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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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tungen, die man in den Prinz⸗Regenten ſetzt. Hoffentlich
wird das Ergebniß der Neuwahlen in Bayern im Sinne
der Antwort des Regenten ausfallen und endlich in der
Abgeordnetenkammer dem hemmenden Uebergewicht der Ultra-
montanen ein Ende machen. Ein von glaubwürdiger
Seite kommendes Gerücht will wiſſen, eine neue Auf-
lage des Branntweinſteuergeſetzes beſchäftige die
Reichsregierung und es ſei bei den betreffenden Erörterun-
gen von der Möglichkeit die Rede geweſen, den Reichstag
deshalb noch einmal im Spätſommer zu berufen. Hoffent-
lich wird dieſer Plan nicht verwirklicht, ſolche Eile hat
jedenfalls das Zuſtandekommen des Branntweinſteuergeſetzes
nicht, daß man damit nicht bis zur ordentlichen Tagung im
Herbſt ſollte warten können. — Die Berl. Polit. Nachr.,
welche ſchon neulich darauf hingewieſen hatten, daß die
etwas hochgeſpannten Erwartungen mancher Kreiſe in Be-
treff der auf Grund der lex Huene zur Vertheilung ge-
langenden Mehrerträge aus den neuen landwirth-
ſchaftlichen Zöllen nicht gerechtfertigt ſeien, daß die
Geſammtſumme vielmehr kaum 7 Millionen betragen dürfte,
erfahren jetzt, daß dieſelbe auch dieſe Höhe nicht erreiche,
ſondern ſich auf wenig mehr als 4 000 000 . belaufe.
In dieſen Tagen dürften die Provinzialregierungen mit den
nöthigen Inſtruktionen in Betreff der an die Kreiſe zu über-
weiſenden Summen verſehen werden. — Der Staatsſekre-
tär des Innern, Staatsminiſter v. Bötticher, wird ſich
Samstag Morgen nach Stettin begeben, um dem Stapel-
lauf des erſten Subbentions damfers „Preußen“
auf der Werft des „Vulkan“ beizuwohnen. Außer ihm
werden noch andere Bundesbevollmächtigte, ſowie der Reichs-
tagspräſident v. Wedell⸗Piesdorf dorthin reiſen.
Der ſtändige Ausſchnß des Deutſchen Proteſtanten-
Vereins hat dieſer Tage ein Rundſchreiben erlaſſen, deſſen
Inhalt in dem Satze gipfelt: laſſet in der Einigkeit des
Geiſtes und durch das Band des Friedens uns zu einem
großen evangeliſchen Bunde zuſammenſchließen, da-
mit der wachſenden Macht der römiſchen Weltkirche der
Geiſt und die Kraft des geeinigten deutſchen Proteſtantis-
mus entgegenſtehe, und die Quelle deutſcher Geiſtesfreiheit
rein bewahrt werde! Die ultramontanen Blätter thun ob
dieſes Aufrufs ſehr entrüſtet.
München, 6. Juli. Die Neueſten Nachrichten ſchrei-
ben: „Es laufen hier Gerüchte um, in dem Befinden des
Königs Otto ſei in der letzten Zeit eine weſentliche
Verſchlimmerung eingetreten. Seit mehreren Tagen
ſchon nehme er freiwillig keine Nahrung mehr zu ſich. Bei
der Zurückgezogenheit, die König Ottos Zuſtand erforderlich
macht, iſt es ſehr ſchwer, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit
ſolcher Mittheilungen zu conſtatiren. Es erſcheint uns da-
her von höchſter Bedeutung, daß von Zeit zu Zeit ärztliche
Bulletins von amtlicher Seite über das Befinden des lei-
denden Königs veröffentlicht werden.“ — Durch die Blätter
läuft gegenwärtig der Abdruck einer Reihe von Briefen,
die der verſtorbene König Ludwig an den Schauſpieler
Kainz gerichtet hat. Zu dieſer Veröffentlichung bemerkt,
herb aber verdient, die Wiener Preſſe: Dieſe Briefe ſind
gewiß von allgemeinem Intereſſe, da ſie den König in dem
neuen Lichte einer ſtarken Neigung zeigen, aber es iſt
die Frage, ob die Pflichten der Dankbarkeit, der Selbſt-
achtung und vor allem des Taktes Herrn Kainz nicht hätten
abhalten müſſen, dieſes Freundſchaftsverhältniß den Blicken
fremder Neugier zu übergeben. Die augenblickliche Re-
klame, die ſich Herr Kainz durch die Veröffentlichung der
Briefe bereitet, ſteht vielleicht in keinem Werthverhältniß zu
dem Eindrucke, den dieſe Preisgebung der intimſten Regun-
gen eines ideal denkenden Mannes allgemein hervorbringt.
Es wird bei dieſer Gelegenheit intereſſiren, zu erfahren,
daß Herr Kainz ein geborener Wiener iſt und daß er ſeiner
Zeit im unſeligen Ringtheater gaſtirt hat.
München, 7. Juli. Der Reichsverweſer Prinz Luit-
pold äußerte ſich geſtern beim Empfang der ſtädti-
ſchen Abordnung befriedigt darüber, daß die jüngſten
Ereigniſſe ſo ruhig hingenommen worden ſeien. Er hoffe,
daß die noch vorhandenen Zweifel raſch geklärt werden.
Die Centenarfeier für König Ludwig I. iſt auf den
Wunſch des Prinzen Luitpold bis nächſtes Jahr ver-
ſchoben worden. Die Nr. 174 des ultramontanen
Fremdenblattes vom 20. Juni wurde wegen Beleidigung
des Miniſteriums mit Beſchlag belegt. ö
Würzburg, 7. Juli. Miniſterpräſident Lutz und
Miniſterialrath Ziegler trafen geſtern Nachmittag hier ein
und conferirten bis Nachts mit dem Geheimen Oberbau-
rath Schütze⸗Berlin und dem Rector Magnificus Prof.
Urlichs. Miniſter Lutz geht, wie die Frkf. Ztg. meldet,
nach Kiſſingen zum Beſuche des Fürſten Bismarck.
Miniſterialrath Ziegler reiſte nach München zurück.
Oeſterreichiſche Mon archie.
Wien, 7. Juli. Die polniſchen Blätter wollen wiſſen,
daß Dunajewski anläßlich der Petroleumzollfrage dem-
nächſt um ſeine Entlaſſung bitten werde. Zu ſeinen ent-
ſchiedenſten Gegnern gehöre die öſterreichiſche Geburtsariſto-
kratie. — In Fiume ſind 6 neue Cholerafälle vor-
gckommen. Die Bevölkerung verläßt maſſenhaft die Stadt.
Die Ortſchaften an der Bahnſtrecke Karlſtadt⸗Fiume ſind
derart überfüllt, daß die ferner anlangenden Flüchtlinge
zurückgewieſen werden müſſen.
ö Ausland.
Paris, 6. Juli. Franzöſiſcher Chauvinismus hat
vorgeſtern wieder einmal Gelegenheit gehabt, ſich Luft zu

machen. Die aus Tonkin heimgekehrten vier Batterien des

12. und 13. Artillerie⸗Regiments feierten ihren Triumph-
einzug in Vincennes. Ein Telegramm der Voſſ. Ztg. be-
richtet darüber: Am Lhyoner Bahnhof von General Sauſ-
ſier mit großem Offiziersgefolge eingeholt, marſchirten die
Truppen unter ungeheurem Jubel und Jauchzen Tauſender,
unter Blumenregen und reglementswidrigen Umarmungen
durch die mit Fahnen, Triumphbögen und Inſchriften ge-

ſchmückten Straßen nach der Kaſerne. Unterwegs mußten
ſie vor einer Tribüne Halt machen, wo die Gemeindebehör-
den lange Anſprachen hielten. Biſchmann, Maire von
Saint⸗Mandé, ſagte: „Durch Ihre Tapferkeit und unbe-
zähmbare Gewalt haben Sie allen Zweifelnden beſtimmt
bewieſen, daß Sie gegebenen Falls fähig ſind, die Fahne
aufzuraffen, welche das Kaiſerreich bei Sedan
fallen gelaſſen hat. Sie haben gezeigt, daß Sie noch
immer die erſten Soldaten Europas ſind und man
mit Ihnen rechnen muß.“ Léfèvre, Generalrath von
Montreuil, ſagte: „Wer darf uns heute noch vom ewigen
Kothe Sedans ſprechen? Alle dieſe Schmach iſt in der
leuchtenden Sonne des Oſtens ausgelöſcht. In den Falten

dieſer Fahnen glänzt von Neuem die Gloire Frankreichs.

Jetzt dürfen wir wieder hoffen, jetzt mögen alle unſere
Feinde zitteru. Wir erheben endlich unſere allzu lange ge-
demüthigte Stirn, denn wir haben eine große, ſtarke, ſieg-
reiche Nationalarmee.“ Als noch andere vielleicht com-
promittirendere Redner ſichtbar wurden, verlor General
Thévenin die Geduld und führte die Truppen einfach
weg. In Vincennes war ihnen ein Feſtmahl angerichtet,
bei dem mehrere Abgeordnete ähnliche Reden hielten, wie
die obigen, während die anweſenden Generale in rein
militäriſchem Sinne durchaus correct ſprachen. Mehrere
Blätter tadeln die vorgekommenen Taktloſigkeiten.
Paris, 7. Juli. Die Syndikatskammern von
Paris haben in der geſtern abgehaltenen Verſammlung
für die Herſtellung einer nationalen Marke zum Schutze
gegen Fälſchung franzöſiſcher Erzeugniſſe ſich
ausgeſprochen. — Der Präſident der Republik, Grevy,
wird erſt am 14. Juli die Dekrete für die Bewegungen
im diplomatiſchen Corps unterzeichnen. — Der Cardinal-
erzbiſchof von Paris iſt ſo lebensgefährlich erkrankt,
daß ſein Coadjutor die Gläubigen aufgefordert hat, für ihn
zu beten. — In der heutigen Sitzung des Ausſchuſſes der
Panamacanalanleihe theilte der Vorſitzende mit,
Leſſeps habe ihn erſucht, daß die Deputirtenkammer noch
vor den Ferien über eine Anleihe Beſchluß faſſen möge. Der
Vorſitzende hatte dieſes Erſuchen von Leſſeps dem Miniſter-
präſidenten Freheinet mitgetheilt, dieſer aber erklärte, die
Regierung werde in dieſer Sache keinen Schritt thun, ſon-
dern der Deputirtenkammer vollſtändige Freiheit laſſen, wann
und wie ſie ſich über die Anleihe ausſprechen wolle. —
Der erſte Sekretär der hieſigen deutſchen Botſchaft,
Herr v. Kiderlen⸗Wächter (aus Stuttgart) iſt zum
erſten Sekretär der deutſchen Botſchaft in Konſtantinopel
ernannt worden, an Stelle des Legationsrathes Freiherrn
v. Thielmann, der zum Geſandten in Teheran befördert
worden iſt. Herr v. Kiderlen wird hier erſetzt durch den
Legationsrath Grafen v. Redern, der ſeit zwei Jahren
auf ſeinen Wunſch zur Dispoſition geſtellt war, um ſich der
Verwaltung der großen Familiengüter zu widmen, und jetzt
wieder in die Carrière zurücktritt. Der deutſche Botſchafter
Graf zu Münſter, beabſichtigt ſofort nach Eintreffen des
Grafen v. Redern einen längeren Urlaub anzutreten, und
wird am bevorſtehenden nationalen Feſttage (14. Juli)
nicht mehr in Paris anweſend ſein.
Brüffel, 7. Juli. Gegen Mittag brach Feuer in
der Univerſität aus. Der Feuerwehr der Hauptſtadt
und der Vorſtädte gelang es gegen 2½⅛ Uhr, das Feuer
zu bewältigen. Der rechte Flügel mit dem großen Saale
iſt vollſtändig zerſtört, ebenſo ein Theil des übrigen Ge-
bändes. Die Bibliothek und das Laboratorium haben ſehr
gelitten. Zwei Feuerwehrleute ſind bei den Löſcharbeiten
verletzt worden.
London, 7. Juli. Die Niederlage der Libera-
len tritt immer klarer hervor. Von 449 Wahlen ſind 272
auf die Vertreter der Reichseinheit, 177 auf die Glad-
ſtonianer gefallen, ſo daß die übrigen 224 Wahlen das
Mißverhältniß kaum ausgleichen können. Die geſtrigen
Wahlen allein verwandelten die liberale Mehrheit von 9853
Stimmen des vorigen Oktobers in eine conſervative Mehr-
heit von 26524 Stimmen. Von größeren Städten ſtimm-
ten nur Neweaſtle, Leiceſter, Dundee, Aberdeen und Sun-
derland vollſtändig gladſtonianiſch; alle übrigen mehr oder
weniger für die Reichseinheit. Beſonders London, wo die
Gladſtonianer nur einen Wahlſitzſ, Oſt⸗Finsbury, gewannen,
dagegen zehn: Chilſea, Clapham, Central⸗Finsbury, Oſt-
und Süd⸗Islington, Oſt⸗Southwark, Nord⸗Pancras, Tower
Hamlets verloren. Die Hoffnung der Gladſtonianer beruht
auf den Grafſchaftswahlen; aber ſelbſt die Pall Mall Ga-
zette bemerkt heute, die liberale Niederlage arte in eine
Kataſtrophe aus.
Rom, 7. Juli. Von geſtern auf heute Mittag forderte
die Cholera in Codigora 9 Erkrankungen, Brindiſi 8
Erkrankungen und 5 Todte, Latiano 70 Erkrankungen und
26 Todte, Oria 3 Erkrankungen und 1 Todten, Sanvito
32 Erkrankungen und 4 Todte, Francavilla 76 Erkrankun-
gen und 34 Tode und in Venedig 2 Erkrankungen und 1
Todten.

Aus Stadt und Land.
Zeidelberg, 7. Juli. In der heutigen Sitzung des hieſigen
Stadtrathes wurden u. a. folgende Gegenſtände zur Kenntniß
bezw. Erledigung gebracht:
1) Im Monat Juni wurden im ſtädtiſchen Laboratorium eine
Probe von Bier, 8 Proben von Kuhbutter, 9 von Kuhmilch, 1 von
Mundwaſſer, 1 von Traubenwein, 4 von Trinkwaſſer, 40 von
Wurſt und 1 von Ziegenmilch unterſucht und dabei 3 Trinkwaſſer-
proben beanſtaͤndet. Von den 65 Unterſuchungen erfolgten 62 im
Auftrage von Behörden und 3 auf Antrag von Privaten.
In demſelben Zeitraum wurden 142 Milch⸗, 6 Rahm⸗ und 53
Brodproben polizeilich unterſucht.
3) Im vorigen Monate ſind an Verbrauchsſteuern 10 232 α
84 ½ dahier eingegangen.
3) Dem Herrn Hofrath Profeſſor Dr. G. Weil hat der Stadt-
rath aus Anlaß ſeines 50jährigen Doctorjubiläums die Glück-
wünſche der Stadt mitgetheilt, worauf der Herr Jubilar in einem
herzlichen Schreiben ſeinen Dank ausſpricht.
4) Das Großh. Min iſterium der Juſtiz, des Kultus und des
Unterrichtes hat auf Anregung des Herrn Rath Mays urſten
von der im Vouvre in Paris befindlichen Statuette des Kurfürſten

Otto Heinrich auf photographiſchem Wege vier Aufnahmen machen
laſſen und hievon je ein Exemplar der ſtädtiſchen Kunſt⸗ und
Alterthümerſammlung auf dem hieſigen Schloß zum Geſchenk ge-
macht, wofür der Stadtrath ſeinen Dank ausſpricht.
5) Auf den Antrag der Direction und des Beirathes der Real-
ſchule erklärt ſich der Stadtrath damit einverſtanden, daß die
zweite Klaſſe dieſer Anſtalt mit Beginn des neuen Schuljahres
in zwei Abtheilungen unterrichtet wird.
6) Das Großh. topographiſche Bureau theilt mit, daß die zum
Univerſitätsjubiläum hergeſtellte Ueberſichtskarte der hieſigen Stadt
mit Umgebung vollendet und daß dabei den Wünſchen des Stadt-
rathes Rechnung getragen worden ſei.
7) Der Stadtrath hatte beſchloſſen, zur Jubelfeier der Univer-
ſität der letzteren als Geſchenk der Stadt eine, von Herrn Bild-
hauer Möſt in Karlsruhe angefertigte Marmorbüſte Sr. Königl.
Hoheit des Großherzogs für die Aula der Univerſität zu widmen
und die künſtleriſch ausgeſtattete Widmungsurkunde beim allge-
meinen Begrüßungsacte am Dienstag, den 3. Auguſt, durch eine
Deyutation überreichen zu laſſen.
Nach Mittheilung dieſer Abſicht ſprach der engere Senat hiefür
ſeinen herzlichen Dank, ſowie ſeine Bereitwilligkeit aus, das Ge-
ſchenk der Stadt ſammt Widmung nach Wunſch des Stadtrathes
entgegenzunehmen und aufzuſtellen.
8) Nach Erlaß Großh. Steuerdirection vom 25. v. M. wurde
auf Antrag des Stadtrathes die Züllig'ſche Stiftung für Heidel-
berger Bürgerſöhne für die Folge von der Zahlung der Kapital-
rentenſteuer befreit. —
E. gtidelberg, 6. Juli. Vergangenen Sonntag, den 4. d., machte
der „Studentiſche Guſtav⸗Adolf⸗Verein“ einen Aus-
flug nach Hirſchhorn, um, wie ſchon ſeit zwei Jahren, die dor-
tige Diaſporagemeinde zu beſuchen. Die Kirchenälteſten empfingen
die Gäſte am Bahnhof und begleiteten ſie alsbald zur ſteilen Burg,
wo den Evangeliſchen durch die Güte des Großherzogs 1 Zimmer
als Betſaal eingeräumt iſt. Sichtlich erfreute man ſich an der

ſchönen Ausſchmückung des Schloßhofs und gar erſt des Betſaals, ö

deſſen äußerſt dürftige Einrichtung aber doch ein ſchmerzliches Ge-
fühl hervorrief. Der Gottesdienſt, der um 2 Uhr Nachmittags
begann, war ſehr zahlreich beſucht; kein Plätzchen war mehr frei.
Herr Pfarrer Schneider von Neckarſteinach, der zur Zeit mit
Herrn Pfarrer Römheld von Rothenberg Hirſchhorn paſtorirt,

hielt eine tief zu Herzen gehende Predigt über das Sonntags-

evangelium (Luc. 14, V. 16—24, vom großen Abendmahl). Da-
nach ſprach das Ehrenmitglied des Vereins Herr Profeſſor Dr.
Mehlyorn unter Zugrundelegung von R. 1 V. 11 u. 12 übe
den Zweck des Heidelberger Beſuchs. Nicht Haß und Zwietrach
wolle er in die Gemeinde tragen gegen eine andere Konfeſſion,
die ihr ſo manches Entgegenkommen zeige, ſondern Stärkung

wolle er ihr bringen durch die heutige gemeinſame Feier, indem

er ihr die Erinnerung an die große evangel. Geſammtgemeinde
erhalte; deren Liebesverein ſei heute in einem Zweige erſchienen,
um der Gemeinde zu ſagen, daß er ihrer gedenkt, ihre Noth mit
empfindet und ihr Hilfe ſendet; aber auch das wöchte der Guſtav-
Adolf⸗Verein der Gemeinde immer wieder an's Herz legen, feſtzu-
ſtehen in der proteſtantiſchen Freiheit gegenüber römiſchen Satzungen
ſowie in der zweifelloſen Gewißheit der Seligkeit, die gegründet
iſt nicht auf eigene Werke oder das „Verdienſt“ Anderer, ſondern
auf die Gnade Gottes, erſchienen in Jeſu Chriſto. Doch auch um
für ſich ſelbſt Stärkung zu ſuchen, ſei der Verein gekommen.

Denn die Gemeinde ſei ihm ein beredtes Zeugniß für die unauf:

lösliche Lebenskraft des Proteſtantismus, den eine rückſichtsloſe
Gegenreformation auch hier nicht auszurotten vermochte; ſie ſei
ein ſchönes Beiſpiel unerſchütterlichen Gottvertrauens in ſchlimmen
Tagen und hoher Opferwilligkeit trotz großer Bedürftigkeit ſo
vieler Gemeindeglieder. — Mit einer Kollekte zum Kirchenban
ſchloß der Gottesdienſt, zu deſſen Verherrlichung der neugegrün-
dete Hirſchhorner Kirchenchor unter Leitung des Herrn Lehrers
Emmerich von Langenthal nicht wenig beigetragen hat. — Darauf
fanden ſich die Heidelberger Gäſte mit der Gemeinde im Schloß-
hofe unter dem Schatten der Kaſtanienbäume zu geſelliger Ver-
einigung zuſammen, an der auch viele Katholiken theilnahmen.
Reden wechſelten mit Liedern, die bald der Studentiſche Guſtav-
Adolf⸗Verein bald der Hirſchhorner Kirchenchor vortrugen. Der
Vorſitzende des Vereins Herr stud. theol. Geiſt begrüßte die Ge-
meinde, Herr Pfarrer Schneider den Studentenverein, Hr. Prof.
Mehlhorn ſprach über das allgemeine Prieſterthum, das einen
Unterſchied zwiſchen Geiſtlichen und Weltlichen nicht kennt, Herr
caud. theol. Karl toaſtete auf die Damen; Hr. stud. theol. Rapp
dankte für den freundlichen Empfang und rief der Gemeinde ein
herzliches „Auf Wiederſehen!“ zu. Einer großen Keinderſchaar
wurde durch Vertheilung von Bretzeln auch ein Vergnügen bereitet.
—. Wir ſchließen unſern Bericht über das wohlgelungene Feſt
mit der Hoffnung, daß die evangeliſche Gemeinde Hirſchhorns
bald aus ihrer Nothlage befreit werde und ein Kirchlein erhalte,
das, weithin ſichtbar, eine Zierde des ſchönen Neckarthals und ein

Zeuge proteſtantiſcher Glaubenstreue und evangeliſcher Bruder-

liebe ſei. — Doch noch Eines! Wie die Glocken der Speyerer
Proteſtations⸗Kirche aus dem Metall ungangbarer Münzen ge-
goſſen werden, ſo ſammeln nun auch die Hirſchhorner für ihre
Glocken ungangbare Münzen (auch gangbarel); Herr Pfarrer
Schneider in Neckarſteinach nimmt ſehr gerne Sendungen entgegen.
§ Heidelberg, 8. Juli. Profeſſor Dr. Mehl horn am hieſigen
Gymnaſium iſt von der theologiſchen Fakultät unſerer Hochſchule
zum Licentiaten der Theologie honoris causa promoviert worden.
In dem ſ. g. Elogium werden die wiſſenſchaftlichen Aufſätze des
Genannten, ſeine vartrefflichen Lehrbücher für den Religions-
unterricht, ſowie ſeine Theilnahme an den Vorleſungen des theo-
logiſchen Seminars und an dem akademiſchen Gottesdienſte
rühmend hervorgehoben.
Heidelberg, 8. Juli. Wie aus Frankfurt a. M. gemeldet wird,
werden ſich diefenigen der dortigen Rechtsanwälte, welche ihre
Univerſitätsbildung in Heidelberg genoſſen haben, am 5. Auguſt
in corpore zur Jübiläumsfeier begeben.
7 Heidrlberg, 8. Juli. Bei dem geſtern Abend von den Saxo-
boruſſen auf dem Rieſenſtein veranſtalteten Gartenfeſt wurde ein
brillantes Feuerwerkt abgebrannt, das ſich, beſonders von der
gegenuberliegenden Philoſophenhöhe aus geſehen, auß erordentlich
impoſant machte. Zeitweiſe, wenn die Landſchaft mi nutenlang
wie mit farbigem Licht übergoſſen erſtrahlte, bot ſich dem Auge
eine Szenerie von magiſcher Wirkung.
Hrideiberg, 8. Juli. Geſtern Abend ½5 Uhr ſtürzte ein
in den 60er Jahren ſtehender Fuhrknecht von hier in Folge
Scheuwerdens ſeines Pferdes in der Nähe des Güterbahnhofes
von dem Wagen herunter und verletzte ſich nicht unerheblich
am Hinterkopfe und linken Schlüſſelbein, ſo daß er in das acad.
Krankhaus verbracht wurde. Nachdem er hier unterſucht und
verbunden worden, beförderte man ihn in ſeine Wohnung.
aa. Kurlsrnhe, 2. Juli. (Sitzung des ſtändigen Au s⸗
ſchuſſes der großherzoglichen Landes gewerbe⸗Halle.
Schluß). Eine weitere ſehr wichtige Frage betraf den Antrag der
Handelskammer Heidelberg auf Errichtung von Heizer-
ſchulen, wozu Herr Regierungsrath Wöris hoffer Referat
erſtattete. Derſelbe hält zwar nicht vom ſicherheitlichen, noch vom
Geſichtspunkte der Rauchbeläſtigung aus eine ſolche Einrichtung
Hier z wohl aber vom Standpunkte der Oekonomie, wenn auch
ier zum ſehr großen Theile Conſtruction des Keſſels und

Feuerungsanlage eine ſehr große Rolle ſpiele; immerhin habe
jüngſtes Wettheizen in Magdeburg an einer und derſelben Anlage

bei dem Geringſten ein Verhältniß zwiſchen dem Gewichte ver-
brauchter Kohlen und verdampften Waſſer von 1:4, bei dem
Beſten von mehr als dem Doppelten ergeben. Der Unterricht
müßte vor allem auch theoretiſch ſein.

18t Herr Regierungsrath
Wörishoffer ſprach ſich deßhalb für Einrichtung ſolcher Schulen
aus, was auch Herr Profeſſor Richard nachhaltig unterſtützte.
Herr Kramer betonte, daß auch von Seiten der Fabrikanten ſehr“
viel geſchehen könne, um Sicherheit und Oekonomie beim Dampf-
 
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