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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0366

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Tagung des Reichstages und des Landtages im

Großen und Ganzen die vorjährigen Friſten innegehalten
werden ſollen, dient jedenfalls zur Entkräftigung der Nach-
richt, daß beide Parlamente erſt Anfang Jannar berufen
werden und von Anfang an neben einander tagen ſollten.
Es iſt richtig, daß in Regierungskreiſen allerdings die An-
nahme beſteht, daß die parlamentariſchen Arbeiten durch
das Zuſammentagen beider Parlamente raſcher gefördert
würden. Indeſſen beſtehen auch andere Anſichten in den
Kreiſen, welche die vielen Unzuträglichkeiten des gleichzeiti-
gen Tagens beider Parlamente durchaus zu würdigen
wiſſen, und dauernd zu einer Beſchränkung dieſer Uebel-
ſtände auf das wöglichſt kleinſte Maß rathen. Allem An-
ſchein nach werden wir im nächſten Jahre, vom Januar
ab uns wieder in demſelben parlamentariſchen Gedränge
befinden, welches ſeit geraumer Zeit der Gegenſtand allge-
meiner und gerechtfertiger Klagen war. — Es ſteht ſchon
ſeit längerer Zeit feſt, daß das Geſetz über die Alters-
verſor gung u. ſ. w. für Arbeiter vorläufig noch
in den Hintergrund treten wird, da ſich den vorhandenen
Plänen mannigfache Schwierigkeiten entgegenſtellen, deren
eigentliche Bedeutung wohl oder übel verſchwiegen wird. Ein
Hauptvorwand für die Zurückſtellung des Gegenſtandes
wird in dem Plane geſucht, zunächſt die Unfallverſiche-
rungsgeſetzgebung vollſtändig zum Abſchluß zu bringen.
Wie weit die officiöſe Angabe richtig iſt, daß die betreffen-
den Entwürfe beſonderen Sachverſtändigen vorgelegt wer-
den ſollen, bleibt abzuwarten. Einſtweilen beſteht nach
dieſer Richtung hin wohl kaum ein ausgeſprochener Plan. —
Fürſt Bismarck läßt der „Germania“ folgende Be-
richtigung zugehen:
Berlin, den 25. September 1886. Die „Germania“ enthält
in ihrer Nummer vom 21. d. M. einen Artikel, in welchem mit-
getheilt wird, daß die Entmündigung des Königs Lud-
wig von Bayern ſchon früher erfolgt ſein würde, wenn nicht
der Reichskanzler entſchieden dieſem Plane widerſprochen hätte.
Er habe in die Einſetzung einer Regentſchaft gewilligt, nachdem
die Garantieen geboten waren, daß eine Aenderung in der Hal-
tung der bayeriſchen Regierung dadurch nicht erfolgen würde.
Dieſe Nachricht entbehrt jeder thatſächlichen Unterlage und beruht
auf Erfindung, wie ſchon daraus hervorgeht, da von einer Ein-
willigung des Reichskanzlers in einer ausſchließlich inneren Ange-
legenheit Bayerns gar nicht die Rede ſein kann. Auf Grund des
§ 11 des Preßgeſetzes für das deutſche Reich vom 7. Mai 1874
erſuche ich die Redaktion der „Germania“, die vorſtehende Be-
richtigung in ihre Zeitung aufzunehmen. Der Stellvertreter des

Reichskanzlers: v. Bötticher.
München, 25. Sept. Der Prinz⸗Regent Luit-
pold iſt mit großem militäriſchen und bürgerlichen Ge-
folge, dem Miniſter des Innern und den oberſten Hof-
chargen heute Vormittag 8 Uhr zu dem Beſuche der Städte
Augsburg, Nürnberg, Würzburg und Ansbach abgereiſt.
Die am Bahnhof verſammelte Volksmenge begrüßte den
Prinz⸗Regenten mit lebhaften Hochrufen.
Augsburg, 25. Septbr. Unter dem Geläute der
Glocken und dem Donner der Geſchütze iſt der Prin z⸗
Regent um 9 Uhr 10 Min. heute Vormittag in der
alten Fuggerſtadt eingetroffen. Die ehrwürdige Auguſta
in ihrem Feſtſchmuck bietet einen intereſſanten Anblick. Das
friſche Grün des Waldes auf den alten Gebäuden, von
denen ja jeder Stein hiſtoriſchen Werth beſitzt, hat einen
eigenen Reiz. Der Empfang am Bahnhof vollzog ſich
genau nach dem Programm. Als der Prinz⸗Regent den
Zug verließ, präſentirte die am Bahnhof aufgeſtellte Ehren-
compagnie, eine Regimentsmuſik ſpielte den Fahnenmarſch
und dann die Nationalhymne, von allen Thürmen läuteten
die Glocken und das vieltauſendköpfige Publikum brach in
begeiſterte Hochrufe aus. Nach Begrüßung ſeitens des
Fürſten Fugger und von der Leyen, des Biſchofs v. Dinkel,
des Regierungsdirectors Dr. Groh und des Bürgermeiſters
v. Fiſcher ſchritt der Prinz⸗Regent die Front der verſam-
melten Offiziere der Garniſon, mit Einzelnen kurze Worte
wechſelnd, dann die der Ehrencompagnie ab, und begab ſich
hierauf in den Königsſalon, wohin die Spitzen der Behör-
den zur Aufwartung befohlen wurden. Herr Oberbürger-
meiſter v. Fiſcher hielt dort an den hohen Gaſt eine herz-
liche Anſprache.

Oeſterreichiſche Monarchie.
Wien, 25. Sept. An der Cholera ſind in Trieſt
3 Perſonen erkrankt, in Fiume ſind 1 Erkrankung und 2
Todesfälle und in Peſt 38 Erkrankungen und 18 Todes-
fälle vorgekommen.
Peſt, 25. Septbr. Einflußreiche Kreiſe bemühen ſich,
das geſpannte Verhältniß zwiſchen dem Grafen
Kalnoky und den ungariſchen Politikern zu mildern.
Die Beantwortung der Interpellation iſt auf Mittwoch
feſtgeſetzt. — Der Kaiſer hat das Entlaſſungsgeſuch des
Verkehrsminiſters Baron Kemenyi genehmigt und mit
der zeitweiligen Leitung des Miniſteriums Baron Orezy
betraut.

Ausland.
Paris, 25. Sept. Die Ernennung des franzöſiſchen
Botſchafters für Petersburg ſoll, wie jetzt verſichert
wird, erſt nach der Ordnung der bulgariſchen Frage er-
folgen. — Im heutigen Miniſterrathe wurde die Ein-
berufung der Kammer für den 14. October beſchloſſen.
Der nächſte Miniſterrath iſt wegen Freycinets Reiſe nach
dem Süden auf den 5. October hinausgeſchoben. — In
Bayonne geht das Gerücht, daß eine Schaar ſpaniſcher
Aufſtändiſcher an der Grenze mit den ſpaniſchen Truppen
handgemein geworden ſei. — Die Nachricht des Standard,
Frankreich habe der Regierung der Hovas ein Ultimatum
geſtellt, wird hier als unbegründet bezeichnet. Die Wei-
ſungen für den General⸗Reſidenten haben nicht dieſe Form,
doch iſt die Lage auf Madagascar ſehr bedenklich. Man
fürchtet, daß der General⸗Reſident doch Tananarivo ver-
laſſen werde, um ſeine Wohnung in Tamatave zu nehmen.
In dieſem Falle würden unverzüglich mehrere Kreuzer nach
Madagascar geſchickt werden, um eine ſtrenge Blockade der
Inſel herzuſtellen, bis die Regierung der Hovas ſich zur

Nachgiebigkeit bequemt. Im Nothfalle wird Freycinet von
den Kammern Credite für die Abſendung von 5000 Mann
nach Madagascar verlangen.
London, 25. Sept. Das Parlament iſt heute mit
einer Thronrede vertagt worden, welche die Beziehungen
Englands zu den auswärtigen Mächten als freundſchaftlich
bezeichnet. In Bulgarien habe die Meuterei eines Theils
der Armee zu der Thronentſagung des Fürſten Alexander
geführt. Es ſei eine Regentſchaft eingeſetzt worden, die
gegenwärtig die Verwaltung des Fürſtenthums führe. Man
treffe Vorbereitungen zu der Wahl eines Nachfolgers des
Fürſten nach Maßgabe des Berliner Vertrages, entſprechend
der den Vertragsmächten von der Pforte gemachten Mit-
theilung. Ich habe, heißt es dann wörtlich, ſoweit es Eng-
land anbetrifft, feſtgeſtellt, daß keine Schmälerung der Be-
dingungen eintreten wird, welche Bulgarien durch die Ver-
träge verbürgt ſind. Aehnliche Verſicherungen ſind von den
anderen Mächten abgegeben worden. Die Thronrede kün-
digt die Einſetzung einer Commiſſion an, welche eine Unter-
ſuchung über das Syſtem des Lehnweſens und über die
Landfrage in Irland anſtellen ſoll, und weiſt auf das zu
Tage getretene Verlangen hin, verſchiedene Theile des
Reiches feſter aneinander zu knüpfen. Die Vertagung des
Parlaments iſt bis zum 11. November erfolgt.
London, 25. Sept. Der „Standard“ beſpricht noch-
mals die Orientfrage und tritt hierbei dem Vorwurfe
entgegen, daß England keine Opfer bringen wolle, um den
Vormarſch Rußlands im Orient aufzuhalten, England ver-
lange nicht, daß andere die Schlachten Englands ſchlagen;
es wolle und könne doch nicht der Vorkämpfer von Inte-
reſſen ſein, welche alle übrige Mächte berühren. Wenn
Italien oder eine andere Macht ein ernſtes Intereſſe daran
habe, eine Schranke zwiſchen Rußland und Konſtantinopel
zu errichten, ſo ſollte ſolche Macht zu der Erreichung dieſes
Zweckes das Ihrige beitragen, ohne vorher ein Abkommen
für ihren eigenen Vorteil zu treffen. ö
Charleroi, 25. Sept. In drei Gruben des hieſigen
Kohlenbeckens ſind theilweiſe Arbeitseinſtellungen
erfolgt. Die ausſtehenden Arbeiter verlangen mindeſtens
4½ Fr. Lohn täglich. Rnheſtörungen ſind nicht vorge-
kommen.
Liſſabon, 26. Sept. Der König iſt heute von ſeiner
Reiſe hierher zurückgekehrt und von der Bevölkerung mit
ſympathiſchen Kundgebungen empfangen worden.

Aus Stadt und Land.
XX Sridelberg, 27. Sept. Letzten Samstag fand dahier eine
freie Lehrerconferenz ſtatt. Der Tagesordnung gemäß hielt
zunächſt Herr Lehrer Stumpf von hier einen Vortrag über
Nikolaus Lenau. In warmer SRiche entrollte der Referent
in einer nahezu einſtündigen, freien Rede ein intereſſantes Bild
dieſes unglücklichen Dichters. Redner ſchilderte dabei 1. des
Dichters Jugendjahre, 2. deſſen Studienjahre und 3. ſeine Meiſter-
jahre und erntete dafür den wohlverdienten Dank der zahlreichen
Verſammlung. In zweiter Reihe kamen Angelegenheiten des
Peſtalozzivereins zur Beſprechung. Der langjährige, ver-
diente Director desjelben, Herr Hauptlehrer Gauggel aus
Gengenbach, ſieht ſich genöthigt, aus Geſundheitsrückſichten zurück-
zutreten, und es handelt ſich darum, einen tüchtigen Nachfolger
für ihn zu wählen. Es wurden verſchiedene Vorſchläge gemacht;
ein beſtimmter Beſchluß wurde jedoch nicht gefaßt, weil ein ſolcher
einer abermaligen Conferenz, die am nächſten Mittwoch abgehalten
werden wird, vorbehalten bleiben ſoll. Bei der Bedeutung des
Gegenſtandes darf wohl einer recht lebhaften Debatte entgegen-
geſehen werden, und wünſchen wir nur, daß es den Mitgliedern
gelingen möge, dem jetzt ſo ſchön emporblühenden Vereine einen
tüchtigen Director zu geben. Vielleicht dürfte es ſich überhaupt
empfehlen, dem ſeitherigen Director einen Stellvertreter beizu-
geben, wie dies auch in andern Vereinen der Fall iſt.
— Heidelberg, 27. Septbr. In vergangener Nacht zwiſchen 10
und 11 Uhr wurde Bahnwart Henn von Schlierbach, als er ſich
auf dem Rückwege von Neckarſteinach nach Schlierbach befand,
von 3 Kerlen räuberiſch überfallen. Die Attentäter ver-
langten unter Drohungen Geld von dem Ueberfallenen, und als
dieſer ihrer Aufforderung, das Portemonnaie herzugeben, nicht
eutſprach, ſchlugen ſie ihn zu Boden und mißhandelten ihn in
roheſter Weiſe. H. ſoll lebensgefährlich verletzt worden ſein, doch
ſind wir noch nicht in der Lage, Näheres zu berichten. Die Un-
terſuchung iſt im Gange. Hoffentlich gelingt es bald, die noch
unbekannten Thäter zu ermitteln.
U Heidelberg, 27. Sept. Das Sportsweſen iſt wieder um
eine Neuheit bereichert worden. Geſtern bemerkten wir einen
Velocipediſten, der gemächlich auf den Fluthen des Neckars dahin-
glitt. Er „ritt“ auf einem Fahrzeug, das durch Treten, wie das
Velociped, in Bewegung geſetzt wird und ſich Waſſerveloci-
ped nennt. Dasſelbe beſteht, ſoviel wir uns informiren
konnten, aus einem Schaufelrad mit Radkaſten, auf welch'
letzterem der Betreffende ſitzt, und zwei Booten en miniature, die
gleichſam als Füße des Kaſtens dienen. Am hinteren Ende des
Geräths iſt auch ein Steuer angebracht, welches vom Sitz aus
gehandhabt werden kann. Der Waſſervelocipediſt, ein hieſiger
Dreher, ſoll das Fahrzeug ſelbſt gefertigt haben.
hridelberg, 27. Sept. Die „Neue Bad. Landesztg.“ brachte
in ihrer Samstag⸗Nummer folgende merkwürdige Meldung:
Mannheim, 24. Septbr. Aus dem rheiniſch⸗weſtphäliſchen
Montanbezirk geht uns folgende nie derſchmetternde Nach-
richt zu: „Darmſtadt, 24. Sept. Der Großherzog iſt,
der Einladung der Königin Victoria folgend, mit der Prin-
zeſſin Irene zu mehrwöchentlichem Beſuche anf Schloß Balmoral
nach Schottland abgereiſt.“ Die Leſer der „N. B. L.“ werden
ſicher erſtaunt geweſen ſein, daß Darmſtadt im rheiniſch⸗weſt-
phäliſchen Montanbezirk liegt und daß die ſonſt ſo ſtarknervige
Redaktion des Demokratenblattes von der Abreiſe des Großher-
zogs von Heſſen nach England niedergeſchmettert worden ſei.
Zweifellos wollte das Blatt eine Eſſener Meldung über das
Bergwerksunglück folgen laſſen, die aber durch ein Verſehen des
metteur en pages in eine andere Spalte gerathen war.
= Schwrhingen, 26. Sept. Geſtern ſind die hieſigen Dragoner
aus den Manövern zurückgekehrt. Die Mannheimer Schwadronen
wurden in Oftersheim einquartirt. Heute Morgen zogen dieſelben
tehre unſern Ort, um ebenfalls nach ihrer Garniſon zurückzu-
ehren.
Sthwrtzingen, 26. Sept. Heute fand dahier der 1. Gautag
der Militär⸗Vereine des Pfalzgaues ſtatt. Schon Vor-
mittags hatte ſich hierzu Generallieutenant a. D. v. Degenfeld
eingefunden. Um ½2 Uhr kam mit dem Blitzzuge auch S. Kgl.
Hoh. der Grobßherzog an, begleitet von ſeinem Adjutanten.
Die erſchienenen Kriegervereine bildeten Spalier vom Bahnhof
bis zum „Hotel Haßler“. Mit jedem der Vereinsvorſtände und
vielen andern Kriegern ſprach der Großherzog einige frenndliche
Worte und beſichtigte dann das im Schloßzirkel neu eingerichtete
Lokal des Militärvereins. Die Häuſer waren reichlich veflaggt.
95 —* des Großherzogs fand nach 6 Uhr über Heidel-
erg ſtatt.

Maurhrin, 25. Septbr. (Straflammer) Wie mitgetheil-

hatte ſich geſtern der Handelsmann Samuel Kahn von Heide,
berg wegen Wucher vor den Schranken des Gerichts zu der-
antworten. Der Angeklagte betrieb ſchon vor Erlaß des Wuchn
geſetzes dieſes Gewerbe in ziemlich ſtarker Ausdehnung und kon 10
ſich, wie es ſcheint, ſchwer von dem liebgewordenen Erwerbsjren
trennen, denn heute werden ihm 13 einzelne Fälle nachgewieſez
bei denen er Geld gegen wucheriſche Zinſen, zwiſchen 30 l
65 pCt. belieh. Er hat von der Darleihſumme Proviſionsabzrer
gemacht und ließ ſich bei jeweiliger Prolongation ſtets wie
außer den bedungenen Zinſen weitere Proviſionen zahlen. Seiner
Opfern wurde es nicht möglich von ihm loszukommen.

I *
hauptet zwar, daß er ſeine Darlehennehmer nicht kannte, folglich

auch nicht wiſſen konnte, daß dieſe ſich in Nothlage befanden
doch wird dies von den Zeugen ſelbſt widerlegt. Die Verha
lung nimmt den ganzen Tag in Anſpruch und wurden etwa
Zeugen vernommen, aus deren Ausſagen hervorgeht, daß d.
Angeklagte auch Viktualien als Proviſion annahm. Es möde
hier kurz die einzelnen Fälle folgen, welche den Gegenſtand 0
Anklage bildeten: 1) Landwirth Daniel Schweigert 117
Handſchuchsheim lieb vom Angeklagten im Sepiember 1809 die
Summe von 300 Mark und ſtellte hierfür einen auf drei Mona
Ziel lautendenden Wechſel aus; Schweigert mußte ſich 1059e
gleich bei Entnahme des Geldes den Abzug der Zinſen in
von 20 Mark gefallen laſſen; die jeweiligen Prolongationen 8
hielt er nur zu 18 Mark, was einem ungefähren Zinsfuß vo.
30 pCt. gleichkommt. 2) Der Schiffer Martin Fiſcher von Or
delberg erhielt ein Anlehen von 600 Mark zu dem noch einigel
maßen annebmdaren Jahreszins von 16 pCt. 3) Desgleichen ſu
der Landwirth Carl Hiebeler von Schlierbach durch Aufnahm
eines Anlehens vom Angeklagten im Betrage von 400 Mar-
im Auguſt 1882 einer momentanen Nothlage abzuhelfen; Ker
hatte er hierfür einen Jahreszins von 22 pCt. zu bezahlen. 4) De
Landwirth Jakob Wacker von Wieblingen befand ſich in e ö
Jahren 1882 und 1883 mehrmals in Geldverlegenheit; dies hörte
ein Agent des Angeklagten und ſchoß ihm nach und nach der
Auftrage Kahns die Summe von 628 . vöor; doch war
Nachgeſchmack in Geſtalt eines Zinsfußes von nur 45 pet. ziarl-
lich bitter. 5) Cigarrenhändler Bernhard Diefenbach von Heidel
berg mußte ihm als Sicherheit ein grögeres Quantum Cigarren
überlaſſen und ſchließlich einen Jahreszins von 65 pCt. bezahlen.
6) Der Metzger Ph. Brand in Heidelberg mußte für ein im
Rovember 1882 aufgenommenes Kapital von 400 ¾ 21 pEt. be.
zahlen; als ſpäter Abſchlagszahlungen erfolgten von 100 . und
50 , ſtieg der Zinsfuß auf 28 reſp. 33 pCt. Doch ermäßigte
hier der Angeklagte die Reſtſchuld von 250 auf 175 7) Der
inzwiſchen nach Amenika flüchtig gegangene Kaufmann Friedrich
Reichwein von Heidelberg erhielt im December 1884 140 , wo,
für dieſer ihm einen in 3 Tagen fälligen Wechſel von 150 –x
ausſtellte; als bei Verfall der Wechſel nicht eingelöſt werden
konnte, ließ ſich Angeklagter für Stägige Prolongation einen Roffe.
im Werth von 24 einhändigen, ſomit bekam er auf ein Kapit
von 150 , welches er auf 11 Tage lieh, 34 . Zinſen.
Im November des Jahres 1879 erhob der inzwiſchen ausgewann
derte Franz Moos ein Darlehen von 500 ., welches er üu
Oſtern 1883 bis auf 40 ¾ zurückbezahlt zu haben glaubte. Der
Angeklagte war aber der Anſicht, daß er wenigſtens noch 213
zu beanſpruchen habe, und daß die bisher erhaltenen Beträge zum .
größten Theile nur den Zins für das geliehene Kapital repräſen
tirten. Die angerufene gerichtliche Entſcheidung fiel jedoch z.
Gunſten des Moos aus. 9) Karl Alten von Heidelberg entlieh
im September 1883 vom Angeklagten 500 und hatte er an
Letzteren nach mehrfachen Prolongationen des ausgeſtellten Wech
ſels an Zinſen nur 60 pett. zu entrichten. 10) Der Kutſcher
Heinrich Seppich von Heidelberg entlieh von Kahn im Sept. 1884&
. 265 und hatte er das verhältnißmäßig große Glück, mit Zab-
lung von nur 25 pCt. Zinſen wegzukommen. 11) Stephan Reiher
von Heidelberg entlieh im Sept. 1882 800 J gegen Ausſtellung
eines Wechſels, zahlbar in einem Monat; für Zinſen wurden ſo?
fort 60 abgezogen und waren für Prolongation einmal 50,
dann aber jeweils 60 J¾. zu bezahlen. 12) Der Landwirth Jalob
Merkel von Wieblingen kam auch in Verſuchung, die Hilfe des
Angeklagten anzurufen, der auch ſo freundlich war, ihm gegen
einen Jahreszins von 40 pCt. ein Kapital von 200 zu leihen.
Nach einer im März 1884 erfolgten Abſchlagszahlung war der
Angeklagte etwas bikliger, indem er von Merkel nur noch 20 pCt.
Jahreszins beanſpruchte. 13) Jakob Treiber von Heidelberg gen
rieth auch in die Hände dieſes Wucherers, der ihm gegen einen-
Jahreszins von 30 pCt. 200 %¾ zur Verfügung ſtellte. — NachhGh
dem die Beweisaufnahme beendet, folgten Plaidoyers des Herrn
Staatsanwalts, ſowie des Herrn Vertheidigers, welche jedoch an-
geſichts der klaren jeden Zweifel ausſchliezenden Beweiſe und
Geſtändigkeit des Angeklagten äußerſt kurz waren. Das Ur-
theil des Gerichtshofes wurde bereits mitgetheilt. — We-
gen Wuchers reſp. Beihülfe nehmen heute ſchon wieder, nach-
dem dieſelbe kaum ein Wucherer verlaſſen hatte, die Anklaͤgebank
ein: der verheirathete Privatmann Friedrich Krug von Nord-
hauſen, zuletzt wohnhaft in Heidelberg, und der verheirathete
Agent Jakob Brunner von da. Dem Angeklagten Krug-
welcher früher Pfarrer war, wird zur Laſt gelegt, daß er leicht-
ſinnigen, unerfahrenen oder in Noth befindlichen Menſchen Dar-
leihen machte, wofür er ſich wucheriſche Zinſen verabfolgen ließ,
reſp. dieſelben dadurch ausbeutete, daß er ſich bis zu 20 pet.
Zinſen geben ließ. In welcher Lage ſich die „Gerupften“ befan“
den, wußte der Angeklagte jeweils und gab er nur ſolchen Leuten
Geld, welche ſich wohl in momentaner Nothlage befanden, die
aber immerhin noch für das zu belangen ſind, was ihnen verab-
folgt wurde. Eine Ausbeutung der Nothlage trat insbeſondere
bei den jeweiligen den Opfern gewährten Stundungen zu Tage-
Dieſe letztern wurden vom Angeklagten in einer Weiſe aus-
gebeutet, die als geſetzwidrig erſcheinen mußte, denn nur unter,
dem Drucke der Wechſelklage entſchloſſen ſich die Leute ſolch
exorbitant hohen Zinſen. Brunner iſt beſchuldigt. für den An-
geklagten Krug als Hilfsorgan gewirkt zu haben und daß er ſich
hierfür ein entſprechendes Entgeld gewähren ließ. Verſchiedene
andere Agenten ſtanden mit der Anklage in gewiſſer Beziebung,
doch wurde Anklage gegen ſie nicht erhoben, weil ſich die wucher-
liche Seite bei denſelben nicht recht hervorkehrte. Auch der heutige
Fall nahm einen vollſtändigen Tag in Anſpruch, und endigt mit
der Verurtheilung Krugs wegen gewerbsmäßigen Wuchers zu 5
Monaten Gefängniß, abzüglich 1 Monat Unterſuchungshaft, zn
einer Geldſtrafe von 1000 %¾ eventuell 100 Tage Gefängniß
weiter, 2jährigem Ehrverluſt und den Koſten. Brunner wir
wegen Beihülfe zu 6 Wochen Gefängniß und einer Geldſtrafe von
60 4 event. 6 Tage Gefängniß weiter verurtheilt. (Nach Mann“
heimer Blättern.)
Rarleruhe, 25. Sept. Geſtern wurde in der Feſthalle dahier
den Landeszuchtvieh⸗Ausſtellern ein Banket gegeben,
an welchem ſich die Spitzen unſerer ſtädtiſchen und Staatsbehörden
betheiligten. Der muſikaliſche Theil des Abends war ein überaus
reichhaltiger; die treffliche Böttge'ſche Kapelle concertirte ab-
wechſelnd mit den vereinigten hieſigen Männergeſangvereinen,
Neben dieſem Theilt des harmoniſch verlaufenen Feſtes gelangte
auch der redneriſche Theil des Abends in befriedigendſter Weiſe
zur Erledigung. Die Reihe der Trinkſprüche wurde, nach der
Bad. Laudeszlg., eröffuet durch das Mitglied des geſchäfts-
führenden Ausſchuſſes, Herrn Grafen v. Berlichingen, welcher
nach einer begeiſterten Würdigung der hohen Verdirnſte und
Tugenden unſeres allberehrten Landesherrn, des patriotiſchten
deutſchen Fürſten und Beſchützers und Beförderers alles Guten
und Schönen, dem Großherzog Friedrich ein Hoch ausbrachte.
Die Feſtoerſammlung fiel jubelnd in den Ruf ein und ſang
ſtehenden Fues die erſte Strophe der Fürſtenhymne. Herr
Oberbürgermeiſter Lauter, Vorſitzender des Ausſchuſſes, be-
grüßte mit herzlichen, warmen Worten alle, von Nah und Fern
beſonders aber aus Badens ſchönen Gauen herbeigeeilten Gäſte-
 
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