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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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Tabakſteuer und Zuckerſteuer beide weniger 551 165 und
1983 853, Spielkartenſtempel 9415 weniger, deßgleichen
Wechſelſtempel 62 316, Staatslotterieſtempel 101 730 .
Hingegen brachte der Stempel für Werthpapiere mehr
1345 845, für Kauf⸗ und ſonſtige Anſchaffungsgeſchäfte
2 834 703, für Looſe zu Privatlotterieen 114 850 1α —
Für die Rundreiſekarten und deren Benutzung ſoll
eine neue weſentliche Erleichterung für den Fall, daß der
Reiſende unterwegs ſeinen Plan ändert, eintreten.
Berlin, 18. Dec. Heute Nachmittag um 1 Uhr fand
die feierliche Eröffnung des Muſeums für Völker-
kunde in Gegenwart des Kronprinzen ſtatt. Anweſend
waren u. a. die Miniſter v. Puttkamer, v. Goßler, May-
bach, Friedberg und Lucius, Staatsſecretär Graf Bismarck,
die Bundesrathsbevollmächtigten, die Vertreter der aus-
wärtigen Staaten, der Polizeipräſident, der Oberbürger-
meiſter v. Forckenbeck u. ſ. w. Um 1 Uhr erſchien der
Kronprinz mit der Kronprinzeſſin, vom Cultusminiſter und
Generaldirector Schöne empfangen. Miniſter v. Goßler
hielt die Eröffnungsrede, worin er einen Ueberblick über
die Entſtehung und Bedeutung der Sammlungen gab.
Sodann ergriff der Kronprinz das Wort, um im Auf-
trage des Kaiſers ſeiner Freude und Genugthuung für die
glückliche Vollendung des Werkes Ausdruck zu geben und
den allerhöchſten Dank auszuſprechen allen, welche am Werke
mitgewirkt. Der Kronprinz ſchloß mit dem Wunſche, daß
die neue Schöpfung jederzeit eine Stätte ſtrenger, unbe-
fangener, auf Wahrheit beruhender Pflege der Wiſſenſchaft
bleiben möge. Der Cultusminiſter ſchloß die Feier mit
einem Hoch auf den Kaiſer.
Berlin, 19. Dec. Der Kaiſer ertheilte heute Mittag
dem Afrikareiſenden Dr. Rohlfs eine Audienz. —
Gutem Vernehmen nach ſollen die Mitglieder der bul-
gariſchen Deputation heute einzeln vom Staatsſecretär
Grafen Herbert Bismarck empfangen werden.
Frankfurt, 18. Dec. Gegen die verhafteten in dem
Gefängniß auf der neuen Zeil internirten Social demo-
kraten wird die Unterſuchung immer noch mit großem
Eifer fortgeführt. Einzelne der Gefangenen erhalten öfter
Beſuche von Verwandten und Bekannten, welche jedoch nur
in Gegenwart von mit der Unterſuchung betrauten Beamten und
zwar in den Stunden von 1 bis 2 Uhr ſtattfinden; auch
verſchiedene Hausſuchungen ſind in voriger Woche wieder
vorgenommen worden, eine ſolche betraf die Wohnung ſo-
wohl wie die geſammten Geſchäftslokalitäten des in Unter-
ſuchungshaft ſitzenden Spezereihändlers Füllgrabe. Im Laufe
der Unterſuchung ſoll ſich das Beweismaterial ſehr gehäuft
haben, weshalb auch eine Anzahl auswärts wohnhafter
Anhänger der Partei in Unterſuchung gezogen, verhaftet und
hierher verbracht worden iſt. Es wurde,! wie es heißt,
nachgewieſen, daß nicht nur am hieſigen Platze eine feſte
Organiſation beſtand, ſondern auch Verbindungen in einer
großen Anzahl von Ortſchaften vorhanden geweſen ſind mit
Vorſtänden u. ſ. w. Damit ſollen auch Verhaftungen in
der Provinz Schleſien zuſammenhängen. Das Gefängniß-
beamtenperſonal und die Wachmannſchaft daſelbſt wurden
verſtärkt.
Stuttgart, 17. Dec. Die Kammer der Abge-
ordneten nahm heute das katholiſche Kirchengeſetz
mit 63 gegen 14 Stimmen an. Gegen dasſelbe ſtimmte
ein Theil des Clubs der Linken, ſowie verſchiedene Abge-
ordnete der anderen Fractionen, denen vom Standpunkte
ſtreng kirchlicher Geſinnung beide Kirchengeſetze wenig ſym-
pathiſch ſind. Der zweiten Kammer ging noch eine Petition
betreffs Verbindung der Neckar⸗ und Donauthalbahn mit
Anſchluß in Urach zu. Es ſind dem Landtag ſchon ver-
ſchiedene Petitionen wegen dieſer Verbindung zugegangen.
— In beiden Häuſern kam ſodann das kgl. Vertagungs-
reſcript zur Verleſung. Vorausſichtlich wird der Landtag
im Februar wieder zuſammentreten.

Aus Stadt und Land.
1+ heidelberg, 20. Dec. Der in Ihrem Blatte ſchon ſympathiſch
begrüßte liturgiſche Gottesdienſt hat geſtern Abend eine
überaus zahlreiche Gemeinde in der Providenzkirche verſammelt.
Und gewiß: Dieſe andächtige Menge in dem reich erleuchteten
Gotteshauſe bot allein ſchon einen erhebenden, erbaulichen An-
blick! Und nun die Orgel erbrauſend unter der Meiſterhand
Wolfrums, eine würdige Vorbereitung. Dann aber die Chöre,
die lebensvolle Antwort auf die glücklich gewählten Bibelworte,
die treffend und bedeutſam den Stufengang der Adventsſtimmung
bezeichneten, ein wahrhaft erbauliches, wohlgefügtes Ganzes. Wir
ſind Herrn Wolfrum, wie dem ev. Kirchenchor und ſeinem Vor-
ſtand und Dirigenten zu lebhafteſtem Danke verpflichtet, der
evang. Gemeinde eine ſolche ſtimmungsvolle Adventfeier bereitet
zu haben. Wir dürfen uns Glück wünſchen, ſolche Kräfte in
unſern Gemeindegliedern zu beſitzen, die unter der Leitung ihres

trefflichen Dirigenten, Herrn Herrigel, in einer Stadt wie Hei-
delberg ſolch' eine Aufgabe zu wagen und ſo glücklich wie geſtern
Abend durchzuführen im Stande ſind.
+4H Bridelbers. 20. Dec. Im Verlag der Buchhandlung von
Karl Groos iſt nunmehr das Adreß buch der hieſigen Ruprecht-
Karls⸗Univerſität für das Winterhalbjahr 1886,87 er-
ſchienen. Wie wir demſelben entnehmen, beſteht der akad. Lehr-
körper aus 93 Perſonen, den ordentlichen, Honorar⸗ u. außerordent-
lichen Profeſſoren ſowie Privatdozenten, wozu noch die zwei aka-
demiſchen Muſikdirectoren, die Sprachlehrer und Exercitienmeiſter
kommen. Prorektor iſt bekanntlich Herr Geh. Rath Bekker, Dekane
ſind die Herren Prof. Dr. Wendt für die theologiſche, Prof. Dr.
Buhl für die juriſtiſche, Geb. Rath Dr. Arnold für die medi-
ziniſche und Prof. Dr. v. Duhn für die philoſophiſche Fakultät.
Außerdem gehören dem engeren Senat noch an der Exprorector
Herr Geh. Hofrath Dr. Quincke, die Herren Geh. Rath Dr.
Becker und Geh. Hofrath Dr. Winkelmann und als Beiſitzer in
Disciplinarſachen Hr. Amtmann Freih. v. Krafft⸗Ebing. An der
Spitze des Verzeichniſſes der Studirenden ſtehen zwei fürſtliche
Namen, nämlich Ihre Großöh. Hoheiten die Prinzen Ludwig
Wilhelm und Max von Baden, beide der Juriſtenfakultät ange-
hörend. Die Geſammtzahl der immatrikulirten Studirenden be-
läuft ſich auf 772; außerdem ſind noch zum Beſuch der Vor-
leſungen 125 Perſonen reiferen Alters berechtigt, ſo daß die
Geſammtzahl der Hörer 897 beträgt, 29 mehr als im Winter-
ſemeſter 1885/86. Die Zahl der immatrikulirten Studirenden hat
ſich gegen das vorige Winterſemeſter um 27 vermehrt. Schon
ſeit einer Reihe von Jahren weiſt der Beſuch der Univerſität im
Winter eine ſtetige Vermehrung auf — hoffen wir, daß dieſes
Verhältniß ſich erhalten möge. Nach den Fakultäten geordnet
gehören von den immatrikulirten Studirenden au: der theologiſchen
72, der juriſtiſchen 193, der mediziniſchen 202, der philoſophiſchen
305. Von dieſen ſind bezw. 40, 66, 70 und 121 Badener; von
den Perſonen reiferen Alters ſind 33 Badener. Von den 278
neu angekommenen Studirenden ſind eingeſchrieben in der theo-
logiſchen Fakultät 14 Nicht⸗Badeuer, 21 Badener, in der juriſti-
ſchen 41 N.⸗B., 23 B., in der mediziniſchen 45 N.⸗B., 18 B., in
der philoſophiſchen 82 N.⸗B., 34 B. Nach Staaten und Nationali-
täten gehören die Studirenden an: dem deutſchen Reich 654,
darunter aus Anhalt 7, Baden 297, Bayern 45, Braunſchweig 4,
Bremen 6, Elſaß⸗Lothringen 3, Hamburg 13, Heſſen 37, Lippe 1,
Mecklenburg 11, Oldenburg 2, Preußen 202, Reuß ä. L. 2,
Sachſen, Königreich 11, Sachſen⸗Altenburg 2, Sachſen⸗Koburg-
Gotha 2, Sachſen⸗Weimar 1, Württemberg 8, ferner Oeſterreich
dieſſeits der Leitha 8, Königr. Ungarn und Nebenländern 7, der
Schweiz 16, Italien 1, Großbritannien 14. Frankreich 3, Ruß-
land und Polen 31, Rumänien 1, der Türkei 3, Bulgarien 6,
Amerika 20. Japan 6, Auſtralien 1, Afrika 1.
„geidelberg, 20. Dec. Wie unſere Leſer aus den Schwurgerichts-
berichten erfahren haben, ſind vom Mannheimer Schwurgerichte
2 Redakteure wegen Beleidigung durch die Preſſe verurtheilt wor-
den. Die gerichtlichen Verhandlungen entrollten ein recht un-
ſauberes Bild von den dortigen Preßzuſtänden und der Pfälzer
Kurr. ſagt: „Die Prozeſſe Frey und Becker zeigen deutlich —
was allerdings für den anſtändigen Theil der Mannheimer Ein-
wohnerſchaft längſt kein Geheimniß mehr war — durch welche
unwürdigen Mittel gewiſſe Blätter ihre geſchäftlichen Erfolge zu
erzielen ſuchen. Sie ſpekuliren auf die Luſt am Skandal, die arg
verbreitet iſt, leider auch in Kreiſen, wo Erziehung und Bildung
ſie verabſcheuen lehren ſollten. Viele Menſchen haben ja an nichts
mehr Gefallen, als an der Verunglimpfung des lieben Nächſten,
namentlich wenn dieſer eine geſellſchaftliche Stellung einnimmt,
ein bevorzugtes Amt bekleidet. Das wiſſen die Herausgeber jener
Blätter ſehr wohl und wiſſen es klüglich zu beuutzen zum Vor-
theil ihres Geldbeutels. Die gebildete Geſellſchaft ſollte aber ent-
ſchieden Front machen gegen die ſyſtematiſchen Verſuche, die Ver-
breitung gemeinen Klatſches, unbezeichenbarer Verdächtigungen
als eine journaliſtiſche Pflicht, als Zeichen der Selbſtſtändigkeit
und Unabhängigkeit eines Blattes hinſtellen zu wollen. Durch
dieſe Beſtrebungen wird die ideale Stellung der Preſſe ebenſo
untergraben, wie das Anſehen geſchädigt, welches ſie ſich im
Laufe der Zeit zu erwerden gewußt hat.“ Das ſind beachtens-
werthe Auslaſſungen, die nicht allein in Mannheim, ſondern auch
anderwärts beherzigt werden ſollten.
§ HBridelberg, 20. Dec. Vor einer zahlreichen Zuhörerſchaft, wie
immer, hielt Herr Dr. Arthur Kleinſchmidt am Sametag
Abend im Gartenſaale des Muſeums den fünften und vorletzten
ſeiner angekündigten öffentlichen Vorträge. Derſelbe hatte zum
Gegenſtande: Napoleon auf St. Helena. Der Herr Redner
wußte das ſchon an und für ſich intereſſante Thema p durch eine
ſchwungvolle Sprache und gedankenvolle Reflexionen noch beſonders
feſſelnd zu geſtalten. Eingehend ſchilderte er die durch fortgeſetzte
Zwiſtigkeiten und gehäſſige Auftritte ſchließlich ganz unmöglich
gewordenen Beziehungen zwiſchen dem gefangenen Kaiſer und dem
Gouverneur von St. Helena, Sir Hudſon Lowe. Bonapartiſtiſche
Geſchichtsfälſchung u. Legendenbildung hat die Schuld hierfür ganz
und ausſchlietzlich auf die Schultern des Gouverneurs gewätzt,
während es unzweifelhaft feſtſteht, daß der Jähzorn und das
unbotmäßige Verhalten Napoleons dafür verantwortlich zu machen
ſind und dieſer es ſich ſelbſt zuzuſchreiben hatte, wenn ihm ſo die
Schwere der Verbannung noch fühlbarer u. drückender wurde. Freilich
waren die Maßregeln, welche die britiſche Regierung zur Ueber-
wachung des großen Gefangenen getroffen hatte, kleintiche und
engherzige, indeſſen Sir Hudſon Lowe hat nichts weiter gethan,
als ſie mit peinlicher Gewiſſenhaftigkeit ausgeführt. Wenn die bona-
partiſtiſchen Geſchichtsſchreiber dieſen Mann als einen grauſamen
Kerkermeiſter hinſtellen, ſo iſt das Lug und Trug. Hatte Napoleon
ſich in St. Helena auch der völligen Vereinſamung hingegeben, ſo
hat er doch ſtets mit größtem Intereſſe, ſo weit ihm das möglich,
die Ereigniſſe in Europa verfolgt. Für das, was Napoleon der
Welt an Ungemach auferlegt, hat er während des Exils ſchwer
gebüßt. Nach ſeinem Tode riß in Frankreich auf Grund der
bonapartiſtiſchen Legendenbildungen ein grenzenloſer Napoleon-
kultus ein. Man vergaß den rückſichtsloſen Desboten und ſah
nur die Erſcheinung des kühnen Welteroberers im Strahlenkranze

Drittes Concert des Inſtrumental⸗Vereius.

V2 geidelberg, 18. Dezbr. Der Inſtrumental⸗Verein hat
Beethoven's einhundertſechzehnten Geburtstag durch einen Beethoven-
Abend gefeiert. Drei Sätze aus der Nrunten, die große Arie
der Leonore und die Egmont⸗Muſik waren auf das Programm
eſetzt. Seit Jahren iſt die Neunte, dieſer gigantiſche Schluß-
gein der Beethoven'ſchen Symphonien, hier nicht mehr gehört
worden. Wo nicht ein Orcheſter allererſten Ranges zu Gebot
ſteht, iſt die Aufführung des mächtigen Werkes ein kühnes Wag-
niß. Wie viele Orcheſter gibt es wohl, die den gewaltigen Schatz
dieſer Symphonie ganz zu heben, ganz zu erſchöpfen vermögen ?
In ihr erſcheint mehr als in irgend einem andern Werke jedes
Inſtrument in ſeiner ſcharf ausgeprägten Individualität und das
Orcheſter faſt in Stimmen aufgelöſt; da bedarf es auf jedem
Poſten Künſtler, die nicht bloß die muſikaliſchen Schwierigkeiten
überwinden, ſondern auch ganz in den Ideengehalt einzudringen
vermögen. Namentlich die zwei erſten Theile bekommen, wenn
nicht alles bis zur letzten Figur klar und prägnant charakteriſirt
hervortritt, etwas Wirres, Chaotiſches. — Am Freitag wurden
nur drei Sätze zu Gehör gebracht, der vierte konnte leider —
der obwaltenden Verhältniſſe wegen — nicht zur Aufführung ge-
gelangen, was in jeder Beziehung zu bedauern. Die drei
erſten Sätze ohne das Finale können bei dem Hörer keine Be-
friedigung zurücklaſſen. Die Neunte ohne Schlußſatz nimmt ſich
aus wie ein gothiſcher Dom ohne Thurm. Die erſten drei Sütze
in ihrem Ringen nach dem Ausdruck des Unausſprechlichen,
drängen nach etwas Gewaltigem, Durchbrechendem hin. Und

in dieſer Spannung muß der Hörer ſtehen bleiben, wenn der
letzte nicht folgt, in dem das Unausſprechliche Ereigniß wird.
Die große Ärie aus Fidelio wurde von Frau Groß aus
Mannheim geſungen. Dieſelbe iſt eine dramatiſche Sängerin,
die große Stimmmittel beſitzt, deren Geſang aber durch die
forcirte Tongebung nicht zum Herzen ſpricht. Daß ſie
in der Höhe den Ton nicht immer ſicher faßte, muß wohl
zum Theil auf die unreine Begleitung der Bläſer zurückgeführt
werden. Die beiden Egmontlieder können einer ausgeſprochen

dramatiſchen Sängerin abſolut nicht liegen. Es ſind leicht hin-

geſummte Weiſen, die Beethoven ariettenhaft behandelt hat —
man hat ſich mit Recht darüber verwundert, daß der Compo niſt ſie
mit Inſtrumentalbegleitung verſehen. — Man darf wohl ſagen,
eine etwas ſtimmbegabte Schauſpielerin wird ſie in der Regel —
nicht muſikaliſch bedeutender — aber ſtimmungsvoller zum Vor-
trag bringen, als eine ausgeſprochene Sängerin. Den letzten
Theil des Concerts füllte die herrliche, von dem Göthe'ſchen
Drama längſt nicht mehr zu trennende Egmontmuſik. Sie iſt,
wie weniges von Beethoven, Gemeingut der mu ſikaliſchen Welt.
Aber, wer auch jede Note kennt, hört ſie jederzeit wieder mit
neuem Entzücken. Herr Director Boch hatte das Werk auf's
Sorgfältigſte einſtudirt und wurde daſſelbe ſehr brav durchge-
führt. Den verbindenden Text ſprach Herr Waſſermann,
der vortreffliche Karlsruher Schauſpieler, in glänzender Weiſe.
Er hat mit ſeltenem Verſtändniß die wechſelnde Stimmung des
muſikaliſchen Werkes in kraftvoller Sprache einzuleiten gewußt.
Das Publikum zeigte ſich, wie der Applaus bewies, von dem Abend

ſebr befriedigt. Dr. S.

unvergänglichen Ruhmicg. Napoleon UI. hat die Conſequenzen
dieſer Begeiſterung zu ziehen Zgewuß t
= geidelberz, 20. Dec. Letzten Samſtag Abend wurde ein Schie-
ferdeckergeſelle verhaftet. Derſelbe war in betrunkenem Zu-
ſtande in einer Wirthſchäft geweſen und hatte ſich dort ſo unan-
ſtändig benommen, daß er von den Gäſten ausgewieſen wurde
darüber ergrimmt, ſchlug er nachher mit einem Hammer die zur
Wirthſchaft führende Thüre ein. — In voriger Woche en t⸗
wendete ein Tagelöhner (jog. Kartoffelmakler) einem Land-
wirth, der einen Wagen voll Kartoffeln in ein hieſiges Gaſthaus
verkaufte, einen Sack voll Kartoffeln. Der Taglöhner war mit
Hineintragen der Kartoffeln beſchäftigt, aber anſtatt dieſelben auf
die Waage und in den Keller zu tragen, ſchüttete er ſie unterwegs
in eine Kiſte im Stall und brachte dann den leeren Sack zurück,
als hätte er die Kartoffeln richtig abgeliefert; erſt beim Zuſammen-
ſtellen des Gewichts vermißte der Landwirth die fehlende Quan-
tität Kartoffeln, aber Niemand wollte wiſſen, wo dieſelben hinge-
kommen, bis der Thäter beim Auffaſſen der Kartoffeln entdeckt
wurde. — Ein Mädchen, aus guter Familie von Sypeier ſtam-
mend, hat ſich in der Nacht vom 18. zum 19. d. M. in ihrem
Zimmer in der Plöckſtraße erhängt. Dieſelbe hatte ſich in Er-
mangelung einer Stelle dort einlogirt und dürfte in einem An-
fall von Schwermuth ihrem Leben ein Ende gemacht haben. Die
Leiche wurde in das acad. Todtenhaus verbracht.
XX teidelberg. 20. Dez. Das Karl Klin gel'ſche Haus, Theater-
ſtraße 14, iſt um den Preis von 75 000 Mark in den Beſitz des
Herrn Priv. Salomon Ehrmann dahier übergegangen.
* Iridelberg, 20 Dec. Der Winter hat ſehr pünktlich ſeinen
Einzug gehalten. Nicht umſonſt bezeichnet der Kalender diesmal
den 21. December als den Tag, an welchem der Winter offiziell
ſeine Herrſchaft anzutreten hat. Seit Samstag Abend bereits
ſchneit es faſt unaufhörlich, und wenn ſich auch ein großer Theil
der gefallenen Schneemaſſen wiederum in Waſſer aufgelöſt hat,
ſo iſt heute doch die Erde in ein weiches, dichtes Schneegewand
gehüllt. Anf den Höhen ringsum, wie auch auf den Dächern
der Häuſer liegt der Schnee faſt fußhoch. Mit Eintritt dieſer
Witterung iſt auch ein bedeutendes Steigen des Neckars zu con-
ſtatiren; derſelbe iſt von vorgeſtern zu heute um 60 Ctm. geftiegen.
— In Aubetracht des herannahenden Winters möchten wir unſern
Leſern auch zurufen: Gedenket der darbenden Vögel!

2 Pon der Irinbach, 17. Decbr. Wenn im nächſten Jahre die
Obſtbäume eben ſo reichlich Früchte tragen als ſie jetzt mit
Raupenneſtern beladen ſind, dann dürfen wir auf eine gute Obſt-
ernte rechuen. Es wird deshalb dankend auerkannt, daß das
Großh. Bezirksamt eine ſpezielle Verfügung an die Gemeinde-
behörden in dieſem Betreff ergehen ließ und ſieht man da und
dort ſich Hände regen, den gefährlichen Feind zu vekämp fen und
die Bäume von Raupenneſtern zu reinigen. Aber dieſes allein
hilft nichts, wenn nicht die Hauptbrutſtätten, nämlich die Hecken
an Gräben und Rainen gründlich gereinigt, das heißt weg-
gehauen oder doch wenigſtens ausgebrannt werden. — Während
von allen Seiten Klagen laut werden über die ſchlechten Zuſtände,
denen Deutſche in Amerika entgegenſehen, ſcheint in S. die An-
weſenheit eines reichen Amerikaners Aulaß gegeben zu haben,
daß jetzt Viele mit und ohne Erlaubniß auswandern, um das
geträumte Eldorado zu ſuchen.
Maunheim, 16. Dec. Schwurgericht. (Schlußſitzung.) Die
Verhandlung gegen Auguſt Kopp I., ehemaligen Bürgermeiſter
von Kirchardt, wegen Ugkundenfälſchung mußte vertagt werden,
da der Angeklagte noch Lines weiteren ähnlichen Vergehens be-
ſchuldigt iſt, zu welchem das Beweismaterial noch herbeizuſchaffen
iſt. — Der 19 Jahre alte Tagtöhner Friedrich Köhler und
deſſen 18 Jahre alter Bruder Jakob Köhler von Sandhauſen
wegen Widerſtands gegen einen Forſtbeamten. Die beiden An-
geklagten, die ſich keineswegs eines guten Leumunds zu erfreuen
haben, mißhandelten am 30. October d. J. den Waldhüter Hilles-
heim von Sandhauſen, als dieſer ſie bei einem Forſtdiebſtahl be-
traf und darüber zu Rede ſtellen wollte, mit Prügeln. Die Ge-
ſchworenrn bejahten die Schuldfrage hinſichtlich beider Angeklagten,
ſowie die Frage nach mildernden Umſtänden; der Gerichtshof er-
kennt hierauf gegen Friedrich Köhler auf 1 Jahr, gegen Jakob
Köhler auf 5 Monate Gefänguiß. — Der Maurermeiſter Franz
Geyer von Thairnbach, 45 Jahre alt, verheirathet, derzeit hier
wohnhaft. und der Maurerpolier Ludw. Englert von Heidel-
ber g, 27 Jahre alt, verheirathet und ebenfalls derzeit hier wohn-
haft, ſind wegen wiſſentlichen Meineids angeklagt. Auf Grund
der Beweisaufnahme erfolgte ihre Freiſprechung.
Kaurlsruhe, 18. Decbr. Der Prozeß Weniger⸗Lang dürfte
ein Nachſpiel erhalten. Ein hieſiger Bankier machte nämlich
bei der Großh. Generaldirection der Staatseiſenbahnen und bei
der Großh. Staatsanwaltſchaft die Anzeige, Rechtsanwalt
Schleſinger, der Anwalt und Vertheidiger der Lang, habe
am 30. November d. J. bei ihm, dem Bankier, für Eliſe Lang
die Summe von 17 000 . in's Depot gegeben. Die Großh.
Generaldirection erwirkte geſtern Abend noch eine Beſchlagnahme
dieſer Summe.
Karlsrnhe, 18. Dezbr. Zur Bewältigung des Herbſtverkehrs
hatte die Eiſenbahnverwaltung mit Wirkung vom 12. Oktober
d. J. die Friſt zur Beladung und Entladung von Wagenladungs-
gütern für am Stationsorte wohnende Verſender und Em-
pfänger auf 6 Stunden herabgeſetzt. Als der außerordentliche
Güterandrang nachlietz, wurde dieſe Herabſetzung der Ladefriſten
für offene Wagen mit Wirkung vom 13. Dezember an wieder auf-
gehoben. Nachdem nun der Güterverkehr wieder auf den der vor-
gerückten Jahreszeit entſprechenden normalen Stand zurückgeht,
wurde es möglich, vom 20. Dezember an auch die Herabſetzung
der Ladefriſten für gedeckte Güterwagen aufzuheben, ſo daß von
dem genannten Tage an die Eiſenbahn⸗Güterwagen jeder Art den
Verſendern und Empfängern wieder allgemein 24 Stunden zur
Verfügung ſtehen.
* Auszug aus der amtlichen Patentliſte über die in
der Zeit vom 8. bis 15. December erfolgten badiſchen Patent-
Anmeldungen und Ertheilungen, mitgetheilt vom Patentbureau
des Civil⸗Ingenieurs K. Müller in Freiburg i. B. A. An-
meldungen: St. 1655. Verſchlußvorrichtung für Schlanch-
klemmen. Staude, Büchſenmacher des I. Bataillons III. Regmt.
Raſtatt. W. 4440. Liniirapparat für Schiefertafeln. Ed. Albert
Winterhalder in Kappel bei Lenzkirch. — B. Ertheilungen:
Nr. 38382. Verfahren und Vorrichtung zur Herſtellung von
Hohl⸗ und Vollgegenſtänden aus Papierſtoff. V. Hyronimus in
Karlsruhe. Vom 22. November 1885 ab.

Vermiſchte Nachrichten
+ Beilbsann, 11. Dec. Die nationalgeſinnte Partei in Würt-
temberg und beſonders in der Stadt Heilbronn hat durch den
Hingang des Kaufmanus Chriſtian Herrmann, Chef des Hand-
lungshauſes Weißenſtein und Cie., einen herben Verluſt erlitten.
Der ſo ſchnell an Rippenfellentzündung im 53. Jahre Verſtorbene
war eine von allen Parteien hochgeehrte Perſönlichkeit, ein Mann
voll Vaterlandsliebe, ein deutſcher Patriot durch und durch. Durch
das Vertrauen ſeiner Mitbürger in den Gemeinderath ſeit Jahren
gewählt, entfaltete Herrmann auf dem Rathhaus eine an-
erkannte Thätigkeit, die Stelle eines Vorſtandes des Turn-
Vereins und die eines Vorſtandes der deutſchen Partei
nahmen ſeine Kräfte viel in Anſpruch. Die Beerdigung des
deutſch geſinnten, ſtets opferwilligen Mannes am verfloſſenen
Sonntag Nachmittag war großartig. Mehr als 1000 Herren
von Nah und Fern gaben dem Verſtorbenen das letzte Geleite.
Um 2 Uhr Nachmittags kamen vor das Trauerhaus mit umflorten
Fahnen der Kriegerverein, der Männer⸗Turnerverein, der Sing-
kranz, der Arbeiterbildungsverein, die alle am Grabe prachtvolle
Kränze niederlegten. Desgleichen ehrten am Grabe den Verſtor-
benen mit Kränzen der Gemeinderath der Stadt Heilbronn, an
ſeiner Spitze der Oberbürgermeiſter Hegelmeier, die deutſche Partei
 
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