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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0529

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Tagblatt und Berkündiger für die Stadt Heiderberg.

Irſerliorsgebihr
15. für die 1ſpal-

74 lige Petitzeile oder
deren Raum. Für
hieſ. Geſchäfts-
u. Privatanzeigen
4* bedeut. ermäßigt.
Gralis-Aufnahmt

d. Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger.

Mittwoch, den 10. Mibenbrt

1886

v. 204.

Deutſches Reich.
++ Heidelberg, 9. Nov. Nachdem der Pf. B. ſeine
Artikel über die rechtsgeſchichtlichen Verhältniſſe der Heilig-
geiſtkirche zu Ende geführt hat, wiederholt er ſeine Ver-
ſicherung, daß ſein geſchichtlicher Gewährsmann weder Jeſuit
noch überhaupt Katholik ſei. Dadurch gewännen deſſen
hiſtoriſchen Ausführungen eine Bedeutung, vor welchen die
»feilen Phraſen und Tiraden“ der H. Z. vollſtändig hätten
verſtummen müſſen. Wir ſind aber nicht verſtummt, weil
wir den „hiſtoriſchen Ausführungen“ irgendwelches über-
zeugendes Gewicht beigelegt hätten, ſondern weil wir die
olemik gegen einen ſolchen „Hiſtoriker“ nicht fortſetzen
wollten, weil es uns widerſtrebte, mit einem Manne zu
reiten, welcher nach Janſſen'ſchem Recepte in Geſchichte
nacht, dem es bekanntlich nicht ſowohl um die Wahrheit
ds um das Rechtbehalten zu thun iſt. Was ſoll es nützen,
t einem Manne uns auseinander zu ſetzen, der mit einer
vorgefaßten übelwollenden Meinung ſeiner eigenen Kirche
— er iſt doch wohl Proteſtant — gegenüberſteht und auf
threr Seite nur Unrecht und Irrthum zu ſehen vermag;
der augenſcheinlich die religiöſen Mächte, die zur Refor-
mation drängten und in ihr wirkſam waren, nicht verſteht
eder nicht zu verſtehen entſchloſſen iſt; der die Vergangen-
it ſeiner eigenen Heimath und die Männer der Refor-
ation in ſo pietätloſer Weiſe mißhandelt! Nein, er mag
keine »„hiſtoriſchen Ausführungen“ nach Belieben weiter
dinnen; wir werden ihn nicht ſtören, und ſeine „hiſtoriſchen“
Seiltänzerkünſte werden uns nur ein Lächeln koſten. Die
norurtheilsloſe, wirklich unparteiiſche Geſchichtsforſchung wird
ich durch derartige Künſte nicht beirren laſſen und über den
derrn X und Genoſſen zur Tagesordnung übergehen.
Karlsruhe, 8. Nov. (Amtlich.) Se. Königl. Hoh.
Großherzog haben den nachgenannten Beamten die
nachgeſuchte Erlaubniß zur Annahme und zum Tragen der
nen von Sr. Maj. dem König von Württemberg
zerliehenen Kgl. Württemb. Orden ertheilt, nämlich: dem
präſidenten des Miniſteriums der Finanzen, Geheimerath
Ellſtätter, für das Großkreuz, dem Generaldirector der
Staatseiſenbahnen, Geheimerath Eiſenlohr, für das Com-
henthurkreuz 1. Claſſe, dem Miniſterialrath Zittel für
zas Commenthurkreuz 2. Claſſe des Kgl. Friedrichsordens,
em Baurath Wasmer für das Ritterkreuz des Königl.
ronenordens und dem Bahnbauinſpector Gockel in Wol-
fach für das Ritterkreuz 1. Claſſe des Königl. Friedrichs-
urdens; ferner wurde dem Schmiedmeiſter C. Billmann

Baden die nachgeſuchte Erlaubniß zur Annahme und

aum Tragen der ihm von Sr. Maj. dem Deutſchen
Raiſer und König von Preußen verliehenen Rothen
Werorden⸗Medaille ertheilt.
Karlsruhe, 9. Nov. Die Abreiſe des Erbgroß-
berzogs und der Erbgroßherzogin zum Winteraufent-
Halt in Cannes erfolgt am Donnerstag, den 11. ds. Ihre
l. Hoheiten werden begleitet ſein von der Hofdame Fräul.
Kleiſer, dem Hofmarſchall Frhrn. v. Freyſtedt und dem
Ordonnanzofficier Hauptmann Dürr. ö
Marnhein, 8. Nov. (Nationallib. Verſemmlung. Schluß).
derr Diffen s wurde bei ſeinem Erſcheinen auf der Rednerbühne
W dem levhafteſten Beifall begrüßt. Redner ſpricht zunächſt der
Irſammlung ſeinen beſten Dank für den Empfang und das ihn
hoch ehrende Vertrauen aus. Er dehnt dieſen Dank aus auf
bat Vorredner, der in ſo trefflicher Weiſe ihm den Pfad geebnet
abe. Mit Verlangen haberer dem heutigen Tag entgegengeſehen,
n dem es ihm vergönnt ſei, ſein politiſches wie wirthſchaftliches

BAaubensbekenntniß abzulegen. Man habe die Güte gehabt,

ohne vorherige Programmrede ſeine Cawihal ur aufzuſtellen. Er
erblicke darin ein Zeugniß des Vertranens, welches in dem gan-
zen Leben und Wirken eines Mannes das deſte Glaubensbekennt-
niß, die ſicherſte Cewähr für die treue Erfüllung ber übernom-
menen Berpflichtung erſehe. Immerhin bekenne er, daß es einem
Candidaten ſelbſt daran gelegen ſein müffe, engere Fühlung mit
ſeinen Wählern zu finden. Den Hauptyunkt ſeines Glaubens-
bekenntniſſes lege er auf die Betonung der Treue zu Kaiſer und
Reich. Als ſich 1870—71 die große Wandlung vollzog, habe er
nicht zu Jenen gehört, die ſich abſeits hielten, ſondern habe von
der erſten Stunde ab die Errungenſchaften herzlich begrüßt, als
eine Rettung der Nation ans unſäglicher Schwäche. Wer von
ſolchen Gedanken erfüllt ſei, in dem ſei ach das Bewußtſein ſtets
rege, für dieſe Errungenſchaften einziätreten. Jener ſchlimme
Geiſt, den man den Geiſt des Particulasmus telt, iſt augen-
blicklich zwar in den Hintergrund getreten Wer tärnt aber da-
für, daß dieſer Geiſt unter vꝛränderten Vathältniſſen ch nicht wieder
regt. Darum heißt es wachſam ſein. Nothwendig ſei es, das
Jeder, insbeſondere die Ingend, als Apoſtel des Sbangeliums der
Liebe zum Vaterlande auftrete. Wie ſehr wir Fon äußeren Fein-
den bedroht ſind, lehre ein Blick auf den Neid und die Scheel-
ſucht der auswärtigen Mächte. Der Gedanke an ein Milizheer iſt
glücklicherweiſe von der Bildfläche verſchwunden, aber gegen die
ſteigenden Koſten des Heeres regt ſich noch immer Stimmung.
Allein dieſen Mißvergnügten iſt die Frage entgegen zu halten:
Haben wir es in der Hand, dem Fortſchrilt in der Technik Ein-
halt zu gebieten oder uns zu unſerem Schaden deſſelben nicht zu
bedienen? Eine andere Forderung iſt auf Abänderung der Prä-
ſenzzeit gerichtet. Dieſelbe iſt ja ſo knapp als möglich zu halten,
d. h., ſo weit die Leiſtungsfähigkeit des Heeres nicht darunter leidet.
In der ſocialen Frage iſt beſonders zu betonen, daß die Be-
mühungen der Regierungen und der ihr naheſtehenden Parteien
dahin gehen, den wirthſchaftlich Schwachen beſondere Fürſorge
angedeihen zu laſſen. Die Anſchanungen und Forderungen der
ſoztaldemokratiſchen Partei ſind bei allem Wohlwollen für die
berechtigten Anſprüche des Arbeiterſtandes nicht zu billigen. Nach
den Ausſprüchen von jener Seite ſollte man glauben, die Arbeiter
ſeien eine freudloſe verlaſſene Klaſſe, um welche ſich Niemand
kümmere, ſelbſt nicht die Geſetzgeber. Der Vorredner hahe indeß
ſchon hingewieſen auf eine ganze Reihe von Geſetzen, welche An-
theilnahme an den Intereſſen des Arbeiterſtandes verbürgen.
Was haben denn dieſe Geſetze mit dem reichen Mann zu thun 2
Sie legen ihm Opfer auf und wenden ihre ganze Wohlthat —
womit wir von Herzen einverſtauden ſind — dem Arbeiter zu.
Damit iſ nur einer Pflicht genügt, es bleibt aber noch viel zu
thun übrig. Wie wohlthuend wär es geweſen, wenn man den
Vortheilen der ſocialpolitiſchen Greſetzgebung gegenüber in ſozial-
demokratiſchen Schriften nur ein einziges Mal auf das Wörtchen
„Dank“ geſtoßen wäre. Auf die Arbeiter⸗Schutzgeſetze übergehend,
hält es Redner für eine Pflicht der Partei, daß keine der berech-
tigten Forderungen von der Tagesordnung verſchwinde. Aller-
dings ſei es leichter, Forderungen zu ſtellen, als ſie zu erfüllen.
So z. B. jene des Normal⸗Arbeilistages. Man gehe hier von
dem Gedanken aus, daß kein Arbeiter über eine gewiſſe Anzahl
bon Stunden hinaus ohne Gefahr für ſeine Geſundheit und Ar-
beitsfähigkeit ſchaffen könne. „Es wird dem Staat die Pflicht
auferlegt, die Arbeitsſtunden feſtzuſetzen.. Der Gedanke iſt un-
beſtritten ein logiſcher und humaner, aber ſeine Ausführung ſtößt
auf die größten Schwierigkeiten. Die verſchiedenen Induſtrie-
zweige wirken verſchieden auf die Geſundheit der Arbeiter. Und
dann: wer ſoll den Verluſt tragen, wenn ſtatt der üblichen zehn
Stunden nur neun Stunden gearbeitet werden ſoll? Der Ar-
beiter kann es nicht, aber dem Arbeitgeber, der ohnedies der
neuen ſozialpolitiſchen Geſetzgebung große Opfer bringen muß,
iſt es doch auch nicht zuzumuthen. Der Unternehmergewinn iſt
ja ohnedies ſo bedeutend herabgeſunken, daß ſich die Frage auf-
drängt, ob bei der Einführung des gewünſchten Normalarbeits-
tages der Arbeiter nicht noch viel ſchlimmer daran wäre wie jetzt.
Es iſt ein großes Intereſſe darauf zu legen, daß dem Arbeiter
klar gemacht werde, daß nicht böſer Wille daran ſchuld iſt, wenn
ſeine Forderung nicht ſo leicht ſich erfüllen läßt. Wir haben die
Wahrnehmung gemacht, daß in der letzten Reichstags ſeſſion auch
von ſozialdemokratiſcher Seite nicht allein negativ, ſondern auch
aktiv vorgegangen wurde. Wir können dieſe kleinen Anfänge zui
poſitiven Mitwirkung nur freudig begrüßen. Zwiſchen den beiden
Lagern hat bisher vollſtändige Entfremdung beſtanden, vielleicht
iſt in der Begegnung auf dem Felde der gemeinſamen Arbeit
der erſte Stein zum Bau der Brücke des Verſtändniſſes zu finden.

In Bezug auf die Zollfragen betont Redner, wie ſchwer es ſei,
die Grenzlinie zwiſchen Schutzhändler und Freihändler zu ziehen.
Als im Jahre 1878 die Tabakproduktion infolge der Camphaufen-
ſchen Vorlage ſchwer bedroht war, habe ſich die Mannheimer
Handelskommer wie ein Mann einſtimmig dahin erklärt, daß dieſer
wichtige Produktionszweig erhalten bleibe, und von dieſem Ge-
ſichtspunkt aus ihre Forderungen geſtellt, die in der Hauptſache
ja auch erfüllt worden wären. In zollpolitiſchen Fragen ſei über-
haupt nicht nach feſtſtehenden Formen oder Schlagwörtern, ſon-
dern nur von Fall zu Fall nach Maßgabe des öffentlichen Ju-
tereſſes zu entſcheiden. Die Lage des Klein gewerbes ſei eine
ſchwierige. Die Uebelſtände, mit welchen es zu kämpfen habe, ſeien
nicht vorübergehender Natur, ſondern trügen einen dauernden
Charakter. Die üble Lage ſei entſtanden durch die Konkurrenz
der Großinduſtrie. Augenſcheinlich iſt, daß bei Maſſenartikeln
die Handarbeit nicht mit der Maſchinenarbeit in Wettbetrieb
treten kann. Das Kleingewerbe muß ſich deshalb jenen Feldern
zuwenden, auf denen die individuelle Geſchicklichkcit den Ausſchlag
aiebt. Dieſe Aenderung wird ſich allerdings nicht ganz leicht voll-
ziehen, aber es iſt doch nicht unmöglich, in einer Zeit, welche
große Anforderungen an gewiſſe Formenſchönheit ſtellt. Das Ge-
biet des Kunſtgewerbes iſt die Domäne des Kleingewerbes. Ein
wichtiger Factor, der eine neue Aera der Proſperität für das
Kleingewerbe herbeizuführen geeignet ſcheint, liegt vielleicht in der
erhöhten Ausnutzung der Elektricität. Das Kunſtgewerbe unferer
Tage hat ja angelnüpft an die beſten Traditionen unſerer natio-
nalen Produktion. Wir mi ſſen Alles aufbieten, um dieſen Weg
gangbar zu machen. In dieſer Beziehung kann auch die Bildung
von Innungen, ſofern dieſelben ſich nicht als Zwang binſtellen,
ſondern auf der Erkenntniß der durch ſie zu erlangenden Vor-
theile beruhen, gebilligt werden. Redner weist bei dieſer Ge-
legenheit auf die glücklichen Erfahrungen hin, welche der Lokal-
gewerbeverein Maunheim mit ſeiner Lehrlingsarbeits⸗Ausſtellung
gemacht habe Die Landwirthſchaft hat mit grozen Schwierig-
keiten zu kämpfen. Ihr Wohl und Wehe iſt aufs engſte mit dem
Gedeihen des Staates verkniſpft, und es iſt eine ganz beſondere
Pflicht des Staates, dafür einzutreten, daß ein geſunder, tüchtiger
Bauernſtand erhalten bleibt, ſelbſt wenn ſich dieſes Ziel auch
nur durch Aufbringung großer Opfer erreichen läßt. So hat
ſich Redner zu jeder Zeit ausgeſprochen, und deshalb mußte es
ibn überraſchen, wenn in einem auf dem Lande viel verbreiteten
Flugblatt ſeine Stellung zur Landwirthſchaft, wenn nicht als eine
ſeindſelige, ſo doch als eine kähle bezeichnet wurde. Es iſt ihm
der Vorwurf gemacht worden, er habe ſich einer Ermäßigung
der Grundſteuer gegenüber ablehnend verhalten. Dem gegen-
über müſſe er bemerken, daß, ſo lange er Mitglied der erſten ba-
diſchen Kammer ſei, nur ein einziges Mal, im Jahr 1882, ein
Antrag auf Herabſetzung der Grundſteuer von 28 auf 26 ½ ge-
ſtellt worden ſei. Er habe dem Antrag rückhaltlos zugeſtimmt,
zwar nicht ohne ſchweren inneren Kampf, denn es handelte ſich
um die Beeinträchtigung des Staatsbudgets um rund eine Million.
Da ſei es doch wohl Pflicht eines Abgeordneten geweſen, ſich die
Sache zu überlegen. Er habe indeß die Forderung als eine ge-
rechtfertigte erkannt, und eine berechtigte Forderung dürfe niemals,
unter keinen Umſtänden unterdrückt werden. Zum Schluß ſeines
außerordentlich beifällig aufgenommenen Vortrages berührt Redner
noch kurz die Dampferſubvention u. die Kolonialpolitik.
Bezüglich der erſteren ſei die Idee Bismarcks ſehr ſcharf ange-
griffen worden. Die Erfahrung habe aber gelehrt, u. heute könne
man konſtatiren, daß er auch diesmal recht hatte. Die ſubventio-
nirten Linien prosperiren über alles Erwarten, ſie haben
Handel und Verkehr die wünſchenswertheſten Dienſte geleiſtet.
Wenn — ſo ſchließt Redner — die Wahl einen für unſere Partei
glücklichen Ausgang nimmt, wenn mein Name aus der Urne her-
vorgeht, ſo leiſte ich Ihnen das Verſprechen, daß ich mit voller
Kraft eintreten werde für die mir anvertrauten Intereſſen, nicht
allein für kaufmänniſche oder ſpeciell Mannheimer Intereſſen,
ſondern für die Intereſſen Aller. Ich glaube Ihnen die Verhält-
niſſe ſo objectiv als möglich geſchildert zu haben, auch die Schatten-
ſeiten habe ich nicht vergeſſen, aber Sie werden doch mit mir den
Eindruck gewonnen haben, daß in dem ſo entſtandenen Geſammt-
bild das Licht überwiegt. Unwillkürlich lenkt ſich unſer Blick
immer wieder zurück auf den Vergleich gegen Sonſt und Jetzt.
Aus einem zerriſſenen uneinigen Staatenbund iſt Deutſchland zu
einem gewaltigen, weltbeherrſchenden Reich geworden. Muß uns
da nicht das Gefühl tiefſter Dankespflicht gegen den greiſen Kai-
ſer erfüllen. Als Kaiſer Wilhelm vor Kurzem aus Baden⸗Baden
ſchied, ſprach er die tief ergreifenden Worte: „Ob ich wieder-
——.



0

Frauenloos.
Von S. v. d. Horſt.
(Fortſetzung.)
Was bedeutete das?
Vor dem Beamten lagen wieder zwei Brieſe, deren einen
er jetzt entfaltete. „Die Damen kennen ſich?“ fragte er.
»Ich glaube faſt.
N Hedwig neigte den Kopf. „Fräulein Teubner iſt meine
itn dte,“ antwortete ſie in vollkommen ruhigem Tone. „Da
ch ſeit mehreren Tagen verreiſt war, iſt es mir heute erſt
nöglich geweſen, dem Gerichte gegenüber auszuſagen, was
hnnes Erachtens zur Sache gehört, — ich würde andern-
alls ſogleich geſprochen haben.“

Etwas wie ein Schwindel ergriff die Sinne des jungen

Vaädchens. Auch dieſe, ihre Gegnerin miſche ſich in die
Sache Welch' ein neues Spinngewebe von Verdächtigun-
en mochte jetzt erſonnen ſein!
. Der Unterſuchungsrichter ſah bald in das vor ihm
iegende Blatt, bald zu der Angeklagten hinüber. „Fräu-
ein Hedwig Günther deponirt eidlich, wie folgt,“ ſagte er.
„Sie hat vor etwa drei Wochen in der ſtädtiſchen Raths-
otheke gehört und geſehen, wie der Herr Varon von
erdeein auf Grund eines früher für ihn ausgeſtellten
nezebtes aus der Offizin ein Quantum Opium entnahm
dasſelbe zu ſich ſteckte. Die Zeugin erbietet ſich ferner,
W. ollſten Umfange für Sie zu bürgen, Fräulein Teub-
da; und Ihnen in ihrem eigenen Hauſe ein Aſyl zu ge-
hudren. Das Gericht hat beſchloſſen, Sie aus der Unter-
uchungshaft vorläufig zu entlaſſen, aber nur unter der Be-

dingung Ihres Verbleibens im Hauſe der Fräulein Günther.
Wollen Sie darauf eingehen, oder nicht?“
Hedwig erhob ſich. „Die Frage dürfte, wie ich glaube,
leicht zu entſcheiden ſein,“ ſagte ſie in freundlichem Tone.
„Du gehſt mit mir, nicht wahr, mein liebes Kind 2“
Pauline hob matt den Blick, ſie ſprach kein Wort, aber
ein Gefühl von unbeſchreiblicher Rührung, von einer inni-
gen ſchrankenloſen Dankbarkeit durchfluthete ihre Seele. Für
ſie, die Freundloſe, Verlaſſene, erhob ſich eine Stimme zur
Rettung, zur Vertheidigung, — man wollte ſich ihrer an-
nehmen, ſie beſchützen, ſie ſtand nicht mehr in der weiten
weiten Welt ſo ſchauerlich einſam da.
„Bei dem Namen Gottes,“ ſagte ſie, mühſam ſprechend,
zitternd am ganzen Körper, „ich bin ſchuldlos, ich habe

Rudolf's Mutter nicht vergiftet!“

Hedwig legte ſchützend den Arm um die Geängſtigte.
„Ich wußte es,“ lächelte ſie freundlich, „ich war von Deiner
vollkommenen Schuldloſigkeit immer überzeugt. So, jetzt
antworte dem Gerichte, daß Du bis zum Austrag der
Sache mein Haus nicht verlaſſen wirſt; es iſt nothwendig,
mein Kind!“
Pauline klammerte ſich mit beiden heißen, zitternden
Händen an den Arm ihrer neugewonnenen Beſchützerin.
„Ich bleibe bei Ihnen, Fräulein Günther,“ ſagte ſie halb
ſchluchzend, „o ja, ich bleibe bei Ihnen.“
Das war in der Weiſe eines erſchreckten Kindes ge-
ſprochen, aber es genügte doch dem Unterſuchungsrichter
vollſtändig. Zwei Minuten ſpäter ſaßen die beiden Damen
in jener hübſchen, kleinen Equipage, die Hermann vor acht-
zehn Jahren ſeiner jungen Schweſter zum Geburtstag

ſchenkte, — auch die Ponies, grau und etwas ſteif vom
Alter, aber ſonſt wohlerhalten, trabten noch muthig des
Weges, und nach einer Viertelſtunde ſtand Pauline in dem
kleinen, traulichen Wohnzimmer des Pavillons ihrer Tante
unter vier Augen gegenüben.
„Willkommen, mein armes Kind!“ ſagte Hedwigs milde,
ſympathiſche Stimme.
Pauline erzwang gewaltſam eine Ruhe, die nur äußer-
lich war. „Weshalb haben Sie ſich meiner angenommen,
Fräulein Günther?“ fragte ſie kaum verſtändlich.
Da ſahen die immer noch ſo ſchönen, glänzenden Augen
voll Innigkeit in die ihrigen. „Weil Du Hermanns Nichte
biſt, Kind, ſeine nahe Blutsverwandte. Willſt Du mich
nicht „Du“ und „Tante“ nennen?“
Pauline umſchlang mit beiden Armen den Nacken der
älteren Dame. „Ich will heute noch an den Juſtizrath
ſchreiben und meine Klage zurückziehen,“ flüſterte ſie mi
heiß erglühendem Geſichte.
Aber Hedwig ſchüttelte den Kopf. „Das darfſt Du
auf keinen Fall, Kind! Ich will den Prozeß gewinnen;
ich will, daß Hermanns Verfügungen voll anerkannt wer-
den, — das bin ich ſeinem Andenken ſchuldig.“
Pauline ſah ſie ängſtlich an. „Der Juſtizrath ſagt,
daß Du unbedingt verlieren müſſeſt, liebe Tante, — des
Geſuches wegen.“
Hedwig ſchien nicht zu verſtehen. „Welches Geſuch,
Kind 2
„Nun, — das an den Landesherrn.

was ich meine.“
0 (Fortſ. folgt.)

Du weißt ja.
 
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