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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0020

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breiten, daß er allein fähig ſei, die Armee ſo herzuſtellen,
daß ſie Deutſchland mit Erfolg die Spitze bieten könne.
Bonlanger erinnert in dieſer Beziehung an Trochu, deſſen
Ernennung zum Gouverneur von Paris 1870 ſo große
Begeiſterung erregte. Damals wurde auch darauf aufmerk-
ſam gemacht, daß Trochus militäriſche Talente übertrieben
würden und auch er nichts ausrichten werde. Graf de Mun,
der bekannte Kapuziner⸗Cuiraſſier⸗Hauptmann und jetzige
Deputirte und Oberhaupt der katholiſchen Geſellenvereine,
ſoll geſtern, als man ihn im „Cercle Militaire“, deſſen
Eröffnung er anwohnte, um ſeine Meinung über Boulanger
befragte, geäußert haben: „Voulanger iſt ein guter Soldat,
aber kein Kriegsminiſter.“ Noch ſei bemerkt, daß man dem
14. Juli, dem Nationalfeſte, nicht ohne Befürchtungen
entgegenſieht, denn es gibt Leute, welche ernſtlich glauben,
daß Boulanger an dieſem Tage etwas unternehmen werde.
Erwähnenswerth iſt, daß man in den royaliſtiſchen Kreiſen
zu verſtehen gibt, es handle ſich dabei um einen Staats-
ſtreich zu Gunſten der Prinzen von Orleans, d. h. des
Grafen von Paris! Der Intranſigeant ſchreibt: „Seit
einigen Tagen iſt nur von „Fructidor“ und „Brumaire“
die Rede. Die Reactionäre fürchten fructidoriſirt, die Or-
leaniſten brumairifirt zu werden. General Boulanger hat
die Gabe, dieſe Erinnerungen aus der Zeit des Directoriums
wachzurufen. Er hat den General Bouſſenard verſetzt, weil
er als Orleaniſt bezeichnet wurde. ...“ Rochefort ſteht
ganz auf Boulangers Seite und beſchuldigt die Opportuniſten,
daß ſie ihn an der Säuberung der Armee behinderten.
London, 3. Juli. Am geſtrigen erſten Tage der eigent-
lichen Wahlſchlacht erzielten die Konſervativen einen
kleinen Vorſprung, indem ſie 6 Wahlſitze: in Galford,
Hereford, Haſtings, Briſtol und Falmouth, die Gladſto-
nianer dagegen nur 5, nämlich in Mancheſter, Liverpool,
Leeds und Carlisle, gewannen. Im allgemeinen aber bleibt
die Parteiſtellung unverändert, da Gladſtone weder das
Land mit ſich fortreißt, wie die Miniſteriellen behaupten,
noch unwillig verworfen wird, wie die Unioniſten hofften.
Auffällig iſt die große Stimmenthaltung, beſonders in den
miniſteriellen Wahlkreiſen, wofür allerdings die furchtbare
Hitze als Entſchuldigungsgrund gelten kann. Unter den
geſtern gewählten Konſervativen ſind Churchill, Hicks⸗Beach,
Smith, Balfour, Gorſt, Manners, Stanley, Stanhope und
Chaplin, unter den Unioniſten Cavendiſh und Caine, unter
den Parnelliten O'Connor und Parnell. Heute findet die
Abſtimmung in 32 Wahlkreiſen der Provinz und in 2
Wahlkreiſen der Hauptſtadt ſtatt.
Antwerpen, 3. Juli. Heute Mittag erſchienen
hohe Gäſte an Bord des neuen Reichspoſtdampfers
„Oder“, der feſtlich mit den Zeichen aller Staaten, obenan
die ſeidene Reichspoſtflagge, geſchmückt am Plantynſtaden
lag. Ein von den Agenten des Norddeutſchen Lloyd an
Bord gegebenes Frühſtück vereinigte die Spitzen der be-
theiligten Behörden Belgiens und die Vertreter des Llohyd,
Director Lohmann, Albert de Bary, den Gaſtgeber und
Capitän Pfeiffer. Es war eine auserleſene Geſellſchaft, die
ſich in dem großen Speiſeſaal bei hochfeiner Bewirthung
und bei Tafelmuſik verſammelt hatte. Der deutſche Ge-
ſandte, Graf v. Brandenburg, brachte das Wohl des
Königs Leopold von Belgien aus, Legationsſekretär Fürſt
v. Chimay feierte Kaiſer Wilhelm. Zum Schluß ſtimmten
alle begeiſtert in die Aufforderung des Directors Lohmann
ein, der „Oder“ eine glückliche Fahrt zu wünſchen. Die
Gäſte, welche noch eine Weile auf der „Oder“, die von
12 Schleppdampfern geleitet wurde, mitfuhren, ſchieden
dann und begaben ſich mit Hurrahrufen an Bord des zu
ihrer Aufnahme beſtimmten Schiffes. Bei der hieſigen Kauf-
mannſchaft, welche die Abfahrt der „Oder“ als einen Ehren-
tag Antwerpens betrachtet, war eine ſichtliche Befriedigung
wahrzunehmen.
Madrid, 3. Juli. Die Deputirtenkammer hat
nach einer ſehr erregten Debatte, in welcher der Miniſter-
präſident Sagaſta die Republikaner als Feinde des
Vaterlandes bezeichnete, die Adreſſe an die Königin
mit 233 gegen 58 Stimmen angenommen.
Petersburg, 4. Juli. In Moskau wurden einige
Fälle von Erkrankungen an acutem Eingeweide⸗Ka-
tarrh (Cholera?) conſtatirt, darunter zwei mit tödtlichem
Ausgange. Obgleich die Krankheit keinen epidemiſchen
Charakter hat, ordnete der Generalgouverneur dennoch die Er-
richtung einer bacteriologiſchen Station für die entſprechen-
den Unterſuchungen an.
Konſtantinopel, 3. Juli. Die Pforte hat geſtern
in Sofia wegen gewiſſer Stellen in der Thronrede und
der Adreſſe der Sobranje, welche mit der zwiſchen der
Türkei und Bulgarien abgeſchloſſenen Uebereinkunft nicht in
Einklang ſtanden, telegraphiſch um Aufkärnng erſucht.
Newyork, 4. Juli.
„Terror“ hat abermals zwei amerikaniſche Fiſcher-
fahrzeuge bei Shelburne an der Küſte von Neuſchott-
land mit Beſchlag belegt.

Aus Stadt und Land.
gridelberg, 5. Juli. Während der Anweſenheit Ihrer Königl.
Hoheiten des Großherzogs und der Frau Großherzogin
am Samstag den 3. d. Mts., beſichtigte Se. Königl. Hoheit der
Großherzog in Begleitung des Gr. Stadtdirektors Orn.v. Scherer
eingehend die Herſtellungsarbeiten der Univerſtät, die Feſthalle
und die Heiliggeiſtkirche und fuhr ſodann vom Großh. Palais aus
auf das Schloß. Ihre Königl. Hoheit die Frau Großher-
zogin beehrte die Krankenwärterinnen vom Frauenverein, ſowie
die Luiſenheilanſtalt und das akad. Krankenhaus mit Ihrem Be-
ſuche. Mit dem Schnellaug Abends 7“ Uhr erfolgte die Abreiſe
der hohen Herrſchaften nach Baden.
— Beidelberg, 5. Juli. In der am 2. d. ſtattgehabten Sitzung
des hieſigen Stadtrathes wurden u. a. folgende Gegenſtände
zur Kenntniß bezw. Erledigung gebracht:
1) Bei der ſtädtiſchen Sparkaſſe wurden im Monate Juni von
1162 Perſonen zuſammen 150 123 ¾. 45 0 eingelegt, dagegen
in 522 Poſten 175 469 79 ½ an die einzelnen Einleger zurück-
bezahlt. Die Geſammtzahl der Einleger hat um 27 zugenommen.
2) Dem Geſuche des Taglöhners Georg Kabel in Schlierbach

Das engliſche Kriegsſchiff

um die Genehmigung zur Ablöſung des ſtädtiſchen Erbbeſtand-
zinſes wurde entſprochen.
3) Die Lieferung der Guirlanden und Kränze zur Ausſchmückung
der ſtädtiſchen Gebäude beim Univerſitätsjubiläum wird dem Hru.
B. Wacker in Badenſcheuern, welcher bei der Submiſſion das
niedrigſte Gebot eingelegt hat, übertragen.
4) Die Decoration des Rathhauſes, des Karlsthors, des Brücken-
thors. der Brunnen auf dem Marktplatz und Ludwigsplatz, ſowie
die Aufſtellung von Wimpelſtangen am Bahnhof und an der
neuen Brücke wird den Herren Born, Grätz und Knupfer in
Frankfurt a. M., welche allein hierauf ſubmittirt haben, über-
tragen.
5) Die Anträge der Gaswerksdirection bezüglich der electriſchen
Beleuchtung der Feſthalle werden genehmigt. ‚
6) Wegen Herſtellung des Empfangsbureaus beim Bahnhof
ergeht geeigneter Auftrag.
7) Dem gemeinnützigen Vereine wird auf ſein Anſuchen und
unter Anerkennung ſeiner dankenswerthen Beſtrebungen geſtattet,
aus Vereinsmitteln beim botaniſchen Inſtitut und am Klingen-
teichweg einige Sitzbänke aufſtellen zu laſſen.
8) Der Ablauf von dem Brunnen am Kronenwege in Schlier-
bach ſoll zur Errichtnng eines weiteren Brunnens und zwar an
der Landſtraße gegenüber dem Gaſthaus „zum Schiff“ in Schlier-
bach verwendet werden.
9) Die Trockenlegung des untern Weihers auf dem Wolfs-
brunnen wird angeorduet.
10) In den Preisbeſtimmungen über die Abgabe ſtädtiſchen
Quellwaſſers zur Speiſung von Springbrunnen werden auf den
Antrag der Waſſerwerksdirection und der Commiſſion für die
Waſſerverſorgung Erleichterungen beſchloſſen, welche demnächſt
öffentlich bekannt gegeben werden ſollen.
XX grihelberg, 5. Juli. Am 10. Juli findet in Heidelberg
eine Verſammlung der Unterzeichner des Aufrufs vom 4.
April ds. J., betr. Ehrengabe für die Univerſität
Heidelberg, ſtatt. In derſelben wird über den Antrag des
Centralausſchuſſes berathen werden, die anſehnliche Summe, die
bereits eingegangen iſt, zur Errichtung einer Stiftung zu ver-
wenden, welche zur Förderung wiſſenſchaftlicher Beſtrebungen von
Docenten der Ruperto⸗Carola dienen ſoll. Dieſe Nachricht wird
hoffentlich auch diejenigen Herren, welche befürchteten, man beab-
ſichtige die Stiftung eines Stipendiums für arme Studirende,
zur Betheiligung an der Ehrengabe beſtimmen. Ebenſo läßt ſich
hoffen, daß auch diejenigen noch beiſteuern, welche aus Scheu,
einen zu geringen Beitrag zu ſpenden, ſich bisher fernhielten. —
Der Durchſchnittsbeitrag beträgt bis jetzt zeyn Mark; es kommen
aber auch kleinere Gaben bis zu einer Mark herab in ziemlicher
Anzahl vor. Die Namen der Spender werden der Jubiläums-
Adreſſe beigefügt, der gegebene Beitrag bleibt dabei natürlich un-
erwähnt. Während in einzelnen Städten die Summe der gezeich-
neten Gaben ſich auf weit über zweitauſend Mark beläuft, ſind
andere Städte entweder noch gar nicht oder doch mit einem ver-
hältnißmäßig ſehr geringen Beitrage vertreten. Es dürfte ſich
deßhalb empfehlen, daß alle ehemaligen Studirenden der Univer-
ſität Heidelberg, denen dieſe Zeilen zu Geſicht kommen, die Bil-
dung von Lokalcomites betreiben oder durch anderweitige Be-
mühungen das Intereſſe für die Sammlung zu erwecken ſuchen,

damit am Ehrentag der Alma Mater der Beweis erbracht werde,

daß ſie in allen Landen treue Söhne zählt. Die Centralſammel-
ſtelle bildet das Bankhaus der Herren H. L. Hohenemſer u.
Söhne in Mannheim.
O geihelberg, 5. Juli. Wie bereits mitgetheilt, iſt in der hie-
ſigen Buchhandlung von Guſtav Köſter ein Orientirungsplan
zum hiſtoriſchen Feſtzug der Jubiläumsfeier erſchienen.
Derſelbe enthält in ſehr anſchaulicher Weiſe die Zugsrichtung und
wird namentlich für jeden Fremden ein kaum entbehrliches Orien-
tirungsmittel ſein. Außerdem bietet er noch verſchiedenes Anderes,
was einerſeits für jeden Feſttheilnehmer zu wiſſen nöthig iſt, an-
dererſeits auch im Intereſſe des Gelingens des Feſtzuges beachtet
werden muß. Abgeſehen von der Mittheilung der Gruppenfolge
des Feſtzuges und der Preiſe der Tribünenplätze, wird das ganze
Programm der Feierlichkeiten mitgetheilt und der Fremde über
das Anmeldebureau und die Wohnungsverhältniſſe informirt.
Etwas ſehr Wichtiges bringt er aber in der folgenden „Dringenden
Bitte“, die wir hier ganz zum Abdruck bringen. Sie lautet:
Das Gelingen des Zuges und die volle Wirkunz ſeiner groß-
artigen Schönheit ſind vorzugsweiſe abhängig von dem Verhalten
des Publikums. Es wird daher dringend gebeten, ſich den zu
erlaſſenden Vorſchriften und Anordnungen bereitwillig zu fügen
und mitzuhelfen, daß die große Feſtlichkeit ohne Unfall und Stö-
rung verlaufe zur Freude der Juſchauer wie der Theilnehmer.
Bei dem laugen Wege des Zuges iſt Allen Gelegenheit geboten,
denſelben in Ruhe zu ſehen, falls ſich das Publikum mit
einmaligem Beſchauen begnügt und Jedermann den ein-
genommenen Platz nicht verläßt. Man ſtelle ſich möglichſt zeitig
auf den durch Seile abgeſperrten Trottoirs auf, da die Fahrbahn
½, Stunde vor Beginn des Zuges polizeilich geräumt wird. Man
vermeide das Anrufen und Begrüßen der Zugstheiluehmer, was
leicht die Würde des Zuges beeinträchtigt, man unterlaſſe das
Anbieten von Speiſe und Trank, das Bewerfen mit Blumen u. ſ. w.,
da durch Scheuwerden der Pferde leicht Unglücksfälle entſtehen
können. Am Tage des Feſtzuges müſſen in allen Straßen, die
der Zug paſſſrt, ſämmtliche Fahnen und größere Schilder
eingezogen werden. — Der Orientirungsplan eignet ſich ſehr gut
zur Verſendung an auswärtige Feſttheilnehmer.
— Hridelbers, 5. Juli. Auf vorgeſtern, Sams tag, Abend war
vom Stadtverordneten⸗Vorſtand eine Beſprechung einiger
bevorſtehender ſtädtiſcher Wahlen anberaumt worden,
der etwa der dritte Theil der Mitglieder des Bürgerausſchuſſes
anwohnte. Dieſelbe fand im Gartenſaale der Harmonie ſtatt und
wurde in Bertretung des durch Unwohlſein am Erſcheinen ver-
hinderten Obmanns des Stadtverordneten⸗Vorſtandes, Hrn. Dr.
Fr. Mittermaier, von Hrn. C. Pirſch eröffnet, der ſodann auch
mit der Leitung der Verhandlungen betraut wurde. Zunächſt
handelte es ſich um die Wahl eines Bürgermeiſters an Stelle des
verſtorbenen Bürgermeiſters Sagelsdorff. Bekanntlich iſt Herr

Bürgermeiſter Walz ſ. Z. in der Vorausſetzung gewählt worden,

daß er zurücktrete, im Falle der damals durch Krankheit von der
Verſehung ſeines Dienſtes abgehaltene Bürgermeiſter Sagelsdorff
denſelben wieder übernehmen könne und die weitere Thätigkeit
eines 2. Bürgermeiſters entbehrlich erſcheine. Infolge des inzwiſchen
eingetretenen Todes von Bürgermeiſter Sagelsdorff iſt jedoch die
Wiederbeſetzung der Stelle eines erſten Bürgermeiſters geſetzlich
erforderlich. Für dieſelbe kam in geſtriger Vorbeſprechung nur
Herr Bürgermeiſter Walz in Betracht — ein anderer Vorſchlag
wurde gar nicht gemacht. Nach einer längeren Discuſſion, in
welcher die ſeitherige Thätigkeit des Hrn. Bürgermeiſter Walz
ehrenvollſte Anerkennung fand und auch bezüglich der Gehalts-
frage Uebereinſtimmung erzielt wurde, erklärten ſich die An-
weſenden einſtimmig für die Wahl des Hrn. Walz zum erſten
Bürgermeiſter. — Durch den Austritt der Herren Daecke und
Piazolo aus dem Stadtverordnetencollegium — erſterer wurde

zum Stadtrath gewählt, letzterer zieht von hier nach Schwetzingen —

iſt die Wahl zweier ſtellvertretender Stadtverordneten nöthig ge-
worden. Es wurden verſchiedene Vorſchläge gemacht; bei einer
vorgenommenen Abſtimmung erhielten die Herren Jacob Keſſel-
bach, Commandant der freiw. Feuerwehr, und Herr Priv. Jean
Fath die meiſten Stimmen.
5 Zeidelberg, 5. Juli. Mit großer Begeiſterung erfaßte be-
kanntlich die hieſige ſtudirende Jugend die Idee der Errichtung
eines Scheffel⸗Denkmals in Heidelberg. Jetzt hat der S. C.
der hieſigen Corps eine öffentliche Aufforderung an alle aktiven
und inaktiven Corpsſtudenten gerichtet, zu dem projektirten Denk-
mal beizuſteuern und etwaige Beiträge an den 8. C. hierher ge-
langen zu laſſen. Wir wollen hoffen, daß ſie recht reichlich fließen.
* heidelberz, 3. Juli. In den letzten 8 Tagen ſind, wie wieder-

holt veröffentlichte Inſerate der Heidelberger Straßen⸗ und Berg-
bahngeſellſchaft beſagen, 3 Halteſtellentafeln der Pferdebahn ab-
gebrochen und entwendet worden. Die Thäter ſind leider noch
nicht ermittelt. Hoffentlich gelingt dies noch, wozu namentlich
auch die von der Bahngeſellſchaft ausgeſetzte Belohnung beitragen
wird. Gegen diejenigen, welche gemeinnützige Einrichtungen in ſo
Im Wiac. Weiſe zerſtören, iſt ſicher die nachdrücklichſte Strafe
am Platze.
§ Hridelberg, 5. Juli. Geſtern Nachmittag fand in der Schloß-
reſtauration das erſte diesjährige Concert der Muſikkapelle des
1. Bad. Leibregiments ſtatt. Der Zudrang des Publikums, bei
welchem die bewährte Kapelle in beſtem Audenken ſteht, war. ein
außerordentlicher. Das überaus gediegene und reichhaltige Pro-
gramm wurde unter Leitung des Kapellmeiſters Hrn Böttge
in der vortrefflichſten Weiſe ausgeführt.
— Ztideldert, 5. Juli. Ein Gärtnerlehrling aus Ziegelhauſen
beſchwindelte vor einigen Tagen einen Friſeurgehilfen dahier
dadurch, daß er demſelben vorſpiegelte, er müſſe für ſeinen Herrn
an der Bahn etwas abholen, habe aber kein Geld bei ſich, er
ſolle ihm 2 ¾ 75 H borgen bis zum andern Tag. Der raffi-
nirte Schwindler aber ließ ſich bis heute bei dem Beſchädigten
nicht mehr ſehen und ſeine Angaben waren unwahr. Auf gleiche
Weiſe ſoll derſelbe noch drei weitere Friſeurgehilfen betrogen
haben. — Geſtern Nachmittag wurde in einem Hauſe an der
Hauptſtraße zu ebener Erde eingeſtiegen und durch Einbrechen
aus einer Kommode 300 und ein Paar Rohrſtiefel ent wen-
det. Thäter noch unbekannt. — Am 3. d. Mts. kamen zwei
ältere Frauen in der Pfaffengaſſe wegen eines Topfes Milch in
Wortſteit, wobei die Eine die Andere an den Haaren packte, zu
Boden warf, ſich auf dieſelbe ſetzte und wie eine Wüthende auf
ſie einſchlug, bis beide durch Bewohner des Hauſes auseinander-
geriſſen wurden. Die Siegerin wird ſich wegen Körperverletzung
zu verantworten haben.
◻¶Karlarnhe, 3. Juli. Die hieſige Strafkammer hat heute
unter Vorſitz des Landgerichtsdirectors Fiſchler den Director
und oberſten Leiter der Zucker⸗ und Gasfabrik Waͤghäuſel, Dr.
Friedrich Kunze, 45 J. alt und den erſten Ingenieur der Fabrik,
Ludwig Gamer, der fahrläſſigen Körperverletzung für ſchuldig
befunden, erſteren dazu der Verletzung des § 147 Abſ. 2 der
Gewerbeordnung. Das Urtheil lautet für beide auf Tragung der
Koſten, außerdem für Dr. Kunze auf 150 %½, für Gamer auf
100 ¾. Geldbuße. Die Fahrläſſigkeit wurde darin erblickt, daß
Dr. Kunze und Gamer die Vorſchrift überſehen hatten, es ſei
der Reinigungsraum einer Gasfabrik nach allen Seiten hin, wo
Feuer oder Licht gebraunt werde, abzuſchließen; das Vergehen
gegen die Gewerbeordnung darin, daß es unterlaſſen wurde, die
Vornahme baulicher Veränderungen in der großen Zuckerfabrik
der zuſtändigen Behörde anzuzeigen. Infolge des Nichtabſchließens
des Reinigungsraumes durch eine Mauer entſtand am 19. Decbr.
vorigen Jahres eine Gasexploſion, durch welche zwei Arbeiter, die
heute noch auf den Stock geſtützt einherſchreiten, lebensgefährlich,
ein dritter ſo ſchwer verletzt wurde, daß er 43 Tage arbeitsunfähig
war. Dr. Kunze erklärte, die rechtzeitige Erſtellung der Mauer
ſei unmöglich, die Sachverſtändigen, Regierungsrath Wörishofer,
Fabrikdirector Merz und Hofrath Engler, ſolche ſei möglich ge-
weſen. Nach 4ſtündiger Verhandlung, nachdem Staatsanwalt
Hübſch und der Vertheidiger Anwalt Geismar von Mannheim
wiederholt das Wort ergriffen, erfolgte das Urtheil, das oben
mitgetheilt iſt. — In gleicher Sitzung wurde Bürgermeiſter
Nicolaus Müller von Untergrombach wegen Vergehens gegen
das Perſonenſtandesgeſetz in 2 Fällen, begangen im Nov. 1883
und April 1885, verübt aus Fahrläſſigkeit, zu den Koſten und je
3 ½. Geldbuße verurtheilt. Der Angeklagte will zwei Ehe-
ſchließungen ohne Zuſtimmung aller Faktoren (Obervormundſchaft
und Familienrath), deßhalb vorgenommen haben, weil moraliſche
Rückſichten ſchnelles Handeln erforderten. Das Gericht erkannte
wegen Unbewandertheit auf jnriſtiſchem Gebiet auf die Mindeſt-
ſtrafe. — Nächſten Dienstag beginnen die Verhandlungen der
evangel. proteſtantiſchen Generalſynode Badens. Dieſel ben
ſind öffentlich, finden im Sitzungsſaal der 2. Kammer ſtatt und
werden etwa 3 Wochen in Anſpruch nehmen. Man glaubt, daß
Geh.⸗Rath Lamey zum Vorſitzenden gewählt werden wird.

Vermiſchte Nachrichten.
Verlin, 1. Juli. Fünfundſiebzig Damentaſchentücher
mit den ſchönſten Initial⸗Stickereien fand die Criminal⸗Polizei
bei dem bejahrten und in den beſten Verhältniſſen lebenden Haus-
beſitzer G. Er wurde als gewerbsmäßiger Taſchendieb in Haft
genommen und hatte ſich geſtern als ſolcher vor dem Schöffen-
gericht zu verantworten. Der Staatsanwalt beantragte zehn
Tage Gefängniß, ſein Vertheidiger, Rechtsanwalt Dr. Friedmann,
dagegen die Freiſprechung des Angeklagten, welcher unter einer
ganz krankhaften Sinnesrichtung ſich befinde, die beim Anblick
ſchöner Frauen zum Durchbruch komme und ihn dazu treibe, ein
Andenken au dieſelben ſich anzueignen. Der Gerichtshof ſchloß
ſich der Auffaſſung des Vertheidigers an und erkannte auf Frei-
ſprechung des Angeklagten.
Wärfburg, 4. Juli. Ueber die offzielle Darlegung zur
Eiſenbahnkataſtrophe wird der Frkf. Zig. u. A. mitgetheilt:

Genan den ſeit einer langen Reihe von Jahren anſtandslos in

Anwendung gekommenen Vorſchriften entſprechend, wurde am 1.
Juli von dem Betriebsbeamten in Würzburg beſtimmt, daß der
von Bamberg kommende, um 16 Minuten verſpätete Poſtzug
Nr. 40, welcher mit dem auf der nämlichen Strecke verkehrenden
Courierzuge Nr. 53 fahrplanmäßig in Würzburg zu kreuzen hat,

auf dem um dieſe Zeit freien Nürnberger Geleiſeſtrange von

Rottendorf nach Würzburg zu fahren und deshalb dem Courier-
zuge Nr. 53 auf der Srrecke begegnen habe. Von dieſer Ver-
fügung, welche in Rottendorf dem geſammten betheiligten Per-
ſonale vorſchriftsmäßig bekannt gegeben und von dieſem auch
vollſtändig richtig vollzogen wurde, erhielt in Würzburg das
Perſonal des Zuges 53 durch den Betriebsbeamten die vorge-
ſchriebene Mittheilung durch Stundenpaßvortrag, ſchrift-
lichen Befehl für den Lokomotivführer und mündliche Ver-
ſtändigung des Wagenwärters. Außerdem wurde ſchriftlicher
Dienſtbefehl bei den betheiligten Wechſelwärtern durch einen
Boten in Umlauf geſetzt, wobei jedoch in der Verſtändigung
der Wärter eine Verzögerung eingetreten ſein ſoll. Von dem
Signalwärter wurde aus bis jetzt noch nicht aufgeklärter Ur-
ſache das von ihm urſprünglich richtig gezogene Signal „Ausfahrt
nach Bamberg frei“ nach Ingangſetzung des Zuges 53 noch vor
deſſen Eintreffen am Signalbaume zurückgezogen und durch das
Signal „Ausfahrt nach Nürnberg frei“ erſetzt. Dies beſtimmte
den Wärter der Ausfahrtsweiche, welcher nach ſeiner übrigens
noch nicht erwieſenen Behauptung zur Zeit der Vorüberfahrt des
Zuges 53 noch nicht verſtändigt geweſen ſein will, den aus-
fahrenden Zug ſtatt in das Bamberger in das Nürnberger
Geleiſe einlaufen zu laſſen, auf welch' letzterem Führer,
Ober⸗Conducteur und Wagenwärter ungeachtet des ihnen er-
theilten ausdrücklichen gegentheiligen Befehls den Zug unbe-
greiflicher Weiſe weiterlaufen ließen. Auch von den betheilig-
ten Bahnwärtern wurde demſelben das Haltzeichen nicht ge-
geben, obwohl Poſtzug 49, als auf dem Geleiſe der Nürnberger
Strecke kommend, von Rottendorf durch das Läutwerk dieſer
Strecke ſchon geraume Zeit abgeläutet war, und obgleich Zug 53
kein Signal trug. — Suspendirt wurden Wechſelwärter Ermel
und Offizial Ehrlich. — Die Unterſuchung iſt in vollem Gange.
Eiſenbahnunglück. Aus Hobart (Tasmanien) wird
unter dem 1. Juli gemeldet: Geſtern Abend gerieth etwa 20 Meilen
von hier ein Eiſenbahn⸗Sonderzug, der eine diſtinguirte
Geſellſchaft beförderte, aus den Schienen und wurde zertrümmert.
Der Locomotivführer und der Heizer wurden auf der Stelle ge-
tödtet und mehrere Paſſagiere erlitten Verletzungen, darunter der
Premierminiſter von Tasmanien, Dr. Agnew, der General⸗Anwalt
 
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