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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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eidelberger Vollsblat

Nrr. 4l.

Mittwoch, den 24. Mai 1871.

4. Jahrg.

gucheint Wittwoch und Samſtag. Preis monatlich 19 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaffe 4
ö und bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Des Lebens Wendungen.
Aus einem Tagebuche. ö
(Schluß.)

Sara's glaͤnzende Beredſamkeit zeigte ſich immer noch
im hellſten Licht. Jedoch verwandelten die freundlichen

Ermahnungen und Porſtellungen, deren ſie ſonſt ſich

bedienie, um mich zu einer Verbindung mit May zu
bewegen, ſich täglich mehr in bittere Vorwürfe und hä-
miſche Sticheleien. Ich kounnte froh ſein, wenn eine
ernſte Strafrede mit jenen empfindlichen Angriffen wech-
ſelte, denen mit Ruhe und Sanftmuth zu begegnen mir
oft unglaublich ſchwer ward.
oft geſchah, in der Abſicht zu uns, mit mir ein ernſtes
Wort zu ſprechen; denn auf dieſe Weiſe leitete ſie ge-
wöhulich die erneuten Aufträge Herrn May's ein. Mir
ward darum auch keine Freude über ihren Beſuch zu
Theil, und als nun gleich nach ihr auch Frankenſtein
erſchien, um Madame Rich, die ſich unwohl befand, zu
beſuchen, ſo fühlte ich die peinlichſte Beklommenheit,
in ſeiner Gegenwart Sara's Bitterkeiten anhören zu
müſſen. Sie hingegen ſchien ſich ſeiner, mir jetzt ſo
unangenehmen Erſcheinung höchlich zu erfreuen. Viel-
leicht wollte ſie ihm ihre Fähigkeit zur Ausrichtung
wichtiger Geſchäfte beweiſen und vielleicht auch mich
noch tiefer dadurch demüthigen, daß er ein Zeuge der
angenehmen Dinge war, welche ſie mir ſagen wollte.
Als ſie den Hofrath begrüßt and einen Sitz mir ge-
genüber angenöthigt hatte, lehnte ſie ſich bequem in ih-
rem Großvaterſtuhl zurück; dann klopfte ſie bedächtig
mit dem Finger auf ihre Schnupftabaksdoſe, und be-

gann, indem ſie noch ſchnupfte, folgende Rede an mich

„Ich muß Jrnen kurz und gut ſagen, Mamſell Chari-

tas, daß Ihr hoffärtiges Benehmen gegen meinen kreuz-

braven, und, Gott ſei's gedaukt! auch reichen und wohl-
gebildeten Neffen, Ihnen über kurz oder lang ſchlechte
Früchte tragen wird. Denken Sie nur an mich! Ich
hab' es geſagt und ſage es Ihnen noch tauſendmal!
Noch geſtern ſagte mein Vetter, der Herr Geheime⸗Rath,
zu ihm: „Sage mir doch, lieber Neffe, warum Du wie
ein Thor dem einfältigen Mädchen nachläufſt, und Dir
einen Korb nach dem andern von ihr nachrerfen läſ-
ſeſt? Giebt es denn nur die Eine in der Stadt? Und
Dieſe hat doch nur ihr hübſches Lärvchen und ſonſt auf

der Welt Nichts, keinen baaren Schilling in der Taſche,

Cinſt kam ſie, wie jetzt

wenn ſie ihn nicht erarbeitet. Meine Töchter ſind
doch, Gottlob! hübſche Kinder, und Aurora, meine Ael-
teſte, ift Dir ſo herzlich gut. Und an Geld fehlt's ih-
nen einſt nicht und ihre Ausſteuer hat die Mutter auch
längſt beſorgt. Beſonders die von der Aelteſten, denn
man pflegt Oben anzufangen, bis zur Letzten herab.
Laß doch die Alfanzereien und mach' Dich nicht länger
lächerlich mit Deiner Romanenliebe. Eliſe, die-Zweite,
lachte auf, und meinte: er werde doch nicht den Ver-
zweifelnden ſpielen wollen? und darauf ſagte Bertha,
die. Drit.: es ſei ja noch kein Anderer da, der
die Spröde haben möge.“ Da aͤlterirte ſich denn
mein braver Neffe und ſchlug in ſich, und ſagte: er.
wolle Ehren halber noch einmal bei Ihnen anfragen,
und dann hoffe er, Auroren ein freies Herz präſentiren
zu können. Ja, und wie er nun iſt! Da bat er mich
heute, zu Ihnen zu gehen, und ich ſolle Ihnen ſagen,
daß ſein Advokat ihm geſagt, man habe Ihnen des
Schmuckes wegen gar übel gerathen, indem dieſer, als

von Ihrer Mutter geerbt, Ihnen und Ihrem Bruder

zukäme, und keineswegs den Gläubigern, und er wolle
noch heute am Tage zu Ihrem Nutz nud Frommen

Ihre Sache zu betreiben beginneu und zu ſeiner Ehre

den Schmuck herausfechten. Sie brauchen Ihm nur
eine Vollmacht darüber zu geben.“ — Herr Rich be-
merkte: es ſei nicht glaublich, daß der Advokat den.
Prozeß gewinnen werde; hingegen lade mir der wahr-
ſcheinliche Verluſt deſſerben alle die großen Koſten, die
er veranlaſſe, auf. — Sara klopfte und ſchnupfte aber-

mals und ſprach: „Auch dafür iſt geſorgt! Mein Neffe

will alle Koſten tragen. Der groößmüthige Menſch!—
Und nun, Mamſell, wie wird es damit?“ — Ich er-

wiederte, daß die Sache mit meiner und meines Bru-

ders Bewilligung beendet, und weder er uoch ich wün-
ſchen könnten, auf eine unrechtmäßige Weiſe, zum Nach-
theile der Giäubiger, dieſen Schmuck an uns zu brin-
gen. — Jetzt blies Sara ſich mächtig auf. — „Unrecht-—
mäßig!“ ſo ließ ſie ſich vernehmen. „Ei, ſeht doch!“
Nun die Rechtmäßigkeit iſt zwar ohnehin nicht weit her,
indeß wenn man ſo arm iſt, darf man es mit der Recht-

mäpigkeit überhaupt ſo genau nicht nehmen. Aber man

hut Hochmuth! Man will die Großmüthigkeit vor den-

Leuten ſpielen laſſen, als wenn man Gott weiß wie

viel zu verſchenken hätte! Ich glaube, wenn ich mir
auch nichts davon merken laſſe, man hat. Abſichten, die
wohl nicht erfüllt werden möchten! Freilich, wenn man
allein mit einem Schock Herren im Poſtwagen durch die
Welt fährt, da macht man Bekauntſchaften, und wenn
 
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