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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0404

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Ausland.
Paris, 6. Oktbr. Die Regierung hat die Inter
nirung des Herzogs von Sevilla in einem De-
partement nördlich von der Loire angeordnet. — Faſt die
geſammte hieſige republikaniſche Preſſe ſpricht ihre Zu-
friedenheit über die Begnadigung Villacampas und
ſeiner Genoſſen aus. Mehrere Blätter loben auch die Kö-
nigin⸗Regentin von Spanien, daß ſie das Begnadigungs-
recht gegen den Willen der Miniſter geübt habe. — Emilio
Caſtelar, der vorgeſtern in Bordeaux eintraf, dort zwei bis
drei Tage bleiben will und Donnerstag oder Freitag in
Paris erwartet wird, hat an ſeine Zeitung eine Depeſche
gerichtet, worin er dieſelbe erſucht, dem Miniſterium Glück
zu wünſchen und darzuthun, wie dieſer Schritt die Repu-
blikaner aller Parteien auffordere, der Politik der fried-
lichen Propaganda Folge zu leiſten. — Geſtern Abend
fanden neue Unruhen in Vierzon ſtatt. Als die
Arbeiter, welche nicht feierten, die Werkſtätten verließen,
wurden ſie von den Feiernden verhöhnt. Eine Schwadron
Dragoner iſt von Bourges eingetroffen. Dieſelbe wurde
genöthigt, die Arbeiter frei zu laſſen. Heute Vormittag bis
10 Uhr war Vierzon ziemlich ruhig. Die 71 Arbeiter
werden durch die Reiterei, die vor den Werkſtätten aufge-
ſtellt iſt, beſchützt. Bei dem geſtrigen Kampfe waren die
Gendarmen anfangs in Gefahr; ſie ſahen ſich genöthigt, ſich
Bahn durch die Volksmaſſe zu brechen, die aus ungefähr
4000 Arbeitern anderer Fabriken und vielen Weibern be-
ſtand, die ſich mit den Strikern vereinigt hatten. Man
wurde des Aufruhrs erſt mächtig, als die Truppen von
den Waffen Gebrauch machten. Mehrere Gendarmen und
viele Arbeiter, die arbeiten wollten, wurden von den Auf-
rührern verwundet, davon einige ſchwer; 16 Verhaftete
wurden nach Bourges gebracht. — Freycinet traf heute
Abend in Paris ein. — Das Inſtitut von Frank-
reich hat heute die Schenkung des Herzogs von Aumale
anzunehmen beſchloſſen. Der regelrechte Schenkungsvertrag
wird ſpäter vollzogen.
Madrid, 6. Okt. Die Begnadigung der zum Tode
verurtheilten Aufſtändiſchen erfolgte auf Wunſch der
Regentin durch den Miniſterrath. Es heißt, daß in Folge
der Begnadigung der Auf ſtändiſchen eine Mini-
ſterkriſis zu erwarten ſei, indem der Kriegs⸗ und der
Marineminiſter zurücktreten würden.
Madrid, 6. Oct. Geſtern wurde der König in im
Theater eine große Ovation dargebracht. Allerſeits er-
ſcholl der Ruf: „Es lebe die Königin, es lebe Alphonſo
der Dreizehnte.“ Die Strafe der zum Tode verurtheilten
Aufſtändiſchen wurde in Verbannung nach den Preſidios
und lebenslängliche Einſchließung umgewandelt. ö

Petersburg, 5. Oct. Der Gedanke eines ſüdſlavi-
ſchen Bundes wird, wie man der Neuen Freien Preſſe
telegraphirt, von den ruſſiſchen Blättern als den Intereſſen
Rußlands widerſprechend und die Ausbreitung des Ein-
fluſſes Oeſterreichs unter den Slaven fördernd abgelehnt.
Die Umwandlung Oeſterreichs in einen ſüdſlavi-
ſchen Staat hält der Kijewljanin zwar als noch in
weiter Ferne ſtehend, aber nicht für unmöglich. Je feſteren
Fuß Oeſterreich in Bosnien, in der Herzegowina und in
Serbien faßt und den Oſtgrenzen der Balkanhalbinſel
näher rückt, je tiefer ſeine Wurzeln in ökonomiſcher Be-
ziehung greifen, um ſo näher kommt der Augenblick, da die
ſlaviſchen Ströme ſich in das öſterreichiſche Meer ergießen
und Rußlands Lebensbedingungen berühren werden. Das
Blatt bezweifelt nicht, daß die politiſch entwickelteren Slaven
mit einem Staatsmanne liebäugeln würden, welcher dieſen
Gedanken auf ſeine Fahne ſchriebe. Die Moskauer Sowre-
mennija Isweſtija meint, die von Oeſterreich beeinflußten
ſlaviſchen Länder bergen für dieſe Monarchie ſelbſt eine große
Gefahr. Dort ſei die Serbia Irredenta im Anzuge. Wenn dies
bis jetzt noch nicht geſchehen, ſo habe Oeſterreich dies der loya-
len Haltung Rußlands zu danken, welches bisher auf die
einſtige Rolle Frankreichs in Italien verzichtete. Rußland
brauche bloß die Vereinigung der Serben zu billigen und
ihnen ſeine Unterſtützung zu verſprechen, und die Tage
der öſterreichiſchen Herrſchaft, wenn auch nicht in allen
ſerbiſchen Ländern, ſo doch in denjenigen, welche einſtmals
der venetianiſchen Republik gehörten, ſeien gezählt. Das
Blatt verwirft die Candidatur des Fürſten von Montenegro
für den bulgariſchen Thron. Der Platz Nikitas ſei un-
bedingt in Serbien.
Varna, 6. Oct. Der demonſtrative Empfang des
franzöſiſchen Admirals de Marzuſſac gibt den
Politikern am goldenen Horn zu mancherlei Commentaren
Anlaß, weil man ihn als ein ſchlimmes Wetterzeichen für
England betrachtet. Der Admiral wurde nicht als ſolcher,
ſondern mit fürſtlichen Ehren, gleich dem Herzoge von
Edinburg, ja, ſogar noch beſſer als dieſer, aufgenommen;
denn während der Sultan unter üblichen Unpäßlichkeitsvor-
wänden den Herzog mehrere Tage auf den Empfang warten
ließ, ward der franzöſiſche Admiral gleich am Tage ſeiner
Ankunft empfangen und mit einem Feſtmahl bewirthet.
Gleichzeitig erhielt der franzöſiſche Botſchafter Graf Monte-
bello, der in der kurzen Zeit ſeines Hierſeins bereits eine
große Rührigkeit entfaltet hat, den Osmanie⸗Orden.

Sofia, 6. Octbr. Zur bulgariſchen Fürſten-
frage ſchreibt der Wiener Berichterſtatter der Daily
News:
Aus guter Quelle erfahre ich, daß der Candidat Ruß-
lands für den bulgariſchen Thron ſtets der Bruder
des Czaren, Großfürſt Wladimir, geweſen iſt. Es iſt
mehr als zweifelhaft, ob die Mächte ihn annehmen werden; aber
ſelbſt wenn das der Fall ſein follte, iſt keine Ausſicht vorhanden,
daß er die bulgariſche Frage befriedigend löſen würde. Er iſt
bart und lyranniſch. Während des Kaukaſusaufſtandes
machte er Loris Melikow, der nach ſeiner Anſicht zu weichherzig
war, Vorwürfe und ſagte ihm: Warum mit ſolcher Milde ver-
fahren? Stellen Sie eine Menge Galgen auf und hängen Sie

alle. Seine Ankunft in Bulgarien würde nur die Gereiztheit
gegen Rußland noch erhöhen. 10

Aus Stadt und Land.
** Hridelberg, 6. Oct. Heute Mittag 12 Uhr kam Ihre Kgl.
Hoheit die Frau Erbgroßherzogin von Baden in Begleitung
der Oberhofmeiſterin Freifrau von La Roche Excellenz und des
erbaroßherzoglichen Adiutanten Herrn Premierlieutenants Dürr
hier an, nahm im fürſtlichen Warteſalon ein Frühſtück ein und
ſuhr mit der inzwiſchen von Frankfurt 12 Uhr 50 Min. ange-
kommenen Frau Herzogin von Naſſau um 1 Uhr Nach-
mittags landaufwärts.
— Hridelberg, 6. Octbr. In heutiger Sitzung des hieſigen
Stadtrathes wurden u. a. folgende Gegenſtände zur Kenntniß
bezw. Erledigung gebracht:
1 Der Winter'ſchen Univerſitätsbuchhandlung, welche auf den
9. September d. J. der Schulcommiſſion zur Vertheilung an
Lehrer und Schüler 3090 Exemplare der in ihrem Verlage er-
ſchienen Feſtſchrift „Großherzog Friedrich von Baden von Dr.
Ch. G. Hottinger“ geſchenkt hat, wird der Dank des Stadtrathes
ausgeſprochen.

2) Aus dem Berichte der ſtädtiſchen Sparkaſſe geht hervor, daß

bei dieſer im September 1042 Einlagen mit zuſammen 158 106 ✕α
78 0 gemacht und in 484 einzelnen Poſten zuſammen 116 718 U
73 an die Einleger zurückbezahlt wurden. Die Geſammtzahl
der letzteren hat ſich in demſelben Monat um 20 vermehrt.
3) Dem Entwurf einer neuen Viehhofordnung wird zugeſtimmt
und die Verſteigerung des Viehhofgefälles beſchloſſen.
4) Das Ergebniß der am 2. d. ſtattgehabten Kaſtanienverſtei-
gerung wird geuehmigt.
5) Mit dem Schuldiener in dem neuen Schulhauſe im Rohr-
bacher Baubezirk, welches am 25. October d. J. der Benützung
übergeben werden ſoll, wird ein Dienſtvertrag abgeſchloſſen und
6) wird beſchloſſen, bezüglich der Bewirthſchaftung des Kohlhof-
gutes und der Hiebs⸗, Kultur⸗ und Wegbau⸗Vorſchläge der Stadt-
bezirksforſtei pro 1887 Vorlage an den Bürgerausſchuß zu machen.
+7. Heidelberg, 7. Oct. Wie uns mitgetheilt wird, beabſichtigt
der hieſige Verein für Vogelſchutz, Vogel⸗ u. Geflügel-
Zucht am Sonutag den 17. und Montag den 18. d. M. in der
Halle der Bierbrauerei „zum Engel“ dahier eine Junggeflügel-
Ausſtellung mit Vogel⸗ und Geflügelmarkt und Prämitrung zu
veranſtalten, bei welcher außer den Vereinsmitgliedern auch andere
Züchter ihre Zuchtergebniſſe vorführen können. Der Verein be-
abſichtigt damit den Züchtern und dem Publikum die Fortſchritte
auf dem Gebiete der Geflügel⸗ und Vogelzucht zu zeigen und den-
jeuigen, die beſondere Erfolge erzielt haben, hierfür eine Aner-
tennung zu zollen. Es ſind bereits größere Anmeldungen von
Ausſtellern eingekommen, und wie wir vernehmen, können ſolche
noch bei dem Vorſtande des Vereins unter Angabe von Zahl und
Race der auszuſtellenden Thiere und endlich, wenn ſolche verkauft
werden wollen, unter Angabe der Preiſe bis zum 15. d. M. ein-
gereicht werden. ö
O Bridelberg, 7. Oct. Wie wir hören, war am geſtrigen Vor-
mittag die Ruine des obern Heiligenbergs Gegenſtand einer vom
Miniſterium veranlaßten Beſichtigung durch die Herren Prof.
Kraus aus Freiburg, Geh. Rath Wagner und Director Kircher
aus Karlsruhe, ſämmtlich Conſervatoren baulicher Denkmale für
Baden, unter Begleitung des die Ausgrabungen leitenden Archi-
tekten, Herrn Schleuning von hier. Wir freuen uns, die hier-
durch aufs neue bethätigte Antheilnahme des Miniſteriums an
dieſem hiſtoriſch intereſſanten Punkt unſerer nächſten Umgebung
conſtatiren zu können; indeß hat es den Anſchein, als ob eine
proportionale Antheilnahme von Seiten der Stadt an den Koſten
für Erhaltung der freigelegten Ruine, über deren Befund eine
demnächſtige Publikation durch Herrn Schleuning in Ausſicht
ſtehen ſoll, ein Weſentliches dazu beitragen dürfte, die Credit-
bewilligungen zur Förderung der Arbeiten zu erleichtern, welche
nunmehr, nach Feſtlegung der wifſfenſchaftlichen Reſultate durch
eine Publikation, ausſchließlich das Intereſſe von Heidelbergs
Umgebung berühren. — Möchte der Vorgang des Schloßvereins,
der bei relativ beſchränkten Mitteln ſeine Theilnahme in liberaler
Weiſe zugeſagt hat, ſeine Nachahmung finden von Seiten einer
Behörde, die, wie die unſrige, ſehr wohl zu ſchätzen weiß, was
ein intereſſantes Stück kulturhiſtoriſchen Bodens, und in unſerer
Umgebung gerade das älteſte aus deutſcher Vergangenheit, für
unſere Stadt bedeuten will.
+ Heidelberz, 7. Octbr. (Stadttheater.) Director Heinrich,
der beſtrebt iſt, die Fähigkeiten ſeines großen Perſonals in allen
Genres dem Theaterpublikum ſchon im Probeabonnement vorzu-
führen. hat für den morgigen Theaterabend eine Vorſtellung des
Trauerſpiels „Uriel Acoſta“ beſtimmt, welche in beſter Beſetzung
und ſorgfältigſter Scenirung ſtattfinden wird. Als „Uriel“ debü-
tirt Herr Otto Veit vom kgl. Landestheater in Graz. Die übrigen
Rollen ſind im Beſitze der Damen Banciu, Schäfer und Peſtner
und der Herren Roloff, Lettinger, Robert, Veit, Wenzel u. Henske.
Die Ouverture und die im Stücke vorkommenden Geſänge hat
Herr avellmeiner Knöfler eigens für dieſe Vorſtellung neu com-
ponirt.
— Hridelberg, 7. Oct. Dieſer Tage entwendete ein Bäcker-
burſche ſeinem Principial dahier eine ſilberne Cylinderuhr im
Werth von 20 Wę᷑ῦPund verkaufte dieſelbe an einen Händler dahier.
— In verwichener Nacht wurde ein Bäckerburſche dahier ver-
haftet, welcher durch ungebührlichen Lärm die Ruhe erheblich
geſtört und der Aufforderung zur Ruhe keine Folge geleiſtet hat.
Der Thäter wurde in Haft genommen.
Karlernhe, 6. Oct. In Folge des bedeutenden Herbſtverkehres
iſt auch jetzt wieder ein ſolcher Mangel an offenen nnd gedeckten
Güterwagen eingetreten, daß die Verwaltung der Gr. Staats-
eiſen bahnen, welche dem Mangel in anderer Weiſe nicht zu
ſteuern vermochte, ſich veranlaßt geſehen hat, die Friſt zur Ver-
ladung und Entladung von Wagenladungsgütern für Verſender
und Empfänger, die am Stationsorte wohnen, mit Wirkung
vom 12. October d. J8. bis auf Weiteres auf ſechs Stunden
herabzuſetzen. Nach den Erfahrungen früherer Jahre darf er-
wartet werden, daß es mittelſt dieſer vorübergehenden Maßregel
gelingen wird, dem empfindlichen Wagenmangel abzuhelfen, und
da dieſe Wirkung nur dem verkehrtreibenden Publikum ſelbſt zu-
gute kommt, ſo liegt es in deſſen eigenem Intereſſe, die Verwal-
tung in der Bewältigung ihrer ſchwierigen Aufgabe durch thun-
lichſtes Entgegenkommen zu unterſtützen.
Karlerahe, 6. Oct. Ueber den Verlauf des Kaltenbrunner
Jagdunglücks weiß die Bad. Landesztg. noch folgende Dar-
ſtellung mitzutheilen: „Prinz Heinrich ſchoz einen Hirſch an, und
Herr Oberförſter Müller ging dem Hirſch nach. Bei der Rück-
kehr des Oberförſters auf den Stand des Prinzen war es ſchon
ziemlich dunkel geworden und ſo erkannte der Prinz denſelben
nicht, ſondern hielt ihn für den angeſchoſſenen Hirſch, zumal der
Jac Oberförſter gerade mit der Hand in die Höhe fuhr, um
Zeichen zu geben, was der Prinz für das Geweih hielt und auf

600 Schritt Entfernung ſchoß. Die Kugel ging in den Ober-

ſchenkel und zerſchmetterte den Knochen, verletzte aber keine größe-
ren Blutgefäße. Der Zuſtand des Verwundeten iſt zwar nicht
lebensgefährlich, doch wird die Heilung lange Zeit in Anſpruch
nehmen. Einige Knochenſplitter wurden aus der Wunde von
einem Gernsbacher Arzt entfernt. Aerzte aus Baden und Wild-
bad wurden berufen.“
Aus dem Rinzigthale 6. Oct. Auf der neu erbauten Eiſen-
bahnlinie von Wolfach bis nach Schiltach fand die
techniſche Probefahrt ſtatt, die in jeder Beziehung vollſtändig be-
friedigenden Verlauf nahm. An der Probefahrt nahmen ver-
ſchiedene Herren aus Karlsruhe und Offenburg, ſowie von der
Eiſenbahnbauinſpection in Wolfach Theil. Etwa um 11½ Uhr
Mittags dampfte der Probezug, der aus 3 ſchweren Maſchinen,
2 beladenen Kohlenwagen und einem Perſonenwagen beſtand, von
der Station Wolfach ab. Die ſtarke Belaſtung der Eiſenbahn-
brücken auf der ganzen Linie von Wolfach bis nach Schiltach
lieferte den Beweis äußerſt ſolider Arbeit, da nur ſehr unbedeu-
tende Senkungen zu Tage traten. In Schiltach gelangte der

Uſt

in dem ſtarken Gefäll des Flüßchens,

An dem Bahnhof dorten hatte
ich eine große Anzahl Perſonen eingefunden. Hierauf wurden
die beiden von der Wolfacher Struße bis zum Bahnhof führenden
neu erbauten eiſernen Brücken mit zwei etwa 500 Centner wie-
genden Laſtwagen befahren. Auch dieſe Probe hatte nach der B.
Odztg. ein ſehr günſtiges Ergebniß, namentlich zeigte die Schiltach
nächſt gelegene etwa 75 Meter lange Brücke bei der großen Be-
laſtung eine kaum nennenswerthe Senkung.
Ertiburg, 6. Oct. Nach kurzer Krankheit verſchied letzte Nach
Herr Kirchenrath Helbing im Alter von 79 Jahren. Während
ſeiner nahezu dreißigjährigen Thätigkeit als Seelſorger der hie-
ſigen proteſtantiſchen Gemeinde erwarb ſich der nunmehr Ver-
blichene die Liebe und Verehrung Aller, die ihn kannten.
Aus Baden. In Brötzingen wurde der Landwirth Lauſch
in ſeinem Garten erhäugt aufgefunden. Er hinterläßt Frau

Probezug kurz nach 1½ Uhr an.

und 6 Kinder. — In Dietlingen fand man am 4. ds. den

ledigen Chr. Röhler todt in der Federbach. Ob hier ein Ver-
brechen vorliegt oder ob derſelbe in angetrunkenem Zuſtande über
die hohe Brücke hinabſtürzte, wird die eingeleitete Unterſuchung
aufklären. — In Neckarau macht die Bankerott⸗Erklärung des
Spezerei⸗ und Viktualienhändlers Andreas Hoffmann, Nach-
folgers des dortigen Verbrauchsvereins, peinliches Aufſehen. Die
Ueberſchuldung ſoll ſich auf 16 000 . belaufen, von der
hauptſächlich kleine Leute betroffen werden. Der Staatsanwal
ſoll die Sache vorläufig in die Hand genommen haben. — Eben-
daſelbſt fiel der Landwirth Chriſtian Getroſt von der Scheune
des Feldhüters Wernz herab und war ſofort todt. Er iſt Vater
von 4 oder 5 unerwachſenen Kindern. — In Wallſtadt bei
Mannheim wurde bei dem Kaſſier Schuber der dortigen Kranken-
kaſſe eingebrochen und 600 ¾ (300 . der Krankenkaſſe u. 300
Privateigenthum Schuber's) geſtohlen.

Vermiſchte Nachrichten.
Herlin, 5. Oct. Kaiſer Wilhelm hat nach dem B. B.⸗C⸗
dem Sultan von Marokko ein merkwürdiges Geſcheuk be-
ſtimmt, welches bereits in den nächſten Tagen von hier abgeſandt
wird. Es beſteht aus zwölf Bänden, welche in hebräiſcher Sprache
den Talmud enthalten. Die Bände in Großoctap ſind in Maro-
quinleder gebunden und auf dem Rücken mit orientaliſchen Pal-
metten verziert. Jeder Band trägt auf der Innenſeite des Deckels
eine eingepreßte goldene Kaiſerkrone.
Perlin, 5. Okt. Aus Darkehmen wird der Nationalzeitung
geſchrieben: Unſer im äußerſten Oſten Deutſchlands gelegenes
Städtchen feierte heute die Vollendung einer That, die
es mit Einem Schlage berühmt macht: die elektriſche Be-
leuchtung der ganzen Stadt, der erſten durchweg elektriſch
beleuchteten auf dem Feſtlann de, wurde zum erſtenmal in Be-
trieb geſetzt. Darkehmen liegt zu beiden Seiten eines Thales,
welches die Angerapp geriſſen, und gewährt mit ſeiner Umgebung
den Anblick eines Stückchens oſtpreußiſchen Gebirgslandes in-
mitten einer großen, aller landſchaftlichen Schönheiten baren
Ebene. Der Quell des landſchaftlichen Reizes der Umgebung des
Städtchens, die Angerapp, iſt auch die Quelle ſeines neuen Lichtes;
welches ſelbſt zur heißen
Sommerzeit Waſſer in Ueberfluß in ſeinem Bette hinabführt, be-
ſitzt die Stadt eine ſtetig wirkende Kraft, welche die heutige eleltro-
techniſche Induſtrie mit Leichtigkeit in Licht umzuſetzen imſtande
iſt, ſodaß alſo nur die Anlage zu ſchaffen war, während der Be-
trieb der Dynamomaſchinen der Stadt nichts koſtet. Die zur Ver-
wendung kommende Beleuchtungsart iſt auf den Straßen Dar-
kehmens Bogenlicht, in den Häuſern, deren mehrere bereits an die
Leitung angeſchloſſen ſind, Glühlicht: die ganze Einrichtung hat
ſich aufs vorzüglichſte bewährt. Der erſtmalige Betrieb der elel-
triſchen Beleuchtung ging natürlich nicht ohne eine Feierlichkeit
vor ſich, zu welcher viele Gäſte von fern erſchienen waxen un
Miniſter v. Goßler ein Glückwunſchtelegramm geſandt hatte.
Berlin, 5. Oct. Auf dem Bahnhofe zu Laban im Regierungs-
bezirke Oppeln wurde ein auf dem Geleiſe ſtehender Güterzug
am 4. October 11 Uhr Abends von einem Perſonenzug ange-
fahren. Die Maſchine und mehrere Wagen wurden zertrümmert
und elf Perſonen verletzt. Der Locomotivführer wurde am
Unterleib und den Schultern ſchwer verletzt.
Gerlin, 3. Oetbr. Vor der gefährlichen Berührung
mit Hunden iſt ſchon wiederholt in der Preſſe dringend ge-
warnt worden. Ein Fall, welcher der Nat.⸗Ztg. berichtet wird,
beſtätigt die früheren Erfahrungen: Ein Milchhändler aus Hohen-



Schönhauſen, welcher täglich ſeine Erzeuguiſſe nach Berlin

bracht, hatte auf ſeinem Wagen als Wächter einen Hund, der
ſeinem Herrn gegenüber große Zärtlichkeit bewies. Vor nich
langer Zeit erkrankte dieſer am Magen, und die Aerzte, welche er
befragte, konnten auch mit Hilfe des Gaſtroſkopes die Art des
Leidens nicht ergründen. Die Krankheit nahm einen immer ge-
fährlicheren Charakter an und hatte ſchließlich in der vorigen
Woche den. Tod zur Folge. Bei der Leichenöffnung, die nun vor-
genommen wurde, fand man unter dem Magen eine Menge
von Hundewürmern, die natürlich durch die Liebkoſungen des
Thieres in den Körper des Mannes hineingekommen ſind und ſi
dort entwickelt haben.
halle, 6. Octbr. Heute früh 8 Uhr ſind bei Weißenfels ein
Perſonenzug und ein Güterzug zu ſammengeſtoßen. Drei
Wagen ſind erheblich beſchädigt und zwei Perſonen leicht verlett ·
Brtslan, 6. Octbr. Bei Schierokau iſt geſtern Vormittags ein
Güterzug entgleist. Maſchine und Tender nebſt 17 Wagen,
die aus den Schienen gehoben wurden, wurden zertrümmert.
Wirn, 6. Octbr. Bei Hopfgarten ſtürzte geſtern ein von
Inns bruck kommender Güterzug in Folge des Einſturzes des
Brückenfeldes der Gitterbrücke mit dem Teuder und 15 Wag-
gons in die brauſende Ache. Nur einige leichte Verletzungen
kamen vor; 360 Soldaten, die mit dem Zuge transportirt wur-
den, blieben unverſehrt. (Welches Glück in Unglückl)
Paris, 6. Octbr. In dem ariſtokratiſchen Cerele „Imperiale
er ſcho ß ſich geſtern der italieniſche Prinz Meliſſana wegen
Spielverluſte. Die Totalſchulden des durch Selbſtmord
umgekommenen Prinzen betragen 1 400 000 Fr.

—(Eine unfreiwillige Freifahrt.) Aus Alba Julia

in Rumänien wird dem Romanul von einem „Augenzeugen“ fo
gende abenteuerliche Geſchichte berichtet: „In der Nacht vom 19
auf den 20. Sept. ereignete ſich beim letzten Wächterhäuschen de
Bahnhofes von Alba⸗Julia folgende Scene: Em Bauer aus det
Umgebung, welcher von dem Wochenmarkt des Ortes in ſein Dorf
zurückkehrte, überfuhr mit ſeinem Wagen die Schienen, als gerade
ein Eiſenbahnzug heranbrauste. Der Bahnwächter war einge-
ſchlafen und in Folge deſſen die Barriere nicht geſchloſſen. Bie
Locomotive traf den Wagen gerade in der Mitte und zertrüm
merte ihn vollſtändig; der Bauer wurde durch die Gewalt des
Stoßes in den Straßengraben, ſein Weib jedoch, welches in.
Wagen ſchlief, in die Luft geſchleudert, und zwar merkwürdiger
Weiſe derart, daß ſie auf die Locomotive fiel, wo ſie betäubt liegen
blieb. Beim Eintreffen des Zuges in der Station wurde ſie von
der Locomotive herabgenommen und zum Bewußtſein gebracht.
Als das Weib auf einem Seſſel im Bahnhof ſaß, näherte ich mi
ihr und fragte ſie: „Wie biſt Du denn hierher gekommen?“ —
Ich weiß es nicht“, erwiderte ſie, „ich war im Wagen einge-
ſchlafen und nun wache ich hier auf, nur mein Fuß ſchmerzt mich
ein wenig; ich kann Ihnen daher nicht ſagen, ob Das, was ich
ſehe, Traum oder Wahrheit iſt.“ Auch der Bauer trug nur eine
geringe Verletzung am Beine davon, deßgleichen waren die Zug-
thiere unverletzt geblieben.“

Theater⸗Nachrichten.
* Farleruht. (Repertoire des Großh. Hoftheaters.) Freitag,
8. Oct.: „Ber Freiſchütz“. Sonntag, 10.: „Lohengrin“.
Handelsnachrichten.
»Börſenbericht. Effectenſocietät.) Frankfurt, 6. Octbr
umfäte bis 6½¼. Uhr Abends. Credit 227%½, , 8½, 7½, b·
 
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