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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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tige Petitzeile oder
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u. Privata eigen

d. Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger.

Nr. 298. Erſtes Slatt.

Mantag, den 20. Vezember

1886.

*Politiſche Umſchau.
Heidelberg, 20. December.

Wie bei uns in Heidelberg, ſo treten auch in vielen
andern Orten die Wähler zur Proteſtfaſſung gegen das
Verhalten der Reichstagsoppoſition in der Militärfrage
zuſammen. Selbſt deutſch⸗freiſinnige Landtagsab-
geordnete (Rechtsanwalt Schreck) in Sachſen verwenden ſich
öffentlich zu Gunſten der Militärvorlage. Der
deutſchfreiſinnige Herr Schreck ſchreibt in einem Artikel, der
von der deutſchfreiſinnigen Dresdener Ztg. veröffentlicht
wird, u. A.: „ . . .Bei der jetzigen politiſchen Lage iſt
eine weitere Beanſtandung der Geuehmigung der Militär-
vorlage offenbar unpatriotiſch und ich verwaͤhre mich im
Einverſtändniß mit mehreren meiner politiſchen Freunde
ausdrücklich hiermit dagegen, daß die Haltung einzelner
Mitglieder der deutſchfreiſinnigen Partei in der gedachten
Commiſſion als der Ausdruck der Gefinnungen der Ge-
ſammtheit dieſer Partei angeſehen werde!“ — Ueber dieſe
„Oppoſition in der Oppoſition“ dürfte ſehr leicht ſelbſt der
gewaͤndte Herr Engen Richter nicht ſo leicht hinwegkommen.
Im Auslande hat das Vorgehen der Oppoſition in
der Militärkommiſſion je nach der Stellung der einzelnen
Staaten Deutſchland gegenüber theils Beſorgniß und Ent-
rüſtung, theils Schadenfreude hervorgerufen. Daß die
Herren Windthorſt und Richter ſich des Lobes der fran-
zöſiſchen Preſſe erfreuen, brauchen wir nicht erſt zu be-
merken. Die Beſchlüſſe der Commiſſion gegen die Militär-
vorlage werden in Paris lebhaft und freudig als eine
Niederlage der Reichsregierung commentirt. Warnende und
mißbilligende Stimmen klingen dagegen von Oeſterreich und
England her. Die „Neue freie Preſſe“ ſagt, daß die ge-
ſchichtliche Erfahrung nicht zu Gunſten der Oppoſition
ſpreche, denn nachweislich hat bisher noch jede Auflehnung
gegen die militäriſchen Forderungen für die Parteien ver-
hängnißvolle Folgen gehabt. Auch als die öffentliche Mei-
nung nicht ſo tief wie diesmal durch ſchwere Kriegsſorgen
aufgewühlt war. Der Muth hat ſeine Zeit und die Klug-
heit hat die ihre. Die Oppoſition ſollte wohl finden, daß
jetzt die Zeit für die Klugheit ſei. Das „Fremdenblatt“
bemerkt, daß die beſchloſſene Vertagung der zweiten Leſung
geradezu als eine demonſtrative Verzettelung anzuſehen ſei.
Indem die Commiſſion mit einer aus disparaten Elementen
zuſammengeſetzten Mehrheit die Vorlage bis zur Unkennt-
lichkeit entſtellte und die zweite Leſung auf Wochen hinaus-
ſchob, hat ſie das Schickſul nicht allein der Vorlage, ſon-
dern auch des Reichstages in Frage geſtellt.
Zu der vielfach in der deutſchen Preſſe als „beruhigen-
des Symptom“ aufgefaßten, von der Oppoſitionspreſſe ſo-
gar in dieſem Sinne gegen die Militärvorlage aus-
gebenteten Aeußerung des Petersburger Regierungs-
anzeigers bemerkt die Kreuzztg. Folgendes:
Man braucht nur die Umſtände ſcharf ins Ange zu faſſen,
unter denen dieſe Kundgebung erfolgt iſt, um ſich zu überzeugen,
daß auch für eine weniger vertrauensvolle Auffaſſung der Dinge
recht gute Gründe beigebracht werden können. Wie iſt denn die
Lage, was gibt ihr den Charakter? Zweierlei vor Allem. Ein-
mal die Nilitärvorlage im deutſchen Reichstage, deren
Schickſal durch die „dilatoriſche“ Behandlung, die ihr von der
oppoſitionellen Mehrheit zu Theil wird, im Auslande noch
unſicherer erſcheinen mag, als bei uns daheim, ſodann die Reiſe
der bul gariſchen Deputation, die in Petersburg mit
großer Unruhe verfolgt wird. Dieſe beiden Thatſachen genügen
vollſtändig, um das Einlenken des Regierungsanzeigers zu er-

klären.

gierung den Plänen der bulgariſchen Regentſchaft gegenüber
ſichern. Beides erfordert vor Allem auch ein äu b6eres Ent-

zu merken geweſen iſt.
aufmerkſamer Durchſicht der Worte des Regierungsanzeigers, datz

beliebige Deutung zulaſſen
ten ſie ſich auch in die liebenswürdigſten Formen kieiden, läßt ſich
aber keine praktiſche Politik treiben.
Um die Berechtigung dieſer Ausführungen anzuerkennen,

Blatt „Paris“

anzeigers liefert. Dasſelbe ſchreibt:

ſiſchen Regierung zu erblicken.

des benachbarten Kaiſerreiches zu reſpektiren

Deutſches Reich.

Ordres iſt

der Abſchied bewilligt.
Karlsruhe, 18. Dez. Der Großherzog beſuchte
ihre Glückwünſche zu deſſen Geburtstag darzubringen.
Prinz Wilhelm, Höchſtwelcher vor einigen Tagen aus
Amſterdam wieder hier eingetroffen iſt, leidet an den Fol-

bleiben.
Berlin, 18. Dezbr.
ſchlägt die Vertagung bis zum 7. Januar vor.
neter Köller wünſcht bei der Dringlichkeit der Militär-

und Wind horſt widerſprechen.
erklärt, Windthorſt widerſpreche ſich ſelbſt, wenn er be-
haupte, von der Militärvorlage ſei Alles bewilligt, während
er doch heute noch ſeine Abſtimmung von der Prüfung der
Finanzfrage in 2. Leſung abhängig mache.
bedauert Namens der Bundesregierungen auf's Lebhafteſte,
daß die Militärvorlage nicht ſo rechtzeitig zum Abſchluß
gefördert wurde, daß die Verſtärkung des Heeres mit Be-
ginn des neuen Etatsjahres ausführbar wäre. Die zuver-
ſichtliche Erwartung des Kaiſers, die Volksvertreter würden
die Nothwendigkeit und Dringlichkeit der Vorlage im Inte-
reſſe der allgemeinen Sicherheit anerkennen, habe ſich nicht
erfüllt. v. Bötticher wünſcht dringendſt ſchleunige Erledi-
gung. Abgg. Köller, Marquardſen und Hell-
dorf treten für ſchleunigſte Erledigung der Vorlage ein.

Auf der einen Seite hat man in Rußland das übri-
gens ſehr natürliche Beſtreben, der deutſchen Reichsregierung die
Erreichung ihrer militäriſchen Abſichten nicht zu erleichtern;
auf der andern möchte man ſich die Unterſtützung eben dieſer Re-

gegenkommen, von welchem in den letzten Wochen ſehr wenig
Im Uebrigen findet ſich bei einigermaßen

dieſelben ſich in den wohlbekannten allgemeinen Wendungen be-
wegen, die für den beſonderen Fall zu nichts verpflichten, und
Mit bloßen Allgemeinheiten, und ſoll-

braucht man nur den Commentar zu leſen, den das Pariſer
zu dem Communiqué des „Regierungs-

„Man hätte ſehr Unrecht, darin einen Rückzug der ruſ-
Für uns zielt das Communiqué
weit weniger auf die Zeitungen, als vielmehr auf die öffentliche
Meinung ab. Die Regierung des Czaren hat die Gelegenheit
ergriffen, die Stellung Rußlands Deutſchland gegenüber zu defi-
niren. Sie erklärt ſich entſchloſſen, nach wie vor die Intereſſen
benachbar iſerre Die Erklärung iſt
an ſich ziemlich unnütz, dient aber dazu, auseinanderzuſetzen, was
man in Petersburg von der deutſchen Regierung erwartet.
Und man erwartet, daß ſie ſich jeglicher Action enthalten wird,
welche die Würde Rußlands wie auch die Intereſſen berühren
könnte, die durch ſeine hiſtoriſchen Beziehungen zu ſeinen orien-
taliſchen Glaubensgenoſſen entſtanden ſind.“ Auf gut ruſſiſch will
das heißen, da der Czar ſeinen rechtmäßigen Einfluß in Bul-
garien wieder herſtellen will und nicht geſtatten wird, daß Deutſch-
land direkt oder auf Umwegen ihm Hinderniſſen in den Weg lege.

Karlsruhe, 18. Dez. Durch Allerh öchſte Kabinets-
Folgendes beſtimmt worden: 2. Bataillon
(Heidelberg) 2. Badiſchen Landwehr⸗Regiments Nr. 110:
Kaeſen, Scecondelieutenant von der Kavallerie, — und
Dornheim, Secondelieutenant von der Feld⸗Artillerie —

mit der Großherzogin den Prinzen Wil helm, um Höchſt-

gen einer Erkältung, die denſelben nöthigt zu Hauſe zu

(Reichstag.) Der Präſident
Abgeord-

vorlage auch für Montag eine Plenarſitzung. Abgg. Richter
Miniſter v. Bötticher

v. Böttich er

Miniſter v. Böttich er weiſt die Behauptung Richter's zu-
rück, daß er über die auswärtigen Beziehungen Deutſchlands
irgendwelche Andeutungen gemacht habe und wiederholt, daß
die Zuverſicht des Kaiſers, des berufenſten Wahrers der
nationalen Intereſſen und des Reiches getäuſcht worden
ſei. Abg. Rickert beſtreitet die Verſchleppung der Vor-
lage durch die freifinnige Partei, erklärt einen Zuruf aus
den Reihen der Rechten, der das Intereſſe der Freiſinnigen
an der Wehrkraft des Vaterlandes bezweifelt, für Verleum-
dung und wird deshalb zur Ordnung gerufen. Nach wei-
terer, ſehr lebhafter, von Windthorſt, Helldorf, Haarmann,
Richter, Buhl, Köller und Stauffenberg geführter Be-
rathung ſchlägt der Präſident vor, die nächſte Sitzung am
4. Januar abzuhalten und darüber am Schluß der heuti-
gen Sitzung abzuſtimmen. In fortgeſetzter Etatsberathung
werden ſodann zur Unterſtützung der Hochſeefiſcherei
200 000 Mark bewilligt, worauf Abg. Dirichlet die
Vertagung beantragt. Das Haus ſtimmt zu. Bei der
Abſtimmung über den Antrag Windthorſt, die nächſte
Sitzung am 7. Januar abzuhalten, bezweifelt Köller die
Beſchlußfähigkeit des Hauſes. Der Namensaufruf ergibt
nur 163 Anweſende. Das Haus iſt alſo nicht beſchluß-
fähig. Der Präſident beraumt die nächſte Sitzung auf
den 4. Januar an.
Berlin, 18. Dec. Ein Theil unſerer Reichstags-
boten geht mit ſchwerem Herzen in die Ferien. Bei
der Rückkehr in die Heimath werden ſie, nachdem ſie ſo
lange Zeit an der Quelle geſeſſen haben, tauſendfache zu-
verläſſtge Auskunft geben müſſen, ob wir Frieden bewah-
ren oder baldigen Krieg erleben werden. Sie werden da-
neben eine neue Häutung in Sachen der Militärvorlage
durchmachen müſſen, und ſchließlich haben ſie ſich, ſchreibt
die Köln. Ztg., ſoweit ſie nicht mit dem Abgeordneten
Sabor die Gabe des tiefen Blickes beſitzen, mit der Löſung
eines Preisräthſels abzuquälen, das ihnen vor einiger Zeit
der deutſche Reichstagsabgeordnete für Metz, Monsieur le
vétörinaire Antoine — freilich ſehr gegen ſeinen Willen —
aufgegeben hat. In dem Briefkaſten, in welchem die Reichs-
tagsabgeordneten Morgens ihre ohne Wohnungsangabe an-
langenden Briefe vorfinden, lag in der vorigen Woche ein
Brief an den leider nicht hier anweſenden Herrn Antoine,
der eine franzöſiſche Aufſchrift und auf der Rückſeite im
Siegel den Vermerk trug, daß er aus dem Cabinet
des franzöſiſchen Kriegsminiſters ſtamme. Schon
jetzt liegt eine Reihe vorwitziger Verſuche vor, das ſchwie-
rige Räthſel zu löſen, welches wohl der Inhalt dieſes
Briefes geweſen. Sollten die Weihnachtsferien nicht eine
Löſung dieſes intereſſanten Räthſels brin gen, ſo ſoll —
wie unverbürgt verlautet — der ultramontane Freiherr v.
Strombeck beabſichtigen, ſchon in den erſten Tagen des
neuen Jahres einen beſondern ſelbſtändigen Antrag in den
Reichstag einzubringen, um ihn ſofort mit gewohntem Ge-
ſchick ſchon in der erſten Reichstagsſitzung nach Neujahr
unbeſchädigt wieder zurückziehen zu können.
Berlin, 18. Decbr. Die zur Reichscaſſe in der Zeit
von Anfang April bis Ende November aus Zöllen und
Steuern gelangte Iſteinnahme betrug abzüglich Aus-
fuhrvergütungen und Verwaltungskoſten 229 481 019, oder
5 927 269 H. mehr als in derſelben Vorjahrszeit. Die
Zölle hatten mehr 6 563 759, Salzſteuer 524 097,
Branntweinſteuer 627 708, Brauſteuer 746 728, dagegen



Seemannsblut.
Ans Briefen und Mittheilungen eines jungen Seemanns.
Von Balduin Möllhauſen.
(Fortſetzung.)

25)

„Ich calculir', ſie mußte ſich beſinnen, um einen ſolchen
Dann aber zeigte ſie ſich als 'ne

Gedanken zu faſſen.

Natur, wie nicht leicht eine korrekter und gütiger gedacht

werden kann. Sie weinte und kam zu mir — denn vor
Pein hatte ich mich niedergeſetzt — und mitleidig klagte ſie
ſich an, daß ſie Schuld an meinem Unglück, aber auch ver-
antwortlich für meine Pflege und meine Zukunft ſei.
„Wie 'nem Kinde ſtrich ſie mit ihren kleinen geſegneten
Händen über mein Geſicht, und nach 'nem mäßigen Sprüh-
regen aus ihren lieben Augen nahm ſie ihr Halstuch, das
befeuchtete ſie, und mein Angeſicht kühlte ſie und das leerez
Auge, und immer wieder fragte ſie, ob ſie mir nicht er-
höhte Schmerzen bereite.
„Ach, Dick, das war ne traurige Stunde, als ich von
meinem guten Auge Abſchied nahm, und noch trauriger,
weil ich mir eingeſtand, daß es 'ne gerechte Strafe für
meine Vermeſſenheit, und daß ich nicht verdiene, von 'nem
Engel des Mitleids und der Barmherzigkeit obenein gepflegt
zu werden. Und doch war's ſolche Wohlthat für mich,
als ich ihre zarten Hände fühlte — anfänglich zitterten ſie,
dann aber wurden ſie feſt und ſicher — die immer wieder
das Tuch in's Waſſer tauchten und meine Qual zu lindern
uchten.
ma „Ja, in den kleinen lieben Händen muß 'ne Art Zau-
ber gelegen haben, vielleicht auch in dem guten Willen, daß

die Pein erträglicher wurde und ich wieder 'nen Gedanken
zu faſſen vermochte. Ihren guten, theuren Raily nannte
ſie mich wohl 'n Dutzend Mal, und tröſtlich redete ſie, als
ſie gewahrte, daß mir's Waſſer aus dem geſunden Auge
lief, vielleicht auch aus dem Verſtorbenen, denn es brannte
wie Eſſig auf 'ner abgeſchundenen Stelle. Woher die
Thränen mir kamen, ich weiß es nicht; aber glaub' mir,
Dick, ſo auf ewig Abſchied nehmen von einem allerbeſten
Freunde — und wo gäb's 'nen treueren Freund, als das
eigene gute Auge? — das geht durch's Mark.
„Damit hatten wir alſo 'ne ziemliche Weile verbracht,
und an das braune Reptil in dem Kanoe dachte keiner von
uns — ich ſelber hielt's für todt, mochts aber nicht ſagen
— als es plötzlich hinter uns rauſchte und plätſcherte, ge-
rade wie's klingt, wenn 'n Anker fällt. Erſchrocken ſahen
wir uns um, und ich meinte, auch meinem letzten Auge
nicht mehr trauen zu dürfen, als ich gewahrte, daß Tor-
tilla aus dem Kanoe geſprungen war und ſich in dem
Waſſer, das ihm über die Hüften reichte, halb ſchwimmend
in das Binſendickicht hineinarbeitete.
„„Gott ſei Dank, daß meine Erinnerung an die Flucht
nicht auch noch durch den Tod eines Menſchen verbittert
wird,““ meinte Juana. Als ob mein Auge nicht mehr
werth geweſen wäre, als das Leben von 'nem halben hun-
dert ſolch' hinterliſtigen braunen Geſindels. Dieſen Ge-
danken behielt ich aber für mich, um das liebe Kind nicht
zu kränken. Im Stillen wünſchte ich, den Tortilla nur
auf 'ne kurze Minute zwiſchen den Fingern zu halten.
Denn mich hatte 'ne Wuth gepackt, daß ich ihm beide
ö Augen ſammt der Windpfeife herausgeriſſen hätte, und das

verdiente er, weil ich mein Leben lang das Bewußtſein mit
mir ſchleppen ſollte, von 'nem elenden Wilden und unge-
ſtraft obenein um mein halbes Augenlicht gebracht zu ſein.
„„Ja, da geht er hin,““ antwortete ich dem Mädchen,
„„und länger dauert's nicht, als er Zeit gebraucht, nach

der Hacienda hinüberzulaufen, um uns ſo viele reg'läre

Verfolger auf den Hals zu bringen, daß wir an der Hälfte
mehr als zu viel hätten. Da ich gewahrte, daß Juana
von 'nem blaſſen Schrecken gepackt wurde, ſetzte ich hinzu:
„„Mögen ſie kommen, bis dahin ſind wir im offenen
Waſſer, und 'ne Kieljagd iſt 'ne lange Jagd; hindert uns
aber die Fluth, ergeht's ihnen nicht beſſer.““
„Doch Zeit zum Berathſchlagen hatten wir nicht mehr.
Wir gingen daher an's Werk, meinen Kopf zu verbinden.
Das Tuch wurde zerriſſen, die Hälfte wie'n naſſer Schwamm
auf die leere Augenhöhle gelegt, die andere Hälfte darüber
befeſtigt, und ſo mocht's denn 'ne Weile geh'n. Das Segel-
werk war noch vorhanden, aber ich konnt's nicht benutzen
zwiſchen den Binſen, wo nicht ſo viel Wind wehte, um den
Tabaksrauch vor 'ne Pfeife wegzublaſen. Ich griff alſo
zu den beiden Riemen, und als ich ſie in den Händen hielt,
war ich mit einem Schlag ein anderer Mann. Die letzte
Weichheit ging zum Teufel, daß ich meinte, um 'n halb
Dutzend Jahre älter geworden zu ſein. Ich nahm Platz.
Juana ſetzte ſich mir gegenüber, um zur Hand zu ſein, wie
ſie ſagte, wenn 'ne Erneuerung des Verbandes nöthig ſei.
Doch ich kümmerte mich jetzt nicht mehr d'rum, ob ſie mich
mitleidig anſah; mit dem Auge war die letzte Wärme aus
meinem Kopf gelaufen.“
(Fortſ. folgt.)
 
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