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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0057

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Füruiuhn
islich Sonnkags
Rusgenommen.
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Iat Famtilien-
Klittern viertel.
Pbrlich 2.4 60.4
Alag n. Träger-
Lohn.

Dagblatt und Verkündiger für die Sladt Heidelberg.

Iaſtrilsustꝛbãtt
15.3 für die Iſpal-

— 9 . 2
ö tige Petitzeile oder
deren Raum.
Für hieſ. Geſchäftn
u. Privatanzeigen
4 bedeut. ermäßigr.
Sralle⸗Aufushs

der Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger;

Donnerstah, den 15. Zuli

1886

* Politiſche Umſchau.
Heidelberg, 15. Juli.
Mn Noch immer bildet die Vereitelung der für 1888
Aielferlin geplanten Ausſtellung den Gegenſtand
1 facher Erörterungen. Dabei laufen auf beiden Seiten
die Nrlei Uebertreibungen mit unter, und mit Recht mahnt
Idarf Nat. Lib. Correſp., ſich davor zu hüten. Wundern
Able s Niemanden, daß auch das Ausland ſich von der
rklärlrdes Reichszuſchuſſes überraſcht gezeigt hat, und
Ain rlich iſt es, daß die franzöſiſche Preſſe den Vorgang
40 gehäſſiger Weiſe auszubeuten ſucht. Umſomehr aber
0 0 man ſich in Deutſchland vor einer Behandlung der
denen hüten, welche den falſchen Vorausſetzungen, von
1 Hein man im Auslande vielfach ausgeht, recht zu geben
Udie f Ganz thöricht iſt doch für jeden Urtheilsfähigen
Aeiner ranzöſiſche Unterſtellung, daß Deutſchland die Probe
4 1 nationalen Ausſtellnng zu ſcheuen habe. Niemand
4 Welimn den letzten Jahren über Verdrängniß auf dem
8 nh markte durch den Wettbewerb deutſcher Erzeugniſſe
4 rankre klagen gehabt, als grade die Franzoſen; ja, in
und reich, in Paris ſelbſt haben deutſche Waaren mehr
Hc mehr Eingang gefunden. Der Aufſchwung des deut-
1. Leiſ. Gewerbefleißes, die Vervollkommnung der deutſchen
e iſtungsfähigkeit iſt trotz aller Ungunſt der Verhältniſſe
5 e von aller Welt anerkannte Thatſache; ſie zu beweiſen,
edarf es nicht erſt einer beſonderen induſtriellen Heerſchau.
b. odann ſagt die erwähnte Correſp.: Wir unſerfeits ver-
3⸗ennen nicht, daß eine nationale Ausſtellung in Berlin in
n. Erſter Linie einen gewiſſen politiſchen Werth haben kann;
16. Pine vermehrte Feſtigung unſerer inneren Einheit braucht
tn von ihr nicht grade zu erwarten, wohl aber würde
id. Iie dieſe Einheit dem Auslande in recht auffälliger Form
Anſchauung bringen. Dem einzelnen Induſtriellen
kpirn man indeſſen nicht verdenken, wenn er zunächſt den
wirthſchaftlichen Nutzen ins Auge faßt. Und über dieſen
Ve im vorliegenden Falle von Anfang an die Meinun-
gen in der Induſtrie zum mindeſten ſehr getheilt geweſen.
zuter dieſem Geſichtspunkte finden wir, angeſichts der that-
x 5lichen Haltung der Induſtrie keinen ausreichenden Grund, die
Zulſcheidung des Bundesraths zu tadeln. Wenn mit der Vereite-
ng der Ausſtellung im Jahre 1888 auch der Schein einer
zewiſſen Gehäſſigkeit gegen Frankreich weggefallen iſt, ſo
heaucht das nicht grade beabſichtigt geweſen zu ſein, iſt
der trotzdem kein Schaden.
Die ultramontane Kölniſche Volkszeitung läßt ſich aus
aom telegraphiren:

von Die Worte im Erlaſſe des Prinz⸗Regenten v. Bayern, welche
Lag der vollkommenen Befriedigung des heiligen Stuhles über die
ö Mur der kirchlichen Angelegenheiten in Bayern ſprechen, haben in
anchen ſehr befremdet. Vergeblich fragt man ſich, auf welche
arungen des heiligen Vaters dieſe Worte ſich ſtützen ſollen,
vor rend doch Erklärungen im gegentheiligen Sinne
w handen ſind. Der Vatican dürfte jenen Satz zum Gegenſtaud
eiterer Erörterungen machen.“
S Die Hoffnung der K. V.⸗Z. auf „weitere Erörterungen“
Seitens des Vaticans iſt eine vergebliche, was das klerikale
. alt wohl ſelbſt recht gut weiß. Es kommt ihm aber
G65 darauf an, den kirchlichen Frieden zu ſtören und die
U emüther der bayeriſchen Katholiken zu verwirren. Um
die „iel zu erreichen, iſt ihm kein MEittel zu ſchlecht. Was
2 enen mania allein nicht fertig bekömmt, das beſorgen die
u


Erkl
*

anderen Tonart, wie die K. V.⸗Z., ſingt der Weſtph. Merk.
daſſelbe Lied, indem er ſchreibt:
„Der heilige Stuhl hat es ſtets abgelehnt, ſich in die Politik
zu miſchen. Wenn die bayeriſchen Katholiken das Miniſterinm
Lutz nicht für gut halten, ſei es in kirchenpolitiſcher Beziehung,
ſei es auch blos in Hinſicht auf die rein politiſchen Angelegen-
beiten, ſo haben ſie nicht allein das Recht, ſondern auch die
Pflicht, Leute zu wählen, welche das Wohl des Landes beſſer zu
wahren wiſſen. Die Kirche bindet in den politiſchen Angelegen-
heiten, welche nicht mit den allgemeinen Glaubens⸗ und Sitten-
lehren zuſammenhängen, das Gewiſſen ihrer Gläubigen nicht.
Wie darf eine Staatsregierung den Namen der Kirche zu ſolchem
Zweck gebrauchen? Die Berufung auf gelegentliche
diplomatiſche Höflichkeit des Papſtes oder der
Biſchöfe hilft Herrn von Lutz nicht. Die bayeriſchen
Katholiken werden eine katholiſch⸗conſervative Mehrheit wählen,
ſelbſt auf die Gefahr hin, daß der Welt das Schauſpiel eines
zugleich auf den Papſt, die Culturkämpfer und das — Sigl'ſche
„Vaterland“ ſich ſtützenden Miniſteriums der Vielſeitigkeit ent-
zogen wird.“
Es wäre hohe Zeit, daß dem Unfug ein Ende gemacht
würde, den ultramontane Blätter damit treiben, daß ſie
ſich als Vertreter des Vaticans und der katholiſchen Kirche
geriren.
Daß auch demokratiſche Blätter an einen Gegenſatz
zwiſchen den Erklärungen des Prinzen Luitpold und den
Geſinnungen im Vatikan glauben machen wollen, darf nicht
Wunder nehmen. So läßt ſich die Frkf. Ztg. aus Rom
telegraphiren: „Ihr Berichterſtatter erfährt von authen-
tiſcher Seite, daß der Papſt ſich direet bei dem Prinzen
Luitpold beklagt habe über deſſen Ausſpruch, die
höchſte Autorität der katholiſchen Kirche finde die Lage des
Katholicismus in Bayern befriedigend. Die höchſte Autori-
tät ſei doch der Papſt, dieſer aber habe nie eine ſolche
Aeußerung gethan. In Vatikan iſt man gereizt.. Man
darf trotz alledem ſicher ſein, daß der Prinzregent Luitpold die
fragliche Erklärung gewiß nicht abgegeben hätte, wenn es
nicht der Sachlage entſpräche.
Die engliſchen Wahlen ſind dem Abſchluſſe nahe.
Berechnet man den Ausfall der noch ausſtehenden Wahlen
nach dem Reſultat der bereits bekannten Wahlen, ſo werden
im neuen Unterhauſe 320 Conſervative und 77 unioniſtiſche
Liberale, oder zuſammen 397 Unioniſten gegen 273 Se-
paratiſten ſitzen. Aus dieſen Ziffern folgt, daß, während
eine ſubſtanzielle unioniſtiſche Majorität geſichert iſt, nur
mehr ein totaler Zuſammenbruch der Gladſtone'ſchen Oppo-
ſition in den Grafſchaften den Con ſervativen allein eine
Majorität im Hauſe geben könnte. Das letztere iſt nicht
mehr anzunehmen und nur eine Coalition der Conſerva-
tiven und unioniſtiſchen Liberalen kann eine feſte Regierung
ſichern. In den Wählerſchaften iſt dieſe Coalition vollzogen
und da dieſelbe die Bedingung zu einer geſunden und ſta-
bilen parlamentariſchen Thätigkeit iſt, iſt ihre Durchführung
nicht nur zuläſſig, ſondern ſie wird nothwendig. Die Auf-
faſſung der iriſchen Nationaliſten geht dahin, daß Glad-
ſtone zwar perſönlich eine Niederlage erlitten habe, daß ſich
jedoch nichts ereignet habe, was die iriſche Frage in den
Hintergrund zu drängen vermöchte. Sollte Lord Salis-
bury eine Zwangspolitik verſuchen, ſo werde er nicht allein
der Oppoſition der iriſchen Parlamentsmitglieder, ſondern
auch der Gladſtone'ſchen Liberalen und einer großen An-
zahl von Mitgliedern gegenüberzutreten haben, welche frei-

lich gegen Gladſtones Bill ſeien, ſich aber dennoch ver-

pflichtet hätten, gegen Zwangsmaßregeln zu ſtimmen. Sollte
er verſuchen, die Landfrage im Intereſſe der iriſchen Grund-

beſitzer zu behandeln, ſo werde er nicht nur dieſelben Frak-
tionen gegen ſich geſchaart finden, ſondern überdies die
unioniſtiſchen Liberalen, welche Gladſtone's Landbill zum
Haupthebel ihrer Angriffe gegen ſeinen Home⸗Rule⸗Vor-
ſchlag machten.

Deutſches Reich.
◻ Karlsruhe, 14. Juli. 7. Sitzung der evangel.
proteſt. Generalſynode. Vorſitzender Geh. Rath La-
mehy. Das Haus beräth den Bericht des Geh. Rath Dr.
v. Bulmerincq über die Vorlage der Dien ſtverhält-
niſſe der Geiſtlichen. Das neue Geſetz iſt be-
ſtimmt, die Dienſtverhältniſſe der Geiſtlichen allſeitig klarer
und präziſer zu regeln, als bisher. Der Entwurf bedeu-
tet unverkennbar einen Fortſchritt, der ſich hoffentlich ſo
friedlich vollziehe, wie der Uebergang von der Konfeſſions-
ſchule zur gemiſchten Schule. Dieſe Aeußerung benützte
Profeſſor Baumeiſter zu einem ſchlecht angebrachten Ausfall auf
die Simultanſchulen, der aber von Präſident Lamey kurz
und bündig abgewieſen wurde. Oberkirchenrathspräſident
v. Stöſſer iſt im Großen und Ganzen mit den Anträ-
gen der Commiſſion einverſtanden und ſichert milde An-
wendung des Geſetzes zu. Auf eine Anfrage Fiſchers
erwidert er, daß die Siellung des Diözeſanausſchuſſes kei-
nerlei Aenderung erfahre. Der Oberkirchenrath gewinne
eine Machterweiterung, dieſer aber ſtehe gegenüber die Si-
cherung der Rechte der Geiſtlichen. Stadtpfarrer Schmidt
giebt dem Mißtrauen einer erheblichen Anzahl von Geiſt-
lichen gegen die Vorlage Ausdruck, denen ein wohlwollen-
der Oberkirchenrath lieber ſei, als eine Dienerpragmatik.
Das Geſetz ſei aber nothwendig und gegen deſſen Miß-
brauch die nöthige Vorſorge getroffen. Auch Oberkirchen-
rathsaſſeſſor Bujard will Befürchtungen zerſtreuen. Die
Vorlage ſei nicht nur ein Disziplinargeſetz, ſondern wie
das Richtergeſetz ein Garantiegeſetz. § 1 lautet: Die Er-
nennung eines Geiſtlichen auf eine Pfarrei iſt unwiderruf-
lich. § 2 handelt von den Einkommensverhältniſſen der
Geiſtlichen, § 3 von der Beigabe eines Vikars ohne den
Willen des Pfarrers und § 4 von der Verſetzung wider
Willen. § 5 beſtimmt die Penſionirung der Geiſtlichen
auf Anſuchen oder wider ihren Willen. Die Skala der
Ruhegehalte iſt folgende: Bei 7 Dienſtjahren 900 Mk.,
10—15 J. 1200, 15 -20 J. 1400, 20—25 J. 1600
25 —30 J. 1800, 30—35 J. 2000, 35—40 J. 2200,
40—45 J. 2500, 45 — 50 J. 2800, über 50 J. 3000
Mk. Bei dieſem Antrag kommt Präſident v. Stöſſer auf ö
das ſtete Sinken des kirchlichen Einkommens zu ſprechen,
ſo daß von einer Kirchenſteuer, mindeſtens von einer Lo-
calkirchenſteuer nicht lange mehr Umgang genommen wer-
den könne. Der gleichen Anſicht ſind Landeskommiſſär
Frech, Dekan Zittel und Senatspräſident v. Stöſſer.
§ 6 handelt von der freiwilligen Dienſtentlaſſung wider
Willen, letztere kann nur auf Grund eines Disziplinarvor-
kommniſſes ſtattfinden. § 7 beſtimmt die Fälle, in wel-
chen gegen einen Geiſtlichen vorgeſchritten werden kann.
88 8—18 handeln von den Disziplinarſtrafen und deren
Anwendung. Die Strafen beſtehen in Geldſtrafen, Ad-
monition, Vorenthaltung bezw. Entzug von Zulagen, Zu-
rückſetzungen in der Promotion auf ſechs Jahre, Beigabe
eines Vikars wider Willen, Entlaſſung aus dem Kirchen-

dienſt, Strich aus der Kandidatenliſte, Entziehung des



Colleginnen in Rheinland und Weſtphalen. In einer

0
E —

86 Verlorene Ehre.

Roman von W. Höffer.
(Fortſetzung.)
Cli Es war ein bitterer und brennender Schmerz, mit dem
wieiabeth am Abend dieſes Tages ihre kleine Gartenwohnung
dieder betrat. Rings das Blühen der Natur und die heim-
05 lauſchige Stille des engen Raumes, die ganze er-
gende, ſo mächtig wirkende Schönheit des beginnenden
Herbſtes, rings tiefer Friede, und in ihrer kummerſchweren
ö eele das Bewußtſein des Todes, des ewig verlorenen,
verſcherzten Glückes.
1 Sie ging durch ſein Viſttenzimmer zu dem Operations-
tiſch mit all den kleinen koſtbaren Inſtrumenten, die außer
bhr Niemand berühren durfte, zu ſeinen Büchern, die ſie
5 ſelbſt abzuſtäuben und täglich zu ordnen pflegte — im
enſter ſtand heute unbeachtet geblieben die lange Troddel-
ů kelfe welche ihre Hand für ihn im Morgen wie gewöhn-
ich ſtopfte — aus jedem Gegenſtand, aus jedem Schatten
„m den Ecken ſprach ſeine Nähe — nur er ſelbſt fehlte.
1— Für immer! — Sie wußte es nur zu wohl, für alle,
17** Ewigkeit!
x Und mehr noch! Hätte er äußerlich verziehen, wäre
+* muenbar ſein Berhältniß zu ihr das gleiche geblieben —
18 nebte nicht dann die Wirklichkeit um ſo ſchwerer, um ſo
rräglicher die Herzen gequält und zerriſſen haben?
len gab über das Geſchehene hinweg von ihm zu ihr
(Gerorb e das Leben beſitt kein Mittel, um Todtes,
ſtorbenes wieder zu erwecken.
Eliſabeth entzündete kein Licht, ſie ergriff im tiefen

——

Dunkel des Schlafzimmers das Kiſſen, auf welchem ſein
Kopf zu ruhen pflegte, und preßte ihr thränennaſſes Geſicht
hinein, um ungeſtört zu ſchluchzen bis an den Morgen.
Es war ein lauter, gellender Schrei von den Lippen des
Dienſtmädchens, der ihren wirren, unruhigen Halbſchlummer
unterbrach. Sie fuhr auf. Dämmernder Tagesſchein drang
durch die Fenſter, draußen ertönte das Alltagsgeräuſch des
neuen Morgens — was war geſchehen?
„Frau Doctorin!“ rief oben das Dienſtmädchen. „Frau
Doctorin, um Gotteswillen, kommen Sie her!“
Eliſabeth flog die Treppe hinauf, unbekümmert um ihren
Anzug, ihr verwirrtes Haar, die dem Mädchen verrathen
mußten, daß ſie nicht geſchlafen hatte. Eine entſetzliche
Angſt ſchnürte ihr die Kehle zuſammen, raubte ihr Ruhe
und Ueberlegung. Sollte Julius auch durch ſie die geliebte
alte Mutter verlieren?
Aber das Mädchen ſtand händeringend in der Thür von
Tante Joſephinens Zimmer. Sie deutete zitternd in den
matterleuchteten Raum hinein.
„Sehen Sie nur, Frau Doctorin — ſehen Sie nur!“
Am Fenſter ſaß, immer noch in derſelben Stellung wie
geſtern, Fräulein Haberland. Ihr Geſicht grauweiß, die
Hände waren leicht gefaltet und der Kopf etwas nach vorn
geneigt — kein Zeichen deutete an, daß ſie ſeit geſtern
Abend ihren Platz verlaſſen hatte.
„Eliſabeth blieb von Schauder ergriffen neben dem
zitternden Dienſtmädchen auf der Schwelle ſtehen.
„Tante!“ ſagte ſie leiſe, „Tante Joſephine!“
Nichts im halbdunkeln Zimmer regte ſich.

„Sie iſt todt!“ raunte das Mädchen.

der hellumſäumte Wolkenſtreif und ein erſter Sonnenſtrahl
drang voll und goldig über die Baumwipfel des Gartens
bis in das kleine Zimmer und bis zu dem Seſſel in der
Fenſterniſche, zu der ſtillen Geſtalt, die unter ſeinem
Schimmer nicht mehr erwachen, nicht in den Kreis des
Tages zurückkehren ſollte.
Langſam, mit vorgeſtreckten Händen, ging Eliſabeth
durch den engen, mit tauſend kleinen Reliquien vergangener,
glücklicher Jugendzeit angefüllten Raum; langſam näherte
ſie ſich ſeiner Bewohnerin, der einſamen Alten, welche ihr
Verbrechen in den Tod getrieben.
„Tante Joſephine!“ wiederholte ſie faſt ſchluchzend.
Aber dann zerriß der letzte täuſchende Hoffnungsſchimmer.
Die Augen der Todten waren weit offen, ihr ganzes Ge-
ſicht trug den Ausdruck des Schreckens, der geſtern ſchon
die junge Frau ſo peinlich herührte — die Hand lag kalt
und regungslos zwiſchen ihren bebenden Fingern.
Tante Joſephine mußte ſtill und ohne Kampf hinüber-
gegangen ſein; ſie hatte ſich ſeit dem letzten Abend nicht
bewegt, hatte keinen Schrei ausgeſtoßen, vielleicht kaum
empfunden, daß langſam hinter ihr die Erde mit all dem
langen, unſtillbaren Schmerz des Menſchenlebens zu ver-
ſinken begann, und daß ſich goldene Thore aufthaten,
ſchönere, freiere Welten, in deren Glanz ihr der heiß Be-
weinte, lang Verlorene grüßend entgegentrat, jetzt mit ihr
den kleinlichen Fragen der Zeit entrückt auf immer.
Die Sonnenſtrahlen ſchoſſen herauf in ganzen Garben,
Lichtwelle nach Lichtwelle umfluthete das eisgraue Haar und

das ſtille Todtenantlitz. (Fortſ. folgt.)
 
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