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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0306

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Kriegerverein mit Fahne bildete Spalier. Zur Begrüßung
waren noch anweſend der Adintant des Großherzogs, Re-
gierungsrath Menges, ſowie der engliſche Geſandte in
Civil. Der Fürſt begab ſich ſodann mit ſeinen Angehö-
rigen in den Empfangsſalon der Main⸗Neckarbahn und
hielt von dort aus an das ihn ſtürmiſch verlangende Pub-
likum eine kurze Auſprache, für die ihm dargebrachte Ova-
tion herzlich dankend. Hierauf ſetzte er in Begleitung
ſeines Vaters und der Verwandten die Weiterreiſe nach
Bickenbach (Jugenheim) im Sonderzuge fort. Der Fürſt
ſah leidend aus; dankte auch bei der Abfahrt für die nicht
enden wollenden Begrüßungszurufe. Da bekannt war, daß
der Fürſt ſich hier nicht aufhalten werde, war nur die
nächſte Umgebung des Bahnhofs, hier aber reichlich, mit
Blumen und Fahnen geſchmückt.
Herr Oberbürgermeiſter Ohly an der Spitze einer Depu-
tation zum Empfange anweſend. — In dem Fürſten-
Salon des Bahnhofs begrüßten den Fürſten auch eine
Anzahl Damen und überreichten Blumenſträuße, auch als
der Fürſt unter endloſem Jubel die Treppenrampe betrat,
um eine Anſprache zu halten, wurde er von Blumen förm-
lich überſchüttet. In der Anſprache bemerkte der Fürſt,
wie es ihn freue, auf den heimathlichen Boden zurückge-
kehrt, einen ſo freudigen Empfang zu finden. Er danke
Allen für die ihm entgegengebrachten Sympathien. Die
verſchiedenen Vereine und Corporationen beabſichtigen in
den nächſten Tagen dem Fürſten in Jugenheim einen
Fackelzug zu bringen.
Bickenbach, 10. Sept. Als Fürſt Alexander hier
eintraf, ſpielte ſich eine ergreifende Scene des Wiederſehens
zwiſchen ihm und ſeiner Mutter ab, die ſchluchzend in die
Arme des Sohnes ſank.
Jugenheim, 10. Sept. Das Städtchen iſt reizend
decorirt. Der Fürſt Alexander wurde von den Ein-
wohnern und Kurgäſten auf das lebhafteſte begrüßt.
Wiesbaden, 9. Sept. (XVIII. Deutſcher Juri-
ſtentag.) Die erſte Plenarverſammlung wurde
heute Vormittag 9⅛¼ Uhr im großen Saale der „Kaiſer-
halle“ von dem Reichsgerichtspräſidenten Dr. Drechsler
(Leipzig) mit kurzen Worten der Begrüßung eröffnet. Auf
ſeinen Vorſchlag wurde Profeſſor Dr. Gneiſt (Berlin)
zum Vorſitzenden gewählt. Dieſer acceptirte die Wahl und
ſchlug zu Beiſitzern vor: den Präſidenten des Oberlandes-
gerichts Dr. Albrecht (Frankfurt a. M.), den Landesge-
richtspräſidenten Hopman (Wiesbaden), den Hof⸗ und
Gerichtsadvokaien Dr. Jaques (Wien) und den Geh.
Juſtizrath Profeſſor Dr. Dernburg (Berlin). Der
Vorſitzende Prof. Dr. Gneiſt gedachte des Ablebens des
langjährigen Mitgliedes des deutſchen Juriſtentages Gene-
ral⸗Staatsanwalt Dr. v. Schwarze und erſuchte die
Verſammelten, ſich zum Zeichen des Beileids und der Hoch-
achtung von den Plätzen zu erheben. Hof⸗ und Gerichts-
advokat Dr. Jaques (Wien) beantragte hierauf, dem Vor-
ſitzenden Profeſſor Dr. Gneeiſt zu ſeinem vor Kurzem
ſtattgefundenen 70jährigen Geburtstage durch Erheben von
den Sitzen zu gratuliren. Prof. Dr. Gne iſt dankte mit
dem Bemerken: Ich wünſche, daß alle Mitglieder des
Juriſtentags nach zurückgelegtem 70. Lebensjahre ſich einer
ſolchen Friſche des Geiſtes und Körpers erfreuen mögen,
wie ich. (Beifall.) — Geh. Juſtizrath v. Wilmowski
berichtet hierauf über die Rechtsentwicklung in
Deutſchland ſeit der letzten Juriſtenverſammlung. Der
Redner bemerkte: Die Geſetzgebung ſei ſchon ſeit Jahren
in ſolch umfaſſender Weiſe mit der Geſetzgebung zur Für-
ſorge für die Arbeiter beſchäftigt, daß ſie für andere
Fächer kaum noch Zeit übrig habe. Hand in Hand damit
gehe die Reform auf dem Gebiete der Gewerbegeſetzgebung.
Zu erwähnen ſei ferner die Verlängerung des Geſetzes
gegen die gemeingefährlichen Beſtrebungen der Socialdemo-
kratie. Intereſſant und erfreulich iſt auch diesmal der
Parallelismus der geſetzgeberiſchen Beſtrebungen im Deut-
ſchen Reich und in Oeſterreich, welcher die Zuſammenge-
hörigkeit des deutſchen Rechts in beiden Reichen zeigt.
Hoffen wir das Beſte davon für die Löſung der immer
neu auftauchenden Rechtsprobleme, insbeſondere hinſichtlich
der Geſetzgebung für den vierten Stand, deren Reſultate
erſt die Zukunft zeitigen kann. An mannigfachen ernſten
Beſtrebungen, wie wir ſehen, fehlt es nicht. Iſt nach
dem bekannten Leſſing'ſchen Worte das Streben nach der
Wahrheit ſelbſt wünſchenswerther, als die Wahrheit,
ſo bliebe uns kaum etwas zu wünſchen übrig, als
— der Wahrheit wenigſtens immer näher zu kommen.
(Lebhafter Beifall.) Der Vorſitzende theilte alsdann
mit, daß nunmehr die drei Abtheilungen, von denen ſich
die erſte mit dem Privatrecht, die zweite mit dem Handels-
recht und die dritte mit dem Strafrecht beſchäftigen werden,
ihre Berathungen beginnen und ſchloß hierauf die erſte
Plenarverſammlung. — Die heutige, unmittelbar nach Schluß
der Plenarverſammlung ſtattgehabt Sitzung der II. Ab-
theilung (Handelsrecht) eröffnete, nach der Frkf. Ztg.,
»Juſtizrath Makower (Berlin) mit dem Vorſchlag, Land-
gerichtspräſident Becker (Oldenburg) zum Vorſitzenden zu
wählen, was auch geſchah. Nach Erledigung einiger ge-
ſchäftlicher Angelegenheiten gelangte die Tagesordnung zur
Verhandlung, wobei ſich meiſt längere Discuſſionen ent-
ſpannen.
München, 10. Septbr. Der Reichsverweſer Prinz
»Luitpold wird am 25. September eine große Reiſe an-
treten, um die Hauptſtädte des Königreichs, u. a. Augs-
burg, Nürnberg, Ansbach und Würzburg zu beſuchen. Der
Beſuch weiterer Ortſchaften wird auf dieſes und auf das
nächſte Jahr vertheilt werden. — Der Raupenhelm
wird alſo endgiltig abgeſchafft. Die Allgemeine Zei-
tung beſtätigt die Nachricht, daß der Gendarmeriehelm für
die bayeriſche Armee eingeführt werden ſoll. Die Ent-
ſcheidung hierüber werde ſogar ſchon in den nächſten Tagen
erfolgen. Sonſtige Uniformänderungen ſeien indeß nicht
beabſichtigt.

Seitens der Stadt war

Oeſterreichiſche Monarchie.
Wien, 10. Septbr. Nach Meldung der „Politiſchen
Correſp.“ verzichtet England auf den Wunſch der Pforte
auf die geplante Entſendung Whites nach Konſtan-
tinopel.
Wien, 10. Septbr. Dem Prinzen Alexander
wurden auf der Reiſe nach Peſt und Wien Prinz Philipp
von Bourbon und General Klapka vorgeſtellt. Prinz Phi-
lipp ſagte: „On west jamais trahi que par les siens.“
General Klapka veröffentlichte im Peſter Lloyd folgende
Aeußerungen des Prinzen Alexander: Die Urſache ſeiner

Abdankung liege in der Thatſache, daß er gleich nach der

Ankunft in Philippopel von den drei Nordmächten die ge-
meſſene Aufforderung erhielt, in keinem Falle irgend ein

Todesurtheil fällen zu laſſen, weder gegen Civil noch Mili-

tär. Ohne dieſen unerläßlichen Akt der Gerechtigkeit aber
ſei es ihm dort unmöglich geweſen zu regieren. Auch vor
dem Aufſtand habe die ſtete Einmiſchung der Diplomatie
ſein Wirken gelähmt. Das bulgariſche Volk ſei gut, aber
apathiſch und jedem Einfluſſe zu leicht zugänglich. Es ſei
für die europäiſchen conſtitutionellen Znſtände deshalb noch
nicht reif genug. Ein Proviſorium mit einer ſtarken Hand
an der Spitze wäre für einige Zeit die paſſende Regierung
geweſen, um ſo mehr, als die ſogenannte Intelligenz zum
Theil beſtechlich iſt und überhaupt nur einen geringen Grad
der Verläßlichkeit beſitzt, wie dies an jenen ſich zeigte, die
des Fürſten volles Vertrauen mit ſolchem Verrathe lohnten.
Vorderhand denke er an keine Rückkehr; er habe an den
bisherigen Erfahrungen genug. Sollte ihn aber das bul-
gariſche Volk jemals zurückrufen, ſo werde er dem Rufe
nur dann folgen, wenn ihm die nöthigen Bürgſchaften von
den Großmächten geboten würden, damit er ſeine Aufgabe

in Bulgarien nach eigener Einſicht und nach beſtem
Gewiſſen erfüllen könne. Obwohl der Prinz dem
öſterreichiſchen Conſul in Sofia den Wunſch ausgedrückt

hatte, unauffällig zu reiſen, war er doch überall der Gegen-
ſtand von großen Kundgebungen. Hier ſammelte ſich geſtern
Abend auf dem Staatsbahnhofe ſeit 7 Uhr eine zahlreiche
Menge aus dem Bürgerſtande, Damen mit Blumenſträußen
und Studenten, zum Theil in Sonntagskleidern. Der Zug
lief 8½ Uhr, 15 Minuten verſpätet ein. Der Salon-
wagen blieb außerhalb der Halle. Der Prinz wartete 10
Minuten, ehe er ausſtieg. Doch waren die Kundgebungen
unvermeidlich. General Lehne, Sections⸗Chef im Lan-
desvertheidigungsminiſterium, war in Gala erſchienen, jedoch
als Privatfreund, und überreichte einen Brief von dem
Prinzen Alexander von Heſſen, dem Vater des Fürſten,
und Depeſchen. Auf dem Bahnhof begrüßte ein Heſſe den
Fürſten als Landsmann, dem der Fürſt kurz mit Hände-
druck dankte. Als Fürſt Alexander mit ſeinem Bruder
einen offenen Fiaker beſtieg, erſchallten brauſende Hochrufe,
Zivios Nech Zyqe, unter dem Wehen von Tüchern und
dem Schwenken von Hüten und Zurufe: „Hoch der künftige
Kaiſer Bulgariens“. Viele Wagen eilten nach dem Weſt-
bahnhof, wo ein lebensgefährliches Gedränge herrſchte, wel-
ches den Verſuch, den Fürſten auf die Schultern zu heben,
theilweiſe vereitelte. In dem Hofwarteſaal, der Anfangs
unerleuchtet war, nahm der Prinz das Abendeſſen ein; er
lehnte den Empfang der verſchiedenen Abordnungen ab, ſo
die des polniſchen Vereins Zgoda. Eine andrängende Dame
überreichte eine Münze als Talisman für die Zukunft. Bei
der Abfahrt um 9 ¼ Uhr war der Salonwagen mit Blu-
menſträußen überladen und der Bahnſteig und alle Eiſen-
bahnwagen im Bahnhof voller Menſchen, die ſtürmiſche
Grüße nachſandten. Auch die Reiſe von Peſt war eine
Reihe von Kundgebungen geweſen. In Preßburg ſpielte
eine Muſikcapelle und tauſendſtimmige Eljen⸗Rufe wur-
den laut.
Peſt, 9. Septbr. Graf Eugen Zichy, der bereits
hierher zurückgekehrt iſt, erzählt über den Ausflug der un-
gariſchen Magnaten nach Sofia folgende intereſ-
ſante Einzelheiten: In der Nähe von Sofia bemerkte Graf
Zichy in einem Meierhof vornehme Herren. Er ſtieg mit
dem Grafen Pejaeſevies aus dem Wagen und fand
miniſterielle Beamte, die ihnen über alles Aufſchlüſſe er-
theilten. Als dann die beiden Grafen in Sofia eintrafen,
und nach den ihnen vorausgegangenen Grafen Batthyanyi
und Baron Uechtritz fragten, ſtellte es ſich heraus, daß man
beide als Spione verhaftet und in die Citadelle ge-
führt hatte. Erſt in ſpäter Abendſtunde klärte ſich das
Mißverſtändniß auf und die beiden Magnaten wurden im
Jubel in den Unionklub geführt. Die Magnaten beſuchten
unter anderm auch den Major Popow, der für die
Sympathieen der Ungarn für den Fürſten und Bulgarien
lebhaft dankte und dem Grafen Zichh ſein Bildniß ſchenkie.
Popow erzählte unter anderm, Clement und Zankow, die
ihn in den Kerker geworfen, hätten, als ſpäter die revolu-
tionäre Regierung den Boden unter ihren Füßen ſchwanken
fühlte, verſucht, ihn für die Revolution zu gewinnen. Cle-
ment beſuchte ihn im Gefängniß und bot ihm einen Mini-
ſterpoſten an. Der Major wies den Antrag zurück; der
Metropolit eutfernte ſich, ließ aber die Thüren offen. Po-
pow verließ nun ſofort ſeine Haft, ſchwang ſich auf ein
Pferd und ritt in das dreiviertel Stunden entfernte Lager
hinaus. Die Soldaten empfingen ihn mit Hohn und Spott
nnd wollten ihn nicht in das Lager hineinlaſſen. Popow

verlangte ſtandhaft Einlaß, worauf die Soldaten ihre Ge-
wehre auf ihn richteten. „Schießt“ — rief Popow —,

„es wird mir zur Ehre gereichen, wenn jene mich erſchießen,
die ihren Fürſten ſo erbärmlich verriethen.“ Popow ſprach
ſo lange, bis es ihm gelang, die Soldaten für den Fürſten
zu gewinnen. Mit derſelben Mannſchaft wurde dann Zan-
kow verhaftet und dieſelben Soldaten wurden gegen die
Meuterer nach Küſtendil geſandt. Das Landvolk iſt ziem-
lich gleichgültig für die Sache des Fürſten, weil der Rubel
feſt arbeitet und Bogdanow allein täglich 600 Rubel unter
das Volk vertheilt. Was die bulgariſche Armee betrifft,

ſo ſpiegelt ſich ihr Flattergeiſt in der Schilderung Popows

während des Diners, wie

ſehr klar ab. Die Mannſchaft iſt jedem Einfluß

zugänglich, ſo daß ein geſchickter Offizier die Truppe“
heute zu einem Staatsſtreich gegen den Fürſten und mor
gen zu einer Erhebung für den Fürſten gewinnen kand.
Bei dieſer Lage der Dinge konnte Fürſt Alexander übes
Nacht ebenſo raſch und glatt wieder geſtürzt werden, wi
vor einigen Wochen.
Ausland. z⸗
Paris, 10. Sept. Der Temyps bringt folgende offt
ziöſe Mittheilung: Wie wir erfahren, hat die ruſſiſ
Regierung keineswegs offiziell erklärt, daß Rußlan
Bulgarien nicht beſetzen werde. Der ruſſiſche Conſul
Sofia habe es auf ſich genommen, der proviſoriſchen
gierung Bulgariens eine mündliche Erklärung in dieſen
Sinne zu geben. Obgleich die Türkei in ihrem Rund
ſchreiben an die Mächte eine Anſpielung auf die ruſſiſcher
Zuſagen macht, können wir verſichern, daß ſie in dieſe
Beziehung keine amtliche Erklärung erhalten hat. — Pruh
Heinrich von Battenberg traf heute auf der Reiſe
nach Darmſtadt in Calais ein. — Freyeinet tritt
Samstag die Reiſe nach Toulonſe an. Herbette win
gegen den 15. October dem deutſchen Kaiſer ſein Be-
glaubigungsſchreiben als franzöſiſcher Botſchafter überreichen.
— Eine heute vom Generalpräſidenten in Tananariva ein“
getroffene Depeſche meldet, die Wiedereinſetzung der Fran-
zoſen in ihre Güter berurſache zahlreiche Schwierigkeiten
infolge des Briefes eines franzöſiſchen Unterhändlers an
die Regierung der Königin. — Die ſavohiſchen Blätten
klagen über die Anweſenheit von vielen Spionen an der
italieniſchen Grenze. Die Einwohner von Pralognan här-
ten zwei italieniſche Offiziere überraſcht, als ſie einen Plan
des Col Chaviere aufgenommen hätten. Gendarmerie von
Bozel ſei auf der Verfolgung. Es wird verſichert, beide
Offiziere ſeien verhaftet.
Paris, 10. Sept. Eine Depeſche des apoſtoliſchen
Vicars Puginier aus Hongkong vom 9. d. Mts.
meldet, in Thanhoa ſeien im Auguſt 700 einheimi ſch-
Chriſten umgebracht und 30 Dörfer niederge
brannt worden. 9000 Chriſten ſeien de
Hungertode preisgegeben worden. 4
Rom, 10. Sept. Der Popolo Romano erklärt di-
von radicalen Blättern, namentlich aus Rom und Mar,
land veröffentlichte Nachricht, daß der ruſſiſche Ba.
ſchafter Baron Uexkuell-Gyllenband dem Miniſte
des Auswärtigen, Grafen Robilant, das Bedauern d
ruſſiſchen Regierung wegen der Haltung des italieniſchen
Cabinets bei den bulgariſchen Ereigniſſen ausgedrückt ha Ex
für vollkommen unbegründet. eont⸗ ö
Petersburg, 9. Septbr. Ueber den hieſigen Aufen,
halt des franzöſiſchen Revancheapoſtels Paul Deron
lode berichtet ein Mitarbeiter der Frkf. Zig. nachträglich
folgende intereſſante Einzelheiten: Paul Deroul ede hat in
großer Enttäuſchung den ruſſiſchen Staub von ſeinen Füßen
geſchüttelt. Dem franzöſiſchen Revanchepatrioten konnté
auch nichts Aergerlicheres paſſiren, als, wie er ſich eine
hieſigen Journaliſten gegenuͤber geäußert hat, in Peters-
burg in eine völlig deutſche Stadt zu gerathen. Seuc
ſchlimme Laune konnte unter ſolchen Umſtänden auch dur
die Aufnahme nicht gehoben werden, die ihm von Seite-
einiger eifriger Reporter mit Kriecherzungen und Verhimme-
lung ſeiner patriotiſchen Verdienſte bereitet wurde. Selbſ
das Subſkriptionsdiner, welches ihm die ruſſiſche!
Iournaliſten gaben, war ein Fiasco, nachdem de-
Gaſte und den Gaſtgebern von oben her der Mund ver
ſchloſſen worden war. Alles Politiſche in den Reden wa
ſtreng verboten worden und auch die literariſche Redefeier,
zu der man deshalb nothgedrungen greifen mußte, ſo
noch ein Nachſpiel haben, das der Geſellſchaft ſehr uner
wartet kam. Der Petersburger Stadthauptmann, von de
das Verbot der politiſchen Reden ausgegangen war, 0
ſchied am nächſten Tage früh Morgens den Redakteur de
ruſſiſchen Petersburger Zeitung, Herrn Monteverde, zu ſi
und bat ihn um einen Bericht über den Inhalt der Rede,
über die Konverſation, welch
mit Derouléde geführt worden war. Als der Redakten
ſich nicht immer auf das Rechte beſinnen konnte, führte
plötzlich der Stadthauptmann einen ſtenographiſchen Bert B5
vor die Augen und fragte ihn, ob die hier wörtlich 451 ö
gezeichneten Reden mit dem, was der Redakteur gehb
habe, in der That übereinſtimmten? Der verblüffte Zoahe
naliſt konnte jetzt natürlich nur bejahen und man erfu
denu auch ſehr bald, daß hinter den Portieren als Kehſez
maskirte Stenographen der Geheimpolizei genügend Ple
gefunden hatten, um jedes geſprochene Wort in der VBeg
ſammlung ſorgfältig zu Papier zu bringen. Schon um
Uhr Abends, am Tage des Diners, war der Wortlan
aller Reden, in den Händen des Stadthauptmannes, 1
wie es heißt, ſollen dieſelben eine Stunde ſpäter der kaiſer,
lichen Cenſur unterworfen worden ſein. Von dieſer Cen.
hing es im letzten Augenb licke ab, was am folgenden cht
in die Zeitungen gebracht werden durfte und was Eber⸗ ö
Ob auch Derouléde von dieſem Meiſterſtück ruſſiſcher uebeg
wachungskunſt etwas zu Ohren gekommen iſt, habe on
nicht in Erfahrung bringen können. Mir aber iſt ch
verſchiedenen Seiten verſichert worden, daß der franzöſiſ m⸗

Ritter der Revanche die Newareſidenz in großer Mi
mung verlaſſen hat. der
Petersburg, 10. Sept. Rachdem Fürſt Aleran aſ-
Bulgarien verlaſſen hat, werden einige zwanzig Stl-
ſiſche Officiere dorthin abgehen und ihre früheren ö
lungen wieder einnehmen. Alle höheren Stellungen,
einſchließlich die meiſten Bataillons⸗Commandeure, we den
mit Ruſſen beſetzt werden. Was mit den entſprechen w⸗
bulgariſchen Officieren werden ſoll, hängt von den den
nächſtigen Vereinbarungen zwiſchen dem Fürſten Dolgor
und der bulgariſchen Regierung ab.
Warſchau, 10. Septbr. Prinz Wilhelm
Preußen iſt heute Vormittag hier eingetroffen und w

von
urde
 
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