IAririn
La Sonntaas
Wogenommen.
Irri
uit Familien-
Mttern viertel-
urli 2.4.604
aeſchl. Poſtauf-
Glag u. Träger-
Lohn.
elb cłrger
— Tagblalt und Berkündiger für die Sladt Heidelberl.
Iaſtriisssgtülie
15⁵. g4 für die Iſpal-
tige Pelitzeile ober
deren Raum.
Für hieſ. Geſchäfts
u. Privatanzeigen
4 bedeut. ermäßigd
Sralis-Arfasis
der Inſerate in des
V. 108
Mittwoch, den 21. Zuli
1886
ö * Politiſche Umſchau.
V Heidelberg, 21. Juli.
Der Empfang, welcher dem greiſen Deutſchen Kai-
ſer auf ſeiner Reiſe durch das Bayerland in Augsburg und
München zu Theil wurde, iſt ein begeiſterter und herzlicher
hweſen. Mit großer Genugthuung erfüllte insbeſondere
ö ie bayriſche Hauptſtadt die Zuſammenkunft des Kaiſers
nit dem Prinzregenten Luitpold. Aber auch das ganze
deutſche Volk wendete dieſer Begegnung ſeine beſondere
heilnahme zu, inſofern es in derſelben einen neuen Be-
Deis erblickte für die unzertrennlichen Bande, welche Bay-
In an das Reich knüpfen. Und in der That gegenüber
Don Stürmen der letzten Zeit und in dieſem Sinne hat
eer diesjährige Beſuch des Kaiſers Wilhelm in München
ane große und weittragende Bedeutung. Auf eine andere
intammenkunft, die heute oder morgen in Kiſſingen ſtatt-
Indet, richten ſich ebenfalls die Blicke in hohem Grade.
Iſert wird Fürſt Bismarck mit dem ihn beſnuchenden
ſterreichiſchen Miniſter Grafen Kalnoky conferiren. Daß
ieſe Conferenz eines bedeutſamen politiſchen Hintergrundes nicht
entbehrt, wird kaum von einer Seite in Abrede gezogen wer-
bie können. Jedenfalls iſt ſie aber ein neuer Beleg für
ie zwiſchen Deutſchland und Oeſterreich beſtehenden inti-
Beziehungen.
Der Vatikan habe dem bayriſchen Miniſterium
degen der Aeußerung über die Lage der katholiſchen Kirche
gemacht — ſo verſicherten römiſche Telegramme nach einer
Neldung des Moniteur de Rome. Dieſe Nachricht ſollte
offenbar die feſtgefahrene ultramontane Preſſe losmachen
und iſt darum ſo gehalten, daß man nicht weiß, ob der
Vatican die Bemerkungen vor oder nach dem Lärm der
ultramontanen Blätter gegen das bekannte Schreiben gemacht
hu, noch auch, ob die Bemerkungen eine Einſchränkung
des Schreibens bezwecken oder eine dankende Beſtätigung.
rgend welche Kniffe müſſen nun einmal dabei ſein, wenn
die ſchwarze Schaar etwas unternimmt, und ſo ſuchte ſie
auch ihren Rückzug zu maskiren. Mags drum ſein, die
„Patriotenpartei“ wird von den Schlägen, die ſie ſich ſelber
zugefügt hat, ohnehin ſich nicht ſobald erholen.
I Verſchiedentlich und ſo auch in letzter Zeit ſind Nach-
Ren aufgetaucht, welche vermuthen laſſen, daß ſich die
Reichsregierung zu einer Reviſion der Strafgeſetz-
debung in nächſter Zeit verſtehen würde. Die bezüglichen
„Mgaben ſind vielfach glaubwürdig erachtet worden, indeſſen
hur Zeit thatſächlich ohne Grund. Es hat allerdings an
nregungen der verſchiedenſten Art nicht gefehlt, zu einer
alchen Revifion zu ſchreiten, und zwar in Geſtalt von Ein-
aben an den Bundesrath u. ſ. w. Nun iſt daran zu er-
Murn daß bei Erlaß des Strafgeſetzbuches ſofort die
mödlichkeit einer Reviſion in Ausſicht geſtellt war, jedoch
alt der Maßgabe, daß man zunächſt Erfahrungen an der
Hand des neuen Geſetzbuches machen wollte. Ob der Zeit-
unkt für dieſe Erfahrungen bereits als gekommen zu erachten,
pag dahingeſtellt bleiben, ſoviel ſteht indeſſen feſt, daß man
p entſcheidenden Kreiſen zur Zeit an eine ſolche Reviſions-
haligteit bezüglich des Strafgeſetzbuches nicht denkt.
Der engliſche Konkurrenzneid, welchem die ſchnelle
utwickelung der deutſchen Induſtrie zu einer
eltinduſtrie erſten Ranges keine Ruhe läßt, wird
in
der Wahl der Waffen zur Bekämpfung des deutſchen
n Bayern im Handſchreiben des Prinzregenten „Bemerkungen“
Wettbewerbs immer weniger ſkrupulös. Während engliſche
Blätter unumwunden einräumen, daß Großbritannien an
dem „handeltreibenden Teutonen“ einen furchtbareren Ne-
benbuhler beſitze, als es ſeit Begründung der engliſchen
Handelsſuprematie jemals gefunden habe, wird von Man-
cheſterfirmen Beſchwerde über den angeblichen deutſchen Ge-
ſchäftskniff geführt, minderwerthige Erzeugniſſe des deut-
ſchen Gewerbefleißes als engliſche in die Welt zu ſenden.
Dazu ſchreibt die „Neue Reichscorreſpondenz“: Die Auf-
ſtellung derartig allgemein gehaltener Behauptungen, wo-
bei die offenkundige gehäſſige Tendenz den Mangel jegli-
chen Beweismaterials erſetzen muß, kann ihrer Glaubwür-
digkeit gewiß nicht als Empfehlung dienen und ohne in
das entgegengeſetzte Extrem ſchnellfertigen Ableugnens zu
verfallen, darf man doch, auf notoriſchen Thatſachen fu-
ßend, darauf hinweiſen, daß bei dem heutigen Stande un-
ſerer techniſchen Ausbildung Deutſchlands Induſtrie die
engliſche generell mindeſtens erreicht, in vielen Einzelbran-
chen aber ſchon bedeutend überflügelt hat, dergeſtalt, daß
ſie in ihr eigenes Fleiſch ſchneiden würde, wollte ſie ihre
in jeder Hinſicht vollwerthigen Erzeugniſſe unter engliſcher,
ſtatt unter ihrer eignen Handelsmarke auf den Weltmarkt
bringen. Wohl aber fehlt es nicht an Fällen, daß eng-
liſche Commiſſions⸗ und Speditionsfirmen große Poſten
deutſcher Waaren, die, bei mindeſtens gleicher Qualität, im
Preiſe ſich nicht unweſentlich niedriger ſtellen, als die eng-
liſchen Erzeugniſſe, aufkaufen und mit engliſcher Handels-
marke verſehen, in den Verkehr bringen. Wenn daher eng-
liſche Preßſtimmen mit vollem Recht über die Illoyalität
des in Rede ſtehenden Verfahrens Klage führen, ſo ſollten
ſie doch in Adreſſirung ihres Tadels mit größerer Behut-
ſamkeit zu Werke gehen.
Das Miniſterium Gladſtone hat nunmehr die Con-
ſequenz des mißglückten Wahlfeldzuges gezogen und der
Königin Victoria die Entlaſſung eingereicht. m bereüs
ſtändlich wird Lord Salisbury, der übrigens auch bereits
Vorbereitungen für dieſen Zweck getroffen hat, mit der
Bildung des neuen Cabinets beauftragt werden. Ob es
gelingen wird, Lord Hartington zum Eintritt in das Cabinet
Salisbury zu veranlaſſen, um ein Coalitionsminiſterium zu
bilden, iſt ſehr fraglich.
Deutſches Reich.
Karlsruhe, 20. Juli. (Amtlich.) Durch Allerhöchſte
Cabinets⸗Ordre iſt Folgendes beſtimmt worden: 2. Bad.
Grenadier⸗Regiment Kaiſer Wilhelm Nr. 110: Hecht,
Secondelieutenant, ein einjähriger Urlaub, unter Stellung
à la suite des Regiments, bewilligt.
Karlsruhe, 20. Juli. Der Staatsanzeiger für das
Großherzogthum Baden Nr. 26 vom 19. Juli enthält:
1) Unmittelbare Allerhöchſte Entſchließungen Sr.
Königl. Hoheit des Großherzogs, Ordensverleihung,
Erlaubniß zur Annahme fremder Orden und Ehrenzeichen, Dienſt-
nachrichten; 2) Verfügungen und Bekanntmachungen
der Staatsbehörden, und zwar 3. des Miniſteriums der
iz, 8 rrichts, betreffend die Vergebung von
Juſtiz, des Kultus und Unterrich und Erziehungsinſtitut in
iplä Lehr-
Freiplätzen in dem weiblichen Mür das Jahr 1886, b. des
Offenburg und die Aktuarsprüfung 886,
Dimiterans des Innern bezüglich der Wahlen für die Kreis-
verſammlungen, der berufsgenoſſenſchaftlichen Schiedsgerichte, der
Apotheke in Mudau und der Lotterie aus Anlaß der akademiſchen
Jubiläumskunſtausſtellung in Berlin; L. des Miniſteriüms der
Finanzen über die Organiſation des Eiſenbahnbetriebsdienſtes
und die Einführung der Staatsbeförſterung für die murgſchiffer-
ſchaftlichen Waldungen. Die diesjährige Prüfung in den Fächern
der ſpeziellen theoretiſchen Vorbildung der Forſtkandidaten
beginnt Freitag, den 1. October d. I. Die Anmeldungen zu der-
ſelben ſind ſpäteſtens bis zum 15. September d. J. bei Großh.
Domänendirection einzureichen.
U◻ Karlsruhe, 20. Juli. 11. Sitzung der General-
ſynode. Vorſitzender Geh. Rath Lamey. Dr. Kupfer
berichtet über die Bekämpfung des leichtfertigen Schwörens
und des Meineids. Antrag: „Angeſichts der unzweifel-
haften Zunahme der Meineide richtet die Generalſynode im
Anſchluß an die Beſchlüſſe einer großen Anzahl von Diö-
zeſanſynoden der letzten 5 Jahre an den Oberkirchenrath
das Erſuchen, über den Umfang und die Urſache dieſer be-
klagenswerthen Erſcheinung zuverläſſige Erhebungen zu ver-
anlaſſen und ſodann zu erwägen, durch welche Mittel der-
ſelben geſteuert werden kann.“ Abg. Kiefer iſt damit
einverſtanden, wenn er auch glaubt, daß, da jetzt doppelt
ſo viel Eide geſchworen werden als früher, die Zunahme
nur eine relative, ſcheinbare ſei. Immerhin ſolle man nur
auf Grundlage der beſtehenden Geſetzgebung arbeiten. Die
Oberkirchenbehörde erklärt ſich durch Prälat Doll mit dem
Antrag einverſtanden. Derſelbe bedauert, daß man das
Volk wegen jeder Bagatelle von einigen Mark ſchwören
laſſe. Dadurch müſſe die Scheu vor dem Eid abnehmen.
Es ſprechen noch die Abgg. Deitigsmann, Helbing, v. Stöſſer,
welcher einige Bedenken hat, und Abg. Gräbener, der
ſagt, daß die Geiſtlichkeit nicht mehr als bisher gethan,
gegen den Meineid wirken könne, da ſie — durch weſſen
Schuld wolle er hier nicht unterſuchen — des früheren
Anſehens im Volk nicht mehr genieße. Der Ausſchußan-
trag wird einſtimmig angenommen. Hofprediger Helb ing
berichtet über den Hauptbericht des evang. Oberkirchenraths
an die Generalſynode 1886: 1) die religiöſe Fortbildung
der ſchulentlaſſenen Jugend, 2) die Ertheilung von Ge-
werbeunterricht an Sonntagen, 3) die gemiſchten Ehen und
die confeſſionelle Kindererziehnng. Zu 1) und 2) iſt kein
Antrag geſtellt, da bei 1) keine Aenderung der beſtehenden
Lage zu erwarten, bei 2) ein Entgegenkommen der Orts-
ſchulbehörden anzuerkennen iſt. Zu 3) erklärt der Ausſchuß,
die Seitens des Oberkirchenraths Angeſichts der bekannten
erzbiſchöflichen Eheinſtruction getroffenen Maßnahmen ſeien
durchaus zu billigen und ausreichend vom Standpunkt der
evangeliſchen Kirche aus. Ebenſo hält er 4) die von den
Orthodoxen empfohlene ſtrengere Kirchenzucht für nicht zweck-
dienlich. Der Ausſchuß in ſeiner überwiegenden Mehrheit
verweist auf die Lehren der Geſchichte, welche zeigen, daß
große Strammheit ſelten Segen bringe. Dekan Schmitt-
henner begründet eine von den 17 Orthodoxen des Hauſes
unterzeichnete Erklärung, deren Stapellauf zwar von
der anderen Seite des Hauſes widerrathen, von der ſeini-
gen aber als Gewiſſenspflicht erachtet worden ſei. Die Er-
klärung ſei kein Antrag, und wolle auch nicht in die bis-
herige erfreuliche Harmonie zum Schluß einen Mißton
bringen. Er verliest nun folgendes Aktenſtück: „In der
letzten Generalſynode wie ſchon in früheren iſt auf dieſer
Seite der Wunſch ausgeſprochen worden, es möchte bei
einer etwaigen Neubeſetzung einer Profeſſur an der theolo-
giſchen Fakultät zu Heidelberg auch die mehr conſervative
Richtung in der Theologie eine Vertretung finden. Mittler-
weile hat eine Neubeſetzung ſtattgefunden, bei welcher, ſo
viel wir zur Zeit beurtheilen können, unſer Wunſch nicht
erfüllt iſt. Wir wollen weder dem neuernannten Profeſſor
—
Verlorene Ehre.
Roman von W. Hö ffer.
(Fortſetzung). ö
3 Als Walter und ſeine Frau ihn mit warmen Worten
haten, doch den heiligen Abend in ihrem Kreiſe zu ver-
Nungen, da ſchüttelte er faſt heftig den Kopf. Welches
Ninnd gab es zwiſchen ihm und dieſen Glücklichen! Sie
aegten in ihren Armen ein ſchönes Kind, ſie liebten ein-
u er und Nichts vermochte ihren Frieden zu ſtören. Ju-
Hein,fühlte ſich nicht ſtark genug, das fremde Glück in
nem eigenen, tiefen Elend neidlos mit anzuſehen.
w.. Unbewußt kehrte ſelbſtauäleriſch die Erinnerung immer
Eeder zurück zu den Bildern des letzten Weihnachtsabends.
ind anchlebte im Geiſte jene Begegnung auf der Treppe
ſich., ſah die erſchreckende Bläſſe des ſchönen, traurigen Ge-
Oͤtes, das ſich Secunden lang an ſeine Bruſt ſchmiegte.
Arme Eliſabeth! Sie war über ihre Kräfte verſucht
Kheden, ſie wollte fliehen, bevor die Täuſchung in Betrug
Wenng, aber ihr fehlte der Muth, ſich von ihm zu
nnen, eben weil ſie ihn liebte.
5 Alle ihre Unruhe an jenem Tage der Verlobung, ihr
enſchaftliches, widerſpruchsvolles Weſen während der
Lehdeitsreiſe und ſpäterhin im eigenen Hauſe — war es
t immer der Beweis innerer, verzehrender Gewiſſensangſt?
hr Er hatte es ja ſelbſt ſo oft, ſo oft geſehen, er hatte es
auch geſagt. ö
and Jegt ſaß ſie neben dem Bette ſeiner Mutter, und ihre
hei ſeine eigenen Gedanken begegneten ſich in gleichem un-
eilbarem Leid.
Er ballte die Fauſt. O, dieſer Verruchte! Weshalb
mußte er kommen und den Sturm entfeſſeln! Es hätte
ſich vielleicht Alles allmählich ausgeglichen, es wäre mit
den Jahren ſtiller und ſtiller geworden. Kleine zarte Händ-
chen flochten um die halb getrennten Herzen ein neues hei-
liges Band, als Vater und Mutter hätten ſich an der Wiege
ihres Kindes die früher Entzweiten in reinerer Liebe ver-
eint, und die Vergangenheit mit ihrer Schuld, ihrer Schande
wäre ewig in Dunkel gehüllt geblieben.
Aber jetzt?
Er vergrub das Geſicht in beide Hände. Eine Ant-
wort auf die erſchütternde Frage gab es nicht.
Stunde nach Stunde verrann, tiefe Finſtemiß deckte die
Straßen, und in allen Häuſern war der Wrihnachtsjubel
verhallt. Julius fühlte, wie ihm das Blut in den Schläfen
hämmerte, wie ihn die Stille und Einſamkeit gleich eben
ſo vielen glühenden Fäden umſpannen und ſein Gehirn er-
drückten. Er konnte es in dem engen dunklen Zimmer nicht
länger aushalten. Wie immer, wenn es in ihm zu ge-
waltig ſtürmte, ſehnte er ſich hinaus in die freie Natur,
dem Wind und der Kälte entgegen. Jetzt ſchliefen auch die
glücklichen, zufriedenen Menſchen ſchon alle. Wer ihm etwa
auf der Straße noch begegnete, der war ſelbſt ein Ausge-
ſtoßener, eine arme Seele, die auf Erden kein Heim, keine
friedliche, warme Stätte mehr beſaß. ö
Er ſchlich ſich leiſe fort und ging um die Stadt herum,
wie damals vor Jahresfriſt, aber mit welch' anderen, troſt-
loſen Gedanken erſchien ihm auch die Erinnerung an das
junge Mädchen mit der reinen, offenen Stirn und dem un-
ſchuldigen Herzen.
„Arme Anna, wo magſt Du ſein? Ob Du meiner ge-
denkſt an dieſem Abend der Freude und des Glückes? Ob
Dich andere Bande feſſeln und das Bild des Freundes aus
Deinem Gedächtniß verwiſchten? — Gott ſegne Dich tauſend-
fach, Gott ſchenke Dir alle Blüthen des Lebens!“
Er ging unwillkürlich langſamer. Die Biegung des
Weges führte ihn an dem Hauſe ſeiner Mutter vorüber.
Da oben ſchimmerte noch Licht. — Was bedeutet das 2
Und jetzt erſchien der helle Strahl am Treppenfenſter,
dann im Erdgeſchoß — man begleitete offenbar einen Fort-
gehenden zur Hausthür.
Julius blieb ſtehen. Ein unangenehmes Gefühl hatte
ihn ergriffen. Er wollte ſehen, wer da oben noch ſo ſpät
geweſen war.
Ein Mann trat auf die Straße hinaus, und während
er hinter ſich die Thür ſchloß, fiel Secunden lang der
Lichtſchein von drinnen auf die Geſtalt des Doctors. Der
Unbekannte trat ihm zögernd einige Schritte näher.
„Hartmann,“ ſagte er mit gedämpfter Stimme, „biſt
Du es2*
Gott!“
Der Andere bot ihm die Hand.
„Guten Abend!“ ſagte er treuherzig, wie es ſchien, in
nicht geringer Verlegenheit. „Was machſt Du denn hier,
Julius? Um die Wahrheit zu geſtehen — ich war eben
im Begriff, Dich aufzuſuchen.“ x
(Fortſ. folgt.)
Placat⸗Anzeigrr-
„Berger!“ rief Julius, plötzlich erſchreckend. „Mein
.
La Sonntaas
Wogenommen.
Irri
uit Familien-
Mttern viertel-
urli 2.4.604
aeſchl. Poſtauf-
Glag u. Träger-
Lohn.
elb cłrger
— Tagblalt und Berkündiger für die Sladt Heidelberl.
Iaſtriisssgtülie
15⁵. g4 für die Iſpal-
tige Pelitzeile ober
deren Raum.
Für hieſ. Geſchäfts
u. Privatanzeigen
4 bedeut. ermäßigd
Sralis-Arfasis
der Inſerate in des
V. 108
Mittwoch, den 21. Zuli
1886
ö * Politiſche Umſchau.
V Heidelberg, 21. Juli.
Der Empfang, welcher dem greiſen Deutſchen Kai-
ſer auf ſeiner Reiſe durch das Bayerland in Augsburg und
München zu Theil wurde, iſt ein begeiſterter und herzlicher
hweſen. Mit großer Genugthuung erfüllte insbeſondere
ö ie bayriſche Hauptſtadt die Zuſammenkunft des Kaiſers
nit dem Prinzregenten Luitpold. Aber auch das ganze
deutſche Volk wendete dieſer Begegnung ſeine beſondere
heilnahme zu, inſofern es in derſelben einen neuen Be-
Deis erblickte für die unzertrennlichen Bande, welche Bay-
In an das Reich knüpfen. Und in der That gegenüber
Don Stürmen der letzten Zeit und in dieſem Sinne hat
eer diesjährige Beſuch des Kaiſers Wilhelm in München
ane große und weittragende Bedeutung. Auf eine andere
intammenkunft, die heute oder morgen in Kiſſingen ſtatt-
Indet, richten ſich ebenfalls die Blicke in hohem Grade.
Iſert wird Fürſt Bismarck mit dem ihn beſnuchenden
ſterreichiſchen Miniſter Grafen Kalnoky conferiren. Daß
ieſe Conferenz eines bedeutſamen politiſchen Hintergrundes nicht
entbehrt, wird kaum von einer Seite in Abrede gezogen wer-
bie können. Jedenfalls iſt ſie aber ein neuer Beleg für
ie zwiſchen Deutſchland und Oeſterreich beſtehenden inti-
Beziehungen.
Der Vatikan habe dem bayriſchen Miniſterium
degen der Aeußerung über die Lage der katholiſchen Kirche
gemacht — ſo verſicherten römiſche Telegramme nach einer
Neldung des Moniteur de Rome. Dieſe Nachricht ſollte
offenbar die feſtgefahrene ultramontane Preſſe losmachen
und iſt darum ſo gehalten, daß man nicht weiß, ob der
Vatican die Bemerkungen vor oder nach dem Lärm der
ultramontanen Blätter gegen das bekannte Schreiben gemacht
hu, noch auch, ob die Bemerkungen eine Einſchränkung
des Schreibens bezwecken oder eine dankende Beſtätigung.
rgend welche Kniffe müſſen nun einmal dabei ſein, wenn
die ſchwarze Schaar etwas unternimmt, und ſo ſuchte ſie
auch ihren Rückzug zu maskiren. Mags drum ſein, die
„Patriotenpartei“ wird von den Schlägen, die ſie ſich ſelber
zugefügt hat, ohnehin ſich nicht ſobald erholen.
I Verſchiedentlich und ſo auch in letzter Zeit ſind Nach-
Ren aufgetaucht, welche vermuthen laſſen, daß ſich die
Reichsregierung zu einer Reviſion der Strafgeſetz-
debung in nächſter Zeit verſtehen würde. Die bezüglichen
„Mgaben ſind vielfach glaubwürdig erachtet worden, indeſſen
hur Zeit thatſächlich ohne Grund. Es hat allerdings an
nregungen der verſchiedenſten Art nicht gefehlt, zu einer
alchen Revifion zu ſchreiten, und zwar in Geſtalt von Ein-
aben an den Bundesrath u. ſ. w. Nun iſt daran zu er-
Murn daß bei Erlaß des Strafgeſetzbuches ſofort die
mödlichkeit einer Reviſion in Ausſicht geſtellt war, jedoch
alt der Maßgabe, daß man zunächſt Erfahrungen an der
Hand des neuen Geſetzbuches machen wollte. Ob der Zeit-
unkt für dieſe Erfahrungen bereits als gekommen zu erachten,
pag dahingeſtellt bleiben, ſoviel ſteht indeſſen feſt, daß man
p entſcheidenden Kreiſen zur Zeit an eine ſolche Reviſions-
haligteit bezüglich des Strafgeſetzbuches nicht denkt.
Der engliſche Konkurrenzneid, welchem die ſchnelle
utwickelung der deutſchen Induſtrie zu einer
eltinduſtrie erſten Ranges keine Ruhe läßt, wird
in
der Wahl der Waffen zur Bekämpfung des deutſchen
n Bayern im Handſchreiben des Prinzregenten „Bemerkungen“
Wettbewerbs immer weniger ſkrupulös. Während engliſche
Blätter unumwunden einräumen, daß Großbritannien an
dem „handeltreibenden Teutonen“ einen furchtbareren Ne-
benbuhler beſitze, als es ſeit Begründung der engliſchen
Handelsſuprematie jemals gefunden habe, wird von Man-
cheſterfirmen Beſchwerde über den angeblichen deutſchen Ge-
ſchäftskniff geführt, minderwerthige Erzeugniſſe des deut-
ſchen Gewerbefleißes als engliſche in die Welt zu ſenden.
Dazu ſchreibt die „Neue Reichscorreſpondenz“: Die Auf-
ſtellung derartig allgemein gehaltener Behauptungen, wo-
bei die offenkundige gehäſſige Tendenz den Mangel jegli-
chen Beweismaterials erſetzen muß, kann ihrer Glaubwür-
digkeit gewiß nicht als Empfehlung dienen und ohne in
das entgegengeſetzte Extrem ſchnellfertigen Ableugnens zu
verfallen, darf man doch, auf notoriſchen Thatſachen fu-
ßend, darauf hinweiſen, daß bei dem heutigen Stande un-
ſerer techniſchen Ausbildung Deutſchlands Induſtrie die
engliſche generell mindeſtens erreicht, in vielen Einzelbran-
chen aber ſchon bedeutend überflügelt hat, dergeſtalt, daß
ſie in ihr eigenes Fleiſch ſchneiden würde, wollte ſie ihre
in jeder Hinſicht vollwerthigen Erzeugniſſe unter engliſcher,
ſtatt unter ihrer eignen Handelsmarke auf den Weltmarkt
bringen. Wohl aber fehlt es nicht an Fällen, daß eng-
liſche Commiſſions⸗ und Speditionsfirmen große Poſten
deutſcher Waaren, die, bei mindeſtens gleicher Qualität, im
Preiſe ſich nicht unweſentlich niedriger ſtellen, als die eng-
liſchen Erzeugniſſe, aufkaufen und mit engliſcher Handels-
marke verſehen, in den Verkehr bringen. Wenn daher eng-
liſche Preßſtimmen mit vollem Recht über die Illoyalität
des in Rede ſtehenden Verfahrens Klage führen, ſo ſollten
ſie doch in Adreſſirung ihres Tadels mit größerer Behut-
ſamkeit zu Werke gehen.
Das Miniſterium Gladſtone hat nunmehr die Con-
ſequenz des mißglückten Wahlfeldzuges gezogen und der
Königin Victoria die Entlaſſung eingereicht. m bereüs
ſtändlich wird Lord Salisbury, der übrigens auch bereits
Vorbereitungen für dieſen Zweck getroffen hat, mit der
Bildung des neuen Cabinets beauftragt werden. Ob es
gelingen wird, Lord Hartington zum Eintritt in das Cabinet
Salisbury zu veranlaſſen, um ein Coalitionsminiſterium zu
bilden, iſt ſehr fraglich.
Deutſches Reich.
Karlsruhe, 20. Juli. (Amtlich.) Durch Allerhöchſte
Cabinets⸗Ordre iſt Folgendes beſtimmt worden: 2. Bad.
Grenadier⸗Regiment Kaiſer Wilhelm Nr. 110: Hecht,
Secondelieutenant, ein einjähriger Urlaub, unter Stellung
à la suite des Regiments, bewilligt.
Karlsruhe, 20. Juli. Der Staatsanzeiger für das
Großherzogthum Baden Nr. 26 vom 19. Juli enthält:
1) Unmittelbare Allerhöchſte Entſchließungen Sr.
Königl. Hoheit des Großherzogs, Ordensverleihung,
Erlaubniß zur Annahme fremder Orden und Ehrenzeichen, Dienſt-
nachrichten; 2) Verfügungen und Bekanntmachungen
der Staatsbehörden, und zwar 3. des Miniſteriums der
iz, 8 rrichts, betreffend die Vergebung von
Juſtiz, des Kultus und Unterrich und Erziehungsinſtitut in
iplä Lehr-
Freiplätzen in dem weiblichen Mür das Jahr 1886, b. des
Offenburg und die Aktuarsprüfung 886,
Dimiterans des Innern bezüglich der Wahlen für die Kreis-
verſammlungen, der berufsgenoſſenſchaftlichen Schiedsgerichte, der
Apotheke in Mudau und der Lotterie aus Anlaß der akademiſchen
Jubiläumskunſtausſtellung in Berlin; L. des Miniſteriüms der
Finanzen über die Organiſation des Eiſenbahnbetriebsdienſtes
und die Einführung der Staatsbeförſterung für die murgſchiffer-
ſchaftlichen Waldungen. Die diesjährige Prüfung in den Fächern
der ſpeziellen theoretiſchen Vorbildung der Forſtkandidaten
beginnt Freitag, den 1. October d. I. Die Anmeldungen zu der-
ſelben ſind ſpäteſtens bis zum 15. September d. J. bei Großh.
Domänendirection einzureichen.
U◻ Karlsruhe, 20. Juli. 11. Sitzung der General-
ſynode. Vorſitzender Geh. Rath Lamey. Dr. Kupfer
berichtet über die Bekämpfung des leichtfertigen Schwörens
und des Meineids. Antrag: „Angeſichts der unzweifel-
haften Zunahme der Meineide richtet die Generalſynode im
Anſchluß an die Beſchlüſſe einer großen Anzahl von Diö-
zeſanſynoden der letzten 5 Jahre an den Oberkirchenrath
das Erſuchen, über den Umfang und die Urſache dieſer be-
klagenswerthen Erſcheinung zuverläſſige Erhebungen zu ver-
anlaſſen und ſodann zu erwägen, durch welche Mittel der-
ſelben geſteuert werden kann.“ Abg. Kiefer iſt damit
einverſtanden, wenn er auch glaubt, daß, da jetzt doppelt
ſo viel Eide geſchworen werden als früher, die Zunahme
nur eine relative, ſcheinbare ſei. Immerhin ſolle man nur
auf Grundlage der beſtehenden Geſetzgebung arbeiten. Die
Oberkirchenbehörde erklärt ſich durch Prälat Doll mit dem
Antrag einverſtanden. Derſelbe bedauert, daß man das
Volk wegen jeder Bagatelle von einigen Mark ſchwören
laſſe. Dadurch müſſe die Scheu vor dem Eid abnehmen.
Es ſprechen noch die Abgg. Deitigsmann, Helbing, v. Stöſſer,
welcher einige Bedenken hat, und Abg. Gräbener, der
ſagt, daß die Geiſtlichkeit nicht mehr als bisher gethan,
gegen den Meineid wirken könne, da ſie — durch weſſen
Schuld wolle er hier nicht unterſuchen — des früheren
Anſehens im Volk nicht mehr genieße. Der Ausſchußan-
trag wird einſtimmig angenommen. Hofprediger Helb ing
berichtet über den Hauptbericht des evang. Oberkirchenraths
an die Generalſynode 1886: 1) die religiöſe Fortbildung
der ſchulentlaſſenen Jugend, 2) die Ertheilung von Ge-
werbeunterricht an Sonntagen, 3) die gemiſchten Ehen und
die confeſſionelle Kindererziehnng. Zu 1) und 2) iſt kein
Antrag geſtellt, da bei 1) keine Aenderung der beſtehenden
Lage zu erwarten, bei 2) ein Entgegenkommen der Orts-
ſchulbehörden anzuerkennen iſt. Zu 3) erklärt der Ausſchuß,
die Seitens des Oberkirchenraths Angeſichts der bekannten
erzbiſchöflichen Eheinſtruction getroffenen Maßnahmen ſeien
durchaus zu billigen und ausreichend vom Standpunkt der
evangeliſchen Kirche aus. Ebenſo hält er 4) die von den
Orthodoxen empfohlene ſtrengere Kirchenzucht für nicht zweck-
dienlich. Der Ausſchuß in ſeiner überwiegenden Mehrheit
verweist auf die Lehren der Geſchichte, welche zeigen, daß
große Strammheit ſelten Segen bringe. Dekan Schmitt-
henner begründet eine von den 17 Orthodoxen des Hauſes
unterzeichnete Erklärung, deren Stapellauf zwar von
der anderen Seite des Hauſes widerrathen, von der ſeini-
gen aber als Gewiſſenspflicht erachtet worden ſei. Die Er-
klärung ſei kein Antrag, und wolle auch nicht in die bis-
herige erfreuliche Harmonie zum Schluß einen Mißton
bringen. Er verliest nun folgendes Aktenſtück: „In der
letzten Generalſynode wie ſchon in früheren iſt auf dieſer
Seite der Wunſch ausgeſprochen worden, es möchte bei
einer etwaigen Neubeſetzung einer Profeſſur an der theolo-
giſchen Fakultät zu Heidelberg auch die mehr conſervative
Richtung in der Theologie eine Vertretung finden. Mittler-
weile hat eine Neubeſetzung ſtattgefunden, bei welcher, ſo
viel wir zur Zeit beurtheilen können, unſer Wunſch nicht
erfüllt iſt. Wir wollen weder dem neuernannten Profeſſor
—
Verlorene Ehre.
Roman von W. Hö ffer.
(Fortſetzung). ö
3 Als Walter und ſeine Frau ihn mit warmen Worten
haten, doch den heiligen Abend in ihrem Kreiſe zu ver-
Nungen, da ſchüttelte er faſt heftig den Kopf. Welches
Ninnd gab es zwiſchen ihm und dieſen Glücklichen! Sie
aegten in ihren Armen ein ſchönes Kind, ſie liebten ein-
u er und Nichts vermochte ihren Frieden zu ſtören. Ju-
Hein,fühlte ſich nicht ſtark genug, das fremde Glück in
nem eigenen, tiefen Elend neidlos mit anzuſehen.
w.. Unbewußt kehrte ſelbſtauäleriſch die Erinnerung immer
Eeder zurück zu den Bildern des letzten Weihnachtsabends.
ind anchlebte im Geiſte jene Begegnung auf der Treppe
ſich., ſah die erſchreckende Bläſſe des ſchönen, traurigen Ge-
Oͤtes, das ſich Secunden lang an ſeine Bruſt ſchmiegte.
Arme Eliſabeth! Sie war über ihre Kräfte verſucht
Kheden, ſie wollte fliehen, bevor die Täuſchung in Betrug
Wenng, aber ihr fehlte der Muth, ſich von ihm zu
nnen, eben weil ſie ihn liebte.
5 Alle ihre Unruhe an jenem Tage der Verlobung, ihr
enſchaftliches, widerſpruchsvolles Weſen während der
Lehdeitsreiſe und ſpäterhin im eigenen Hauſe — war es
t immer der Beweis innerer, verzehrender Gewiſſensangſt?
hr Er hatte es ja ſelbſt ſo oft, ſo oft geſehen, er hatte es
auch geſagt. ö
and Jegt ſaß ſie neben dem Bette ſeiner Mutter, und ihre
hei ſeine eigenen Gedanken begegneten ſich in gleichem un-
eilbarem Leid.
Er ballte die Fauſt. O, dieſer Verruchte! Weshalb
mußte er kommen und den Sturm entfeſſeln! Es hätte
ſich vielleicht Alles allmählich ausgeglichen, es wäre mit
den Jahren ſtiller und ſtiller geworden. Kleine zarte Händ-
chen flochten um die halb getrennten Herzen ein neues hei-
liges Band, als Vater und Mutter hätten ſich an der Wiege
ihres Kindes die früher Entzweiten in reinerer Liebe ver-
eint, und die Vergangenheit mit ihrer Schuld, ihrer Schande
wäre ewig in Dunkel gehüllt geblieben.
Aber jetzt?
Er vergrub das Geſicht in beide Hände. Eine Ant-
wort auf die erſchütternde Frage gab es nicht.
Stunde nach Stunde verrann, tiefe Finſtemiß deckte die
Straßen, und in allen Häuſern war der Wrihnachtsjubel
verhallt. Julius fühlte, wie ihm das Blut in den Schläfen
hämmerte, wie ihn die Stille und Einſamkeit gleich eben
ſo vielen glühenden Fäden umſpannen und ſein Gehirn er-
drückten. Er konnte es in dem engen dunklen Zimmer nicht
länger aushalten. Wie immer, wenn es in ihm zu ge-
waltig ſtürmte, ſehnte er ſich hinaus in die freie Natur,
dem Wind und der Kälte entgegen. Jetzt ſchliefen auch die
glücklichen, zufriedenen Menſchen ſchon alle. Wer ihm etwa
auf der Straße noch begegnete, der war ſelbſt ein Ausge-
ſtoßener, eine arme Seele, die auf Erden kein Heim, keine
friedliche, warme Stätte mehr beſaß. ö
Er ſchlich ſich leiſe fort und ging um die Stadt herum,
wie damals vor Jahresfriſt, aber mit welch' anderen, troſt-
loſen Gedanken erſchien ihm auch die Erinnerung an das
junge Mädchen mit der reinen, offenen Stirn und dem un-
ſchuldigen Herzen.
„Arme Anna, wo magſt Du ſein? Ob Du meiner ge-
denkſt an dieſem Abend der Freude und des Glückes? Ob
Dich andere Bande feſſeln und das Bild des Freundes aus
Deinem Gedächtniß verwiſchten? — Gott ſegne Dich tauſend-
fach, Gott ſchenke Dir alle Blüthen des Lebens!“
Er ging unwillkürlich langſamer. Die Biegung des
Weges führte ihn an dem Hauſe ſeiner Mutter vorüber.
Da oben ſchimmerte noch Licht. — Was bedeutet das 2
Und jetzt erſchien der helle Strahl am Treppenfenſter,
dann im Erdgeſchoß — man begleitete offenbar einen Fort-
gehenden zur Hausthür.
Julius blieb ſtehen. Ein unangenehmes Gefühl hatte
ihn ergriffen. Er wollte ſehen, wer da oben noch ſo ſpät
geweſen war.
Ein Mann trat auf die Straße hinaus, und während
er hinter ſich die Thür ſchloß, fiel Secunden lang der
Lichtſchein von drinnen auf die Geſtalt des Doctors. Der
Unbekannte trat ihm zögernd einige Schritte näher.
„Hartmann,“ ſagte er mit gedämpfter Stimme, „biſt
Du es2*
Gott!“
Der Andere bot ihm die Hand.
„Guten Abend!“ ſagte er treuherzig, wie es ſchien, in
nicht geringer Verlegenheit. „Was machſt Du denn hier,
Julius? Um die Wahrheit zu geſtehen — ich war eben
im Begriff, Dich aufzuſuchen.“ x
(Fortſ. folgt.)
Placat⸗Anzeigrr-
„Berger!“ rief Julius, plötzlich erſchreckend. „Mein
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