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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0186

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in ſich aufgenommen, wel

einer kurzen Andacht an der Gruft des heiligen Bonifacius
verſammelt. Um 8 Uhr fand die Eröffnung der Conferenz
im Prieſterſeminare unter dem Vorſitz des Erzbiſchofs von
Köln ſtatt. Die Verhandlungen dürften am Donnerstag
beendet ſein.
Oeſterreichiſſche Monarchie.
Peſt, 10. Aug. Die Bevölkerung iſt aufgeregt durch
einen Aufruf des Biſchofs Stoßmayer für ein Radetzky-
Denkmal, da der Biſchof die Dynaſtie gegen Ungarn
ausſpielt.
Gaſtein, 10. Aug. Kaiſer Franz Joſef unter-
nahm heute früh mit ſeiner Gemahlin einen Spaziergang
in das Köſchatthal. Kalſer Wilhelm nahm heute früh
das letzte Bad. Die Abreiſe des Kaiſers erfolgt um 1 Uhr
30 Minuten, die Aukunft in Salzburg Nachmittags 5 Uhr;
von dort ſetzt er morgen Nachmittag 3 Uhr 30 Min. die
Reiſe nach Potsdam fort. Die Kaiſerin Eliſabeth
von Oeſterreich verläßt morgen früh 4 Uhr Gaſtein und
trifft um halb 11 Uhr in Iſchl ein. — Heute Vormittag
ſtattete Graf Herbert Bismarck dem Miniſter Grafen
Kalnoky einen Beſuch ab.
Auslan dd.
Belfaſt, 10. Aug. Im Laufe des geſtrigen Abends
fanden zwar noch mehrere Ruheſtörungen ſtatt, ſie
wurden aber von der Polizei und Militär unterdrückt. Die

Nacht iſt ohne Ruheſtörung verlaufen und die Aufregung

ſcheint nachzulaſſen. Falls ſich die Unruhen erneuern
ſollten, wird die Verhängung des Belagerungszuſtandes er-
wartet.
Dublin, 10. Aug. Nach Belfaſt ſind heute weitere
Truppen, etwa 1000 Mann Fußvolk und Reiterei, zur
Unterdrückung der Unruhen abgegangen. Der hieſige

„Oberrichter begab ſich heute nach Belfaſt, um für die

Dauer der Unruhen alle höheren Milizoffiziere zugleich zu
Sonderrichtern zu beſtellen. Es wird dies als ein Zeichen
der bevorſtehenden Verkündigung des Kriegszuſtandes
angeſehen.
Petersburg, 10. Auguſt. Für die Mitwirkung bei
der Aufſtellung des Entwurfs zu einem neuen ruſſiſchen
Strafgeſetzbuche iſt dem Profeſſor v. Holtzendorff
(München) der Stanislausorden zweiter Klaſſe mit dem
Stern, den Profeſſoren Liſt (Marburg), Hugo Meyer
(Tübingen) und Merkel (Straßburg) der Stanislaus-
orden zweiter Klaſſe verliehen worden.

Die Ehrenpromotionen der philoſophiſchen Fakultät

verkündete der Dekan der Fakultät, Hofrath Bütſchli,

am 5. Auguſt in der Heiliggeiſtkirche mit folgenden Worten:
Wie die zahlreichen und ſcheinbar heterogenen Wiſſenszweige,
welche die philoſophiſche Fakultät zu einem Ganzen vereint, faſt
die Erkenntniß und die Erforſchung des geſammten Natur⸗ und
Menſchenlebens umſpannen, ſo muß auch die freudige, dankerfüllte
Anerkennung, welche die Facultät bei ſo feierlicher Veranlaſſung
in ihren Ehrenpromotionen den ſeltenen wiſſenſchaftlichen Ver-
dienſten hervorragender Denker und Forſcher darbringt, dieſe
Mannichfaltigkeit wiederſpiegeln.
Im Gange geſchichtlichen Werdens hat die philoſophiſche
Facultät ſo manchen Wiſſenszweig aus den Schweſterfacultäten
her ſich in jenen zuerſt entfaltete.
Zur philoſophiſchen Facultät traten aber dieſe Wiſſenſchaften
über, als ſie genügend Kraft und Vertiefung gewonnen, um. los-
gelöſt von jeder Rückſicht auf Nützlichkeit und Praxis, ein ſelbſt-
ſtändiges, allein der Erforſchung der Wahrheit gewidmetes Leben
führen zu können.
Dieſe Richtung auf die Erkenntniß des Wahren und Geſetz-
mäßigen in Natur und Menſchenleben, zunächſt ohne jeden Hin-
blick auf Praxis und Bernf, umſchlingt aber die in der philo-
ſophiſchen Facultät vereinigten Wiſſenſchaften mit einem geiſtigen
Band, wenn auch das gleiche Band in weiterem Umfange alle
4 Facultäten zu unſerer Universitas litterarum verknüpft.
Das geſchichtliche Werden der philoſophiſchen Facultät iſt auch
ein Bild des Entwicklungeganges menſchlichen Denkens und For-
ſchens, zeigt uns, wie dasſelbe, fortſchreitend, neue, ſeither ver-
ſchloſſene Gebiete der Erkenntniß eröffnete und den Schleier zu
lüften wagte, welcher Längſtvergangnes und in der Zukunft
Harrendes dem menſchlichen Auge verhüllte.
Wie ſeit den 500 Jahren des Beſtehens unſerer Hochſchule
Civiliſation und Wiſſenſchaft hinaus in alle Welt getragen
wurden und ſich Erdtheile eroberten, deren Kenntniß unſeren
Begründern noch verborgen war, ſo darf auch die philoſophiſche
Facultät heute im Geiſte ihre Hand voll Dank⸗ nicht nur den
Gelehrten und Forſchern der Völker unſeres alten europäiſchen
Continents, ſondern auch über das Weltmeer reichen. Mehr
wie andere Leiſtungen des Menſchengeiſtes erſcheint uns die
2——

wiffenſchaftliche That der Erkenntniß des Wahren rern nrenſchlich

und abgelöſt von jeder nationalen Schranke, gleichen Segen
allen ſpendend, die zu ihrem Verſtehen bereit ſind. Pflege und
Verbreitung der Wiſſenſchaft wird, wie wir hoffen und wünſchen,
die Völker der Erde einander fortdauernd nähern und ihnen
mh hrimeinſamen, ewigen Intereſſen zu immer tieferer Erkennt-
niß bringen.
Wenn dann am 1000jährigen Jubiläum unſerer Hochſchule
ein Decan der philoſophiſchen Facultät wiſſenſchaftliche Ehren
zu verkünden berufen ſein wird, dann möge er ſie über den ge-
ſammten Erdball ſpenden können, als ein Zeichen, daß Wiſſen-
ſchaft uud Forſchung mit ihren Segnungen uͤberall hin verbreitet
wurden.
Solche Gedanken ſind es, mit denen wir an die feierliche
Verkündung der Namen jener auserleſenen Männer der Wiſſen-
ſchaft und des Staates herantreten, in welchen die Facultät
ſich ehrt, ſie erſuchend, ihrem berühmten Namen den Titel eines
„Dr. philosophiae honoris causa universitatis Ruperto-Carolae“
beizufügen.
Dieſe Männer ſind:
1) Francesco Brioſchi, Profeſſor der Mathematik am
Polytechnikum zu Mailand, deſſen Leiſtungen ſich über die weiten
Gebiete der geſammten Mathematik ausbreiten und den erneuten
Aufſchwung der mathematiſchen Wiſſenſchaften in ſeinem Heimath-
land (Italien) beſonders hervorgerufen haben.
„2) Bartolomeo Capaſſo, Superintendent der Archive
Süditaliens und Director des Staatsarchivs zu Neapel. Hoch-
perdient durch ſeine Arbeiten über Siciliens mittelalterliche Ge-
ſchichte, welche gleichzeitig, als rühmliche Beiſpiele trefflicher Hand-
habung ernſter geſchichtlicher Methode, deren Verbreitung in Ita-
lien glänzend förderten.
3) Arthur Cayley, Profeſſor der Mathematik an der
Univerſität Cambridge. Einer der angeſehenſten Begründer mo-
derner Algebra und Geometrie, doch auch durch fundamentale
Werke auf anderen Gebieten der Mathematik hochberühmt.
Seine Arbeiten hauptſächlich haben den mathematiſchen Beſt re-
bungen in England während der 2. Hälfte unſeres Jahrhunderts
die Wege vorgezeichnet.
4) Eduard Cope, Profeſſor der Paläontologie in Phila-
delphia. Berühmt und hochverdient durch zahlreiche glänzende
Entdeckungen über die untergegaugene Wirbelthierwelt Nord-
amerikas, wodurch unſer Wiſſen von dem Entwicklungsgang die-
ſer Abtheilungen in der Vorwelt ganz hervorragend vermehrt und
gefördert wurde.
5) Alphonſe Decandolle, Profeſſor der Botanik in
Geuf, welcher die Beſtrebungen ſeines hochberühmten Vaters durch
trefflichſte und weitausſchauende ſyſtematiſche wie pflanzengeogra-
phiſche Unterſuchungen und Werke fortſetzte und ſich in zahlreichen
kleineren und größeren Arbeiten über die verſchiedenſten Zweige
der Botanik als bedeutender Gelehrter und Forſcher bewährt hat.
6) Joſeph Durm, Profeſſor der Baukunſt an der techn.
Hochſchule zu Karlsruhe. Einer der erfahrenſten und kritiſch
prüfendſten Kenner und Schilderer der Bauten des Alterthums;
jedoch nicht minder verdient um die neuere Baukunſt, in welcher
er mit Meiſterhand zu ſchaffen und erfinden verſteht. Ein Blick
in unſere, durch ihn neu entſtandene Alla, dieſe Zierde Heidel-
bergs, ſpricht beredter hierfür, als meine Worte es vermögen.
7) Wilhelm Hauchecorne, Director der Kgl. preuß.
geolog. Landesanſtalt und Rector der Bergakademie zu Berlin.
Selbſt gelehrter und hochverdienter Geologe, vereinigte er in
den, ſeiner vorzüglichen, umſichtigen Leitung anvertrauten Inſti-
tuten eine Schaar hervorragender und eifrigſter Männer, deren
Arbeiten nicht nur für die Kenntuiß des geologiſchen Baues
unſeres deutſchen Vaterlands, ſondern auch Europas von weit-
trugendſter Bedentung wurden.

8) Max Jähns, Kgl. Preuß. Oberſtlieutnant vom Neben-

etat des großen Generalſtabs. Als Erforſcher und Darſteller
der Heeres⸗ und Kriegsgeſchichte alter wie neuer Zeit von hervor-
ragendſten Verdienſten. Sowohl wegen ausgebreitetſter Gelehr-
ſamkeit wie wegen vorzüglicher Durcharbeitung zählen ſeine
umfangreichen Werle zu dem Beſten, was unſere Zeit über Kriegs-
geſchichte hervorgebracht hat.
9) Robert Koch, Profeſſor der Hygieine an der Univerſität
Berlin. Durch ſeine glänzenden Forſchungen über die krankheits-
erregenden Bacterien überall bekannt und berühmt. Seine For-
ſchungen über Milzbrand, Tuberculoſe und Cholera ſind nicht
nur Beiſpiele ungewöhnlichen energievollen Talentes, ſondern
auch bereitwilligen Opfermuths im Dienſte der Wiſſenſchaft.

Wie er der Pathologie und Heilkunde durch ſeine Entdeckungen

und Erfindungen neue Wege eröffnete, ſo wird auch mit dem
Fortſchreiten dieſer Wiſſenſchaften das Wohlergehen der Menſchheit
ihm Förderung zu danken haben.
10 Othniel Marſh, Profeſſor der Paläontologie zu
New⸗Haven in Nordamerika. Seine zahlreichen überraſchenden
Entdeckungen hochintereſſanter, ausgeſtorbener Wirbelthierformen
Nordamerikas gewährten uns Einblicke in die Geſchichte der-
Thierwelt, wie ſie zuvor nicht geahnt werden konn ten und welche

zu neuen wichtigen Entdeckungen aneifern werden.

11) Simon Neweomb, Profeſſor der Aſtronomie und Präſi-
dent des Bureau of navigation in Waſhington. Als Lehrer wie
Forſcher auf dem Gebiet der Aſtronomie gleich hochangeſehen.
Vor allem berühmt durch ſeine ſcharffinnigen mathematiſchen
Unterſuchungen über die Mondbewegungen und die Theorie der
Störungen, welche durch ihn zu einer hohen Stufe der Vollen-
dung erhoben wurde.
12) Eduard Pflüger, Profeſſor der Phyſiologie an der
Univerſität Bonn. Durch Umfang der von ihm in glänzender

Weiſe beherrſchten Forſchungsgebiete der Phyſiologie, wie durch

nichts von der Liebe, von dem Zauber der „passions de jeunesse“,
und ſtiegen höchſtens gelegentlich in bedenkliche Tiefen hinab, um
ihrem Liebesbedürfniſſe genug zu thun. Ihm wäre es natürlicher
geweſen, wenn ſie mit kreiſchenden, fingenden Mädchen auf den
Schultern oder in langen gemiſchten Reihen Arm in Arm durch
die Straßen gezogen wären, um dann in irgend einem Saale
einen ausgelaſſenen Caucan zu unternehmen. Er ſpricht es ſehr
ungeſchminkt aus, daß für ihn bei dem Studenten die Hauptſache
das weibliche Anhängſel iſt. Weil er dieſes nicht fand, erſcheint
ihm der deutſche Student ein liebeleerer, herzenstrockener Geſelle,
der ſich mit Bier erſt das Blut erhitzt. Der Irrthum iſt begreif-
lich, und Herr Bernard iſt nach ſeiner Art gerecht, denn er meint,
dieſe Anſchauung des deutſchen Studenten habe etwas Praktiſches,
wenn ſie auch höchſt unpoetiſch ſei. Wir haben nun gar keine
Veranlaſſung, Herrn Bernard ausführlicher zu beweiſen, daß der
deutſche Student ſo gut wie jeder Jüngling auf dem weiten
Erdenrunde Adams Rippe kennt. Er kennt ſie aber nicht, wie
Bernard meint, nur in den tiefſten Schichten, ſondern gerade viel
mehr als der franzöſiſche in höheren Kreiſen. Deutſche Studenten-
lieve, Herr Bernard, iſt eine duftige wonnig glänzende Blume,
die anderswo ihre Knospen entfaltet, als bei Bullier und unter
den Klängen eindeutiger Chanſons, von hübſchen aber verlorenen
Kindern bacchantiſch gejauchzt. Der deutſche Student iſt dabei
rein Heuchler und auch kein Heiliger, aber, und das gerade iſt
das Kennzeichnende, was den Franzofen unverſtändlich bleibt, er
bildet keine Kaſte, die, abgeſchloſſen in einem Viertel lebend,
von der übrigen Geſellſchaft den Freibrief zur Leichtfertigkeit

Und damit auch zugleich die Abſage für den vornehmen Verkehr

erhält. Herr Bernard, unſer Student bedeutet die Blüthe der
guten Geſellſchaft, und derſelbe Jüngling, der heute neben Ihnen
Seidel um Seidel vertilgt, iſt morgen im Salon der vornehmen
Dame ein gern geſehener Gaſt. Er will und muß bei aller Aus-
gelaſſenheit ein wohlanſtändiger Mann ſein, dem auch das ge-
ſittete reine Mädchen der guten Familie in die Augen ſehen, dem
es die Hand drücken kann. Das iſt nach unſern Begriffen aber
der Mann nicht, der auf offener Straße mit zweifelhaften Wei-

bern herumulkt oder Cancan tanzt, wenn er auch ſonſt ein ganz-

braver, herzensguter Geſelle ſein mag. Man denke ſich einmal
die anmuthige Neckarſtadt bevölkert von den weiblichen Elementen

des lateiniſchen Viertels und den da herrſchenden Ton dorthin
verpflanzt. Für uns doch eine ſonderbare Poeſie! Herr Giffard
vom Figaro hat den großen Fackelzug als ein „infernaliſches
Bild“ bezeichnet. Dem Fremden iſt ein ſolcher Eindruck nicht zu
verübeln; aber uns dünkte es wie die reinſte Walpurgisnacht,
als wir einmal bei feſtlicher Gelegenheit am Boulevard St.
Michel die Studenten und ihre Begleiterinnen ſahen. Das ſind
Unterſchiede, die gegenſeitig hingenommen ſein wollen. Die Herren
thun gut daran, darüber in ſachlichem Tone zu ſchreiben. Im
Großen und Ganzen haben ſie von dem deutſchen Studenten einen
guten Eindruck mitgenommen und gelernt, daß derſelbe doch nicht
damit abgeurtheilt iſt, daß man ihn einen übermüthigen Teutonen
ſchilt. Von unſerm angeblichen Uebermuthe haben ſie überhaupt
einen geſunden Begriff bekommen. Die Rede des Kronprinzen
vor allem hat ihnen gezeigt, daß wir uns ſtark fühlen in unſerer
Einigkeit, daß wir frei und zufrieden aufathmen im Gefühle un-

ſerer Kraft, aber daß wir viel zu ernſthaft ſind, um den miles

gloriosus zu ſpielen. Der Berichterſtatter des Temps hat es
wohl erkannt, daß der Partikularismus, dieſe Hauptſtütze der
franzöſiſchen Selbſttäuſchung, immer mehr im Schwinden ſei.
Zu viel durften die Herren ja, wie erwähnt, nicht ſagen, aber
die ſäbelraſſelnden Sauerkrauteſſer, die Barbaren mit den vier-
eckigen Köpfen haben in ihren Köpfen doch eine heilſame Um-
wandlung angerichtet. Wir ſind den „chers confréres dankbar
für ihre wohlwollende Sachlichkeit und wünſchen nur, dieſelbe
möge andauernd wirken. Das beſte Mittel hierzu iſt, daß uns
die Herren von jenſeits der Vogeſen öfter beſuchen mögen. Sie
werden nicht „eingekerkert“, nicht als Spione behandelt, und im-
mer gibt es ja auch nicht Fackelzüge, welche Herrn Giffard ſo
furchtbar gefährlich erſcheinen, daß er dringend mahnt, im Jahre
1986, wenn es da überhaupt noch ein deutſches Reich gäbe, doch
den Fackelzug beim Jubelfeſte wegzulaſſen. Es wird bis dahin,
ſo hoffen wir, ein dentſches Reich noch geben, und dazu ein recht
vernünftig gewordenes Frankreich, deſſen Sendboten ſo freundlich
behandelt werden ſollen, wie die des leider noch nicht vernünftigen
Frankreich von 1886. Ueber deu Fackelzug läßt ſich ja dann
reden! Vielleicht iſt er bis dahin auch in Paris Sitte geworden
wie das deutſche Bier!

die theoretiſche Akuſtik, die phyſiologiſche Optik.

Energie und Talenk in der Verfolgang ſeiner Unterſuchnngen-
gleich hervorragend, gehört er zu den Männern erſten Ranges-

welche die Phyſiologie unferer Zeit in ihren Reihen zählt.
13) Luigi Pigsrini, Dianttor des Massa italtes in Rom,
Hat als Gründer und Verwalter dieſes Muſeums, wie als Forſcher
und Entdecker auf dem Felde der Urgeſchichte italieniſcher Culluß
und Menſchenlebens die größten Verdienſte; um ſo größer, a
auf dem Gebiete ſeines Wirkens die Schaffung einer geſunden
kritiſchen Forſchungsmethode zunächſt zu bewältigen war und au
von ihm bewältigt wurde. x
14) John Powell, Direktor des Geological Survey der
Bereinigten Staaten von Nordamerika. Hochangeſehen als Geo
loge und Geodät. Die umfangreichen und mühevollen
forſchungen der Mineralogie, Geologie und Paläontologie der
weiten Gefilde Nordamerikas nahmen unter ſeiner gelehrten und
thatkräftigen Leitung einen bewunderungswerthen Aufſchwung-
wovon die überaus werthvollen Veröffentlichungen des gevlos
Survey rühmlichſt Zeugniß geben.
15) Henry Sweet, Privatgelehrter in London. Unter ded
Kennern ſeiner engliſchen Mutterſprache rühmlichſt hervorragen
durch Gelehrſamkeit und eruſte, auf eingehende Kenntniß Her
Leiſtungen verwandter Nationen, beſonders der deutſchen, gegrün-
dete Methode. Seine in zahlreichen Werken niedergelegtee
Studien werden auf die Entwickelung der germaniſchen Philologn“
ihren befruchtenden Einfluß nicht verfehlen. *
16) Eurico Stevenſon jun., Beamter der vatikaniſchen.
Bibliothet zu Rom. Einer der gründlichſten Kenner und Ber
arbeiter der römiſchen Epigraphik und Topographie, der klaſſiſche
und chriſtlichen Archäologie. Dankend empfinden wir bei dieſer
Gelegenheit, daß er ſein Wiſſen und Können der Herſtellung eine
Katalogs der lateiniſchen Codices und der Druckwerke unſerer
ehemaligen Bibliotheca palatina gewidmet hat.
17) John William Strutt, Lord Rayleigh, ehemals Pro
feſſor der Phyſik an der Univerſität Cambridge. Seine zahlreichen
Arbeiten über Licht, Schall, Electricität und Capillarität geben
rühmliches Zeugniß umfangreichſten Wiſſens und Köunens.
Vereine mit den angeſehenſten Phyſikern Europas wirkte er U
heiten mi. Weiſe an den Beſtimmungen der electriſchen Ein-
eiten mit.
18) Guſtav Töpke, Dr. jur., Privatgelehrter zu Heidelberg-
Hochverdient um die Geſchichte uuſerer Fakultät und der Univer
ſität, wie der hiſtoriſchen Entwicklung gelehrter Bildung in Deutſch.
Unn —— durch ſeine Ausgabe der Matrikelbücher unſerer
niverſität.
19) Ludwig Turban, Großh. Bad. Staatsminiſter und
Präſident des Miniſteriums des Innern, Exc. Als Förderer wiſſen
ſchaftlicher und künſtleriſcher Beſtrebungen ebenſo hervorragend ver
dient um unſere badiſche Heimath, wie als Beſchützer und Leite
von Laudwirthſchaft. Handel und öffentlichen Arbeiten hoch ange-
ſehen. Die erfreuliche Entwicklung und Blüthe, welche unſerem
Staat unter ſeinem Miniſterium beſchieden war, war auch
unſere Fakultät und Uniberfttät Grundlage und Bedingung er“
ſprießlichen Gedeihens und Wachſens.

Aus Stadt und Land.
O eidelberg, 10. Aug. (Die öffentliche Sitzung des
Ophtalmologen⸗Congreſſes zu Heidelberg, den 9.
Auguſt 1886. Fortſetzung.) Berlin blieb von nun an dar
Centrum der Augenheilkunde, aber die Arbeiten mehrten ſirgft
waltig und man mußte anfangen zu fragen, ob v. Graefe's Krä te 3
ausreichen, auch ferner den geſteigerten Anforderungen zu genügen,
Eine ſchwere Laſt ruhte auf dem Manne, der in jedem Jahr er
mattete, in jedem Jahre Erholung auf den Alpen ſuchen muß
deren Beſuch ihm ſtets eine Erquickung war. Hier im Hochgebi
war er ein ebenſo ſicherer Führer als im Gebiet der Ophtalm
logie. Schon im Jahre 1856 hatte ihn ſchwere Krankheit nieder-
gedrückt, und dieſe wiederholte ſich im Jahre 1861, gerade 4
einer Zeit, wo ſeine Vermählung nahe bevorſtand. Seine gerade
in Heidelberg verſammelten Freunde eilten an ſein Krankenlage
in Baden⸗Baden und waren Zeugen der Ergebenheit, mit der er
ſeine Leiden trug. Erſt Anfang Februar konnte er Baden⸗Baden
als Reconvalescent verlaſſen, um in Nizza völlige Wiederherſt
lung zu ſuchen, von wo er im April über Paris nach Berlin
zurückkehrte. Von hier erhielten die Freunde v. Graefe's erdli
im Juni 1862 die frohe Botſchaft von ſeiner Vermählung.
beginnt jetzt die 2. Periode von Graefe's Wirkſamkeit mit dem
feſten Entſchluſſe, die kliniſche Lehrthätigkeit einzuſchränken. Aber
äußere Umſtände trieben ihn bald ins alte Geleiſe zurück. S
Kräfte blieben nach wie vor aufs Aeußerſte angeſpannt, do
freute er ſich in dieſen Jahren wenigſtens eines Familienleb
an der Seite ſeiner liebenswürdigen Gemahlin, das glücklich nun
ungetrübt blieb, trotz der geringen Zeit, die er ſeiner jungen
Frau widmen konnte. Ein eigenes Heim zu beſitzen war ihſe
das größte Glück, oft verſammelte er ſeine Freunde in ſeinem Hauſé
und der Reduner gibt in warmen Worten der Erinnerung au di“
ſchönen Abende Ausdruck, welche er in Graefe's Hauſe zu verweilen
das Glück hatte. Aber zu frühe trat die Erſchöpfung ein. Tro
dem erfüllte der Ermattende noch alle ſeine Pflichten, hielt ſeine-
Vorleſungen und auch als Ordinarius der Univerſität ſolche in
der Charitö. Seinen Aufenthalt in Baden⸗Baden benützte
noch, um eine Anzahl Manuſeripte „flott zu machen“, die als
wahre Muſterſtücke kliniſcher Mittheilungen bezeichnet werden
können. Wenn ſeine praktiſche Thätigkeit jetzt etwas nachließ
ſo war dies nur eine Conſequenz ſeines eigenen Strebens un
Schaffens, denn überall eutſtanden neue Centren der Augenheil
kunde, beſetzt mit Männern, die ſeine Schüler waren. Vergebenz
ſuchte Graefe noch Rettung in dem Inſelbad bei Paderborn, afte
im Jahr 1869 verſuchte er mit dem letzten Reſt ſeiner Kräf
ſeine Thäligkeit wieder aufzunehmen. Im Jahre 1870 fühtt-
er ſein Ende heran nahen, welchen Gedanken er durch for-
währende Beſchäftigung fern zu halten ſuchte. Er verſchied na
einem ſchönen Sommertage und nach einer letzten Nacht in ſeine
Gartenſalon unter dem erſten Dämmerſchein des neuen Tages⸗ 3.
Albrecht v. Graefe hinterläßt den Eindruck eines Manne⸗⸗
der eine Miſſion zu erfüllen hatte und der hinging, nachdem

ſie erfüllt. Die nach ihm kamen, ſind ſeiner Spur gefolgt ben



noch Viele werden ihr folgen. Man betrachtet Graefe zuweile
als ein Kind des Glückes, denn ihm wurde das Glück zu Thei
daß ſeine Zeit zuſammenfiel mit der Erfindung des Augenſpiege 4.
Aber ſein Verdienſt iſt mannigfacher und größer als ſein Gl
denn auch ohne den Augenſpiegel würde v. Graefe noch we
über ſeine Zeitgenoſſen hervorgeragt haben. 1
Der Redner wendet ſich nun an Hermann v. Helmholtz, da-
die Verſammlung in ihrer Mitte ſieht: Es bedürfe nicht, ſeiee
Verdienſte näher zu ſchildern. Jedermann wiſſe, daß von 3
lebenden Naturforſchern keiner über ihm, wenige neben ihm ſteheid .
Als junger Militärarzt habe er ſchon durch mathematiſche hen *
phyſikaliſche Keuntniſſe geglänzt, und ſchon früh ſei ſein Streb W4
erkannt worden, ſchwierige Probleme der Naturwiſſenſchaft r 4
löſen. Der Redner erinnert hier an Helmholtz Arbeiten übe
Gährung und Fäulniß, Wärmeerzeugung bei der Muskelbewegunß-
graphiſche Darſtellung der Muskelcontraction, an ſeine Abha in
lung über die Erhaltung der Kraft, welches Geſetz er zuerſt 1
einer ſtrengeren Form entwickelt und auch auf Wärme und Li Er
ausdehnte. In größeren bahubrechenden Werken Er geh
r ga
vollendete, durch Klarheit ausgezeichnete Ueberſicht der von ität
bois⸗Reymond begründeten Lehre von der thieriſchen Electrich
welche er einer neuen erperimentellen Prüfung unterwarf, drortt-
neuen Reſultaten über die Art und Geſchwindigkeit der 5vie
pflanzung der Electricität in den Nerven führte. Bald hat zesert, *
Phyſiologie, bald die Phyſik durch ſeine Forſchungen bereichur
bald ſtieg er hinab in die Tiefen der Mathematik, wohin 16 ſeiner
Ilkom-
perꝰ

Wenige folgen können. Verlegte er ſpäter den Schwerpunkt
Forſchungen mehr auf die Phyſik, ſo verſtehen wir dies vo
werthen. hier konnten ſich ſeine Geiſtesgaben am Höchſten
en.
 
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