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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0547

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Montag, den 15. Rouember

1886

* Politiſche Umſchau.
Heidelberg, 15. November.
Die mit Spannung erwarteten Aufklärungen, welche
Graf Kalnoky in der öſterreichiſchen Delegation
über die Orientlage geben wollte, ſind nunmehr erfolgt.
Der öſterreichiſche Miniſter des Aeußern hat ebenſo wie
vor ihm Kaiſer Franz Joſeph die Hoffnung auf Erhaltung des
Friedens ausgeſprochen, auch dargethan, daß er entſchieden
in den Bahnen wandle, welche Tisza hinſichtlich der bul-
gariſchen Angelegenheit für das Donaukaiſerreich vorge-
zeichnet. In ſeiner Rede, die wir an anderer Stelle näher
mittheilen, bildeten die Ausführungen den Kernpunkt, daß

Oeſterreich unter allen Umſtänden gewillt ſei, den durch den

Berliner Vertrag auf der Balkanhalbinſel geſchaffenen Rechtszu-
ſtand zu ſchützen, und daß es, falls dies mit dem Schwert
in der Hand geſchehen müßte, nicht ohne Bundesgenoſſen
daſtehen würde. Dabei wies Kalnoky in beſonders be-
merkenswerther Weiſe auf England hin, auch der ſym-
bathiſchen Haltung Italiens für dieſen Fall gedachte er.
Das deutſch⸗öſterreichiſche Verhältniß beſtehe unverändert
feſt. Die Wiener Journale erkennen rückhaltlos die ein-
fachen und deutlichen Grundzüge der Politik Kalnokys
und die Entſchiedenheit ſeines Auftretens an. In den
Worten Kalnokys ſei nach ihrer Meinnng ein ſtaatsrechtlich
correctes Friedensprogramm zu erblicken.
Der König von Dänemark hat der bulgariſchen Re-
gierung erklärt, daß er unter den gegenwärtigen Umſtänden
in die Wahl ſeines Sohnes Waldemar zum Fürſten von
Bulgarien nicht einwilligen könne. Damit iſt wohl die
Candidatur des Prinzen Waldemar erledigt, wenngleich ſich,
wie es heißt, die Mächte noch fortgeſetzt bemühen, denſelben
zur Annahme der auf ihn gefallenen Wahl zu bewegen.
Rußland hält mit ſeinem Specialcandidaten noch immer
hinterm Berge. Ob es der bereits in Couplets gefeierte
„heitere und luſtige“ Prinz von Mingrelien iſt, ſteht noch
durchaus nicht feſt. Nach einer neuern Nachricht ſoll der
Czar gar mehrere Lieblings⸗Candidaten in petto haben.

* Der dem Bundesrathe zugegangene neue Militär-
etat enthält einige Mehrforderungen gegen den vorjährigen,

bei den fortdauernden, ſowohl wie namentlich bei den ein-
maligen Ausgaben, wo ein erheblicher Betrag (gegen 15
Millionen Mark) für die Bervollſtändigung des Waffen-
materials und der Munitionsvorräthe eingeſtellt ſein ſoll.
Die Frage der Präſenzſtärke oder der Truppenformationen
wird indeſſen durch den neuen Etat nicht berührt. Das
wird Sache einer beſonderen Vorlage ſein, welche nach
Neujahr erſcheinen und für die Friedensſtärke und die For-
mationen nach Ablauf des Septennats neue Vorſchläge
machen wird. Der Inhalt dieſes Geſetzes wird dann ſeinen
Ausdruck im Etat für 1888/89 finden. Immerhin wird
man auch bei dem jetzt vorliegenden Militäretat mit ſeinen
Mehrforderungen heftigen Kämpfen im Reichstag entgegen-
ſehen dürfen, wenn auch die eigentlich kritiſchen Entſchei-
dungen ſich erſt bei der Septennatsvorlage vollziehen
werden.
Ein kirchenpolitiſches Zwiſchenſtück, wie es anläßlich der
Kriegserklärung des Dekan Lender an die extremultra-
montane Preſſe in dieſem Frühjahre in Baden aufgeführt
wurde, ſpielt ſich jetzt auch in Prenßen ab. Die Rolle
Lenders liegt dort in den Händen des Biſchofs von Fulda,
Herrn Dr. Kopp. Letzterer wurde von der preußiſchen
Jeſuiten⸗ und Welfenpreſſe, an ihrer Spitze die Germania,

geben.

wegen ſeiner im friedlichen Sinne wirkenden kirchenpoliti-
ſchen Thätigkeit angegriffen. Nach dieſer Preſſe ſoll der
Biſchof von Fulda nichts mehr und nichts weniger thun
als die Intereſſen der Kirche an den Staat verrathen. Wie
bereits mitgetheilt, hat Biſchof Dr. Kopp wegen der
wider ihn vorgebrachten Schmähungen in der „Germania“
eine Berichtigung veröffentlicht, die an Deutlichkeit
nichts zu wünſchen übrig läßt und das ſchmachvolle Treiben der
betreffenden ultramont. Blätter in die volle Beleuchtung rückt.
Die „Germania“ will jetzt bei der Sache ſelber nicht be-
theiligt geweſen ſein und gibt zu verſtehen, daß es nur
„taktiſche Gründe“ gehabt, außerdem eine einſchränkende
Bemerkung bei Wiederabdruck jener Correſpondenz gemacht
habe, die der Biſchof als unwürdig kennzeichnet. Unwür-
diger aber noch als die frechen Angriffe der ultramontaneu
Blätter iſt freilich die feige und verlogene Art, mit welcher
die „Germania“ jetzt rückwärts wedelt, ſich beruhigt erkärt
und in Vergeſſenheit bringen möchte, wie nichtswürdig ſie
ſich noch Tags zuvor benommen hat.

Deutſches Reich.
Berlin, 14. Nov. Der Fehlbetrag des Reichs-
haushalts pro 1887/88, der durch Matricularumlagen
zu decken iſt, beläuft ſich um ca. 33 000 000 ι höher als
im Vorjahre. Die Geſammtſchuldenlaſt des Reichs
beträgt 600 000 000 ., wovon 450 000 000 mit
4 pCt. verzinslich ſind. Neuerdings gibt das Reich be-
kanntlich zu 8½ pCt. verzinsliche Papiere aus. — Fürſt
Bismarck wird, wie die M. Ztg. erfährt, morgen, wahr-
ſcheinlich nachdem er einem Miniſterrathe vorgeſeſſen hat,
Berlin wieder verlaſſen und ſich nach Friedrichsruh be-
Der Kanzler, der ſich nicht blos vortrefflicher Ge-
ſundheit, ſondern auch der beſten Stimmung erfreut, iſt
hier von der Stunde ſeiner Ankunft an außerordentlich
thätig geweſen und hat mit den nerſchiedenſten politiſchen
Perſönlichkeiten verhandelt. Man hoört, daß der Wunſch
des Kanzlers dahin geht, demnächſt im Reichstage über
die auswärtige Politik zu ſprechen. Ob er hierzu
die Gelegenheit abwarten wird, die ihm eine förmliche
Interpellation darbieten könnte, oder ob er bei an-
derer Gelegenheit das Wort ergreifen dürfte, wird unent-
ſchieden gelaſſen, ebenſo, ob dieſe Beſprechung der aus-
wärtigen Angelegenheiten vor oder nach Weihnachten ſtatt-
finden wird. Man neigt ſich jedoch mehr der Annahme
zu, daß der Kanzler ſchon vor Weihnachten im Reichs-
tage erſcheinen und das Wort ergreifen wird. — Daß das
Disciplinarverfahren gegen den Amtsgerichtsrath Francke
ſeinen Abſchluß gefunden hat, haben wir bereits gemeldet.
Herr Francke iſt nach dem Hamb. Corr. nicht nur ſtraf-
verſetzt, ſondern auch unter Einbuße der Umzugskoſten zur
Herabſetzung des Gehalts um 300 . verurtheilt worden.
— Der Entwurf eines längſt erwarteten Geſetzes, betr.
die Unfallverſicherung der bei Bauten beſchäf-
tigten Perſonen iſt ſoeben dem Bundesrath zugegangen.
Der Entwurf bezweckt diejenigen im Baubetriebe be-
ſchäftigten Perſonen, nämlich bei Erd⸗, Waſſer⸗, Feſtungs-
und Canalbauten, bei Regiebauten der öffentlichen wie pri-

vaten Unternehmung, insbeſondere bei Unterneh mungen,

deren Leiter nur vereinzelt als Bauherren figuriren, und
demzufolge nicht unter den Gewerbebetrieb der Bauunter-
nehmer fallen, alle, ſoweit ſie bisher nicht verſicherungs-
pflichtig waren, der Verſicherung zu unterwerfen.

Wilhelmshaven, 13. Nov. Die Einweihung der
neuen Hafenanlagen erfolgte in Gegenwart des Chefs
der Admiralität, Generallieutenants v. Caprivi. Das
Panzerſchiff „Friedrich Karl“ paſſirte um 1 Uhr die
Schleuſen. Um 2 Uhr begann die Feſttafel im Stations-
chefgebäude.
Poſen, 13. Nov. Der Oberpräſident hat gegen
die ihm angezeigte Ernennung des Geiſtlichen und bekann-
ten Abgeordneten Jazdzewski zum Propſt von Betſche
und gegen die des Geiſtlichen Dr. Wartenberg zum
Propſt von Goſtyn Einſpruch erhoben.
Oeſterreichiſche Monarchie.
Wien, 13. Nov. Aus Petersburg wird der Polit.
Correſpondenz offiziös beſtätigt, daß die ruſſiſche Regierung
die Candidatur des Fürſten Dadian von Mingrelien be-
ſchloſſen habe. (2) — Der Zwiſchenfall in Burgas
werde in ruſſiſchen Regierungskreiſen ſehr bedauert, weil
derlei Vorfälle das Vorgehen der Regenten rechtfertigten.
Der Zwiſchenfall bedeute nur weitere Verwickelung in dem
Augenblick, wo die Verwicklungen ſehr ungelegen ſeien. —
Nach einem Londoner Bericht fand die Wahl des Prinzen
Waldemar bei der Mehrzahl der Mächte eine äußerſt
günſtige Aufnahme, während die Candidatur des Fürſten

Dadian nur eine geringe Unterſtützung zu finden ſcheine.

Gegen die Candidatur des ruſſiſchen Fürſten Dadian von
WMingrelien würde Oeſterreich wahrſcheinlich keine Ein-
wendung erheben.
Peſt, 13. Nov. In dem auswärtigen Ausſchuß der
ungariſchen Delegation hielt Graf Kalnoky

heute eine einſtündige Rede. Bezüglich der bulgariſchen

Frage, ſagte er, müſſe man unterſcheiden zwiſchen jenem,
was rein bulgariſch und dem, was europäiſch iſt. Das
JIntereſſe Oeſterreich⸗Ungarns ſei nur dort berührt, wo es
ſich um Prinzipienfragen oder um das Vertragsrecht handle.
Die öſterreichiſch⸗ungariſche Monarchie ſei angewieſen, den
durch den Berliner Vertrag geſchaffenen Rechtszuſtand un-
verſehrt aufrecht zu erhalten. Durch die jüngſten Vorgänge
in Bulgarien, namentlich durch das Auftreten des Generals
Kaulbars, ſei die öffentliche Meinung mit Recht erregt.
Bisher habe General Kaulbars nichts erreicht, als daß er
in Bulgarien die Einwirkung Rußlands in unangenehmer
Weiſe fühlbar gemacht und die Sympathieen Europas,
welche urſprünglich nur dem Fürſten Alexander galten, nun
auch den Bulgaren zugewandt habe. Bezüglich der bleiben-
den Geſtaltung der Dinge in Bulgarien ſei zu bedenken,
daß Oeſterreich⸗-Ungarn zwar Intereſſen im Orient habe,
aber nicht nur im Orient, und daß es keine Balkanmacht
ſei. Daher ſei es gut zu überlegen, ehe ein Schritt gethan
werde, der zu europäiſchen Verwicklungen führen und fünf
Millionen Soldaten mobil machen könnte. Bisher hätten
die diplomatiſchen Mittel ausgereicht, um ſolche Acte abzu-
wehren, welche die bulgariſche Frage zu einer europäiſchen
machen könnten. Hätte z. B. Rußland nach Bulgarien einen
Commiſſar entſandt, der die Regierung in die Hand genommen
hätte, oder wenn die Beſetzung durch Rußland, ſei es der
Seeplätze, ſei es des Landes, in Ausſicht genommen oder
verſucht worden wüäre, ſo würde Oeſterreich⸗Ungarn grade
dies wahrſcheinlich zu entſchiedener Stellungnahme veran-
laßt haben. Für den Augenblick ſei dieſe Gefahr ſo ziem-
lich abgewandt. Wie die Dinge jetzt ſtehen, iſt eine fried-
liche Löſung in hohem Maße wahrſcheinlich. Das Ver-
hältniß Oeſterreich⸗Ungarus zu allen auswärtigen Mächten



40 Frauenloos.
Von S. v. d. Horſt.
(Schluß.)
Nicht mehr in offenen, goldigen Locken fluthete Hed-
wigs Haar, ein leichter Silberſchein lag darauf und durch-
ſichtig weiß war das Antlitz unter dem ſchwarzen Schleier.
Ein Knecht ſaß auf dem Kutſcherbock, Hedwig fuhr nicht
mehr ſelbſt, — ſie lag doch weit, weit hinter ihr, die Roſen-
zeit der Jugend und des kurzen traumhaften Glückes.
Der Blick ſtreifte die bekannte, vertraute Umgebung,
unmerklich quoll heiß aus dem Herzen herauf die Thräne,
nicht die des zerſtörenden Schmerzes, aber doch jener Weh-
muth, die das Leben erkannt hat, als das, was es that-
ſächlich iſt, eine Schule der Reſignation.
Fern in Italien ſchlief Hermann den letzten traumloſen
Schlaf, hier an der Stätte ihrer Jugend wollte ſie heute
ſein Andenken vertheidigen, wollte es offen der ganzen Welt
zeigen, daß ſie ihn immer noch liebte, aber ſchuldlos, frei
von dem Bewußtſein der Sünde. Sie athmete tiefer, ihr
Auge blitzte. Sie wollte eintreten für ſeines Namens Ehre.
Und noch eine andere ſüße Hoffnung erfüllte ihre Seele.
Jenes Geſuch um eine Befreiung von den Ebegeſetzen, das

Blatt, auf dem Hermanns Hand gelegen, das Worte ent-

hielt, wie ſie aus der innerſten Tiefe ſeines Herzens herauf-
gequollen, — ob es ihr möglich werden würde, den Schatz
für ſich zu erlangen? — ö
Wieder wie in vergangenen Tagen ſtreifte kein Gedanke
die Perſon des Juſtizrathes. Er war für ſie einfach nie-
mals dageweſen, und war es auch heute nicht.

Deſto mehr erſchrak er, als außer dem Anwalt der Be-
klagten auch dieſe ſelbſt im Gerichtsſaal erſchien. Ein halbes
Menſchenalter war verfloſſen, ſeit er ſie zuletzt geſehen, ſie,
die bis heute unvergeſſen, nie durch ein anderes Bild er-
ſetzt, in ſeinem Herzen fortlebte. Hedwigs Schönheit hatte
ſich vergeiſtigt, ſie war milder, edler geworden, — wie ge-
bannt hing der Blick des ergrauten Vierzigers an den
ſüßen Zügen derjenigen, die er in ſeiner Jugend ſo leiden-
ſchaftlich geliebt und deren Andenken er ſeitdem gehaßt hatte,
bitter und unverſöhnlich, weil ſie ihn überſah wie einen
weſenloſen Schatten, ein Nichts.
Er haßte auch jetzt noch! Die Hoffnung auf eine un-
edle Rache mochte ihn ſchon in ſeiner Klageſchrift über alle
Grenzen der berechnenden Klugheit hinausgeführt haben, ſie
wurde heute in der mündlichen Verhandlung völlig zu
Schanden. Der Juſtizrath ſah ſich ſelber und ſeine Clien-
tin gänzlich geſchlagen, Hedwig hatte den Prozeß glänzend
gewonnen, ſie erhielt in jedem Blick und jedem Worte der
Gerichtsperſonen die Zeichen der achtungsvollſten Theilnahme.
Aber doch eins ſchien ihm vorbehalten. Seine Gegnerin
bat um einen Blick auf jenes Blatt, das als Material für
die Klage gedient hatte, — Hermanns Geſuch an den
Landesherrn.
Ein tiefer Purpur überflog, als ſie das vergilbte
kniſterude Blatt in ihrer Hand hielt, Hedwigs ſchönes
bleiches Geſicht. Wer noch Zweifel gehegt, der erkannte
in dieſem Moment, daß ſie es vorher nie geſehen, daß ſie
den Inhalt bis heute nicht kennen gelernt hatte. Es war
Hermanns Handſchrift, — Hedwig bat mit verſagender
Stimme, ob ihr das Blatt nicht zu Theil werden könne.

Aber da miſchte ſich der Juſtizrath hinein. Die Schrift

war nichts weiter als eine Inſtruktion für den Advokaten,
der die Supplik einreichte, ihm anvertraut als Beweisſtück,
er mußte ſie zurückliefern.
So ging das Dokument momentan wieder über in
ſeinen Beſitz, aber das Gericht machte ihn dafür verant-
wortlich, und Hedwigs Advokat meinte, daß es ihm ein
Leichtes ſein werde, es von dem betreffenden Collegen zu
erlangen.
Als Pauline an dieſem Tage die Stiefſchweſter ihrer
Mutter nach Hauſe kommen ſah, da erkannte ſie ſchon von
Weitem den Ausgang der Sache und halb lachend, halb
weinend flog ſie in die Arme der älteren Freundin. „O
Gott ſei geprieſen, daß ich den Prozeß verloren habe!“ —
Sie hielten ſich feſt umſchlungen, die Beiden geiſtig ſo
eng Verbundenen. „Ich will Dir einen Troſt geben,“
flüſterte Hedwig, „die Hälfte des Vermögens beanſprucheſt
Du, ohne ſie erlangen zu können, aber das Ganze ſchenke
ich Dir freiwillig. Du allein biſt meine Erbin!“
„Und nun kein Wort mehr davon. Wir wollen eine
Depeſche abſchicken, um Deinen Bräutigam aus Amerika zurück-
zurufen; er hat keine Zeit mehr, Flaſchen in der Fabrik.
zu ſpülen, ſondern muß ſein Staatsexamen machen, um
Dich heirathen zu können, nicht wahr, kleine Pau-
line 2“ —
Der Vorſatz wurde ausgeführt, aber er traf auf den
entſchiedenen Widerſtand des jungen Mannes! Rudolf
hatte eine leidliche Anſtellung gefunden und wollte jetzt,
wo ihn das väterliche Vermögen unabhängig machte,
noch ein Jahr in Amerika bleiben, um das Gerede der
 
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