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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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ausſchl. Poſtauf-
ſchlag u. Träger-
Lohn.

täglich Sonntags ö 9
ausgenommen.
VyrII
mit Familien-
blätt iertel-
Whuich2.460 4 4 bedeut. ermäßigt.
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Tagblatt und Verkündiger für die Sladt Heidelberg.

Inſerkiousgebihr
15.3 fürdie 1ſpal-

tige Petitzeile oder
deren Raum. Fuͤr
hieſ. Geſchãfis-

u. Privatanzeigen

d. Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger.

Nr. 184. Erſies Blal.

Montag, den 9. Anguſt

1886

* Heidelberg, den 9. Auguſt.
Dem Herrn Oberbürgermeiſter unſerer Stadt iſt fol-
gendes Handſchreiben Seiner Königlichen Hoheit des Groß-
herzogs zugegangen: ö
Mein lieber Herr Oberbürgermeiſter Dr. Wilckens!
Unter dem hochbefriedigenden Eindruck der feſtlichen
Tage, welche ich in Heidelberg erlebt habe, iſt es
mir Bedürfniß, Ihnen auszuſprechen, welche aufrich-
tige Anerkennung ich der liebevollen und opferwilligen
5 Theilnahme der Einwohnerſchaft Heidelbergs an der
Jubiläumsfeier widme, und dabei meiner Ueberzeu-
gung Ausdruck zu geben, daß dieſe Theilnahme zum
* Gelingen dieſer ſchönen für alle Zeit denkwürdigen
Fieieier weſentlich beigetragen hat. Aber dieſes einmüthige
* Zuſammenwirken der Heidelberger Einwohnerſchaft für
die Herbeiführung eines günſtigen Verlaufes der
Jubiläumsfeſte hat für mich noch eine beſondere höchſt
erfreuliche Bedeutung dadurch, daß dieſe Erſcheinung
davon Zeugniß gibt, welch' inniger Zuſammenhang

ſtädtiſchen Verwaltung beſteht, deren umſichtige Leitung
eine ſo wirkſame Unterſtützung durch die Bevölkerung
gefunden hat. Wenn ich daher der muſterhaften Hal-
tung der Stadt Heidelberg während dieſer Feſttage
mit herzlicher Befriedigung gedenke, drängt es mich
zugleich, Ihnen, Herr Oberbürgermeiſter, und den
übrigen Mitgliedern der ſtädtiſchen Verwaltung meine
aufrichtige Anerkennung für die Hingebung und Treue
auszuſprechen, mit welcher Sie in Gemeinſchaft mit
den ſtädtiſchen Behörden Ihres Amtes walten. Em-
pfangen Sie, Herr Oberbürgermeiſter, mit den wärmſten
Wünſchen für das fortdauernde Gedeihen Ihrer Stadt
die Verſicherung meiner vorzüglichen Werthſchätzung.
Karlsruhe, den 8. Auguſt 1886.
Triedrich.

* Das Univerſitäts⸗Jubi läum.
Heidelberg, 9. Auguſt.
Die Schloß⸗ und Brückenbeleuchtung.
Von den Stägigen Feſtlichkeiten, welche Heidelberg ge-
boten, zählt die Schloßbeleuchtung am Samstag Abend zu
denjenigen, von deren Glanz ein zündender Strahl in die
Bruſt jedes Feſttheilnehmers gefallen iſt und dort die
zaubergewaltige Romantik unſeres Neckar⸗Athen in unaus-
löſchlichen Zügen eingeſchrieben hat. Als ſich am Sams-
tag die Schatten der Nacht in das Neckarthal ſenkten, da
entſtand eine Völkerwanderung über beide Brücken nach
dem jenſeitigen Neckarufer hin. Kopf an Kopf ſtand hier
bald die Menge, des leuchtenden Schauſpiels harrend. Ein
Gewoge und Gedränge herrſchte hier wie nirgends ſonſt
während der Feſttage. Nicht ſehr rückſichtsvoll war es,
daß von Zeit zu Zeit ganze Karawanen von Droſchken
mitten in das Menſchengewoge hineinfuhren, und die
Herren „Tenor⸗Rekruten“ vulgo Droſchkenkutſcher von

zwiſchen der Heidelberger Einwohnerſchaft und der

ihrem erhabenen „Sitzpunkt“ aus begeiſterungsvoll wie
der ſanges⸗ und peitſchenkundige Poſtillon von Lonjumeau
die Peitſche ſchwangen. Aber das dargebotene Schauſpiel
entſchädigte reichlich für die Unbequemlichkeiten der Situa-
tion. Der Zuſchauer genoß einen Ausblick auf den Neckar,
wie er zauberiſcher, maleriſcher nicht gedacht werden kann
— es war ein Stück Venedig, das ſich ſeinen Blicken
darbot. Auf der lichtübergoſſenen, glitzernden Waſſerfläche
ſchaukelte in maleriſcher Gruppirung eine ganze Flottille
leichter, anmuthiger Gondeln, rings von farbigen Lampions
behangen und mit fröhlichen ſingenden Menſchen und
Muſikkapellen beſetzt. Es war ein Arrangement von Corps
und Burſchenſchaften, die in dieſer Weiſe das Beleuchtungs-
ſchauſpiel ergänzten und zugleich Sr. Kgl. Hoheit dem
Großherzog eine Huldigung darbringen wollten. Etwas
nach 9 Uhr verkündeten Hochrufe von der kleinen Flotte
her, die ſich bis in die eutfernteſte Volksmenge fort-
pflanzten, daß Se. Kgl. Hoheit der Großherzog in der
Villa Landfried eingetroffen iſt. Ein Tuſch der Muſik-

kapellen erfolgte und darauf erbrauſte weithin über Berg

und Thal die Nationalhymne. Ein Kanonenſchuß richtete
alsbald wie auf einen Zauberſchlag die ganze Aufmerkſam-

keit der Verſammelten auf das Schloß hin. Feuergarben

ſtiegen dort in leuchtenden Bogen gegen den Horizont und

im Augenblicke erſtrahlte die deutſche Alhambra in magi-
ſchem Lichte. Lauter Beifall und Ausrufe des Entzückens und

der Bewunderung, alles wie unbewußt unter dem Eindrucke
einer unſichtbaren Zaubermacht, illuſtrirten die Wirkung des
unbeſchreiblichen feenhaften Bildes auf die Zuſchauer. Der
Effekt war um ſo größer, als die Ruine nicht nur wie ſonſt
blos in rothem Lichte, ſondern in ihrem umwachſenen untern
Theil auch in grünem Lichte erſtrahlte. Als dann noch
in dunkler Höhe Molkenkur und Schloßhotel in bengaliſcher
Beleuchtung erglänzten, zahlloſe Raketen und Schwärmer
von den Booten auf dem Neckar aufſtiegen, auch am Gelände
des Heiligenberges vielfach Lichter aufblitzten, bot ſich dem Auge
eine grandioſe Szenerie.
daß auch die meiſten Häuſer auf dem jenſeitigen Ufer illu-
minirt hatten und zur Belebung des reizvollen, magiſchen
Bildes nicht wenig beitrugen. Nachdem das Lichtmeer auf
dem Schloßberg erloſchen und die Ruine wieder in das
Dunkel der Nacht verſunken, hob ſich darauf plötzlich, einem
feurigen Streifen gleich, ſchimmernd und ſtrahlend in den
mannigfachſten Lichteffekten die alte Brücke hervor. Es war
ein Brillantfeuerwerk, ein pyrotechniſches Kunſtwerk, was
man hier erblickte. In feurigen Cascaden ſtrömten die
Funken über das Geländer in den Neckar, Sterne und
Kronen erglänzten, Strahlenbüſchel erhoben ſich gegen den
Horizont, eine Lichterſcheinung löſte die andere ab und mit
Entzücken ſog das Auge die ſich immer wieder von neuem
ergänzende Strahlenpracht auf. Zugleich waren auch die
„Feuerwerker zur See“ nicht müßig und ließen von ihren
Booten unaufhörlich Schwärmer und Raketen ſteigen, die
hoch oben in den Lüften unter farbigen und mannigfaltig-
ſten Lichteffekten bald geräuſchlos verlöſchten, bald unter
kanonenſchußartiger Detonation erplodirten. Großer Jubel
erhob ſich, als auf einem der Boote eine Krone und darunter
ein verſchlungenes FL erſtrahlte. Wohl gegen eine Stunde
dauerte das glänzende Schauſpiel und etwa um 10 Uhr begab
man ſich, erfüllt von unvergeßlichen Eindrücken, in die Stadt
zurück. Se. Kgl. Hoheit der Großherzog und ſeine erlauchte

Gemahlin begaben ſich von der Villa Landfried zum Bahn-
hof, um nach Karlsruhe zu fahren.

Gartenfeſte im Muſenm und in der Barmonie.
Den Schluß der offiziellen Feſtlichkeiten bildeten die
von den Geſellſchaften Muſeum und Harmonie den verehrten
Gäſten bereiteten Gartenfeſte, verbunden mit Tanzver-
gnügen. Alsbald nach Beendigung der Schloßbeleuchtung
ſtrömten die Feſtgenoſſen nach den beiden Lokalen, die raſch
bis aufs letzte Plätzchen gefüllt waren. Im ſchön illumi-
nirten Muſeumsgarten führte die Schirbelſche Militärkapelle
ein vorzüglich zuſammengeſetztes Programm aus, während im
großen Saale das Stadtorcheſter einer außerordentlich
großen Zahl Tanzluſtiger die fröhlichſten und ſchönſten
Weiſen zu Ehren Terpſichorens aufſpielte, welcher aufs
nachdrücklichſte gehuldigt wurde. Im Leſeſaal war ein
reichhaltiges und mit vielem Geſchmack ausgeſtattetes Buffet
aufgeſchlagen, an dem ſich viele Gäſte einfanden. Lange,

lange blieb die fröhliche Geſellſchaft vereinigt, bis endlich
der anbrechende Morgen zur Heimkehr mahnte. Auch in
der Harmonie hatten ſich äußerſt zahlreiche Gäſte zu
Conzert und Tanz eingefunden. Das Muſikcorps des 7.
Brandenburgiſchen Infanterieregiments concertirte in dem
herrlich beleuchteten Garten unter lebhaftem Beifall; im
großen Saale wurde getanzt, bis der Morgen graute.
Beiden Geſellſch aften gebührt beſter Dank für die von

Nicht vergeſſen wollen wir,‚,

ihnen getroffenen Veranſtaltungen, um den officiellen Feſt-
lichkeiten einen würdigen harmoniſchen Abſchluß zu verleihen.
— Nebenbei wollen wir noch bemerken, daß auch in der
Feſthalle, wie in allen andern öffentlichen Lokalen an
dieſem Abend ein äußerſt reges Leben und Treiben herrſchte.

Das Roſtümfeſt.
Obgleich die officiellen Feſtlichkeiten mit den Gar-
tenfeſten im Muſeum und Harmonie ihren Abſchluß ge-

akt des Feſtes. Dieſer ſtand uns erſt am geſtrigen Sonntag
bevor und zwar durch eine vortrefflich erdachte und ebenſo
ſchön ausgeführte Feſtlichkeit, zu deren Anordnung ein
beſonderer Ausſchuß ſich gebildet hatte — wir meinen
das Koſtüm feſt auf dem Schloſſe. Ein prachtſchimmerndes
Menſchengewoge belebte geſtern Abend die Räume des
Schloſſes. Staunend mag das ehrwürdige Gemäuer auf
die gold⸗ und ſilberſtrotzenden Gewänder, auf die ihm
wohlbekannten hohen Fürſten, all' die Ritter, Edeldamen
und Reiſige geblickt haben, auf dieſe Geſellſchaft, die alte
Zeiten in's Leben zu rufen ſchien, jene Jahrhunderte, in
welchen das Schloß unverſehrt in ſeiner hehren Pracht
daſtand. Unter der Macht der Eindrücke, welche hier auf
den Zuſchauer zuſammenwirkten, war ſelbſt er geneigt, ſich
trotz modernſter Kleidung für etwas Mittelalterliches zu
halten, wie mochte es erſt dem panzerumgürteten Feſtzugs-
Ritter zu Muthe ſein. Hier auf dieſem Boden, von dieſem
maleriſchen Hintergrunde aus kam ſowohl die hiſtoriſche
als künſtleriſche Wirkung des Feſtzuges in einer Weiſe
zur Geltung, wie ſie das flüchtige Vorüberziehen eben nicht
gewähren kann. Und welch ein überwältigendes Gefühl, dieſe
ganze herrliche Pracht in Ruhe und Muße genießen zu
können! Die Veranſtalter dürfen ſich ſagen, daß der Ge-
danke, das Koſtümfeſt zu arrangiren, einen großartigen
Erfolg davongetragen hat und herrlich belohnt worden iſt.
Gegen /¼5 Uhr trafen die koſtümirten Feſtzugstheilnehmer

Im letzten Augenblicke.
Kriminal⸗Novelle von Eric d' Os car.
Sonſhnng

Der Präſident entließ die Zeugin.
Das Publikum begrüßte Doctor Henric's Freiſprechung
mit lautem Jubel, — da, — im letzten Augenblicke rief
noch der Staatsprocurator die Zeugin zu ſich.
„Als Sie ſich in dem Zimmer befanden, durch deſſen
Feennſter man den Lichtſchein geſehen hat,“ fragte er, „hatten
„Sie ein Licht in der Hand?“
„Ganz wohl.“ ö
„War der Angeklagte zugegen?“
„Ja.“
„Hatte er ebenfalls ein Licht in der Hand ?“
„Nein; es ſtand auf dem Tiſche.“
„In dieſem Zimmer ſchlief der Fremde, oder Sie glaub-
ten, daß er noch ſchliefe?“
„Ja.“
„Hatten Sie damals Feuer in dem Zimmer Ihres
Herrn ſchon angemacht?“
ö Ja.“

„Weshalb gingen Sie in das Zimmer des Fremden,
was hatten Sie da zu thun?“
„Ich wollte meinen Herrn fragen, ob ich wieder zu
Bette gehen könne.“
„Woher wußten Sie denn, daß Ihr Herr in jenem
Zimmer ſich befand?“
„Er war krank, und ſo dachte ich mir, er ſei dahin-
degangen, um ein Arzneimittel ſich zu holen.“

„Alſo er hat dort Arzneimittel vorräthig; — wahr-
ſcheinlich in einem Schranke?“
Die Frau antwortete nicht.
„Es ſcheint, als wenn Sie mich nicht verſtanden hätten.
Ich frage Sie, ob Ihr Herr die Arznei, die er hatte holen
wollen, in einem Schranke aufbewahrte. Ferner, ob er ſie
aus dem Schranke auch wirklich genommen und ob er dabei
die Thüre des Schrankes offer. ſtehen ließ oder wieder
ſchloß?“ ö
„Als er ein Fläſchchen Arznei herausgenommen hatte,
ſchloß er die Thüre wieder zu.“ ö
„Und dann öffnete er die Thüre wieder um das Fläſch-
chen hineinzuſtellen?“ ö
„Ja.“
„Wie lange blieb der Schrank offen 2“
„Ungefähr eine Minute.“
„Hatten Sie unterdeſſen immer das Licht in der Hand?“
„Nein; ich hatte es auf den Tiſch geſtellt.“
„Befindet ſich die Thür des Schrankes, wenn ſie ge-
öffnet wird, gerade zwiſchen dem Tiſche, auf dem die bei-
den Lichter ſtanden, und dem Fenſter in der Mitte?“
„Ich glaube wohl.“
„Aber ich beſinne mich nicht mehr — ſagten Sie mir nicht
ſchon, wo der Schrank ſteht, rechts oder links vom Fenſter?“
„Links, der Stubenthüre gerade gegenüber.“
„Hat der Schrank noch an derſelben Stelle ſich befun-
den, als Sie den Dienſt Ihres Herrn verließen?“
Die Zeugin ſah den Fragenden an, als hätte ſie ihn
nicht verſtanden. *
„Ich frage,“ wiederholte er, „ob der Schrank noch an

derſelben Stelle geſtanden, als Sie den Dienſt Ihres Herrn
verließen, — oder hat man ihn vielleicht in ein anderes
Zimmer dann gebracht?“ ö
Die Frau ſchwieg wieder, während auf ihrem Geſichte

ſie ſich die Frage, die Sie beantworten ſolle, nicht erklären
könne, oder daß ſie ſehr ſonderbar geſtellt ſei.

ſchafft?“ ö
„Aber mein Gott,“ erwiderte die Zeugin etwas unge-
duldig, „Sie ſprechen von einem Schranke, den man überall
hinſtellen kann — —“ ö
„Freilich!“
„Das iſt aber nicht richtig! Der Schrank, von wel-
chem ich ſpreche, läßt ſich nicht fortbringen.T
Der Staatsprocurator horchte überraſcht auf:
„Wiſſen Sie das genau?“

„Ganz genau!ꝰ
In dieſem Augenblicke ſah die Frau den Angeklagten

an, auf deſſen Stirn dicke Schweißtropfen ſtanden, während
ſein Grſicht todtenbleich war. Bei ſeinem Anblick ſtieß die
Frau einen Schrei aus, als hätte ſie ein Geſpenſt geſehen,
und ſank in Ohnmacht. Offenbar hatten ſich ihrem Geiſte
plötzlich die Folgen ihrer Antworten

ſprochen!

(Schluß folgt.)

funden, ſo bildeten ſie doch nicht den vollſtändigen Schluß-

ein Befremden ſich ausdrückte, welches zu ſagen ſchien, daß

„So antworten Sie doch,“ erinnerte der Staatsprocu-
rator, „hat man den Schrank aus dem Zimmer fortge-

vergegenwärtigt.
— ſie hatte die Verurtheilung des Doctor Henric ausge-
 
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