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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0190

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Aus Stadt und Land.
O geidelberg, 10. Aug. (Die öffentliche Sitzung des
Ophtalmologen⸗Congreſſes zu Heidelberg, den 9.
Auguſt 1886. Schluß.) Sichtlich ergriffen dankte v. Helm-
holtz etwa mit folgenden Worten: Es ſei durch die ihm ſoeben
erwieſene Ehre eine Laſt des Dankes auf ſeine Schultern gelegt,
von der er nicht wiſſe, ob er ſie tragen könne. Als er vor einem
Jahr von dem Beſchluß der Verſammlung gehört habe, ſei er
freudig überraſcht geweſen, da er ſich ſeines früheren Mitarbeitens
an der Ophtalmologie erinnert habe, ſowie auch deshalb, weil
ſachkundige Männer an dem Orte, wo er ſo lange gelebt
habe und in einem Momente, wo ſoeben ein halbes Jahrtauſend
des Schaffens und Wirkens derſelben Univerſität abgeſchloſſen ſei,
ihm hierdurch zu erkennen geben, daß ſeine Arbeiten auf jenem
Gebiete für ſie werthvoll geworden ſeien. Dieſe Anerkennung
müſſe er als ein beſonderes Glück preiſen, denn nicht Allen werde
es zu Theil, daß urſprüngliche Gedanken ſich zu ſolchem Erfolge
geſtalten. Wenn er die innere Geſchichte ſeiner ophtalmologiſchen
Befunde durchwandere, ſo ſei Einiges das Reſultat des Nach-
denkens geweſen, Einiges aber auch dem Glück zu danken. Der
Augenſpiegel ſei mehr eine Entdeckung als eine Erfindung, denn
theoretiſch ſei ſchon Alles zu jener Zeit vorbereitet geweſen, um
ein ſolches Inſtrument conſtruiren zu können. Das Glück habe
ihn aber von früh an auch dadurch begünſtigt, daß es ihm eine
Stellung anwies, die er ſelbſt damals gar nicht als ein Glück
angeſehen habe. Seine Neigung ſei ſtets geweſen, ſich der Phyſik
zu widmen, aber ſein Vater, ein in beſcheidenen Verhältniſſen
lebender Gymnaſiallehrer, habe gewünſcht, daß er Mediciner
werde, wobei er ja für ſeine naturwiſſenſchaftlichen Neigungen
ebenfalls einige Befriedigung zu finden hoffen durfte. Als mo-
derner Menſch, der, wenn er hinfällt, ſehen müſſe auf die Füße
zu fallen, habe er ſich raſch in ſeine Lage gefunden und Medicin
ſtudirt. Er gelangte hierdurch aber zu einer viel breiteren Grund-
lage des Wiſſens, und erhielt bald einen tiefen Eindruck, welche
Summe von Nichtwiſſen oder ungenügender Keuntniſſe auf die
Lehre von der Accommodation und der damit zuſammenhängenden
pathologiſchen Zuſtände verwandt worden war. Als Univerſitäts-
Profeſſor ſei er in die Nothwendiakeit verſetzt worden, alle dieſe
Fragen mit möglichſter Schärfe zu durchdringen, um ſie ſeinen
Schülern vortragen zu können, wie jeder Univerfitätsprofeſſor ſich
unter einem gewiſſen ſehr förderlichen wiſſenſchaftlichen Zwange
befinde, der hervorgebracht werde durch die Nothwendigkeit, die
Vorleſungen ſtets ſo vollkommen zu halten, daß ſie auch den etwa
unter den Zuhörern befindlichen zukünftigen großen Gelehrten als
Vorbereitung genügen können. Ein Glück für ihn ſei es aber
auch geweſen, daß Fohannes Müller ſein Lehrer geweſen ſei,
und daß dieſer es für der Mühe werth gehalten habe, den jungen
Militärarzt, der noch keine Vorleſung gehalten und bei ſeiner
erſten damals noch gezittert habe, zum Profeſſor in Königsberg
vorzuſchlagen. Der Redner warf nun einen kurzen intereſſanten
Rückblick auf die Geſchichte ſeiner mit der Theorie des Augen-
leuchtens im Zuſammenhang ſtehenden Entdeckung des Augen-
ſpiegels, der Aufklärung des Grundes der Accommodation, ſeiner
mit den hergebrachten Vorſtellungen von Goethe, Brewſten
divergirenden, aber an ältere Vorſtellungen von Poung ſich an-
lehnenden Lehre von den Miſchfarben, welche zugleich ein neues
Moment in die Lehre von den Sinnesempfindungen überhaupt
brachte. Wolle er ganz aufrichtig ſein, ſo müſſe er geſtehen, daß
er nicht mehr gethan habe, als ein aufmerkſamer und fleißiger
Beobachter, der thun wolle, was er könne.

Der Redner ging nun in hochintereſſanter Weiſe kurz ein auf

ein Thema, welches er bereits in einer früheren Prorectoratsrede
behandelt habe, nämlich auf den verſchiedenen Charakter der
wiſſenſchaftlichen Forſchung. Auf dem Gebiet des Naturerkennens
ſei die theoretiſche Phyſik die vollendetſte Wiſſenſchaft, die Forſchung
ſei hier ſo genau als erreichbar, ihre Form die denkbar klarſte
und durchſichtigſte. Aber ſchon die Erforſchung der organiſchen
Welt entziehe ſich dieſer klaren Form der Erkenntniß leider auch
in Fällen, wo wir praktiſch handeln müſſen. Hier trete nun eine
neue Form des intellectuellen Erkennens ergänzend ein, wie ſie
in vollendetſter Weiſe der Künſtler repräſentire. Derſelbe ſei fort-
während in der Lage zu handeln, ohne ſich über das „Wie“ und
„Warum“ ſeines Handels ſtets klar zu werden. In ähnlicher
Weiſe ſehe ſich der Arzt oft in der Nothwendigkeit, handeln zu
müſſen, obgleich die Grundlagen des Erkennens fehlen und die
Art ſeiner Thätigkeit könne daher in vielen Fällen mit der des
Künſtlers wohl verglichen werden. Der ſtrenge Phyſiker würde
aber in ähnlichen Lagen überall nur Mängel des Erkennens ſehen,
überall bald auch die Grenze des Könnens erreichen und daher
als Arzt nicht zu brauchen ſein. Die Lage, in der er ſelbſt ſich
heute der ophtalmologiſchen Geſellſchaft gegenüber befinde, könne
er am Beſten durch folgendes allegoriſches Beiſpiel veranſchaulichen.
Nehmen wir an, bis zu den Zeiten des Phidias habe es keinen
Meißel gegeben, geeignet zu der Beherrſchung des Marmors. Nun
aber finde ſich ein Schmied, der ein ſolches Werkzeug anfertige.
Phidias ſchafft mit Hilfe deſſelben ſeine unſterblichen Bildwerke
und ſagt dann in einem Anfall von Beſcheidenheit zu dem Schmied
zohne Dich hätte ich das Alles nicht machen können“. Der
Schmied erwidert beſcheiden, er würde es ohne Meißel auch nicht
machen können. Nun ſcheidet Phidias und der Schmied bleibt.
Ihm will man, Phidias zu ehren, den Kranz verleihen, trotz der
Vielen, trotz Praxiteles und Paionios, die mit dem Meißel neue
herrliche Götterbilder ſchufen. Der Schmied wehrt ſich, willigt
aber endlich ein. So mache er (v. Helmholtz) es nun auch, hätte
man ihn aber gefragt, wem die Ehre zu erweiſen ſei, er hätte
für Praxiteles und Paionios geſtimmt.
Nach dieſen mit allſeitigem Beifall Seitens der ganzen Ver-
ſammlung aufgenommenen Worten v. Helmholtz' ſchloß der Vor-
ſitzende die Sitzung, indem er noch der Univerſität und dem Rec-
tor den Dank der Geſellſchaft für ihr Entgegenkommen und ihre
Theilnahme an der öffentlichen Sitzung ausſprach.

Hridelberg, 11. Aug. Ein ſehr anſchauliches und treffendes
Bild zeichnet Johannes Proelß in dem bereits einmal erwähnten
Feuilletonartikel der Frͤf. Ztg. von dem ſeltenen Umfange und
der unerſchöpflichen Fülle der Feſtlichkeiten bei der verfloſſenen
Jubiläumsfeier. Der bekannte Feuilletoniſt, welchen die Frank-
furter Zeitung als Berichterſtatter entſandt hatte, ſchreibt
nämlich: Die vollſtändigſte Wiedergabe der bei den Feſt-
akten und auf dem Hauptcommerſe gehaltenen Reden, die ein-
gehendſte Schilderung der Feſte auf dem Schloß und des hiſtori-
ſchen Feſtzugs wie aller anderen Veranſtaltungen offiziellen
Charakters würde nur ein unvollkommenes Bild davon geben, wie
ſich das Heidelberger Jubiläum im vollen Umfang ſeiner lebens-
vollen Wirklichkeit dargeſtellt hat. Mit den Reden und Vorträgen
der Fürſten, Miniſter, Ehrengäſte, Profeſſoren, mit den Trink-
ſprüchen bei dem Feſtmahl im „Muſenm“ und bei dem großen
allgemeinen Commers am Freitag Abend in der Feſthalle, er-
ſchöpfte ſich ebenſo wenig, was zum Preiſe der Jubilarin, zur
Charakteriſtik des Feſtes geſagt wurde, als in der Liſte, die das
offizielle Programm aufſtellte, alle feierlichen Veranſtaltungen auf-
geführt waren, die in der vergangenen Woche Alt⸗Heidelberg hat
vſteigen ſehen. Parallel mit dieſen offiziellen Programmen gin-
gen ja hundert andere Programme, bis auf wenige Punkte, in
denen ſie einander, wie z. B. im Fackelzug und Haupteommers,
tangirten. Jede Verbindung, nicht blos die Corps, hatte für die
ganze Dauer des Feſtes ein bis ins Kleinſte ausgearbeitetes Pro-
gramm aufgeſtellt, in dem jeder Tag mit ein paar feierlichtfeſt-
lichen oder heiter⸗geſelligen Unternehmungen ausgefüllt war. Nicht
viel anders verfuhren die kleineren Kreiſe von Freunden und
Studiengenoſſen und dieſe Gleichzeitigteit einer ſchwer aufzuzäh-
lenden Menge von Commerſen, Frühſchoppen, Conventen, Spritz-
fahrten, Mahlzeiten muß man ſich vergegenwärtigen, wenn man
„ſich das jubilirende Heidelberg dieſer Tage in voller Lebensechtheit
vorſtellen will. Die Stadt — eiuſt Heidelberga deleta, hewährte ſich
als Heidelberga delectata. Während die kleine Zahl der Ehren-

gäſte unter dem Vorſitz des Großherzogs an der „Perle der Pfalz“
ſich labte, wurde in hundert verſchiedenen Wirthſchaften und Gaſt-
höfen, wenn auch bei minder koſtbarem Stoff und unter ausge-
laſſeneren Geſprächen in hoher Feſtſtimmung gekneipt. Um die-
ſelbe Zeit, wo Bürgermeiſter Wilckens am erſten Abend die Gäſte
der Skadt begrüßte, ertönten an andern Stätten noch zehn, zwölf
andere Reden, mit welchen Verbindungspräfidenten ihre alten
Herren willkommen hießen. Wenn die Frankonen etwa im
Faulen Pelz, die Alemannen im Bremeneck, die Saxoboruſſen in
der Feſthalle, die Vandalen im Stadtgarten, die Hamburger im
rothen Ochſen, die Vineten bei der Tante Felix in Haudſchuchs-
heim ihren Frühſchoppen hielten, ſaßen andere verbrüderte Gruppen
unter den ſchattigen Laubdächern auf der Molkenkur, auf der
Philoſophenhöhe, in der Schloßreſtauration oder unten beim
Heidelberger Rieſenfaß im Schloßkeller und ſangen dieſelben
Lieder. Als ich eines Abends die Hauptſtraße hinunterging, um
als Gaſt der „Hamburger“ einem ſolennen Commers beizuwohnen,.
ertönte nach einander aus drei Wirthſchaften, an denen ich vor-
beiſchritt, in kräftigem Männerchor gleichzeitig Scheffel's Lied
„Alt⸗Heidelberg, du Feine“, wie mir es kurz vorher vom Neckar
herauf entgegengeklungen war, wo alte und junge Studenten in
laubgeſchmückten Kähnen um mächtige Bowlen gruppirt ſaßen.
Die Herren vom Inſtitut de Franee, wie Maxime du Camp,
nehmen von Heidelberg nicht nur den Eindruck eines freundlichen
ſie auszeichnenden Empfanges, ſondern auch den mit: der alte
deutſche Durſt lebt noch, jener Durſt, von dem bereits Tacitus
mit ſtiller Bewunderung und ſtillem Grauen ſeinen römiſchen
Landsleuten berichtet, denn er fühlte wohl, wer ſo Mächtiges
leiſtet im Heben der Bierkrüge, im Schwingen gefüllter Büffel-
hörner, audacter et constanter — kühn und beharrlich —, dem
ſind auch bei ernſteren Treffen dieſe Tugenden zuzutrauen. Da-
bei iſt, ſoviel uns bekannt, nicht eine Störung der Ordnung.
nicht eine Ausſchreitung durch berauſchte Excedenten zu regiſtriren,
dagegen eine noch nie erlebte Eintracht der verſchiedenen Verbin-
dungen unter einander, wie ſie der große Feſtkommers in der
Feſthalle, der die Träger aller in Heidelberg vertretenen Conleuren
unter dem Präſidium eines Nichtfarbenſtudenten — eines „Büch-
ſiers“, wie es wohl ſonſt im Jargon der Cor.s heißt — des
Vorſitzenden im Ausſchuß der Heidelberger Studentenſchaft, einte.
—* Zeidelberg, 11. Aug. In den jüngſten Sitzungen des hieſi-

gen Stadtrathes wurden u. a. folgende Gegenſtände zur Kennt-

niß bezw. Erledigung gebracht:
1) Die Verbrauchsſteuern haben im Monat Juni 10,285 Mk.
23 Pfg. ertragen.
2) Der Wirthſchaftsbetrieb in der Feſthalle ſoll am Sonntag
den 15. Auguſt d. J., Abends, eingeſtellt werden.
3) Folgende, aus Anlaß des Univerſitäts⸗Jubiläums dem Stadt-
rathe bezw. dem Herrn Oberbürgermeiſter zugekommene Tele-
gramme wurden bereits telegraphiſch mit Dauk beantwortet:
a. „Der ewig jungen, wunderſchönen Schweſter ſendet von gan-
zem Herzen Grüße ‚
Göttingen, Merkel, Oberbürgermeiſter.“
b. „Dem ehren⸗ und freudenreichen, gaſtlichen Heidelberg ſendet
zum Jubelfeſte ſeine Glückwünſche der Verein zur Wahrung
der Intereſſen der chemiſchen Induſtrie Deutſchlands:
Holtz, Vorſitzender in Berlin.“
c. „Die Stadt Heilbronn ſendet ihrer Nachbarſtadt Heidelberg,
mit welcher ſie ſeit Jahrhunderten wechſelnde Schickſale ge-
theilt, die beſten Wünſche zu der glänzenden Jubelfeier,
welche ſie in dieſen Tagen mit ihrer Ruperto⸗Carola begeht.
Der Gemeinderath.“
* htidelberg, 12. Aug. Das „äl teſte Haus“ des Heidel-
berger Jubiläums zählte das Corps der „Schwaben“ zu den
Seinen. Es war Herr Jak. v. Czihak, der gegenwärtig in
Aſchaffenburg lebt. Derſelbe, in Darmſtadt 1799 geboren, ſtudirte
in den Jahren 1819 bis 1823 in Heidelberg Medizin und gehörte
während dieſer Zeit dem Schwaben⸗Corps an. In ſpälerer Zeit
bekleidete er, wie wir dem Rheiniſch. Cour. entnehmen, die hohe
Stellung des Generalarztes der rumäniſchen Armee, machte als
Naturforſcher bedeutende wiſſenſchaftliche Reiſen in Aſien und
Rußland, wo er (in Tiflis) auch ſeine zweite Frau (er hat —
auch ein Zeichen von „Muth und Kraft in deutſchen Seelen flam-
mend“ — Dreien ſeine Hand gereicht, darunter einer Wiesbaduerin)
kennen gelernt, und wurde mehrfach auch im diplomatiſchen Dienſte
verwandt. Vor mehreren Jahren lebte er in Wiesbaden kurze
Zeit und war namentlich in wiſſenſchaftlichen Kreiſen bekannt.
Vom Schwaben⸗Corps und vielen von deſſen „alten Herren“ bei
ſeiner Ankunft auf dem Bahnhofe empfangen, wurde der wirklich
»alte Herr“ in einem feſtlich mit den Corpsfarben und Blumen
geſchmückten Vierſpänner in zahlreichem Comitat durch die Straßen
nach der Schwabenknueipe geleitet und dort bei ſolennem Früh-
ſchoppen feierlich begrüßt. Körperliche Rüſtigkeit und geiſtige
Friſche waren ihm in bewundernswerthem Grade bewahrt ge-
blieben; auf dem am Donnerstag auf der Hirſchgaſſe gefeierten
76 jährigen Stiftungsfeſte der „Suevia“, dem er bis zur frühen
Morgenſtunde beiwohnte, meinte er in einer launigen Rede: daß
er das „S0te“ jedenfalls auch mitmachen wolle. Möge ſein Wunſch
erfüllt werden; ſo viele alte und junge ehemalige Heidelberger
Studioſi haben leider das ſo herrlich verlaufene 500 jährige
Jubiläum der Ruperto⸗Carola nicht mehr erlebt.
* Zeidelberg, 12. Aug. Das Bier das in Heidelberg während
der Jubiläumsfeierlichkeiten verabreicht wurde, hat auch den Beifall
der anweſenden Franzoſen gefunden. Dem Berichterſtatter des
Figaro, Herrn Pierre Giffard, ſcheint es famos geſchmeckt
zu haben, denn derſelbe beginnt ſeinen Bericht vom 5. mit den
Worten: „Trinken heißt hier die Parole, nochmals trinken, immer-
zu trinken! In meinem Leben habe ich nicht ſo viel getrunken.
Aber dieſes Bier verdient auch getrunken zu werden. Wahrhaftig,
es hat keine üblen Folgen. Frei von der Behandlung mit Al-
kohol, welcher die Pariſer Händler das dortige Bier unterwerfen,
um es zum Verſandt geeigneter zu machen, iſt dieſes hier geſund
und verwirrt das Hirn nicht eher als bis man zum zwölften
Schoppen kommt. Das iſt die Zahl, über die ich vorſichtiger-
weiſe nicht hinausgehe; aber ich ſchäme mich faſt, das zu geſtehen.“
Uebrigens hat Giffard auch über den hiſtoriſchen Feſtzug wie
über den ganzen Verlauf der Feſtwoche ſehr eutzückt geſchrieben.
Sein letzter Bericht ſchließt mit folgenden Worten: „Auffallend
war die vollendete Vornehmheit der lungen Männer und jungen
Mädchen, welche um die Ehre gewetteifert hatten, bei dem im
doppelten Sinne des Wortes hiſtoriſchen Feſtzuge mitzuwirken.
Die Damen waren anmuthig, und viele von ihnen wahre Schön-
heiten.. . . Ich habe nach beſten Kräften über dieſe glänzende
Woche berichtet, in welcher die den Wiſſenſchaften geweihten Huldi-
gungen ſich mengten mit dem lärmenden Gaudeamus⸗Geſang der
Jugend in den lieben Kneipen. Das Alles liegt außerhalb unſerer
franzöſiſchen Gewohnheiten, aber es gibt eben außer uns noch
Leute auf dieſer Erdenwelt. Solche Veranſtaltungen mahnen uns,
das nicht zu vergeſſen. . .. Was mir bei dieſen volksthümlichen
Feſten beſonders aufgefallen iſt, das iſt die vollkommene Regel-
mäßigkeit, mit der ſich Alles dem Programm entſprechend voll-
zieht, ohne Anſtoß, ohne Verletzung und namentlich ohne Lärm.
Hunderttauſend Perſonen, welche ein Feſt feiern, hätten bei uns
das ganze Land betäubt. Hier geht Alles methodiſch und ohne
Geſchrei vor ſich. Bei den kleinſten Einzelheiten ſpürt man die
Achtung vor der Autorität, welche Allen wohlthätig erſcheint.“
heidelberg, 12. Aug. Ueber die angeblich plötzliche Abreiſe
des Kronprinzen von hier tauchten bekanntlich allerhand müßige
Gerüchte auf, die ſogar in einzelnen Blättern mit der Miene
großer Wichtigkeit kommentirt wurden. Es wird demgegenüber
darauf hingewieſen, daß ſchon 14 Tage vor dem Beginn der
Jubiläumsfeier dem Feſteomitee aus Berlin die Meldung kam,

daß der Kronprinz unmöglich bis zu dem Feſtzug in Heidelberg

verweilen könne.
* gridelberg, 12. Aug. Wie wir ſchon in unſerem Berichte
über den Feſtgottesdienſt in der Heiliggeiſtkirche am 3. ds. er-

wähnten, fand auch in der Spitalkirche ein ſolcher ſtatt; die

von Hrn. Stadtpfarrer Dr. Rieks gehaltene Feſtpredigt iſt in der
letzten Nummer des Altkatholiſchen Boten veröffentlicht.
§J. Heidelberg, 12. Aug. Vor einigen Tagen wurde Herr Alt-
Oberbürgermeiſter Krausmann, der ſich zur Beerdigung eines
Enkelkindes nach Freiburg begeben wollte, auf der Eiſenbahn
kurz vor Offenburg von einem Unwohlſein befallen, das ihn
nöthigte, an dieſer Station die Reiſe zu unterbrechen, woſelbſt
er noch krank darnieder liegt. Hoffen wir, daß ſich der verehrte
Mitbürger bald wieder völlig erhole und dem Kreiſe ſeiner An-
gehörigen und Freunde geſund zurückgegeben werde.
* geidelberg, 12. Aug. An dem in dieſen dagen ſtattgehabten
Stiftungsfeſt des Männergeſangvereins „Liederkranz“ zu Speyer
betheiligte ſich auch die hieſige „Liedertafel“. Ueber ihre
Leiſtungen leſen wir im „N. Sp. A.“, daß ſich die Liedertafel
durch ſchönen Vortrag ſchwieriger Compoſitionen großen Beifa
erwarb. 2
+ gridelberg, 12. Aug. (Odenwaldklub.) In Folge des
vom 27. zum 28. v. Mis. erfolgten bedauerlichen Ablebens des
Stifters und Ehrenpräſidenten des Odenwaldklubs, Kreisrath
Hallwachs in Offenbach, welcher noch der Generalverſammlung
des Geſammtvereins in Heidelberg im Mai d. J. mit lebhaftem
Intereſſe angewohnt hatte. mußte bezüglich der Ausflüge eine
Aenderung getroffen werden. Der ſchon früher projektirt ge-
weſene Ausflug auf die Ruine Rodenſtein wurde ver-
legt und findet nunmehr nächſten Sonntag, den 15. Aug. d. J.
ſtatt. Die CEinweihung des neu errichteten Ausſichts-
thurmes auf der Knodener Höhe bei Bensheim iſt auf
den 29. Auguſt feſtgeſetzt.
** gtidelberg, 12. Aug. Nächſten Samstag, den 14. ds. rückt
das hieſige Bataillon zu den Regimentsexerzitien in die
Gegend nach Mannheim aus. Die Uebungen währen etwa a

Tage. Am 21. ds. kehrt das Bataillon zurück, marſchirt aber

am 24. wieder ab und zwar nach Wiesloch, in deſſen Umgebung
die Brigade⸗ und Detachementsübungen ſtattfinden, an welche

ſich die Diviſionsmanöver in der Gegend von Bretten anreihen.

Am 15. September kehrt das Bataillon in ſeine Garniſon hieher
zurück.

Feſtzuge betheiligten und von dem Gro ßherzoge begnadigten

stud. jur. Bumiller, der Reſerveoffizier Behr von hier, iſtt
auf telegraphiſchen Befehl des Großherzogs ebenfalls begnadigt

worden aus der kaum angetretenen Haft in Raſtatt entlaſſen
worden.
r. Wiroloch, 11. Aug. Am letzten Sonntag wurde hier das

Lirchweihfeſt abgehalten und am darauffolgenden Montag
Jahrmarkt. Der Fremdenbeſuch zum Kirchweihfeſte war diesmal
weniger lebhaft, weil die Feſttage von Heidelberg biele Bewohuner

der Umgegend im Laufe der Woche dorthin führten. Der Markt-
verkehr war ſchwach. — Die Ernte iſt beendet und äußern ſich
die Landwirthe über das Erträgniß ſehr befriedigend. on
Dienstag auf Mittwoch Nacht zog ein arges Gewitter über die
Stadt und deren Gemarkung. Dem Gewitter ging ein heftiger
Sturm voraus, welcher auf hieſiger Gemarkung Bäume entwur-
zelte und mauche Hopfenanlagen umlegte, welche kaum mehr auf-
zurichten ſein dürften. Den Beſitzern iſt dadurch ein erheblicher
Schaden erwachſen. Auch die Dolden an vielen Anlagen
wurden zerzauſt. Der Hopfen ſtand ſehr ſchön und verſprach
eine reiche Ernte. — Der Tabak ſteht hier gleichfalls gut.
r. Wircolach. 11. Aug. Vom 23. bis 30. Auguſt kommen in
bieſige Stadt ungefähr 800 Mann Einquartierung und
zwar das Leibgrenadier⸗Regiment Nr. 109 mit Stab. Die
Brigadeübungen finden in unmittelbarer Nähe von Wiesloch
auf den Aeckern im Gänsberg ſtatt. — Vom 30. Auguſt bis
4. September erhält die Einwohnerſchaft Dragoner und Pioniere
zur Einquartierung.
+ Aus dem Rruchthal, Anfaugs Auguſt. Geſtatten Sie an Ihre
Feſtſtadt, deren Jubelwoche ſo viele tauſend Herzen in freudigſter
Weiſe bewegte, einige kurze Mittheilungen aus unſerm ſchönen
Thale. Es gibt zwar hier keine bevorzugte Stätte zur Pflege
höherer Wiſſenſchaft, zu welcher alljährlich hunderte von ſtreb-
ſamen Muſenſöhnen pilgern, um ihren geiſtigen Durſt befriedigen
zu können; dafür aber hat Mutter Natur in freigebendſter Weiſe
andere Stätten aufgebaut und mit reichſten Mitteln ausgeſtattet,
wohin zu jeder Sommerszeit Tauſende von Menſchenkindern aus
allen Himmelsgegenden ſtrömen, um an den erfriſchenden Heil-
quellen ſich zu ſtärken und die geſunkene Körperkraft wieder neu
zu beleben. Die reine, kräftige, reich aromatiſche Bergluft, die
man in unſer Bädern einathmet, die erfriſchenden Quellen, welche
man da trinkt in Verbindung wohlthuender Bäder äußern eine
Wirkung auf das allgemeine Wohlbefinden, deſſen man in Städten
entbehrt. Der Ausfall an größeren Koſten wird ja durch eine
verlängerte Geſundheit reichlich erſetzt. Wir kennen aus Er-
fahrung alle Preiſe der Renchthalbäder; aber wir finden dieſelben
im Verhältniß zur kurzen Dauer der Saiſon und der vielen Aus-
lagen, welchen die Badbeſitzer durch Anſtellung vermehrten Dienſt-
perſonals zu machen genöthigt ſind, durchaus nicht zu hoch. Wir
erwähnen beiſpielsweiſe das Bad Griesbach, das ſchönſtgelegene
des Renchthals und am beſten eingerichtete. Aber es gibt auch
ganz billige Anſtalten. Gerade in Griesbach beſteht ſeit einigen
Jahren ein vorzügliches Hotel mit vollſtändiger Badeinrichtung.

Es iſt dieſes das frühere, jetzt zweckmäßig vergrößerte und präch-

tig eingerichtete Gaſthaus zum Adler, am Eingange in das ro-
mantiſche Wildreuchthal gelegen. Auch das Bad Freiersbach,
Bad Sulzbach und der Bären in Petersthal, ein auerkannt gutes
Gaſthaus, haben billige Preiſe. Damit wollen wir unſere Mit-
theilungen ſchließen und hoffen nur, daß hiedurch Viele veranlaßt
werden, dem einen oder andern Reuchthalbad Beſuch abzuſtatten.
Dieſelben werden für das Vorſtehende uns dankbar ſein.
+ Karlsruhe, 9. Aug. (Ausſtellung für Handwerks-
technit und Hauswirthſchaft.) Die bekannte Mannheimer
Maſchinenfabrik Mohr u. Federhoff, welche ſich ſeit ihrem
Beſtehen mit der Specialfabrikation von Aufzügen, Krahnen,
Waagen ꝛc. befaßt, wird auf der Ausſtellung mit verſchiedenen
ihrer werthvollen Specialitäten vertreten ſein. — Die Schnell-
preſſenfabrik von Albert u. Cie. in Frankeuthal (Rheinbayern)
wird u. A, eine Cylindertret⸗Accidenz⸗Maſchine ausſtellen, welche
ſich vor allem durch höchſt einfache Conſtruction und daraus

folgende leicht verſtändliche und einfache Behandlung, ſowie durch

weſentliche der Järbesei ſowohl am Bewegungsmechanismus
als auch an der Färherei und dem Druck⸗Apparat auszeichnen
wird. Von den Vorzügen der Maſchine ſei hier nur der an der-
ſelben befindliche automatiſche Anlegeapparat erwähnt, welcher die
Erzielung eines eben ſo genauen wie ſicheren Regiſters geſtattet.
Farbendrucke können mit demſelben in höchſter Vollkommenheit
und in kürzerer Zeit wie bei dem gewöhnlichen Punktirverfahren
erzeugt werden. — Den Schuhmachern und ſonſtigen Lederarbei-
tern wird die von zwei jungen ſtrebſamen Geſchäftsleuten neu
begründete mechaniſche Werkſtätte von Brand u. Mahler in
Karlsruhe, das neueſte und beſte, was es in Bezug auf Stanzen,
Meſſer und ſonſtige Werkzeuge in dieſen Branchen gibt, vorzu-
führen verſuchen. Dieſes Geſchäft beſchäftigt ſich außer mit der
Herſtellung von Stanzen und Meſſern für Schuhfabrikation 20.
auch mit Anfertigung der verſchiedenſten Schneidwerkzeuge für
die Papier⸗ und Btumenmacherbrauche, ſowie endlich mit der
Herſtellung und Reparatur von Decimalwaagen. Das Geſchäft
hat die Einrichtung getroffen, daß ſämmtliche von ihm fabricirten
Werkzeuge, bevor ſie die Werkſtatt verlaſſen, auf ihre Gebrauchs
fähigkeit geprüft werden, ſo daß für deren Güte und Verwend-
barkeit die weitgehendſten Garantien übernommen werden können.
Kartaruhe, 11. Aug. In Bezug auf die Erkrankten,
welche das hieſige Regiment geſtern in Folge der überaus großen
Hitze und Schwüle der Luft hatte, iſt mitzutheilen, daß ein Mann
Füſ. Stengel der 11. Comp.) geſtorben iſt, die übrigen umgefallenen
Leute entweder ſchon wieder vollſtändig hergeſtellt ſind, oder ſich

doch auf dem entſchiedenen Wege der Befſerung und außer alle

ck
*Heidelberg, 12. Aug. Auch der Zweikampf⸗Gegner des beim

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