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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0542

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daher wohl die Anwaltschaft ansüben, gleich-
wohl fti nicht angeniessrn, daß man jeden Pea»
sioaär ohne Wciteres zur Ausübung der An-
waltschast zulaffe; der Staat habe zu jeder
Zeit das Recht, den Pensivuär zu reactiviren;
auch der Grund der Pensionirung sei zu be-
denken; Alter, Krankheit, Unfähigkeit seien ge-
wöhnltch dcr Grund der Pensionirung; solche
Personen seien auch für die Anwaltschaft nicht
gceignet. Aber auch absolut ausschließcn kvnne
man die Penstvnäre nicht, deshalb beautrage
dic Commission fvlgenden Zusatzartikel: „Pen-
sionirte Staatsdiener werden nur ausnahmS-
wcise mit Zustimmung der Anwaltskammer zxr
Ausübung der Anwaltschast zugelaffcn." Wall i
erklärt sich gcgen den Antrag. Zcder Rechts-
gelehrte, also auch der penstonirte StaalSdiener,
wenn er Zurist ist, sei berechtigt, in die An«
waltschaft zu treten; der Commisfionsamrag
enthalte aber cine Beschränkung dieseS RechtS.
Dic bcstehenden gesetzlichen Bestimmungen ge-
nügten. Kusel: Die penstonirten Staats-
dicncr seien immer noch Staalsdiener; Nie-
mand könnc zweien Herren dienen. Wer An-
walt werden wolle, solle aus dem Staatsdienste
austreten und also auf die Pension vcrzichten;
sonst werde die Anwaltschafl eine förmliche
Znvalidenanstalt. Freilich habe die Regierung
seither sclten Pensioiiärc zur Anwaltschast zu-
gelaffen, aber die wenigen Fälle seien mißglückt.
Die StaatSvcrwallung soll kcinen Diener pen-
sioniren, den stc brauchen kann, und derjenigc,
welchen sic nicht brauchen kann, ift auch sür
die Anwaltschast unbrauchbar. Prcstinari
rst mit deui Vorredner einvcrstanden und zeigt
Walli, daß die gesetzlichen Bestimmungen nicht
hinreichten, um den Commissivnsantrag ent-
behren zu können. Walli's Antrag erhält keine
Unierstützung und der Commissionsantrag wird
angenvuimen. 2) §. 29 Abs. 2 lautet: „Der
Vorsitzende der Anwaltskammer am Sitzc des
obersten Gerichlshoses ist Vorstand des Aus-
schuffes." Da nun das Oberhofgericht mög-
licher Weisc an einem Orte sich befinden köniite,
wo kein Appellationsgericht sich befindet, so
schlägt die Commission aus srühere Veranlas-
sung des Abg. Prestinari den Zusatz vor: „Hat
daS Oberhvsgericht seinen Sitz an einem an-
dern Orte, als dem des Appellationsgerichtes,
in deffen Bczirk es liegt, so ist der Sitz dcr
Anwaltskammer und dcs Ausschusses am Sitze
dcs Oberhvfgerichts." Ohne DiScussio» an-
genommen. Ueber die heutigc Petition, die
Anwaltsvrdnung betreffend, rvird zur Tages-
ordnung übergegangen,.da dic Sachc bercits
erledigt ist. Lenz erklürt, daß er gegen das
ganze Gesetz stimmcn werde, 1) wcil eine be-
fiimmte Anzahl von Anwälten festgesetzt sei,
2) zweierlei Anwälte geschaffen scien, und 3)
dem Anwalte der Wohnsitz vorgeschricben bleibe.
Bei der solgenden namcntlichen Abstimmung
wird das Gesetz mit allcn gegen 2 Stimmen
(Knies und Lenz) angenommen. (Schl. f.)

Aarlsruhe, 9. Juni. Jn dcr heutigen
Sitzung der ersten Kammer wurde die viel-
beregte Frage der Pol izeistunde ohnc Dc-
baite dahin entschieden, daß die Polizcistunde
bleibt.

Frankfurt, 8. Juni. AlS Redner in der
Nachmittagsfitzung deS Vereinstages deutscher
Arbeiter traten gestern auf: Dittmann aus
Berlin, Schmidt auS Stettin, Hochberger aus
Eßlingen, Mar und Franz Wirkh von hier,
Stuttmann auS RüffelSheim, Bickhard aus
Offenburg und Stütz aus KarlSruhe. Gegen-
stand der Berathungen war die Gewerbcsrei-
heit und Freizügigkcit, das GenoffenschaftS-
wesen, die Spar-, Credit-, Vorschuß- und
Cvnsumvercine. Die nach eingehcnder Debatte
fast einstimmig gefaßten Beschlüssc lautcn wie
folgt: »Eine dauernde Verbefferung der Ar-
beitcr ist undcnkbar, ohne dte allgemeine Durch-
führung der Gewerbefreiheit und Freizügigkeit.
Es ist dahcr die dringendste Aufgabe der Ar-
bcitervereine, auf Beseitigung der Hemmniffe
hinzuwirken, welche in vielen Staaten Deutsch-
lantzs der sreien Arbcit noch entgegenstehen,
sowie es nothwendig ist, jede Erschwcrniß der
Eheschließung zu bcseitigen und sie besonderS
nicht von Verwaltungs- odcr sonstigen Be-
hörden abhängig sein zu laffen." 2) Der
Vereinstag der deutschcn Arbeitervereine em-
pfiehlt die Begründung wirthschaftlicher Ge-
noffenschaften, wie Spar-, Vorschuß-, Consum-
und Magazinvereine nach Schulze-Delitzsch'S
Vorschlag, desglcichen die Genoffcnschaften zur
gemcinschafllichcn Benützung von Werkstätten
mit Triebkräften und Maschinen als eines der
besten Mittel zur Förderung des materiellen
Wohls und tzer bürgerlichen Selbststänvigkeit
der Arbeiter; die Versammlung beschließt, einen
Ausschuß niederzusetzen, welcher über die ge-
eignetsten Mittel zur Förderung vcs Genoffen-
schastSwcsens, namentlich darübcr Bericht er-
stattet, ob das englischc System oder die in
Dcutschland übliche Art von Genossenschaften
vorzuziehen sei. Der Vereinstag erklärt, daß
Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit allen Kräf-
ten und gemeinsam dic Affociationen nach
Schulze-Delitzsch moralisch und materiell un-
tcrstützen und solche überall, wo sic noch nicht
gegründet sind, ins Leben rufen." Begrüßungs-
telegramme licfen in der Nachmittagssttzung
ein ans GlaruS und Hamburg. Schluß der
Sitzung b^/2 Uhr. Hierauf gemeinschaftlicher
Besuch deS zoologischcn Gartens. Heute Vor-
mittag Schlußsitzung, woran sich eine gemein-
same Fahrt nach Offenbach reiht.

Berlin, 8. Juni. Der hiesigc Oberbür-
germeister Sepvcl erhielt die Weisung, die
Ausführung des BeschluffeS der Stadtverord-
neten-Versammlung wegen Absendung einer
Deputation an Se. Maj. den König sosort
zu inhibiren. Aus seine Weigerung soll ein
zweites Schreiben demsclben zugegangen sein,
worin ihm bedeutet wird, daß, insofern er bei
seiner Weigerung bcharre, er seine Amts-
suspension zu gcwärtigen habc.

Berlin, 8. Juni. Die „Tricr'sche Ztg."
bringt folgende Erklärung ihrer Redaction:
„Die erste und dringendstc Pflicht der frei-
sinnigen Tagesblätter ist heutc dic dcr Selbst-
erhaltung, um dereinst, wenn der unausblcib-
liche Umschwung der Verhältniffe eingetreten,
wieder auf dem Kämpsplatz erscheinen zu kön-
l nen. Bis dahin aber darf wohl dic liberale

von einer imposanten Erscheiimng gefeffelt. Es
«ar die Gräfin C ...., die allgemein wcgcn ihrer
Schönheit bcwundert wird. Jhr solgte cin riefigcr
Lakai Ramens Zacqucs. Mit der ungczwungcnen
Höfiichkeit eines »ollcndeten Gcntleman nahert stch
Lord B .... der Gräfin L.... und btctct ihr
seine Bricftasche an, dic von 100 FrancS-Billetcn
strotzt. Dic schönc Gräfin ist in peinlichster Ver-
legcnhcit, fie wcrß fich dicfc räthsclhafte Zumuthung
rines llnbekanntc» nicht zu deutcn und stumm »or
Schreck und Erstaunen bleibt fie cinen Moment
stehen, mißt den Brittcn vom Kopf bis zum Kuß,
«Lhrend diescr noch immcr lächclnd sein Portcfeuillr
hinhält, und giebt Zacques cinen Wink. Dcr
Dicncr versteht keinen Spaß, er rächt die seiner
Gebicterin angethanc Beleidigung durch eine derbc
Ohrfeige auf MylordS feiftes Gcficht. Dicser alS
Engländcr ist natürlich cingcweiht in die Kunst
tzes Borens und bläut dcn Diener sogleich nach allen
Regeln durch, indeß ZacqucS befitzt die Stärke eines
Stiers und würde dcn Gentleman ficherlich halb-
todt geschlagen haben, hätte ihn nicht ein herbci-
geetlter Polizist davon abgchalten. Mylord er-
scheint in Folge deffen mit dunkelblauem Geficht >

vor dcm Polizeigericht als Kläger gegcn Jacques.
Er behauptet, daß er nichts Unrechtcs zu thun ^
glaube, wenn er einer Dame seinc Brieftasche an- j
bietc und daß jedenfalls ein Lakat nicht das Recht
habe, ihn dafür zu ohrseigcn. JacqucS bchauptet, !
Mylord sci ein Narr, den man ins Zrrenhaus
sperren müffe. Der Gerichtshof verurtheilt den
Lakai zu drei Tagen Gefängniß. Als er so eben ^
fortgehen will, ruft der Engländcr ihn zurück und ^
verabretcht ihm großmüthig 1000 Krancs Schrner-
zenS- und Entschädigungsgeld.

sTurnwesen.) Der zur Absendung für daS
in Bcrlin zu crrichtcnde Zahn-Dcnkmal vvm Turn-
verein zu St. Zohann bestimmte Stcin, den Hcrr
Apotheker Koch in Saarbrückcn dcm Turnverein
berettwilligst überlrffcn, wird in den nächsten Tage» '
nach seinem Bcstimmungsorte abgesandt «erdcn.
Derselbe ift mit nachstchender (von dcr „St. Aoh.
Ztg." mitgetheilten) »ergoldctcn Jnschrift versehen:
Zwanzig Jahrc trug ich den Gallicr über den Saar-
strom;

Dann auf stürmischer Klucht hoch schleudert cr mtch
tn die Wolken.

Presse von ihrer Partei, «elche sie bkSber ver»
treten hat, crwarten, daß sie khr treu znr
Seite stehen unb ihr ihre Unterstützung fort-
dauerntz gewähren werde, wenn sie auch nicht
mehr nach Form und Jnhalt das leistcn kann,
was sie bisher geboten hat." Der Erklärung
der sechS Berliner Zeitungen gegen die Preß-
Vcrordnung haben sich ferner angeschloffen:
die Posener Zeitung, die Brombcrger Zeitung,
*die Düffeldorfer Zeitnng.

Wien, 6. Juni. Die polnische National-
Regierung hat ein Decret erlaffcn, durch wel-
cheS allen Truppen - Commandanten befohlen
wird, sich defensiv zu verhalten.

Gngland

London, 6. Juni. Die Vermählung des
Herzogs von Chartres mit dcr Prinzessin Marie
von Orleans wird am nächsten Donnerstag
in KingSton voüzogen werden.

I ta l i e n

Neapel» 9. Juni. Dsc Eisenbahn von
Neapel nach Eboli ist eingeweiht worden. Herr
Tecchio, Repräftntant der Gcsellschaft, hat in-
mittcn begeisterter Beifallsbczeugungen der ver-
sammelten Bevölkerung einen Toast auf dcn
König und auf die Annerion von Rom und
Benedig ausgebracht.

B e l g i e «.

Brüffel, 9. Juni. Dl'e große Wahl-
schlacht ist geschlagen! Das Ministerium
und die liberale Partei haben schwere, fast
unerseßliche Verluste erlitten, welche die in
Nivellas und in Gent den,Katholiken abge-
rungenen zwei liberalen Deputirten bei weitem
überwiegen. Nach den bis zur Stunde bc«
kannten Rcsnltatcn verliert das Ministerium
im Ganzen 7 bis 8 Stimmen, während es
nur zwei nene gewonnen. Es bleibt ihm >'n-
deß immerhin noch einc Majorität von unge-
sähr 10 Stimmen.

R u ß l a n d

Die Pariser Zeitungcn bringcn den Wort-
laut des Schreibcns, welches der Erzbischof
von Warschau, nachdem er seine Entlaffung
alS Slaatsrath eingereicht, am 15. März an
den Kaiser Aierander gerichtet hat: „Sire!
Jmmer war es die Aufgabe und das Vorrecht
der Kirche, >n den Augenblicken großen UnglückS
und öffentlichen Leibens die Stimmc zu erhe-
ben zu den Mächtigen der Erde. Kraft dieseS
Vorrcchts und bieser Pfiicht wage ich in mei-
ner Eigenschaft als erster Seelenhirtc des Kö-
nigrcichs Pole», mich an Ew. Maj. zu wen-
den, um zu sagen, weffcn meine Heerde drin-
gend bedürftig ist. Das Blut flicßt >'» Strö-
men, und die Unterdrückung, statl einzuschüch-
tern, steigert nur die Erbittcrung. Zch flehe
Ew. Maj. an, im Namen der christlichen Liebe
und im Namen der Jntereffe» beiber Länder,
diesem Vcrrilgungskricge ein Ziel zu setzen.
Die von Ew. Maj. verlieheneii Jnstitutionen
rcichen nicht auS, das Glück des Landes zu
stchern; Polen wird sich nicht mit ciner Ver-
waltungs-Autonomie zufricden geben, eS bc-

Nieder kam ich jedoch auf wicder befreites llfer
llnd da ruht ich seitdem. Nun sandten dic Turner
vom fcrncn

Saärgau mich hterher, den Vater zn ehren, auch
allen

Brüdern Gruß zu bringcn ünd herzliche Mahnung,
vaß nimmer

Wiederkehre der Tag, wo straflos der Fußtritt des
Frcmben

Deutschc Erde cntweiht und der Bruder versäumtc
dc» Bruder.

Saarbrücken und St. Johann, den 3. Febr. 1863.

Nach der Londoner „Review" soll der Lhemiker
Gannal in Toulon Diamantcn aus Kohle dargc-
stellt haben, ind cm er Phosphor, Waffer, Schwcfel
und Kohlc einige Monate gegcn einander rcagircn
licß. Er bekam 20 kleine Krystalle; fie hatten alle
vollkommen dtcEigenschaften deS ächten, natürlichen
Dtamanten; drnn sie waren vollkommen durchsichtig,
besaßen großen Glanz, ritzten Stahl und ware«
in der Form der Lchten Diamanten krystallifirt.
 
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