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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 26 - Nr. 34 (1. April - 29. April)
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11⁵

Buch in das Herz des Volkes gedrungen, da hatte er
plötzlich ſeinen Schatten wieder, er hatte ein Vater-
land, er war eingereiht in den Kreis der Würdigſten,
in den Kranz der Helden der deutſchen Literatur. Erſt

jetzt vermochte er ſich zu objektiviren und die Bemü-

hungen des deutſchen Volkes, den Zopf, der ihm hin-
ten hängt und den es nicht los werden konnte, humo-
riſtiſch zu beleuchten. Er dichtete ſeine tragiſche Ge-
ſchichte „von Einem, dem's zu Herzen ging, daß ihm
der Zopf ſo hinten hing,“ und der ſich nun beſtändig
wie ein Kreiſel dreht, immer hoffend, er werde es
endlich durchſetzen, daß ihm der Zopf nun nicht mehr
hinten hänge, dieſer aber trotz alledem an derſelben
Stelle blieb. Wir können es nicht läugnen, daß im⸗-
mer noch Vielen, ja den meiſten von Denen, die ſich
nach rechts und links drehen, um den Zopf los zu wer-
den, nämlich den franzöſiſchen Zopf, doch derſelbe im⸗—
mer wieder anhängt, und ſo lange wir in dieſer Ab-
hängigkeit von einem fremden Volke bleiben, das, wie
ſchon von Vielen öffentlich ausgeſprochen wurde, nur
um ſo höher nach dem augenblickllchen Drucke empor-
ſchnellen und uns auf's Neue mit ſeinem Flitter, mit
all' dem Undeutſchen, an dem wir kranken, überſchwem-
men würde, ſo lange wir den Cancan und die Offen-
bachiaden dulden, ja unterhaltend und verlockend fin-
den, ſo lange ſind wir ſelbſt die ſchattenloſen Schle-
mihle, die keine eigene Nationalität haben, denn Alle,
die ſich in fremden Kleidern und Sitten gefallen, ja
ſelbſt die fremden Sprachbrocken in die eigene reiche
deutſche Mutterſprache aufnehmen, ſind keine Deutſche,
wollen keine ſein.

Was hilft es uns, wenn die freien Schweizer ſich

nicht vor einem Hut auf der Stange verneigen, die un-
freien Deutſchen aber dem Moloch der Franzoſen⸗Mo-
deherrſchaft immer nene Verehrung zollen? —
Ich habe das deutſche Moment in Chamiſſo's Dich-⸗

tungen noch nach andern Seiten hin zu begründen,

denn deutſch ſein nenne ich nicht blos für ein einiges
Deutſchland ſchwärmen: das deutſche Weſen ſpricht ſich
in der Tiefe der Empfindung, der Wärme des Gefühls,
wie das franzöſiſche in dem brillanten Phraſenmachen
aus. Wer aber hegt die innigſten und tiefſten Em-
pfindungen? — Die deutſchen Frauen ſind es und kein
anderer deutſcher Dichter von Allen, welche unſere Li-
teratur zählt, hat ſich wie Ehamiſſo in der Frauen
Liebe und Leben zu vertiefen gewußt, von dem kleinen
Mädchen aufwärts das am Bettchen ſeiner Puppe alle
die ſeligen Gefühle der Spielfreude im Gefühle der
Mütterlichkeit durchledbt, bis zu der alten Waſchfrau,
die ſich das Garn zu ihrem Sterbehemde ſpinnt, das
Linnen wirkt, das Hemde zuſchneidet, näht und dann
ergeben ihrem Tod nach einem pflichtgetreuen Leben
entgegenſieht. Der Humor, welcher durch Thränen lä-
chelt, iſt der Geiſt, der in den Dichtungen von Chamiſſo,
dem geläuterten, reinen Charakter, ſeine Zauberkraft
entfaltet.
In der „Frauen Liebe und Leben,“ das durch Ro-—
bert Schumann's Kompoſition auch eine Perle in der
Muſikwelt iſt, ſind alle Stufengänge der Begeiſterung,

epaar hun-

um die heilig

Glückſeligkeit, Hingebung und des Schmerzes, welche

die Tonleiter der Gefühle auf⸗ und abwärts fahren,

köſtlich durchgeführt. Pſychologiſch feinfühlend, zeich-
net Chamiſſo das liebende Mädchen, das ſtets geringer
von ſich, als dem geliebten Manne denkt; es nennt ſich
die niedere Magd, ihn „den Herrlichſten von Allen.“
So führt uns. der Dichter weiter. Das Mädchen wird
Braut. Sie kann's nicht faſſen, nicht glauben, es hat
ein Traum ſie berückt, daß er ſie erwählt. An ſeinem
Herzen, an ſeiner Bruſt möchte ſie in ſeligen Träu-
men gewiegt ſterben. Sie wird ſeine Gattin, und als
das Kind in ihren Armen ruht und ſie das Glück der
Mutterfreuden genießt, ruft ſie: ö
O wie bedaur' ich doch den Mann,
Der Miutterglück nicht fühlen kann!
„Seit ich ihn geſeh'n, glaub' ich blind zu ſein!“ ſprach
die liebende Jungfrau. Alles iſt für ſie in Nacht und

Dunkel gehüllt, nur er allein iſt das ſtrahlende Licht,

welches Glanz über ihr Leben verbreitet, ſie kann's
nicht faſſen und ſagen, wie hoch er ſie beglückt hat,
um ſo furchtbarer iſt der Schlag, der die Gattin durch
den Tod des über Alles geliebten Mannes trifft. „Jetzt
haſt Du mir den erſten Schmerz gethan!“ klagt ſie,
der aber traf, und nichts mehr will ſie pon der Welt

wiſſen, in ſtiller Einſamkeit ihr freudenleeres Daſein

vertrauern.

(Schluß folgt.)

Die Nagglmaiern.
Der Schtifts⸗ ö
brobſcht Dr.
v. Döllinger,
vun dem
aweil die
ganz Welt ö —
redd, hott
Glück, Leut⸗ ö
cher! Wär'er

nert Johr
früher uff die
Welt kumme,
dhät'er ſchun
lang brenne!
Die Zeite ſinn
awer Gott
lob vorbei!
Daß fich's
mit dem Dr.
v. Döllinger
widder emool

reemiſch un⸗ V
fehlbarkeit — 7
handlt, werr
ich nit noch

erſcht zu er⸗ ————
 
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