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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0555

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Placat⸗Anzeiger.

Nr. 270.

Mlittwach, den 17. Rouember

1886

* Politiſche Umſchau.
Heidelberg, 17. November.
Die Neue Badiſche Landeszeitung veröffentlicht eine ihr
von einem Mitgliede des demokratiſchen Wahlcomités
zugegangene Zuſchrift, die ſich über den Zuſtand der Mann-
heimer Demokratie ausläßt. Es wird darin unverblümt
geſagt, daß die Schwäche der Partei einen Grad erreicht
hat, daß man von vornherein auf eine thatkräftige Wahl-
agitation verzichten mußte. Eine demokratiſche Candidatur kam
deshalb nicht zu Stande, weil in den Parteikreiſen Nie-
mand aufzutreiben war, der ſich zu dieſer Opferrolle
hätie hergeben wollen. Dieſes von competenter Stelle ge-
gebene Bulletin über den Krankheitszuſtand der Partei
hindert die N. B. L. aber nicht, ſich die glänzendſten Zu-
kunftsbilder von einer demokratiſchen Renaiſſanceperiode
auszumalen. Der ſüße Wahn iſt ihr geblieben. Die Frkf.
Zig. giebt für diejenigen Mannheimer Demokraten, welche
ſich der Wahl nicht enthalten wollen, die Parole aus, für
jeden anderen Kandidaten eher zu ſtimmen, als für den der
Nationalliberalen oder Konſervativen. Alſo entweder für
den Zentrumsmann oder für den Sozialiſten!
Der in ſeinen abſchließenden Ziffern nunmehr bekannt
gewordene Reichs haushalt für das nächſte Jahr zeigt
ein keineswegs erfreuliches Bild. Die Geſammtausgaben
betragen rund 502,5 Millionen, das iſt 53,5 Millionen
mehr als im Vorjahr. Der Hauptaufwand bei den ein-
maligen Ausgaben von rund 43,5 Millionen iſt für mili-
täriſche Zwecke vorgeſehen; es ſind die Durchführung der
Bewaffnungsreform und Caſernen und Befeſtigungsbauten.
Es nützt wenig, meint die Köln. Ztg., wenn man die Hände
darob ringt, daß eine Anleihe von 72 Millionen nöthig
ſein wird, um den Fehlbetrag zu decken, man wird die
Nothwendigkeit der verlangten Summen zu prüfen und
danach ſich zu entſcheiden haben. Insbeſondere geht es bei
militäriſchen Fragen nicht an, ſich auf den Standpunkt zu
ſtellen, daß man nichts anſchaffen dürfe, was man nicht
baar bezahlen könne. Erleidet dieſer Grundſatz ſchon im
geſchäftlichen Leben viele Ausnahmen, ſo iſt er für den
Haushalt großer Staaten ganz und gar unanwendbar.
Nach dem L'Univers hat der Vatikan an die Nun-
tien als Fortſetzung der vor ſechs Wochen erlaſſenen Note
ſoeben eine zweite Note verſandt mit dem Auftrage, die-
ſelbe den Regierungen, bei denen ſie beglaubigt ſind, mit-
zutheilen. In dieſer ziemlich ausgedehnten Note ſtellt der
Vatikan die unerträgliche Lage dar, in welche der Papſt
nicht nur als „Souverain der päpſtlichen Staaten“, ſon-
dern auch, als Oberhaupt der katholiſchen Kirche durch die
anticlerikalen Kundgebungen, die in der letzten Zeit ge-
halten worden ſind, gerathen ſei. „Die Perſon des hei-
ligen Vaters“, heißt es in der Note, „iſt dadurch ge-
ſchmäht, die Religion geſchändet worden; man hat darin
die Abſchaffung des Garantiegeſetzes und die Streichung
des Art. 1 der italieniſchen Verfaſſung, welcher die katho-
liſche Religion für Staatsreligion erklärt, gefordert. Die
dem Papſt bereitete Lage wird noch unerträglicher infolge
der Mithülfe der italieniſchen Regierung, welche den Anar-
chiſten bei ihren Angriffen auf die Religion und ihren Be-
ſchimpfungen gegen den Papſt freies Spiel laſſe.“
Es war vielleicht eine Warnung, als die Nordd. Allg.
Ztg. neulich darauf aufmerkſam machte, daß eine Beſetzung
Bulgariens durch Rußland leicht ein zweites Polen
für dieſes Reich ſchaffen könne. Nun fehlt den Bulgaren
vieles, was das nationale Bewußtſein der Polen aufrecht

hält, insbeſondere eine große Vergangenheit, alte Kultur,‚

lange genoſſene Freiheit. Dennoch hat man bemerken kön-
nen, daß die flüchtige Berührung der Bulgaren mit dem
ruſſiſchen Regiment, welche der Krieg im Jahre 1877
brachte und welche in ſchwächerer Weiſe nachher durch
ruſſiſche Offiziere und Beamte fortgeſetzt wurde, bereits
genügt hat, um den maßgebenden bulgariſchen Geſellſchafts-

klaſſen eine lebhafte Scheu vor ruſſiſcher Herrſchaft einzu-
flößen. Wenn in Dubnitza die Bauern zu Rußlands
Ehre ihren Präfekten und andere Standesperſonen ab-
ſchlachteten, ſo wird kein Vernünftiger in dieſen Leuten be-
merkenswerthe politiſche Gewalten ſehen wollen. Was und
wer die Triebfeder dieſer Greuel geweſen, macht ſich leicht
kenntlich ſchon durch die Erklärung der Mordbanden, daß
die Gegner Rußlands von ihnen Steuern erheben, Ruß-
land aber als Herrin des Landes keine Steuern fordern
werde. Da iſt nun wieder einmal die alte ruſſiſche Waffe
klar in Thätigkeit, die ſchon ſeit lange von der ruſſiſchen
Politik gehandhabt wird, ſo in Bulgarien, in Aſien, ſo in
Volen, Lithauen, den Oſtſeeprovinzen, die Aufwiegelung der
Maſſen gegen die obern Klaſſen durch Geld und leere Ver-
ſprechungen. Rußland hat es ſo fertig gebracht, im Weſten
von einem Halbkreiſe ihm als Staat feindſeliger Provinzen
begrenzt zu ſein. In Finnland iſt der Ruſſe bei Schweden
wie Finnen verhaßt, in Livland — d. h. den drei Pro-
vinzen dieſes alten Namens — iſt alles, was ſtaatlich
ruſſiſchen Charakters iſt, verhaßt; der Lithauer iſt heute
bereits nicht fern von dem Haß, der den Polen längſt be-
ſeelt, und nun ſchließt ſich glücklich auch noch der Haß der
Südſlawen an jenen an. Daneben iſt der Kleinruſſe in
den Dniepr⸗ und Dnieſtr⸗Gebieten auch längſt unſicher ge-
worden. Denn jenes Syſtem iſt ihm im Grunde nur die
Fortſetzung einer alten Praktik, welche bereits in früheren
Jahrzehnten, ja, Jahrhunderten bei neuen Eroberungen
gern angewandt wurde und gerade in Kleinrußland mehr-
mals angewandt worden iſt. Indeſſen bildet die Kirche
immerhin ein Band, welches Kleinrußland noch ſtark an
Moskau feſſelt. Zum erſten Mal aber ſehen wir nun in
Bulgarien, daß auch die Kirche nicht ſtark genug iſt, um
den ruſſiſchen Einfluß feſtzuhalten.

Deutſches Reich.
Karlsruhe, 16. Nov. Das Geſetzes⸗ u. Verordnungs-
Blatt für das Großherzogthum Baden Nr. 48 vom Heutigen
enthält:
Eine Verordnung des Miniſteriums des Innern vom 10.
November, die Steuermannsordnung für die obere Rheinſtrecke,
hier die Höchſtbeträge der Stenermannslöhne betreffeud.
Berlin, 16. Nov. Die Strafverſetzung des Amts-
gerichtsraths Francke in Ratzeburg hat, obwohl dieſelbe
auch mit einer materiellen Einbuße verknüpft iſt, im allge-
meinen wenig befriedigt und ſelbſt die hochconſervative
Kreuzzeitung ſpricht über das gegen ihren früheren Partei-
genoſſen eingeſchlagene amtliche Verfahren lebhaften Tadel
aus. Die Fälſchung einer fremden Unterſchrift, ſchreibt das
Blatt ſehr richtig, würde alſo als etwas mit der Würde
des Richteramtes nicht ſchlechthin Unvereinbares anzuſehen
ſein. Außerdem würde ein ganz unzuläſſiger Unterſchied
zwiſchen Gerichtsbezirken erſten und zweiten Ranges ge-
macht werden. „Soll etwas irgendwo in Oſtpreußen oder
Poſen gut genug ſein, was in Ratzeburg unmöglich ge-
worden iſt? Wir glauben, daß jeder Bezirk, der mit
Herrn Francke eben beglückt werden ſoll, das Recht hätte,
ſich hierüber als über eine capitis deminutio zu beſchweren.
Wenn es thatſächlich gewiſſe Gegenden in Deutſchland gibt,
die als „Verbannungsorte“ gelten, ſo hängt das mit kli-
matiſchen oder ſozialen Verhältniſſen zuſammen; mit ſitt-
lichen Zuſtänden kaun es ohne die tiefſte Kränkung für die
Nächſtbetheiligten nicht in Verbindung gebracht werden.“
Berlin, 16. Nov. Der Kaiſer leidet in Folge einer
Erkältung an einer leichten Heiſerkeit, wie ſie ſich bei ihm
öfters zeigt. Er hat ſich deshalb einige Schonung auf-
erlegt. — In dem letzten Miniſterrath ſind, wie es heißt,
umfaſſende Feſtſetzungen bezüglich des Reichstages wie des
Landtages erfolgt. Es wird berichtet, daß die Reichs-
tagseröffnung in dem Weißen Saale des königlichen
Schloſſes ſtattfinden werde, ob durch den Kaiſer in Perſon
oder durch den Staatsſecretär des Innern v. Bötticher, hängt

von der Geſundheit des Kaiſers ab. Man erwartet, daß
die auswärtige Lage in der Thronrede berührt werde. —
Die in dem Freiberger Prozeß verurtheilten
Socialiſten haben am 15. November ihre Haft ange-
treten, darunter; der Reichstagsabgeordnete Dietz, der 6
Monate zu verbüßen hat, in Chemnitz; die Reichstagsabge-
ordneten Auer, Bebel, Frohme, Viereck und v. Vollmar,
welche zu 9 Monaten Gefängniß verurtheilt ſind, in Zwickau.
Schwerin, 16. Novbr. Der Kronprinz iſt heute
Mittag 12½ Uhr eingetroffen; heute Abend wird ihm ein
Fackelzug gebracht werden.
Oeſterreichiſche Monarchie.
Wien, 16. Nov. Nach Meldungen aus Sofia dürften
die neueſten, zum Theil noch unerfüllten Forderungen
des Generals Kaulbars zumeiſt abgelehnt werden,
wodurch die Lage wieder bedenklicher werden würde. Die
Zeitungsnachrichten über die ruſſiſchen Rüſtungen am
Schwarzen Meere ſind bisher nicht beſtätigt worden. —
Bis jetzt iſt die Candidatur des Dadian von Min-
grelien hier nicht amtlich angemeldet worden. Angeſichts
des unangenehmen Eindrucks, den die Nachricht von der-
ſelben bei allen Mächten hervorgerufen hat, wird die Hoff-
nung ausgeſprochen, daß man in Petersburg darauf ver-
zichten werde, den Bulgaren einen ruſſiſchen Unterthan als
Fürſten aufzudräugen. Die Candidatur Bozo Petrovics iſt
von dieſem ſelbſt in Paris, Rom und Wien mit dem Hin-
weis auf ſeine angeblich weſteuropäiſche Geſinnung und
Bildung eingefädelt worden, jedoch dürfte Oeſterreich der-
ſelben niemals zuſtimmen.
Peſt, 16. Nov. Die ungariſche Delegation ge-
wann die Ueberzeugung, daß ein Uebereinkommen mit Eng-
land, welches eine Unterſtützung für beſondere Fälle be-
treffe, mit dem deutſchen Bündniß in organiſchem Zuſam-

menhange ſtehe. Bei der Erörterung über die Rede des

Miniſters des Auswärtigen Grafen Kalnoky in dem
Ausſchuſſe der ungariſchen Delegation erklärte Graf An-
draſſy, er glaube auch heute noch, daß den Frieden Eu-
ropas nichts ſo ſehr verbürge, als ein Bündniß mit Deutſch-
land, deſſen Intereſſen mit denen Oeſterreich⸗Ungarns in
keiner Weiſe ſich durchkreuzten. Sobald aber der Ausgangs-
punkt der auswärtigen Politik der Monarchie dahin ge-
richtet ſei, daß in der orientaliſchen Frage auch Rußland
beſonders berückſichtigt werden müſſe, werde die Lage eine
veränderte. Ein Doppelbündniß mit Deutſchland und Ruß-
land ſei für Oeſterreich⸗Ungarn nicht mehr das, was es
früher geweſen. Bei dem von Tisza aufgeſtellten Programm
ſei der Beiſtand Dentſchlands unter allen Bedingungen
Oeſterreich⸗Ungarn geſichert. — In Bulgarien herrſchen
legale Zuſtände, nur die Verſchmelzung mit Oſtrumelien
müſſe noch näher geregelt werden. Rußland beſitze Bul-
garien gegenüber keinerlei Vorrechte. ö
Ausland. *
Paris, 15. Nobbr. Bezüglich der bedeutungsvollen
Rede, welche Kriegsminiſter Boulanger geſtern bei der
Jahresverſammlung der Turnvereine der⸗Seine hielt, iſt es
von Werth, den Wortlaut jener Stelle kennen zu lernen,
in welcher ſich der Miniſter über den Frieden ausſprach.
Dieſelbe lautet: „Der fortwährende Austauſch zwiſchen
dem Heere und der Familie wird die Nation ſtark machen
und ihren Arbeiten und Uebungen jenes nationale Gepräge
geben, welches dieſelben volksthümlich macht und ihnen auf
dem ganzen Gebiete der Republik Anhänger wirbt. Dieſe
Bewegung der Geiſter iſt zuweilen unrichtig beurtheilt und
von Einigen als von Angriffsgedanken eingegeben betrachtet

worden. Solche Leute aber ſind entweder ängſtlich oder

blind und wiſſen nicht, oder ſtellen ſich, als ob ſie nicht
wüßten, daß jedes Land, das leben will, ſtark ſein muß,
und daß die erſte Bedingung für die Entwickelung der

geiſtigen, induſtriellen und commerciellen Hilfsquellen eines

großen Volkes die auf das Bewußtſein ſeiner Kraft ge-
—7

Concert des Inſtrumentalvereins.

V33 Heidelbers. 16. Novbr. Die Abonnements⸗Concerte des
Inſtrumentalvereins, die den Kern des muſikaliſchen Lebens in
uUnſerer Stadt während der Winterſaiſon bilden, haben am Mon-
tag ihren Anfang genommen. Zwei Soliſten, eine Pianiſtin und
ein Säuger traten an dieſem Abend auf und zwei ältere Orche-
ſterwerke, eine claſſiſche Somphouie und eine im Coneertſaal
heute weniger gehörte Ouverture gelangten zur Aufführung. Die
Pianiſtin, Frl. Haaſters hatte ſich ſchon früher in Begleitung
der Frl. Diua Beumer ſehr vortheilhaft hier eingeführt. Ihr
geſtriges Auftreten hat bewieſen, daß ſie nicht ſtehen geblieden,
daß vielmehr ihr reiches Talent zu ſchöner Reife gelangt iſt.
Was ſie bietet, macht einen ungemein gediegenen Eindruck; ſie iſt
noch frei — und wird es hoffentlich auch bleiben — von dem
Virtuoſenhaften im ſchlimmen Sinne und deſſen effekthaſchenden
CExcentricitüten. Erſt vor Kurzem haben wir eine von jenen
concertirenden Damen zu hören bekommen, die bei eminentem
Können durch ihre Kraftparaden eben doch uur den Eindruck machen,
als wollten zie das Prädikat „ſchwach“, das man ihrem Geſchlecht
beilegt, am Flügel dementiren. Möge ſich Frl. Haaſters muedenn
ſunde Einfachheit, die ſie heute zeigte, erhalten. Sie bat in dem
Vortrag des Beethovenſchen Es-Aur⸗Concerts ihre Künſtlerſchaft
im beſten Licht erſcheinen laſſen. Eine allſeitig durchgebildete
Technik, namentlich ein voller und klarer Anſchlag, ſaubere Aus-
jührung des Paſſagewerks (namentlich die zarten Paſſagen ge-
langen vorzüglich), ein verſtändnißvoller, nie unerlaubt kühner
Vortrag verhalfen dem herrlichen Werke zu einer genußreichen

als tüchtiger Begleiter.

Interpretation. In dem Adagio des Concerts ſowie in dem
Raff'ſchen „Abends“ bewies ſie, daß ſie auch getragene Stücke mit
feinem Gefühl wiederzugeben weiß. In der Liszt'ſchen Tran-
ſeription — eine der weniger glücklichen Compoſitionen Liszt's —
ſpielte ſie namentlich den Elfenreigen mit virtuoſer Eleganz
und Klarheit. Auf den verdienten ſtürmiſchen Applaus und Her-
vorruf hin gab ſie — als echte Kölnerin — Hillers „Zur Gui-
tarre“ zu. Herrn Keller lernten wir als einen Sänger, der
im Beſitz einer großen voluminöſen und markigen Stimme iſt,
kennen. Dieſe iſt ein hoher Baryton, der volllommene Tenorfär-
bung hat und namentlich nach der Höhe zu wohlklingend iſt.
Seine Ausſprache iſt von lobenswerther Deutlichkeit. In der oft
gehörten, aber immer wieder durch ihre Kraft packenden Arie des Hans
Heiling zeigte er ſich für leidenſchaftlichen Vortrag veranlagt, die Lie-
der, namentlich die auf den lehhaften Beifall hin erfolgte Zugabe
von Seidel, wurden friſch und kraftvoll vorgetragen. Or. Keller
hatte übrigens mit einer offenbar im Zunehmen begriffenen In-
dispoſition zu kämpfen und mag auch dieſe Schuld daran geweſen
ſein, daß ſeine Tonbildung, namentlich ſein ſchmetterndes Forte
nicht ganz befriedigte. Herr Halven bewährte ſich am Klavier
In der Leitung der Symphonie Nr. 4
in B-dur von Beethoven hat Hr. Mufikdirektor Boch zum erſten
Mal in dieſer Saiſon in bewährter Weiſe ſeinen Dirigentenſtock
geführt. Das Werk wurde in recht dankenswerther Anfführung
zu Gehör gebracht. Namentlich das düſtere einleitende Adagio
gelang und ebenſo wurde der Schlußſatz friſch und ſchwungvoll
geſpielt. Auch die rythmiſchen Schwierigkeiten des Scherzos wur-
den glücklich überwunden. In dem Adagio hätte nach unſerem

e Erzählung von Bald. Möllhauſen: Seemannsblut.

Geſchmack ein etwas belebenderes Tempo der andachtsvollen Rube,
die in dieſem Satz herrſcht, keinen Abbruch gethan. Glatt und
mit guter Schattirung wurde die den Abſchluß bildende
Ouverture von W. Sterudale Bennett geſpielt. Es
iſt ein nicht eben geniales, ganz in Mendelsſohnſcher Farbe
gefärbtes aber anmuthig und leicht hinfließendes Opus. Das
Publikum drückte dem langjährigen Leiter der Inſtrumental-
Concerte durch warmen Beifall ſeine Anerkennung für die gnute
Durchführung der beiden Orcheſterwerke ans. In der Begleitung
der Arie und namentlich in dem Clavierconcert, das bei ſeinen
ſchwierigen Orcheſtereinſätzen eigentlich ein längeres Zufammen-
wirken von Soliſt und Orcheſter fordert, machten ſich einzelne
Unebenheiten geltend. Dem Horn, dieſem unberechenbaren und
eigenſinnigen Inſtrument, blieb gelegentlich in der Entrüſtung
über die Zumuthungen, die ihm Beethoven macht, der Ton gud
in der mekallenen Kehle ſtecken. Dr. 8.

— Dieübermalten Photographien der Defregger-

ſchen Gemälde ſind jetzt aus den Schaufenſtern der Kunſthand-

lungen in Berlin verſchwunden — die Kriminalpolizei hat ſie mit
Beſchlag belegt. Die Beſchlagnahme erfolgte auf direkte Veran-
laſſung des Künſtlers, welcher den Vertrieh dieſer farbigen Re-
produktionen verhindern will und ſich auf dem Proceßwege das;
Recht der Confiscation erſtritten hat. Das Beiſpiel Defreggers
befolgend, haben noch drei andere Maler, nämlich Plockhorſt,
Rau und Ohm, die nöthigen Schritte gethan, um die auf dem

Wege der farbigen Reproduktion erfolgende geſchäftsmäßige Aus-

nützung ihrer Bilder unmöglich zu machen.
 
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