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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0136

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ſo mächtig bewegte, geiſterfüllte, ſegenſpendende Geſchichte zurückblickt, darf den Tag
mit lautem Jubel feiern, an welchem ſie ein halbes Jahrtauſend zurückgelegt hat;

ſie darf feiern im Bewußtſein eines unberechenbaren Segens, welchen ſie der Menſch-

heit geſpendet hat. Unſere Ruperto⸗Carola hat aber noch die beſondere Ehre, feiern
zu dürfen als die Vertreterin aller deutſchen Univerſitäten überhaupt, denn ſie iſt
die älteſte von allen. Sie darf erinnern, was dieſe Leuchten des Geiſtes in der
Geſchichte des deutſchen Volkes zu bedeuten haben, daß unſere gegenwärtige Cultur
in ihrer Höhe und Weite undenkbar wäre ohne dieſe Herde der Wiſſenſchaft, von

denen die Funken allzeit hinausſprühen in den weiten Umfang deutſchen Lebens

und Strebens.
Heil Dir, ehrwürdige Jubilarin! Heil Dir in Deinen Lehrern und Jüngern!
Heil Dir in, allen Zweigen Deines geiſtigen Wirkens! Heil Dir aber auch
vor Allem in Deinem erlauchten Oberhaupte, Deinem rector magnificentissimus!
Es iſt des Feſtes beſondere Weihe, daß es gefeiert werden darf unter den Auſpicien
Großherzogs Friedrich, daß es ſeinen Glanz empfängt durch ſeines Rectors

perſönliche Betheiligung. Wer wäre würdiger dieſe Jubelfeier zu leiten als des

weiſen Fürſten, dem dieſe Hochſchule ihre Wiedergeburt zu danken hat, hochherziger
Enkel, der nicht nur Land und Würde, ſondern auch die edelſten geiſtigen Eigen-
ſchaften ſeines Ahnen als Erbe empfangen hat? Wie Großherzog Friedrich durch
ſeine lebhafte Betheiligung bezeugt, daß die Neuſtiftung und Pflege der Ruperto-
Carola eines der ſchönſten Lorbeerblätter im Ruhmeskranze ſeines Hauſes iſt, ſo
wird auch der gegenwärtigen Jubelfeier die gewiſſenhafte perſönliche Ausübung
ſeines Berufes durch den erlauchten Rector für die Gegenwart und für die Erinnerung
einen leuchtenden Glanz geben. Friedrich iſt ſein Name, ein Friede⸗Fürſt iſt er
nach innerſtem Weſen und Berufe — Friede ſei daher das Zeichen dieſes Feſtes!
Möge äußerer und innerer Friede über dieſem Lande walten! Mögen unter der
gedeihlichen Sonne des Friedens blühen und wachſen die Werke des Geiſtes!
Heil unſerer Ruperto⸗Carola; aber auch Gruß allen Gäſten, welche
heute zu ihrem Jubelfeſte erſchienen ſind!
An ihrer Spitze ſteht Friedrich Wilhelm, der Kronprinz des

deutſchen Reiches. Im Namen und Auftrage des deutſchen Kaiſers tritt er in

unſere Mitte. Wer verkennt die große Bedeutung dieſer Thatſache? Fünfhundert
Jahre im politiſchen Leben Deutſchlands ſchließen mindeſtens ebenſoviel in ihrem
Buſen als fünfhundert in der Entwicklung des geiſtigen Lebens. Die Gründung
unſerer Univerſität geſchah unter dem mittelalterlichen Kaiſerthum, das Jubelfeſt
feiern wir unter dem neuen! eine alte niederſinkende Zeit und eine neue auf-
ſtrebende ſchauen einander ins Antlitz; dort der Anfang endloſer Kämpfe, politiſcher
Zerriſſenheit und Kraftloſigkeit, hier der Anfang eines neuen nationalen Lebens mit
großen Hoffnungen für die Zukunft. Die Anweſenheit des Fürſten, welcher das
deutſche Reich bedeutet, deſſen Stirne von dem Ruhmeskranz des neuen Deutſchlands
umflochten iſt, deſſen Name überall einen volksthümlichen Klang hat, gibt uns das
erhebende Gefühl, daß auch das Werk, dem unſere Feier gilt, ein nationales iſt,
daß wir nicht nur ein pfälziſches und nicht nur ein badiſches Feſt feiern, ſondern ein
deutſches. Sollte dieſes nationale Bewußtſein nicht auch unſerer Wiſſenſchaft eine
neue Erhebung bedeuten? Unſere geiſtige Einheit iſt älter als unſere politiſche,
als Volk der Wiſſenſchaft hatten wir einen Namen noch ehe wir als politiſches
Volk geachtet waren, aber der geſunde Geiſt bedarf eines geſunden Körpers, und
auch der idealſte Sinn und das geiſtigſte Streben finden ihre kräftigſte Stütze an
einem energiſchen nationalen Selbſtgefühl. War es einſt eine That im Sinne
nationaler Unabhängigkeit, als Ruprecht I. im Gegenſatz gegen das dominirende
Pariſer Generalſtudium, die Univerſität gegründet, ſo dürfen wir heute mit tiefſter
Befriedigung ſagen, daß der ſicherſte Grund der Unabhängigkeit jetzt gelegt iſt, daß
die nationale Kraft erſt die wahre Wurzel ſein wird eines wirklich ſelbſtſtändigen
nationalen Geiſtes. Deutſchland iſt heute eine Macht in der Welt — daran erinnert
uns die Gegenwart des zukünftigen deutſchen Kaiſers; aber ſie ſagt uns ferner noch:
Deutſchland hat nicht aufgehört ein „Land der Dichter und Denker“ zu ſein, auch
des geeinigten Deutſchlands größter Beruf liegt in ſeinem geiſtigen Streben,
Deutſchländs heiligſte Miſſion iſt die Aufgabe, die reichen geiſtigen und ſittlichen
Kräfte, die ihm Gott gegeben hat, zu ſeiner eigenen Beglückung und zum Wohle
der ganzeu Menſchheit zu entfalten. Ein jubelndes Hoch dem Vertreter des glor-
reichen deutſchen Kaiſerthrones! Gott ſegne ihn und in ihm Deutſchland!
Und welch ein Kranz hochanſehnlicher Männer umgibt in weitem Kreiſe
den Kronprinzen des deutſchen Reiches, ſie alle mit den Kränzen der Huldigung
für unſere ehrwürdige Ruperto⸗Carola!
Willkommen ſie alle!

Es ſind die Vertreter hoher Regierungen zu bezeugen ihre Achtung vor dei
Wiſſenſchaft, dieſer Fürſtin des allgemeinen Lebens, dieſer Quelle jener Ideen, 9
welchen die große Ordnung des Lebens ruht. Es ſind erſchienen die Vertreter 0
deutſchen Hochſchulen, ihre Glückwünſche darzubringen der älteſten der Schweſtenl
wahrlich die Repräſentation einer Geiſtesmacht erſten Ranges! Sie veranſchaulich P
den bewunderungswürdigen Organismus unſeres deutſchen wiſſenſchaftlichen Lebof
in der Geſammtheit unſerer Hochſchulen, dieſem Stolz des deutſchen Volkes, 0
welchen der Neid der Nationen ſchaut; in der Mannigfaltigkeit ihrer wiſſenſcha,
lichen Fächer laſſen ſie uns ahnen, daß trotz aller Zerſplitterung unſeres geiſtihe
Lebens das Band der Wiſſenſchaft nicht zerriſſen, die Verſöhnung auseinan
ſtrebender Richtungen ein nie aus dem Auge zu verlierendes Ziel iſt. Es
erſchienen Vertreter des politiſchen und kirchlichen, des ſtädtiſchen und techniſ
Lebens, um auszudrücken, daß es keinen Lebenszweig gibt, der der Befruchtung!
bedürfte durch die Wiſſenſchaft, daß unſer Ziel eine fortwährende Verklärung
muß des praktiſchen Lebens durch den Geiſt. Es ſind endlich erſchienen zahlreiche
treter des Auslandes, zu bezeugen die Achtung der Völker vor deutſcher Wiſſenſch
zugleich zu bezeugen, daß das Reich des Geiſtes, trotz aller nationalen Verſchie
heiten größer iſt, als alle Nationen, daß es ein Weltreich iſt ohne Grenzen.
iſt eine Verſammlung, vor welcher wir ehrfurchtsvoll unſer Haupt entblößen. De
ſie iſt das Parlament einer Welt des Geiſtes. ö
Ein beſonderer herzlicher Gruß ſei endlich geweiht unſer en 4
Studenten! Als Wohlbekannte kehren ſie zur wohlbekannten Stätte zurück. —4
kommen als Gäſte, welchen mehr als allen andern dieſe Feier eine Sache 60
Gemüthes iſt, ein Gegenſtand froheſter Erinnerung und dankbarſter Freude. 0
kommen zu begrüßen die hehre Mutter, von welcher ſie einſt die Ausrüſtung 11
die bis heute fortwirkende Grundrichtung des Lebens empfangen, von welcher
die Ideen mitgenommen haben, welche hundertfach fruchtbare Keime des Leb
geworden ſind. Sie kommen, ſich wieder zu freuen der Dinge, die in der
klärung Scheffelſcher Poeſie in ihrer Erinnerung liegen, des aumuthigen Th
mit dem herrlichen Schloß und dem freundlichen Neckar, der überragenden Beh
welche auf ſo manchen Jugendſtreich, man weiß nicht recht, ob warnend oder
munternd herniederſahen, ſo mancher guter treuer „Philiſter“, mit denen ein Gemu 0
bund geſchloſſen war aufs Leben. Sie kommen zu ſchwelgen in ſüßer Crinnerß
an das Morgenroth des Lebens, da dieſes noch ſorgenlos, än kein Geſetz gebunt
als an dasjenige des eigenen Herzens dahin floß, da weder die Arbeitslaſt und
Verantwortlichkeit des Berufes noch die Sorge für Familie, noch die Monot
des Alltagslebens, noch der Staub der Acten, noch die Leidenſchaften des P
lebens das Herz bedrückten, an jene Zeit, da auch das Gewöhnlichſte auf Er
im poetiſchen Lichte erſcheint. Es iſt einer der ſchönſten Genüſſe, glückliche“
an dem alten Orte und bei den alten Menſchen wieder erneuern zu können.
mag ſich auch manche Wehmuth in die Freude miſchen, denn klein hat ſich oft-
Kreis der Commilitonen von damals zuſammengezogen. Viele ſind auch in
heidelberg nicht mehr, Vieles, woran das Herz hing, iſt dem verzehrenden Stt
der Zeit verfallen; aber möge dieſe Wehmuth verwiſcht werden von dem,
die Gegenwart noch bietet, und von der Fröhlichkeit der uns umgebenden Jug
welche dieſelbe iſt wie zu allen Zeiten. Möge ſich die Erinnerung an die
gangenheit mit der Freude der Gegeuwart zu einer verklärten Stimmung vereim
welche eine erquickende Erinnerung bietet bis zum Lebensende!
Mögen Alle, die kommen, Tage finden, welche ebenſo erquickend ſind
Herz und Gemüth als ſie groß ſind in ihrer Bedeutung. Wir wiſſen, dab
Kommenden Vieles ſuchen, Vieles erwarten, möchten ſie finden, was ſie ſu
Was menſchlicher Willen und fröhliche Stimmung, Arbeit und Kunſt vermage
geſchehen, möge nur auch der Himmel freundlich auf uns hernieder blicken! “
er das Feſt mit mildem Sonnenſcheine ſegnen und möge er es behüten vor 1
Unfall! Möge in jedes Feſttheilnehmers Erinnerung das Feſt ein glänzender
bleiben, für Heidelberg aber einer der glänzendſten und großartigſten Mom 10
ſeiner Geſchichte! ö ö
Unſere hehre Ruperto⸗Carola aber gedeihe und blühe auch ferner! Möhea
Feſt der Anfang ſein einer neuen Erhebung! Möge, wenn einſt das Jahr
gefeiert wird, die Linie der Geſchichte von heute an als eine aufſteigende, immer“
werdende erſcheinen! Noch ſteht die Wiſſenſchaft vor großen Problemen, deren
der Zukunft überlaſſen ſind, es iſt zu erwarten, daß die Geſchichte der Wiſſen
in der Zukunft noch Größeres bringen werde als die Gegenwart: möge
Heidelbergs Hochſchule nicht die geringſte ſein unter denen, welche beigetragen
zur Löſung der großen Räthſel des Daſeins!

SSSII

Weuhte fort, On Quell der Mahrheit, leuchte durch die Kriten fark!
An der Welt voll Kicht und Elarheit ſchaff' mit gtiltts mücht'gem QNort!
Irei im Berzen, eruſt im Zinne lteh' auf Deiner hohen Kinnt!
Bilf mit lichter Geiſteshaud ſegnen uuſer deukſches Kand!
 
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