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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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173

gleichwohl noch um die Mitte des achtzehnten Jahrhun-

derts ein fürſtliches Edikt hervor, das ſeinem Geiſt nach

um Jahrhunderte verſpätet erſcheint. Da ſich die Feuer-
wehren damals noch in ſehr ſchlechtem Zuſtande befan-

den, ſo kommt die landesväterliche Fürſorge zu Hülfe
und empfiehlt

offiziel ein Mittel bei Feuersbrünſten
mit folgenden Worten: ö ö
„Von Gottes Gnaden Wir Ernſt Auguſt, Herzog
zu Sachſen, Jülich Cleve und Berg, u. ſ. w. — fügen
hiermit allen Unſern nachgeſetzten fürſtlichen Beamten,
Adlichen, Gerichtshaltern und Räthen in Städten zu
wiſſen, und iſt denenſelben vorhin ſchon bekannt: Wes-
maßen wir aus Landesväterlicher Vorſorge alles was
zur Converſation Unſerer Lande und getreuen Unter-
thanen gereichen kann, ſorgfältig vorkehren und verord-

nen. Wie nun durch Brandſchaden Viele in große

Armuth gereichen können; daherd (haben) dergleichen
Unglück zeitig zu ſteuern wir in Gnaden befohlen: daß

in einer jeden Stadt und Dorf verſchiedene hölzerne

Teller, worauf ſchon gegeſſen, und mit der Figur
und Buchſtaben, wie der beigefügte Abriß beſaget,
des Freitags bei abnehmenden Monden, Mittags zwi-
ſchen 11 und 12 Uhr, mit friſcher Tinte und neuer
Feder beſchrieben, vorräthig ſei. Sodann aber, wenn
eine Feuersbrunſt, wovor der große Gott hieſige Lande
in Gnaden bewahren wolle, entſtehen ſollle, ein ſolcher
nur bemeldter Maßen beſchriebener Teller mit dero

Worten: Im Namen Gottes! ins Feuer geworfen,

und wofern das Feuer dennoch weiter um ſich greifen
wollie, dreimal ſolches wiederholt werden ſollte, dadurch
dann die Gluth ohnfehlbar gedämpfet wird. Der-
gleichen nun haben die regierenden Bürgermeiſter in
denen Städten, auf dem Lande aber die Gerichtsſchöp-
pen und Schultheißen in Verwahrung aufzubehalten
und bei entſtandener Noth beſchriebener Maßen zu ge-
brauchen, hernächſt aber, weil dieſes jedem Bür-
ger und Bauer zu wiſſen nicht nöthig iſt,
jolches bei ſich zu behalten. Hieran vollbringen die-
eiben Unſern Res. gnädigen Willen. Gegeben in Un-
ſerer Reſidenz Weimar, den 24. Dezember 1742.
Ernſt Auguſtit.
Der beigefügte Abriß zeigt einen großen Kreis, wel-
cher wahrſcheinlich den Rand des Tellers vorſtellen ſoll.
In der Mitte iſt ein ſenkrechter Strich, deſſen obere
Spitze ein kleines Dreieck trägt; der Strich durchſchnei-
det zwei kleine Kreiſe und geht zwiſchen den darin ge-
ſchriebenen Buchſtaben gerade durch. In dem oberen
Kreiſe ſteht: A. G., in dem andern L A. Darun-
ter: Consumatum est (es iſt vollbracht) und zum Schluß
drei Kreuze. Die vier Buchſtaben ſollen bedeuten:
„Allmächtiger Gott, löſch' aus.“
Wir ziehen gegenwärtig eine gute Fuerwehr dem
fürſtlichen Teller-Geheimmittel unbedingt vor. Ob die-
ler curioſe Erlaß überhaupt in Anwenduog gekommen,
wird nicht berichtet. Ernſt Auguſt, der Großvater von
Rarl Auguſt, war übrigens ein leutſeliger Mann, der
manche Regententugend beſaß, nur leider auch einen
großen Hang zur Magie und Alchemie.

en ließ.

Mannichfaltiges.
(Das ſtrenge Examen.) Friedrich Wilhelm
der Erſte beſuchte öfter ſein Kammergut Wuſterhauſen,
und zwar nicht ſelten zu Fuß. Der daſige Pächter
hielt ſeinen Kindern einen Hauslehrer, den der König
einmal perſönlich zu ſprechen wünſchte und deßhalb ru-
x Der Kandidat erſchien und der Monarch
legte ihm ſogleich die ſonderbare Frage vor: „Welches
iſt der mittelſte Buchſtabe im ABC?“ Der junge
Mann, darauf nicht vorbereitet, ſtockte in der Antwort,
weshalb ihn der jähzornige Monarch nicht nur derb
ausſchalt, ſondern ihm auch mit dem ſpaniſchen Rohr
einige Streiche verſetzte. Starr vom Schreck über eine
ſo harte Behandlung und noch mehr vor Furcht wegen
anderweitiger böſer Folgen, verfiel der arme Kandidat
in ein hitziges Fieber und gerieth in Todesgefahr.
Friedrich Wilhelm erfuhr dieſes bei einem neuen Be-
ſuch, den er ſeinem Pächter abſtattete, verfügte ſich ſo-
gleich ſelbſt zu dem Kranken, ſprach ihm Troſt ein und
bat ihn ſogar wegen ſeiner Uebereilung um Verzei-
hung. Das wirkte kräftiger als alle Arzneimittel; der
Kandidat genaß und erhielt einige Monate darauf ein
königliches Handſchreiben, worin ihm die erſte einträg-
liche Pfarrſtelle verſprochen wurde. Als bald darauf
eine ſolche frei war, meldete der König dem Ober⸗Kon-
ſiſtorinm mittelſt Reſkript, daß dieſer Kandidat ohne
weiteres Examen in's Amt einzuführen ſei, indem er
denſelben bereits ſelbſt geprüft und für tauglich befun-
den habe.

Der zu Palo Alto, Jowa, erſcheinende „Demo ·
krat“ hatte ſeit Kurzem ſehr wenig Leſeſtoff geliefert,
weswegen ſich der Herausgeber und Redacteur in fol-

gender Weiſe entſchuldigt: „Wir wohnen ſechs Meilen

von unſerer Office entfernt und müſſen, bei Sonnen-
ſchein und Regen, den Weg hin und zurück machen.
Zu Hauſe haben wir eine Frau nebſt dier „Babies,“
ſowie unterſchiedliches Rindvieh, Pferde, Füllen,
Schweine, Hunde und Katzen, und nach all dieſen Ge-
ſchöpfen muß gehörig geſehen werden. Wir ſind Connty-
Schatzmeiſter, Deputy Regiſtrator, Friedensrichter, Prä-
ſident des Schulraths, Town Truſter, Agent für die
MeG. und Mo. Erſenbahn-Compagnie und Partner
von W. H. Shea im Advokaten- und Landgeſchäft.
Nun hat kürzlich unſere liebe Frau, das Baby ent-
wöhnt, wodurch unſere nächtliche Ruhe einigermaßen
geſtört wurde. Einmal ſind wir zur Kirche geweſen,
wodurch unſere Arbeit an jenem Sonntage geſtört ward.
Dann waren wir mit Steuerzahlen überhäuft, habeu
den Schnupfen und Jucken zum Tollwerden zu gleicher
Zeit gehabt. Und um Allem die Krone aufzuſetzen,

treibt ſich um unſere Office beſtändig eine ſolche Bande

von Loafers herum, daß an Arbeiten gar nicht zu den-
ken iſt. Nun denn, wenn irgend ein ſtrehſamer jun-
ger Mann oder auch eine dito junge Dame — das Ge-
ſchlecht iſt uns gleichgiltig — glauben ſollte, ſie oder
er ſei im Stande, unter ſolchen Umſtänden ein gutes

Blatt fertig zu bringen, haben wir blos zu ſagen, daß
die Stelle für ihn oder ſie offen iſt.“ —
 
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