Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0216

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Bewegung der dortigen Bevölkerung gegen die türki-
ſchen Forder ungen. Die Wiedereinführung der früheren
Einrichtungen würde unausbleiblich das Zeichen zum all-
gemeinen Aufſtand geben, der nur durch das türkiſche
Heer oder das Einſchreiten der auswärtigen Mächte nieder-
zuſchlagen ſein würde, die Umſtände könnten die bulgariſche
Regierung dazu drängen, ſich dem Eingreifen einer
fremden Macht zu fügen. Dem gegenüber bemerkt man
hier, Fürſt Alexander möge die Dinge nicht ſtets auf
die Spitze treiben. Bei den beſten Wünſchen für ſeine
Perſon betont man, daß der Friede Europas denn doch
nicht von ihm abhänge, ſondern durch den Friedensbund
der drei Kaiſermächte geſichert ſei. — In einer Auslaſſung
gegen die deutſche Kundgebung für die Siebenbürgener
Sachſen meint die officiöſe Ungariſche Poſt, Graf Kal-
noky möge einmal bei dem Fürſten Bismarck an-
fragen, ob ſolches mit dem innigen Freundſchaftsbunde ver-
einbar ſei.
Wien, 18. Aug. Von geſtern auf heute erkrankten in
Trieſt 23 und ſtarben 6 Perſonen an der Cholera.
Ausland.
Paris, 18. Auguſt. Sogleich nach Ankunft der Nach-
richt vom Tode des Biſchofs von Metz wurde an
das Capitel folgende Adreſſe abgeſchickt:
Elſaß-⸗Lothringer, welche in Paris wohnhaft ſind, rich-
ten an das Metropolitaucapitel den Ausdruck ihres Beileids für
den tapferen Patrioten Monſeigneur Dupont des Loges, der bis

zum letzten Athemzuge die Liebe zum franzöſiſchen Vaterlande zu
bewahren wußte.

Die elſaß⸗lothringer Prieſter in Paris ſchreiben
ſich als Kundgebung ihres Beileids im erzbiſchöflichen
Palaſt ein. Die Leiche des Biſchofs wird in der Bretagne
beigeſetzt. Acht Tage nach der Leichenfeier in Metz wird
der Erzbiſchof von Paris einen Gottesdienſt in Notre⸗Dame
und Biſchof Freppel die Trauerrede halten. — Frey-
ecinet, der in acht Tagen nach Paris zurückkehrt, wird
alsdann ſich entſcheiden, ob er die an ihn von Montpellier
ergangene Einladung annehmen will, dort eine große Rede
zu halten.
Paris, 18. Aug. Der franzöſiſche Chauvinis-
mus ſchwelgt förmlich in dem Bewußtſein, daß die fran-
zöſiſche Armee ein Ding ſei, dem nichts auf Erden gleiche.
Die France unterzieht die einzelnen Waffengattungen des
Heeres einer Beſprechung, um auch „Andersgläubige“ zu
der Ueberzeugung zu bekehren, daß Frankreich jeden

Au genblick gerüſtet ſei, um Deutſchland den Garaus zu

machen. Die Variationen dieſes Blattes über das be-
kannte: „archipréts!“ beginnen bei der Feldartillerie
und bilden ein unbegrenztes Lob der „unübertrefflichen“
90 Millimeter⸗Feldkanone, der Ausbildung der Bedienungs-
mannſchaften, der Menge und Güte des Materials und
ſchließen mit folgender Betrachtung:
„Das Vertrauen zu dem Material im Verein mit einem ge-
rechtfertigten Vertrauen zu ſich ſelbſt, bringt ein gewiſſes mora-
liſches Wohlbehagen hervor, das für die Truppen ſehr
heilſam iſt. Man ginge Morgen mit Freuden ins

Fur al denn nie fühlte man ſich ſo „auf dem Punkte“ wie jetzt.

ür alle Batterien beſtehen Magazine, in denen das Material
und das Zugehör vorbereitet iſt. Man braucht nur die Wagen
aus den Schuppen zu ziehen, um zu marſchiren und zu ſchießen.
Für die Bildung der Reſerve beſteht dies ebeuſo gut, wie für die
Armee der erſten Linie. Kein Fortſchritt iſt es alſo, den man
ſeit w1870 gemacht hat, ſondern eine Schöpfung vom Fuß bis zum
Scheitel. Zwiſchen dem, was damals exiſtirte, und dem, was
heute vorhanden iſt, beſteht ein rieſiger Unterſchied. Aus der an
Material, Perſonal und Taktik der deutſchen Artillerie weit
unterlegenen iſt die franzöſiſche Artillerie für die zwei letzten
Punkte ihr gleich geworden und übertrifft ſie hinſichtlich des
erſten; das iſt unſere klare Meinung. Wir werden ſehen, ob
dem nicht auch noch in gewiſſen anderen Punkten möglicher Weiſe
ſo iſt; allein man kann im Allgemeinen ohne jene Ruhmrederei,
deren Erinnerung uns ſchon kalt überlaufen macht, ſagen: „Wir
ſind bereit!“
Paris, 18. Aug. Die Verhandlungen zwiſchen dem
Vatikan und Frankreich über Einrichtung einer päpſt-
lichen Nuntiatur in Peking ſind dem Vernehmen
nach bis zur Wiedereröffnung der franzöſiſchen Kammern
abgebrochen worden. — Kriegsminiſter Boulanger tritt
am 29. Auguſt ſeine auf 10 Tage berechnete Beſichtigung
der Alpengrenzen an.
Stockholm, 18. Aug. Der bisherige ſchwediſche Ge-
ſandte am Berliner Hofe, General Freiherr v. Bildt,
iſt heute zum Reichsmarſchall ernannt worden.
London, 18. Aug.
Cabinet beſchloß die Zurückberufung der afgha-
niſchen Grenzcommiſſion nicht, es unter handelt
vielmehr noch mit Rußland. Es beſtehe die Abſicht, die
Commiſſion vor Beginn des Winters nach Indien zurück-
zurufen. Ueber das Datum der Zurückrufung werde aber
erſt nach Eingehen der ruſſiſchen Antwort beſchloſſen werden.
Konſtantinopel, 17. Aug. Die Pforte hat die
Statthalter von Siwas, Koniah und Damaskus beauftragt,
die Einberufung der Redifs behufs raſcher Completirung
des zweiten Armeecorps in Macedonien zu beſchleunigen,
theilweiſe in Folge der ſerbiſchen und bulgariſchen Rüſtungen,
theilweiſe wegen der Ueberhandnahme des Räuberweſens in
Macedonien und Thracien, wo einem Telegramm des Gou-
verneurs von Janina gemäß der griechiſche Metropolit von
Elaſona von Briganten in die Berge geſchleppt worden.
Die Pforte glaubt, die griechiſche Regierung begünſtige die
Räubereinfälle. ö
Monteviden, 18. Aug. Geſtern Abend feuerte ein
Menſch auf den General Santos, Präſident der Re-
publik Urugnay, als dieſer eben in das Theater eintreten
wollte, aus allernächſter Nähe einen Revolverſchuß ab.
Der Präſident wurde an der Wange leicht verwundet.
Der Verbrecher, der ſofort verhaftet worden, wurde von
unb.. Menge ſo mißhandelt, daß er bald darauf
*

Aus Stadt und Land
* geidelberg 19. Auguſt. Wie wir ſoeben vernehmen, hat
Se. Königl. Hoheit der Großherzog Herrn Kirchenbauinſpector
Behaghel dahier das Ritterkreuz 1. Kl. vom Orden des
Zähringer Löwen verliehen.
„. Hridelberg. 19. Aug. In der Heiliggeiſtkirche ſind heute an-
läßlich der Anweſenheit der Mitglieder des Vereins deutſcher

Officiell wird gemeldet: Das

Architekten und Ingenieure ca. 400 Zeichnungen des
Heidelberger Schloſſes nach Aufnahme des Schloßbau⸗Bureaus
ansgeſtellt. Unſere geſchätzten Gäſte werden die Ausſtellung ſicher
mit großem Intereſſe in Augenſchein nehmen, aber auch für
Nichttechniker reſp. das große hieſige Publikum dürfte dieſelbe des
Intereſſanten genug bieten. Man würde es Seitens des Publi-
kums gewiß mit Dank aufnehmen, wenn die Ausſtellung nicht heute
bereits wieder geſchloſſen würde, ſondern noch einige Tage hindurch
einer allgemeinen Beſichtigung greöffnet bliebe. Wir wollen hoffen,
daß dieſer Anregung an zuſtändiger Stelle in freundlicher Weiſe
entſprochen wird.
6 heidelberg, 19. Aug. Heute Vormittag ½10 Uhr trafen die
Mitglieder des Vereins deutſcher Architekten und
Ingenieure, von Frankfurt a. M. kommend, auf dem hieſigen
Bahnhof ein, woſelbſt ſie von Herrn Oberbürgermeiſter Dr.
Wilckens und einigen weitern Mitgliedern des Stadtraths em-
pfangen wurden. Bekanntlich hat der gedachte Verein am 15. d.
eine Generalverſammlung in Frankfurt a. M. abgehalten, daran
aber auch zugleich ein reiches Feſtprogramm geknüpft, auf welchem
u. A. auch ein Ausflug nach Heidelberg figurirt. Unter Voran-
tritt einer Kapelle marſchirten die Feſttheilnehmer vom Bahn-
hofe in langem Zuge der Feſthalle zu. Die Tage des
Jubiläums ſchienen wieder aufleben zu wollen, als die
über 600 Köpfe zählende fröhliche Menſchenſchaar durch das
Portal in die Halle hineinfluthete. Nicht ohne Vergnügen beo-
bachtete man, daß die verehrten Gäſte einen geſunden Durſt mit-
brachten. Sofort nach ihrem Eintritt wälzte ſich Sturmkolonne
auf Sturmkolonne mit Todesverachtung gegen das Büffet, ſo daß
das Heer der Kellner nicht hinreichte, dieſen heldenmüthigen An-
griff abzuſchlagen. Nach Eroberung einer Flaſche Wein, eines
Seidels und auch kalter Speiſen ließ man ſich auf den gaſtlichen
Bänken nieder, um ſich in Ruhe zu reſtauriren. Alsbald betrat Herr
Oberbürgermſtr. Dr. Wilckens die Rednertribüne u. hielt mit weit-
hin vernehmbarer, klarer Stimme folgende, oft vonBeifall unterbrochene
Rede: Noch einmal haben ſich heute die Pforten dieſer Halle geöffnet,
um einer feſtlichen Verſammlung Zutritt zu gewähren. Nach den
Plänen und unter Leitung eines unſerer hervorragendſten Archi-
tecten, des Herrun Oberbauraths Durm, für einen vorübergehenden
Zweck errichtet, wird dies gewaltige Bauwerk denmächſt wieder
verſchwinden. Aber es muß ihm zu beſonderer Ehre gereichen,
daß, bevor wir dasſelbe beſeitigen, ihm noch der Beſuch einer
großen Anzahl fachkundiger Männer aus ganz Deutſchland zu
Theil wird, welche in der Lage ſind, mit kritiſchem Blick zu
prüfen, ob es den Anforderungen der Technik in jeder Beziehung
entſpricht. Ihr Beſuch ehrt aber nicht bloß dieſe Halle, ſondern
auch unſere ganze Stadt. Wir ſind hocherfreut darüber, daß Sie
anläßlich Ihrer Verſammlung in Frankfurt unſer Heidelberg
nicht vergeſſen haben, und es iſt mir eine werthe Pflicht, Sie
Namens der Stadt auf's herzlichſte zu begrüßen. Ich wünſche
Ihnen Allen in Heidelbergs Mauern und in deſſen prächtiger
Umgebung einen ſchönen und frohen Tag, und würde mich darüber
noch ganz beſonders freuen, wenn Ihr heutiger Ausflug dazu
beitrüge, in den Kreiſen der Architecten und Ingenieure Deutſch-
lands neues Intereſſe für die Erhaltung des herrlichſten Bau-
denkmals deutſcher Renaiſſance, unſeres altehrwürdigen Heidelberger
Schloſſes, zu erwecken, auf deren Nothwendigkeit in dankenswertheſter
Weiſe aus Ihrer Mitte aufmerkſam gemacht wurde und welche als
eine Ehrenpfticht des badiſchen wie des ganzen deutſchen Volkes be-
zeichnet werden muß. Das bisherige Ergebniß der einſchlägigen
Vorarbeiten werden Sie nachher in der Heiliggeiſtkirche zu beſich-
tigen in der Lage ſein, und Sie dürften ſich dabei der Ueberzeu-
gung nicht verſchließen können, daß Seitens der Gr. Regierung
und ihrer Techniker mit Ernſt und Thatkraft an die große Auf-
gabe, welche hier der Löſung harrt, herangetreten worden iſt. Möge
dieſe Löſung eine glückliche ſein; möge ſie erfolgen unter Zuſtim-
mung und Mitwirkung der berufenen Vertreter der Wiſſenſchaft und
Praxis, welche wir heute in unſerer Mitte begrüßen dürfen und die
ich in Alt⸗Heidelberg nochmals auf's wärmſte willkommen heiße!
Herr Ober⸗Ingenieur Schmück⸗Frankfurt a. M. erwiderte dieſe
Anſprache Namens der Feſttheilnehmer mit herzlichen Dankes-
worten. Er verſicherte, daß ſie ſämmtlich in beſter, fröhlichſter
Stimmung hier angelangt ſeien, ſo recht zum frohen Genießen
aufgelegt. Heidelberg, das der Genüſſe an Kunſt und Natur
ſo viele biete, ſei der rechte Ort, ein genußfrohes Herz
zu laben. Er ſei überzeugt, daß der Ausflug nach Heidelberg
den Glanzpunkt in den Feſtlichkeiten des Vereins bilden werde.
Der erſte Eindruck, der herzliche, freundliche Empfang durch
den Herrn Oberbürgermeiſter nud die übrigen Vertreter der
Stadt ſowie die hieſigen Architekten haben ihm das geſagt. Er
danke auf's herzlichſte für dieſen Empfang. Später ſprach
noch Herr Architekt Seitz von hier. Derſelbe gab einen kurzen Ab-
riz der Baugeſchichte und eine Ueberſicht über die Ergebniſſe der
bisherigen Vorarbeiten zu der Reſtauration des Schloſſes, von
welchem eine große Karte mit Grundriß deſſelben zur Anſicht aus-
geſtellt war. Belebt wurde der Aufenthalt in der Halle noch durch
Vorträge des Stadtorcheſters. Nach etwa 2ſtündigem Aufenthalt
begab man ſich von hieraus zur Heiliggeiſtkirche zur Beſichtigung

der dort ausgeſtellten Zeichnun gen des —— und demnächſt zum

Schloſſe ſelbſt, wo ein gemeinſames Mittagseſſen im feſtlich dekorirten
Bandhauſe ſtattfindet. Ein Theil der Feſttheilnehmer wird, der
unzureichenden Räumlichkeit im Bandhauſe wegen, im „Prinz
Carl“ diniren. Nach dem Eſſen erfolgt ein Spaziergang durch
den Wald nach Ziegelhauſen, von wo aus bei eintretender Dunkel-
heit in Neckarbooten die Rückkehr nach Heidelberg angetreten wird.
Die Schloß⸗ und Brückenbeleuchtung bildet den Abſchluß des Feſt-
tages. Die Arrangements der Feſtlichkeiten ſind von unſerm
allezeit rührigen Stadtbaumeiſter Herrn Schaber getroffen.
„+. Heidelberg, 19. Auguſt. Die Badanſtalten von H. Bootz,
Jakob Ueberle und Phil. Gamber Wtw., welche während des Ju-
biläums von dem ſeit Jahren von ihnen eingenommenen Platze
verlegt und in der Nähe der neuen Brücke aufgeſtellt wurden,
haben nunmehr ihren früheren Standpunkt am Zimmerplatz wie-
der eingenommen. Möge eine recht lange Badeſaiſon, welche noch
einen zahlreichen Beſuch der Anſtalten ermöglicht, die Beſitzer der-
ſelben für die von ihnen gebrachten Opfer entſchädigen. Viele
Badeluſtige ziehen übrigens — wenn nur ſonſt das Wetter klar
und ſonnig — ein Bad zu ſpäterer Sommerzeit bei einer Tem-
peratur des Waſſers von 16 bis höchſteus 18 Grad dem lau-
warmen Waſſer von 20—21 Grad, wie man es bekanntlich wäh-
rend der Höhezeit des Sommers oftmals antrifft, entſchieden vor
und iſt auch ein ſolches Bad von ungleich erfriſchenderer Wirkung.
8Heidelberg, 19. Aug. Das Däumlings⸗Ehepaar General Mite
und Frau Gemahlin produzirt ſich ſeit geſtern im großen Saale
des Muſeums. Nicht immer begibt man ſich zu derartigen Schau-
ſtellungen mit beſondern Erwartungen, da man weiß, wie weit
meiſt das wirklich Gebotene von dem Tamtam der Reclametrom-
mel abſticht. Allein die beiden kleinen Menſchenkinder, welche ſich
uns geſtern präſentirten, ſind. nicht nur in den Ankündigungen,
welche uns über ihre zwerghafte Perſönlichkeit unterrichten, ſon-
dern auch in der That große Merkwürdigkeiten. Wenn man dieſe
puppenartigen Weſen in modernſter Salontoilette graziös und
ſelbſtbewußt einherſchreiten ſieht, ſo traut man kaum ſeinen Augen.
Es überraſcht ebenſo ſehr ihre Kleinheit als die vollſtändig pro-
portionirte Beſchaffenheit der überaus zarten Körper. Während
ſich der General mit der ganzen Würde ſeines hohen Ran-
ges bewegt, zeigt ſeine kleine Gemahlin viel Munterkeit. An
der Seite ihres Gatten wandelnd und luſtig mit ihm
plandernd, muſtert ſie mit ſchelmiſchen Blicken das erſtaunte
Publikum. Als normaler ausgewachſener Menſch muß man
ſich aber tief herabbeugen, um einen ſolcher Blicke aus den
lebhaft funkelnden Miniaturäuglein aufzufangen. Die Frau
Generalin iſt mit ausgeſucht modiſchem Chic gekleidet und natür-
lich auch mit einer rieſigen Tournüre bewaffnet. Ihr Ausſehen
iſt jugendlich und friſch. Von ihrem Herrn Gemaht, der nur um
2 Jahre älter iſt, kann man das nicht mehr ſagen, in ſeinem
Geſichte macht ſich bereits ein leiſer Zug jener frühalten
Greiſenhaftigkeit bemerkbar, die dem Geſchlecht der Zwerge im
allgemeinen zu eigen iſt. Die Produktionen der kleinen Herr-

*
ſchaften wurden mit lauteſtem Beifall aufgenommen. Hr. General
Mite trug mehrere Lieder vor, u. A. „die Wacht am Rhein-
„Ich bin ein Preuße“ ꝛc. und man muß fagen mit Ausdruck und
Verſtändniß. Sein dünnes Stimmchen iſt auch durchaus nich
ohne Klang, wirkt wenigſtens keineswegs unangenehm. Großes
Interreſſe erregte die Fahrt der Herrſchaften auf einem eleganten
Miniaturtrichle. Man kann nur wiederholt betonen, das Däum-
lings⸗Ehepaar iſt hinſichtlich ſeiner Erſcheinung eine hochinte-
reſſante anthropologiſche Merkwürdigkeit und weiß außerdem dur
ſeine Produktionen das Publilum einige Stunden hindurch in ge-
ſpannteſter Aufmerkſamkeit zu erbalten.
— giidelberg, 19. Aug. Geſtern Nachmittag fiel ein Gärkuer
in dem ſog. Altangarten auf dem Schloſſe beim Schutttragen über
eine ziemlich hohe Mauer herab, wobei er ſich zwar nicht erheb-

lich berletzte, immerhin jedoch in ärztliche Behandlung genonmen

werden mußte.
UO Karlsruhe, 18. Aug. Die Zahl der bei der Kataſtrophé
in der Uhlandſtraße Getödteten beträgt bis heute Nach-
mittag 12. Doch iſt es leider noch nicht ausgeſchloſſen, daß der
eine oder der andere der Schwerverwundeten noch nachfolge. Heute
Vormittag nahm das Gericht im Hoſpital die Vernehmung der
Berwundeten und in der Friedbofkapelle die Agnoscirung der
Getödteten vor. Beidem mußte der verhaftete Bauunternehmer
Bernhard Kirchenbauer beiwohnen. Der für ſo viele theure
Menſchenleben unheilboll gewordene Bau wurde von Hru. Bern-
hard Kirchenbauer für die Firma Schütt u. Goldſchmid
ausgeführt. Er ſtellt ſich eher als einen Thurm, denn als ein
Haus dar und iſt als Hinterhaus mit einem im rechten Winkel
abbiegenden Seitenbau gedacht.
ſammengeſtürzt, während der vordere Theil gegen die Uhland-
ſtraße noch ſteht, aber ſicherheitshalber wohl abgetragen werden muß-
X Farlsruhe, 14. Aug. (Ausſtellung für Handwerks-

technik und Hauswirthſchaft, eröffnet ſeit dem 15.

Anguſt.) Das Leben und Treiben in der Ausſtellung bietet ein
äußerſt intereſſantes und lebhaftes Bild, welchem das praktiſche

und geſchmackvolle Arrangement einen entſprechenden ruhigen

Hintergrund verleiht. In der That iſt das letztere als ein äußerſt
glückliches zu bezeichnen und kann den Arrangeuren Lob um ſo

weniger vorenthalten werden, als ſie mit verhältnißmäßig ein-

fachen Mitteln Vorzügliches geleiſtet haben. Eine leichte Orien-
tirung in den Ausſtellungsräumen ermöglicht der vortreffliche
Katalog, welcher ſeit dem Augenblicke der Eröffnung käuflich zur
Verfügung ſteht. Derſelbe iſt von Herrn Profeſſor Dr. Meidin-
ger hergeſtellt und ſind in demſelben alle die reichen Erfahrungen.
die dieſer bekannte Förderer des gewerblichen Lebens unferes
Landes im Laufe ſeiner langjährigen Thätigkeit geſammelt hat,
nutzbringend verwerthet. Der Katalog umfaßt 132 Seiten in
handlichem Oktavformat, er iſt mit zahlreichen Abbildungen ſowie
mit einem Situations⸗ und einem Ausſtellungsplan verſehen.
euthält ein Verzeichniß der einzelnen Ausſtellungsgegenſtände, zum
Theil mit näheren Erläuterungen und Illuſtrationen, und trägt
den Charakter eines werthvollen Nachſchlagewerks.
Pforzhrim, 18. Aug. (III. Kreisturnen des 10. deut-
ſchen Turnkreiſes.) Der geſtern Abend ſtattgehabten
Preisvertheilung auf dem Feſtplatze wohnte eine große
Volksmenge bei. Die Feſtdamen hatten auf der Tribüne Plat
genommen, wo auch der Kreisturnrath ſich aufgeſtellt hatte. Von
hier aus verabſchiedete ſich der Kreisvertreter, Herr Dr. Waſſ-
mannsdorff, von den lieben Turngenoſſen, indem er der
Stadt Pforzheim für die freundliche Aufnahme der Turner, wie
für den Ehrenpreis der ſtädtiſchen Behörde nochmals dankte und
ein kräftig erwidertes „Gut Heil“ auf die Stadt Pforzheim, in
deren Mauern ſich die Turner ſo wohl gefühlt haben, ausbrachte.
Was die Leiſtungen der Turner anbelangt, ſo kann nach dem
einſtimmigen Urtheil des Kampfgerichts ſeit dem letzten Turntag
in Neuſtadt a. H. ein weſentlicher Fortſchritt verzeichnet werden,
ſowohl in Bezug auf die turneriſche Geſchicklichkeit, wie hinſichtlich
der Zucht und Ordnung. An Stelle des heiſer gewordenen
Kreistururaths Räuber verkündete Herr Nußhag aus Straß-
burg das Urtheil des Kampfgerichts, das im Allgemeinen dahin

lautet, der Kreis könne mit Stolz und Befriedigung auf ſeine

Leiſtungen im Vereins⸗, wie im Einzelwettturnen, blicken. Alle
28 wettturnenden Vereine konnten preisgekrönt werden, ein einzig
daſtehendes Ergebniß, das ſehr weſentlich den eifrigen Bemühungen
des unermüdlichen Kreisturnwarts Räuber aus Straßburg zu
danken ſei. In dankbarer Anerkennung der Verdienſte deſſelben
hat ihm der hieſige Turnverein eine Ehrengabe, beſtehend in
einem prachtvollen Siegelring, geſtiftet, was die Turner mit einem
donnernden „Gut Heil“ ehrten. Unter den im Einzel⸗Wettturnen
preisgekrönten Turnern befindet ſich auch Ferdinand Meeſer
aus Heidelberg. Mit einem kräftigen „Gut, Heil“ gingen die
Turner auseinander.
Aus Kaden. Der Aufſichtsrath der Rheiniſchen Hypothekenbank
Mannheim hat den Abgebraunten von Todtnauberg die Spende
vou 800 Mark zukommen laſſen.

„Erwiderung. (Eingeſandt).
In dem „Eingeſandt“ vom 16. ds. iſt das Läuten mit der

Signalglocke auf der Pferdebahnlinie Bahnhof⸗Steigerweg einen

ſehr abfälligen Kritik unterzogen und geradezu der gute Zwe
dieſes Läutens in Abrede geſtellt. Es mag hier unerörtert bleiben,
ob das Glocken⸗ oder Pfeifenſignal für das Ohr angenehmer iſt
und können wir uns darauf beſchränken der Anſicht entgegen zu
treten, als ſei das Signalgeben meiſtens nur eine Spielerei des
Kutſchers. Das Signal muß nicht allein an jeder Querſtraße
als Warnung für die auf die Pferdebahn zukommenden Perſonen
und Fuhrwerke, ſondern auch jederzeit dann gegeben werden,
wenn Perſonen oder Fuhrwerke zum Verlaſſen der Geleiſe ver-

Letzterer iſt in ſich ſelber zus

5

anlaßt werden ſollen, woraus ſich ergibt, daß die Signale den

Umſtäuden gemäß mehr oder weniger häufig gegeben werden
müſſen. — Um aber den Herrn Einſender zu einer beſſeren Mei-
nung über den Zweck des Läutens zu veranlaſſen, wollen wir
hier nochmals dieſen Zweck darlegen. — Wenn das Signalgeben
auf der Fahrt vom Bahnhof nach dem Steigerweg ausſchließlich

mit der Glocke und auf dem Rückwege ausſchließlich mit der

Pfeife geſchieht, ſo kann jede im Hörkreis dieſer Signale ſich be-
findende Perſon genau wiſſen, in welcher Richtung ſich der Pferde-
bahnwagen bewegt, was bei gleichen Signalen auf dem Hin⸗ und
Rückweg nicht möglich iſt. Da nun der Wagen eine ganz be-
ſtimmte Fahrzeit hat, ſo muß derſelbe auf der Rückfahrt in einer
ganz beſtimmten Zeit an einem beſtimmten Platze wieder eintreffen.
Merkt ſich nun z. B. der Anwohner der Gaisbergſtraße dieſe
Zeit, welche natürlich je nach der Entfernung ſeiner Wohnung
bis zur Einſteigſtelle verſchieden ſein wird, ſo kann er es mi
Leichtigkeit einrichten, den Wagen auf der Rückfahrt pünktlich zu
treffen. — Bei dem auf dieſer Linie eingeführten 12 Minuten-
Betrieb ſind dieſe Unterſcheidungsſignale aus den angeführten
Gründen für jeden Anwohner doch zweifellos von großem Vor-
theil und müßten dehalb auf die Gefahr hin, einigen Anwohuern

in der erſten Zeit etwas läſtig zu ſein, für immer beibehalten

werden. Heidelb. Straßen⸗ u. Bergbahngeſellſchaft Leferenz u. Cie-

Vermiſchte Nach richten. ö
Crankfurt, 18. Aug. Die erſte deutſche Weinausſtel
lung, vom deuiſchen Gaſtwirthsverband veranſtaltet, iſt heute,
reich beſchickt, durch den Verbandsvorſitzenden eröffnet worden. 4
München, 17. Aug. Ueber das bereits kurz gemeldete Unglü
bei Paſing, dem drei Menſchenleben, wie es ſcheint infolge einen
Unachtſamkeit, zum Opfer fielen, werden folgende authentiſch“
Einzelheiten bekannt. Die Frauen Marie Schmidt, Katharin
Pöſſenbacher und Anna Weindauer, 62, 39 und 38 Jahn.
alt, waren heute Morgen mit dem Ausjäten von Unkraut zwiſchen
den Geleiſen bei Bahnhof Paſing beſchäftigt. Die kurz nach
7 Uhr von München abgelaſſenen Züge, der Starnberger Per
ſonenzug und der Ulmer Kurierzug, näherten ſich, ohne
Frauen ſie beachteten. Im letzten Augenblick dem Perſoneuzen
ausweichend, eutflohen ſie auf das Ilmer Geleiſe, auf dem zofahr
der Zug heranbrauſte. Die Schmidt, die die drohende Gefad.
zuerſt erkaunte, konnte ihren Gefährtinnen noch zurufen, wur

daß die ö
 
Annotationen