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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 61 - Nr. 69 (2. August - 30. August)
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geführt haben, denn im herrſchaftlichen Forſte wurden
in dieſem Jahre, wovon man ſonſt nie gehört hatte,
faſt wöchentlich Wilddiebſtähle verübt, deren Thätern
der Baron, unſer gnädiger Herr, vergebens auf die
Spur zu kommen ſuchte. Ergrimmt über die häufigen
Wieder holungen dieſes Frevels, ſchwor er, den Thä-
tern auflauern zu laſſen, und an dem erſteu, der er-
tappt würde, ein warnendes Exempel zu ſtatuiren. —
Es war aber an einem kalten Decembermorgen, da
dachte ich, Du mußt doch ſehen, wie es in der Jammer⸗—
hütte des Freundes ausſieht, und machte mich auf den
Weg. »Ich fand das kranke Weib allein, mit den Zäh-
nen klappernd vor Froſt, zuſammengeſchrumpft vor
Hunger und Elend, und in Thränen gebadet. Es ver-
ſteht ſich, daß ich ſie theilnehmend nach ihrem Kum-
mer, nach ihrem Manne und kurz nach Allem, was ſie
anging, befragte. Sir erzählte mir, Mann und Sohn
wären ſchon vor Tagesanbruch in die Stadt gegangen,
und es aͤngſtige ſie, daß Beide ihr die Urſache ihrer
Reiſe verſchwiegen hätten. Ich beruhigte ſie mit dem
Troſte, daß es wahrſcheinlich einen guten, gewiß aber
keinen böſen Grund habe, da Peter Brun ſtets nur auf
redlichem Wege wandelte. Dann trug ich dürre Rei-
ſer zuſammen, machte ein Feuer in der Hütte an, und
blieb den ganzen Tag bei ihr. Gegen Abend kam
mein Freund mit ſeinem Sohne aus der Stadt zurück.
Mutter, rief er bei ſeinem Eintritt, nun ſorge nur
nicht weiter, ich habe einen guten Handel gemacht! und
dabei zählte er Geld auf den Tiſch. Worin aber die-
ſer Handel beſtand, das wollte er weder mir, noch ſei-
nem Weibe entdecken. Mir ahndete gleich nichts Gu-
tes, denn ſein ſonſt immer offenes Auge war ſcheu
und wild, und vermied es, meinem Blicke zu begeg⸗.
nen. Daß er mich durch keine Erfindung hintergehen
konnte, wußte ich wohl, denn über Peter Brun's Lip-
pen iſt nie eine Lüge gekommen, ſein Heimlichthun lag
daher mir, wie ſeinem Weibe, ſchwer auf der Seele.
Der erſten Noth wurde zwar jetzt abgeholfen; aber
auch der ſtille Frohſinn ſchwand von nun an aus der
Familie. Mein tröſtlicher Zuſpruch vermochte die in
heimlicher Angſt ſich verzehrende Frau nicht zu beruhi-
gen, und der Sohn, ein raſcher, ehrgeiziger Burſche
von neunzehn Jahren, der ſich mit des Schulmeiſters
ſiebenzehnjahriger Tochter heimlich verlobt hatte, ſchlich

von dieſer Zeit an ſtill und tiefſinnig umher; heraus-

bringen kounte man aus ihm nichts. Das Geld ging
indetz bald zu Ende und der drückende Mangel an al-
lem Nothwenditen trat wieder ein. — *
(Fortſetzung folgt.)

Mannichfaltiges.

Abraham o Sancta Clara (der durch ſeine

derbe Satire und ſeinen treffenden, wenn auch dem

Geſchmacke der Zeit huldigenden Witz wohlbekannten

Wiener Hofprediger Ulrich Megerle — geb. 1642

Sorte von Gebet.“

in Würtemberg, geſt. 1709 — in deſſen Weiſe Schiller
die Kapuzinerpredigt in „Wallenſtein's Lager, verfaßte)
eiferte einſt gegen das Titularweſen und ſchloß ſeinen
Vortrag folgendermaßen: „Man hat vor Jahren etliche
ungereimte Ueberſchriften auf der Wieneriſchen Haupt-
poſt aufgezeichnet und gefunden, daß man ſogar einem

Beſenbinder den Titel Wohledelgeboren gege-

ben. Die Prädikate wachſen dergeſtalt, daß, wer nur
Hans Hader heißet, ſich gleichmuß von Lumpen-
hofen nennen.“ Bei einer andern Gelegenheit, als
er über wahre Frömmigkeit predigte, ließ er ſich
folgendermaßen aus: „Wenn es uns vergönnt wäre,
die Gedanken mancher Betenden zu errathen, ſo wür-
den wir nicht erſtaunen, daß ſein Gebet ſo ganz ohne
Wirkung bleibt. Mag folgendes Gebet eines Kauf-
mannes zum Beweiſe dienen: „Vater unſer, der
Du biſt im Himmel, der Markt rückt heran, ich
muß meine Anſtalten treffen. Geheiliget werde
Dein Name, wo werde ich diesmal einkehren? Mein
voriger Wirth iſt geſtorben. Zu uns komme Dein

Reich, er war ein guter Kerl, wir haben manche

Flaſche zuſammen geleert. Dein Wille geſchehe
wie im Himmel, in der „blauen Traube“ ſoll mann
gut eſſen; ſo auf Erden, es kommt auf die Probé
an; gieb uns un ſer täglich Brod, wenn ich nur
könnte die zwei Stück ſchlechtes Seidenzeug an den

Mann bringen; und vergiebuns unſere Schuld,

zu Meßgewändern ſind ſie gut genug; wie wir ver-
geben unſern Schuldnern, aber für Frauen-
zimmer ſind ſie aus der Mode; führe uns nicht in
Verſuchung, für die Kirche iſt auch das Schlech-
teſte gut genug; ſoßdern erlöſe uns vom Uebel,
der Pfaff macht heüre verdammt lange; Amen! ſie
warten gewiß mit dem Eſſen und ich komme zu ſpät
auf die Kegelbahn!““ — Das iſt mir halt eine rare

Miniſterrath. „Nichts Lächerlicheres“ plauderte
ein geiſtreicher Staatsminiſter in guter Stunde mit ſei-

nen Gäſten, „als die Art und Weiſe, wie einige Stämme

in Afrika ihren Miniſterrath abhalten. Denken Sie ſich
ein Berathungszimmer,“ fuhr der Miniſter fort, „wo

ein Dutzend großer Krüge aufgeſtellt, die zur Hälfte

mit Waſſer gefüllt ſind. Nun erſcheinen die Miniſter
nackt und ernſthaft, jeder ſpringt ſogleich in ſeinen
Krug, verſinkt bis zum Halſe im Waſſer und in dieſer
eigenthümlichen Lage wird das Wohl des Staates be-
rathen. Aber Sie lachen nicht einmal!“ wandte ſich
der Miniſter in guter Laune zu dem ihm zunächſt ſte-
henden Herrn. ö
„Das kommt daher,“ entgegnete dieſer ſogleich,
„weil ich alle Tage etwas weit Komiſcheres ſehe.“
„Und das wäre?“ fragte der Staatsmann über-

raſcht. ö

„Es iſt ein Land, wo die Krüge bis auf einen Ein-
zigen ſelbſt Rath haiten,“ war die Antwort.
Wo liegt dieſes Land?!
 
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