzen daS seierlichstc Dementi gegeben. —
Der Prinz Napoleon sprach bei seinem AuS-
flug auj beu ZfthmuS die scste Ueberzeugung
aus, ber Suezkanal werbe balb cine vvüendkte
Thatsache setn.

Spanien

Madrid, 2. Zuni. Die Nachricht, daß

übungen (dnrch ungcsähr 10,000 Mann) dar. Am
Ganzen werden 600 Turngeräthe aufgestellt, und
zwar 200 Recke, 200 Barrcn, 200 Sprunggeräthe,
daruntcr 80 Pferdc, 40 Böcke, 40 Freispringel nnd
40 Sturmspringel. Die Kosten für Beschaffung
und Aufstellung dicscr Geräthc sind auf 3142 Thlr.
veranschlagt. AufderWestseite des Festplatzeswcrden
sich zwci Zuschauertridünen erhcbcn, je 235 Ellen
lang und 37 Ellcn breit, die jusammen 10,000
Persone» Raum gewährcn.

Etne Anekdote znr Lehrerversammlung.

Am Pfingstmontage grng ein Mannheimer Lkhrer
über die Rhcinbrückc, um dcn vom LudwigShafener
Bahnhose hcrkommenden Festgäsien entgegcnzugehen
und fich ihnen als Führer anzubicten. Mitten auf
der Brücke bcgegncte ihm cin Fremdcr, von welchem
sein Ahnungsvermögen ihn vermuthcn ließ, daß
es ein Kollege sei. Er grüßt ihn freundlich und
fragt ihn nach Namen und Heimath. „Jch bin
Scliger (Lchrer) in Bautzen", sagte der Frcipdc; s
„unb ich bin Selig in Mannheim", crwicderte I
dcr Andere. „Welch ein glücklicher Zufall", degann i
«teder der Fremde, „tch ein Eomparativus, suche j

Heir Gonzales Bravo alS Bevollmächtkgter
Spaniens nach Meriko gefandt sei, ist unbe-
grnndet.

Grtechenlan-

Athen, 30. Mai. Die Nationalversamm»
lung hat untcr Vorbehalt dcr Einwilllgung
der Schutzmächte beschloffen, dem künstigen
Könige der Hellenen 12,000 Pf. St. von den
an die Schutzmächte zu zahlenden Zinsen alS
Leibrente aoSzuwersen.

Türkei

Konstantinopel, 30. Mai. Dre Pforte
hat an ihrc bipiomatischen Vertreter im Aus-
lande in Betreff der polnischen Angelegenheit
ein Rundschrciben crlaffen, welcheö auch ber
aus Unterjochung der Tscherkeffen unb auf
Einmischung in die innercn Angelegenhetten
der Türkei gerichteten russischen Bestrcbungcn
mit Bedauern erwähnt. — Abermals sind
tscherkcfftsche Auswandcrer hisr eingetroffea;
dic Zurückgeblicbencn wollen elne Deputation
hierhersenben, um die Pfortenregierung zu einem
Vermittlungsversuche bei Rußland zu veran«
laffen.

A m e r tka

New-Aork, 23. Mai. Die vvn VickS-
burg kingelausenen Rachnchten werden als
den Unionisten sehr günstig betrachtet. General
Grant spricht in seinem Bericht vie Hvffnung
aus,' die gesammte Macht des Feindes, welche
sich in Vtcksburg befindet, zu Gesangeneii zu
machen. Bercits haben die Unionisten viclc
Gesqngene gemacht.

Neueste Kkachrichten

Berlin, 5. Zmii. Die Stablverordnetcn
habe» heure etne Versammlung abgehalten und
beschloffm, eine Deputation von 6 Mitglicdern
an den König zu senden unb bemselbeii vor-
zusteUen, eaß die im Widerspruch mit der Ver-
sassung angeordneien Beschrankungen der Preß«
freiheit nicht nur das Verlrauen in die Gel-
tung der Verfaffung selbst und der Gesetze
überhaupt erschulterren, svndern src gäben wich-
tige EigeuihumSiiiteresfen der Willkur ber Vcr«
wallungsbehörocii anhcim und griffcn baburch
in tief verlctzeiibcr Weise in das bürgerlichc
Lebcn ein; bnrch bic Fortführung der Negie-
rung ohne gesetzlich gcordneicn Staatshaus-
halt werbe bcr Aerfaffuiigscoiiflict tminer tiefer
gehen und daS Vcrtrauen der Besitzciiden und
»nsdksonbere der Gewerbtreibendcn in immer
weitcrn Krcisen gefahrvet werdcn; demnach
den König zu bitten: durch schlcunige Einbc-
rufuiig bes Landtags den verfaffungsmaßigen
Zustand wiederherzustellen.

Berlin, 5. Zunt. An der Spitze sämmt-
licher unterzeichneten Beriiner Zeitungen steht
eiiie Erklärung, welche folgcnderlliaßett laniet:
Wir vermögen nicht zu erkenncn, daß bie vom
Staatsministerium der königiicheii Genehmiguiig
unterbreitete Verordnung vom 1. Zuni b. Z.,
— oach threm Znhalie, wie nach der Fvrm,
m welcher ste zu Stande gekommen tst, —

schon fünfzrg Jahre lang meinen PofitivuS, und
jetzt habe ich ihn gefunden, ich bi» nur begicrig,
ob ich nicht auch noch meipcii Snpcriativus an-
treffc." Allein Hcrr Seliger von Bautzcn mußtc
sich mit ,'eincm Positi», dcm selig in Mannheim,
begnügen, den Superlativ fand cr nirgcnos, selbst
nicht in der Muscnstadt Heidelberg, wcdcr unter
den Burscheu, noch unter den - Philistern. (M. A.)

Ern Spiel des Znfalls hat eS gewollt, daß fich
an den historisch weroendcn Hut des Vice-Präfi-
dcntcn des Abgcvrdnetenhauses v. Bockum-Dolffs
einc komische Gcschichtc knüpst. Der Hussier, der
dcn Auftrag hatte, dem Präsideiiten seinen Hnt zu
bcschaffcn, griff in der Ecke dcn ersten besten Lp-
ltnecr, der ihm in dic Hände kam, und schlicßlich
stclltc eS sich herauS, daß drr dargebrachte und bc-

wußtc Hut-- dcm Herrn Grafen v. Bcthusy-

Huc, dem verschämtcn Feudalcn des Hauses an-
gehörtc, dcr Hut, wclchen das ehrenwerthc sog.
Wttzblatt seiner chrenwerlhcn Parter in cineu gc-
wiffcn — Deckel metamorphosirt hat! (Mont-Ztg.)
 
Annotationen