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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0452

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vorhandenen ſocialiſtiſchen Arbeiter herbeigeführt. Ueber
tauſend Perſonen füllten den Buggenhagen'ſchen Saal.
Wagner wurde in ſeinen Ausführungen oftmals durch
höhniſche Zwiſchenrufe und Lachen unterbrochen. Als der
Redner am Schluſſe ſeiner anderthalbſtündigen Ausführun-
gen die Behauptung aufſtellte, daß die Lage der Arbeiter
nur durch ein ſtarkes deutſches Kaiſerreich gebeſſert werden
könne, erſcholl von den Socialdemokraten der Ruf: „Aus-
nahmegeſetz!“ — „Ausnahmegeſetz!“ — erwiderte Wagner,
„gewiß! das iſt da, um es zu beſeitigen, dazu gehört aber
nicht nur das Gefühl der Sicherheit, ſondern auch der
Ruhe“. (Lärm.) In den Lärm hinein ruft Wagner:
„Wenn Kaiſer Wilhelm uns ſagt, daß ihm das Wohl der
Arbeiter am Herzen liegt, ſo gilt mir dies mehr, als wenn
Bebel oder ein Anderer es ſagt und dabei ſein Schäfchen
ins Trockene bringt.“ (Betäubender Lärm.) Stöcker
ſpringt auf und ruft: „Wir haben Alle das Gefühl, daß
wir uns nicht unter Männern, ſondern unter unartigen
Jungens befinden.“ ... (Großer Tumult.) Stöcker ver-
tagt die Verſammlung, die Parteien gerathen ineinander,
Rausrufe durchſchwirren die Luft und Menſchenknäuel
drängen der Thüre zu, wo Einzelne verſchwinden. Bei
Wiedereröffnung der Verſammlung ertönt mehrſeitig der
Ruf: „Zur Geſchäftsordnung!“ Stöcker: Wir brauchen
ſolche Schreihälſe nicht, wir machen uns unſere Ge-
ſchäftsordnung ſelbſt. (Beifall und höhniſches Lachen.)
Wir brauchen ſolche naſeweiſen Menſchen nicht. (Stürmiſche
Heiterkeit. Rufe: Auch keine Lügner!) Dr. Lüt-
genau (Sozialdemokrat) meldet ſich zum Worte und geht
unter fortdauernden Unterbrechungen auf den Vortrag ein;
Stöcker entzieht ihm ſchließlich das Wort. Dr. Lütgenau:
Dann werde ich weiter ſprechen ohne das Wort zu haben.
Großer Lärm, der überwachende Polizeilieutenant bedeckt
ſich und Stöcker ſchließt ſchnell die Verſammlung. Großer
Tumult, in der Mitte des Saales entſpinnt ſich eine „Hol-
zerei.“ Der Beamte fordert auf, ſich zu entfernen, und droht
mit Räumung des Saales, der ſich nur langſam leert.
Auf dem Moritzplatz fanden wieder Zuſammenrottungen

ſtatt, die Chriſtlichſozialen verfolgten Dr. Lütgenau, den

ſeine Parteigenoſſen in ihre Mitte genommen hatten. Die
Polizei trieb ſchließlich die Menſchenhaufen auseinander.
Kiel, 19. Oct. Die ruſſiſche Corvette „Kynda“, an
deren Bord ſich der Groß fürſt Alexander Michaelo-
witſch befindet, der geſtern aus Schwerin zurückkehrte, iſt
heute früh nach Havre in See gegangen. — Der Prinz
Chriſtian von Schleswig⸗Holſtein iſt zum Beſuche
bei Profeſſor Esmarch eingetroffen.
Braunſchweig, 19. Oct. Der bekannte welfiſche
Agitator Rechtsanwalt Dedekind in Wolfenbüttel iſt
geſtern verhaftet und in das hieſige Unterſuchungsgefäng-
niß abgeführt worden. Der Grund der Verhaftung iſt
„noch unbekannt. ö
Denerreichiſche Mon archie.
Wien, 19. Oet. Ein angeblicher Berliner Artikel der
Preſſe ſchlägt einen völkerrechtlichen Militärbund
mit. Oeſterreich vor. Nach dem Muſter der ehemaligen
Bundesverfaſſung ſollen beide Staaten ſich mit fünf Armee-
corps an einer Bundesarmee betheiligen, welche dem vom
Nachbar angegriffenen Bundesgenoſſen zur Verfügung ſtehe.
— Die Agenten der Mächte in Sofia gehen nicht zur Er-
öffnung der Sobranje nach Tirnowa.
Wien, 19. Oct. In Trieſt erkrankten 7 und ſtarb
1, in Peſt erkrankten 27 und ſtarben 19 Perſonen an

der Cholera.
Ausland.
Paris, 19. Oct. Sämmtliche Miniſter wohnten
heute dem Min iſterrathe bei, welcher der Anſicht war,
die geſtrige Verhandlung hätte eine allgemeine politiſche
Frage, welche die Verantwortlichkeit des ganzen Miniſte-
riums berührte, aufgeworfen. Es ſei jedoch unmöglich,
die Annahme der einfachen Tagesardnung als einen Miß-
trauensbeſchluß für dieſe Politik oder auch nur für den
Miniſter des Innern aufzufaſſen. Infolge deſſen zog
Sarrien auf das Drängen Grevy's und Freycinet's ſein
Entlaſſungsgeſuch zurück; auch Sa di Carnot nahm nach
der Berathung über den Ausſchußbeſchluß wegen des Bud-
gets ſeine Abdankung zurück; er bleibt bei den Grund-
ſätzen ſeines Budgets und wird dasſelbe in der Kammer
vertheidigen. Der Miniſterrath beſchloß die Cabinets-
frage nicht zu ſtellen, auch keine Interpellation zu veran-
laſſen. Die Miniſter werden ihre Plätze in der Kammer
einnehmen, als wenn ſich nichts ereignet hätte und werden
es dem Ermeſſen der Kammer überlaſſen, ob dieſelbe durch
irgend eine Kundgebung ihre Stellung zum Miniſterium
markiren will. — Heute wurde General Uhrich auf
dem Kirchhof Pere⸗Lachaiſe begraben. Unter den Kränzen
auf dem Sarge ward bemerkt: einer von Pfalzburg,
einer von den Pfalzburgern in Paris und einer von der
Patriotenliga. Im Leichenzuge befanden ſich Abordnungen
der Elſaß⸗Lothringer, einige Pfalzburger und die Mit-
glieder der Patriotenliga. Als das Leichengefolge vor dem
Standbild der Stadt Straßburg vorbeizog, entblößten
ſämmtliche Leidtragende das Haupt; weitere Kundgebungen
unterblieben. Als der Zug vor dem Kaffeehauſe an der
Pforte Montmartre vorüberzog, erhob ſich ein vor dem
Kaffeehauſe ſitzender junger Mann und rief: „Nieder mit
Boulanger! Nieder mit dem Elenden!“ Die Zuſchauer
fielen über ihn her und riefen: „Nieder mit dem Preußen!
Werft ihn ins Waſſer!“ Die Polizei nahm den jungen
ann in Schutz und führte ihn zum Polizei⸗Commiſſar,
wo es ſich herausſtellte, daß dieſer Schreier kein Preuße
war, ſondern der franzöſiſche Journaliſt Bave, der Corre-
ſpondent der Independance de l'Allier iſt. Bave erklärte
dem Commiſſar, er habe gerufen: „Nieder mit Boulanger!“
laft dieſer bei Uhrichs Begräbniß ſich nicht habe vertreten
aſſen.
London, 18. Oct. Die Pall Mall Gazette veröffent-

licht eine von dem Lord Charles Beres ford, Mitglied
des Marineraths, an letztern gerichtete Denkſchrift,
in welcher derſelbe hervorhebt, daß trotz der Erfahrungen
des Jahres 1885 keinerlei Schritte gethan ſeien, um einen
Plan zur Beſchaffung geeigneten Kriegsmaterials im Kriegs-
falle aufzuſtellen und deſſen Ausführung vorzubereiten,
während die Admiralitäten Frankreichs, Deutſchlands und
Rußlands einen Stab hätten, deſſen einzige Aufgabe darin
beſtehe, bis ins einzelne gehende Pläne für die Kriegsvor-
bereitung zu entwerfen.
der gegenwärtigen Einrichtung des Dienſtes es möglich ſei,
daß die feindlichen Schiffe in entfernten Meeren in der
Lage wären, eine Kriegserklärung früher zu erfahren, als
die Befehlshaber engliſcher Schiffe. Der Effectivbeſtand
der Marine im Falle eines Krieges ſei durchaus ungenü-
gend; es wird beſonders hervorgehoben, daß die Mobili-
ſirung der erſten Reſerve in Frankreich in 48 Stunden er-
folge, während dieſelbe in England fünf Tage in Anſpruch
nehme. Die Druckſchrift erwähnt ferner das Fehlen eines
Planes für die Verſorgung der engliſchen Kolonialſtatiouen
mit Kohlen und betont, daß überhaupt kein engliſcher Feld-
zugsplan vorhanden ſei. Es erſcheine durchaus nothwendig,
eine eigene Abtheilung für das Nachrichtenweſen herzuſtellen,
die ſich in Betreff der fremden Flotten, der neuen Erfin-
dungen und dergleichen unterrichtet zu erhalten und die
Kriegsvorbereitungen jeder Art zu treffen hätte. Nur be-
züglich der Abtheilung für das Marinetransportweſen ſpricht
ſich Beresford anerkennend aus.
Petersburg, 19. Octbr. Das Infanterie⸗Regiment
Kaluga in Simbirsk hatte anläßlich des geſtrigen 25.
Jahrtstages der Krönung des deutſchen Kaiſers als
König von Preußen einen Feſtgottesdienſt veranſtaltet und
an den Kaiſer als Chef des Regiments, ſowie an die
Kaiſerin eine Glückwunſchdepeſche abgeſandt.
mandeur des Regiments erhielt hierauf folgendes Tele-
gramm: Ich bin Ihnen und Meinem brayen Regimente
für das Gedächtniß des Krönungstages ſehr dankbar.

Wollen Sie dieſen Meinen Dank perſönlich ausſprechen.

Die Kaiſerin⸗Königin ſchließt Ihren Dank dem Meinigen
an. Wilhelm, Feldmarſchall und Chef.
Aſien. Nach einem über Amerika eingegangenen Tele-
gramme wüthet die Cholera in Seul, der Hauptſtadt
Koreas, furchtbar. Durchſchnittlich ſterben 1000 Perſonen
täglich. Infolge der Schwierigkeit und der Gefahr der Be-
erdigung, werden die Leichname liegen gelaſſen. Der Stadt
droht völliges Ausſterben.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 20. Oct. Geſtern Vormittag gegen ½9 Uhr traf
Prinz Ludwig Wilhelm zu kurzem Aufenthalt hier ein und
begab ſich 3 Uhr 10 Min. Nachmittags wieder nach Baden⸗Baden
zurück. Zu dauerndem Aufenthalt wird Se. Großherzogliche Hoheit
wie wir hören, erſt gegen Ende October hier eintreffen.

— Bridelberg, 20. Oct. Ein Bretzelträger hat am 15. u. 16. d.

ſeinem Principal den Erlös für verkaufte Bretzeln im Betrage
von 4 M. unterſchlagen. Der Ungetreue machte ſich darauf
flüchtig, wurde aber ermittelt und zur Haft gebracht
4 Htidelberg. . Oct. Wie wir hören, kam der den Ph. Deſaga
Erben gehörende Bauplatz, Ecke der Kaiſer⸗ und Rohrbacher-
ſtraße, im Flächengehalt von 24 ar 28 qm durch Kauf um den
Preis von 20000 M. in den Beſitz der hieſigen Bauunternehmer
Herren Gebr. Brenner. x ö
§ Heidelberg, 20. Octbr, In letzter Zeit wurden folgende Ver-

käufe abgeſchloſſen: 1. Haus Nr. 66 mit Bauplatz Nr. 65 der

Neuenheimer Landſtraße, Verkäufer die Firma Henkenhaf und
Ebert, Käufer Mertin Walz, Privatmann dahier, Kaufpreis
40 000 M.; 2. Bauplatz am Wolfsbrunneuweg Nr. 12, Ver-
käufer Frau Dr. Cuntz Wwe., Käufer Franz Schwarz, Privat-
mann dahier, Kaufpreis 5100 M.; 3. Villa Montana, Hand-
ſchuchsheimer Landſtraße Nr. 394, Verkäufer Kgl. preuß. Ritt-
meiſter a. D. Ernſt Nägels, Käufer Baron Gberh. Aug. v. Holle,
Kaufpreis 35 500 M.; 4. Haus Auguſtinergaſſe 9. Verkäufer Kgl. pr.
Rittmeiſter a. D. E. Nägelé, Käufer Kaufmann Philipp Poth
aus Mannheim, Kaufpreis 80 000 Mk. Sämmtliche Abſchlüſſe
erfolgten durch die Agentur von F. W. Napp.
gtidelberz, 20. Oktbr. Vergiftung bei Thieren durch den
Genuß von Tabak kommen jedes Jahr in den Tabakbau trei-
benden Gegenden vor. Es geſchieht dies in den meiſten Fällen
dadurch, daß die beim Packen des Tabaks erhaltenen Abfälle als
Streumaterial in die Rindviehſtälle geworfen werden, oder daß
das zum Verkauf beſtimmte Tabakquantum behufs Gewichtsver-
mehrung einige Stunden in Ställe oder Futtergäuge gebracht
wird. Das Rind verſchlingt den Tabak mit großer Begierde,
aber ſchon nach der Aufnahme einiger Blätter treten Vergiftungs-
anfälle und der Tod ein; ſo kommt es denn oft vor, daß das
mühſam erworbene Tabakgeld zum Erſatz verlorener Kühe oder
Rinder verwendet werden muß. Die ſo⸗ häufig vorgekommenen
Fälle ſollten doch dem Viehhalter zur ernſten Warnung dienen,
um ſo mehr, da nach der Fleiſchbeſchauordnung das Fleiſch von
Thieren, die an Vergiftungen zu Grunde gehen, nicht zum menſch-
lichen Genuß verwendet werden darf und deßhalb das gefallene
Stück total werthlos iſt.
X Schmetingen, 20. Octbr. Der längſt geplante Neubau des
Thurmes an der hieſigen ev. Kirche ſcheint endlich ſeiner Aus-
führung entgegen zu gehen. Da die zuerſt in Ausſicht genommene
Umlage auf die ev. Gemeindemitglieder nicht genehmigt wurde,
ſo hat man beſchloſſen, die noch fehlende Summe von 9000 .
durch freiwillige Beiträge, die ſich auf 10 Jahre vertheilen ſollen,
aufzubringen. Es wurden nun am Sonntag durch Mitglieder
des Kirchengemeinderaths und der Kirchengemeindeverſammlung
Liſten herumgetragen und zum Einzeichnen von freiwilligen Bei-
trägen eingeladen. Wie wir hören, haben die Einzeichnungen
einen ſo ſchönen Erfolg gehabt, daß die nöthige Summe mehr
als gedeckt iſt. Der von Herrn Kirchenbau⸗Inſpector Behaghel
in Heidelberg entworfene Plan hat allenthalben Beifall gefunden.
Kommt derſelbe zur Ausführung, ſo wird der Thurm eine Zierde
der Stadt werden.
Sgofsheim, Amts Adelseim. Herr Privatier Chriſt. Geiger
und deſſen Ehefrau ſtifteten für die hieſ. Kirche eine neue Orgel.
Herrn Orgelbaumeiſter Schäfer in Heilbronn wurde der Ban der-
ſelben übertragen. Beide Eheleute, die ſich durch dieſe Stiftung
ein bleibendes Denkmal in der Gemeinde geſetzt, haben hierdurch
einem tiefempfundenen Bedürfniß abgeholfen; denn die hieſ. über
150 Jahre alte Kirchenorgel iſt in jeder Hinſicht ein ſehr geringes
und ungenügendes Werk.
Aus Fabru. In Karlsruhe wurden, der N. Bad. Odszig.
zufolge, die Frau des Hauptmanus a. D. Th. und deren Tochter
angeblich wegen betrügeriſcher Manipulationen verhaftet. — In

Aeule (Menzenſchwand) fiel in letzter Woche ein 4 jähr. Mädchen,

welches vor dem Kaminfeger flüchtete, in eine mit ſiedendem

Waſſer gefüllte Pfanne, welche ſein älteres Schweſterchen kurz
vorher beim Abräumen des Herdes auf den Boden geſtellt hatte.

Beresford tadelt lebhaft, daß bei

Der Com-

Tunden ſtarb nach wenigen Tagen an den erlittenen Brand-
unden.
*Aus zug aus der amtlichen Patentliſte über die in
der Zeit vom 6. bis 13. October erfolgten badiſchen Patent-
Anmeldungen und Ertheilungen, mitgetheilt vom Patentbureau
des Civil⸗Ingenieurs K. Müller in Freiburg i. B. A. An-

meldungen: H. 5875. Apparat behufs ſelbſtthätigen conti-
nuirlichen Betriebes von Magneſiumlampen mittelſt pneumatiſchen
oder electriſchen Selbſtaufzuges. H. Heine u. Sohn in Schonen-
bach bei Furtwangen. E. 1573. Selbſtrotirende galvaniſche
Batterie. Otto Eiſele in Karlsruhe. B. 6571. Neuerung an
Abfüll⸗ und Gleichlege⸗Maſchinen für Zündhölzer. Badiſche
Maſchinenfabrik und Eiſengießerei vorm. G. Sebold und Sebold
n. Neff in Durlach. — B. Ertheilungen: Nr. 37703. Vor-
ſchubmechanismus für die Zuführungswalze an Futterſchneid-
maſchinen. (Zuſatz zum Patent Nr. 16324). H. Lanz in Mann-
heim. Vom 4. April 1886 ab. L. 3663. Nr. 37650. Regulator
für Kaffeebrenner. (Zuſatz zu P. R. 36191). A. Spinner in
Offenburg. Vom 19. Mai 1886 ab. S. 3326. —

Eingeſandt.
„Seit Wochen bewundert Einſender dieſes im Stillen die uner-
ſchöpfliche Geduld der Spaziergänger auf das Schloß, welche ſich
Stück für Stück des Fußwegs an dem Lobſtein'ſchen Bau hin-
wegnehmen ſehen und täglich tiefer in den Koth gedrängt werden.
Wie das Alles unter den Augen des auf dem Schloßberg die
Aufſicht führenden Schutzmanns geſchehen kann, iſt unbegreiflich.
Jetzt liegt der Fußweg voll Steinſchrotten, die Waſſerpfützen
werden täglich größer, ſchon werden die Steinblöcke auf dem Fuß-
weg ſelbſt zugehauen und bald werden die Spaziergänger die
gütige Erlaubniß haben, über die doppelten J.Eiſen hinweg ſich
den Weg zu ſuchen. Quousque tandem abutere — 2!

Vermiſchte Nachrichten.
Trankfurt u. M., 17. Oct. Die Eröffnung der Mainkanali-
ſirung und der Frankfurter Hafenanlagen hat, wie bereits
kurz mitgetheilt, geſtern in feierlicher Weiſe ſtattgefunden. Die-

ſelbe begann um 11 Uhr von Höchſt aus, wohin die eingeladenen

Gäſte mit der Taunusbahn befördert worden waren. An der

Feſtfahrt nahmen Theil die Boote Delphin, auf dem die Regie-
rungsbaubeamten vorauffuhren, Alexander, auf dem die Miniſter

und Staatsbehörden nebſt den Spitzen der ſtädtiſchen Behörden
Platz genommen, Rheingau mit den Inſpectionsbeamten, und
Moenus, welcher das eigentliche Feſtſchiff ſchleppte. Die Ufer
waren in allen Ortſchaften, durch welche die Boote kamen, trotz
des regneriſchen Wetters dicht mit Menſchen beſetzt. Ueberall
wurden die Feſtſchiffe von Böllerſchüſſen und jubelnden Zurufen
begrüßt. Um die Mittagsſtunde hatten die Boote die zweite
Schleuſe durchfahren und die zunächſt betheiligten Beamten mit
den Vertretern der Regierung vollzogen auf der Frankfurter
Schleuſe die Denkſteinlegung, wobei der Regierungsbearath Cuno
aus Wiesbaden die Anſprache hielt. Miniſter v. Puttkamer brachte
darauf ein Hoch auf S. M. den Kaiſer aus. Dann wurde die
Fahrt bis zum eiſernen Steg aufwärts fortgeſetzt. Die beabſich-
tigte Feſtauffahrt und Ruderwettfahrt der Rudervereine mußte
des eingetretenen Sturmwindes wegen unterbleiben. Die Dampfe
boote mit den Feſttheilnehmern kehrten zum Hafen zurück,
der Oberbürgermeiſter Miquel die Einweihungsfeier mit e
Anſprache eröffnete. Hierauf erfolgte die Einſetzung des Schluf
ſteins und die Beſichtigung der Hafenanlagen. Nachmittags 4
Uhr begann das Feſtbankett im Palmgarten, Abends fand ein
Feſtvorſtellung im Opernhauſe ſtatt. Außer dem Miniſter v. Putt
kamer nahmen der Miniſter v. Bötticher, der bayeriſche Miniſter
v. Crailsheim, der heſſiſche Miniſter Finger, der Oberpräſident
Graf Eulenburg, der Regierungspräſident v. Wurmb, die Ver-
treter der Handelskammern aus den größeren Städten am Rhein
und in Süddeutſchland, ſowie Vertreter aus Antwerpen, Rotter-
dam, Amſterdam und anderen auswärtigen Städten an der Er-

öffnungsfeier Theil. Die Stadt hatte aus Anlaß der Feier reichen

Flaggenſchmuck angelegt.
TFraukfurt, 19. Oct. Am Samstag Mittag verlor ein hieſiger
Maurermeiſter eine Börſe mit 680 in Papieren und etwas
Gold in der Nähe der neuen Werfthalle am Hafen. Ein armer
Hafenarbeiter fand die Börſe und da bei den Banknoten
ein Zettel ſtack, worauf Lohnberechnungen ſtanden und der Name
eines bekannten Maurermeiſters aufgedruckt war, ſo lieferte der
Mann den Fund ſofort an den Verlierer, bei dem er einmal in

Arbeit geſtanden und den er unter den bei der Hafeneinweihunng

anweſenden Perſonen herausſuchte, ab. Der ehrliche Mann er-
hielt 20 %½. Belohnung und die Verſicherung, daß, wenn er je-
mals Arbeit ſuche, er ſie bei dem vor Schaden bewahrten Maurer-
meiſter finden werde. 1
Jürich, 18. Oct. Während der Aufführung des „Don Ceſar
wurde die Theaterkaſſe beraubt. Heute früh wurde mit
dem Geſammtbetrage von 1400 Francs der Directorial⸗Secretär
im Canton Schwyz verhaftet.

Theaternachrichten.
* Garlsruhe. (Repertoire des Großh. Hoftheaters.) Donners-
21. Oct. Eingetretener Hinderniſſe wegen ſtatt Orpheus un
Eurydike: „Der Maskenball“.

Handelsnachrichten.

———

*Börſenbericht. (Effectenſocietät.) Frankfurt, 19. 25

Umſätze bis 6¾ Uhr Abends. Credit 226 ¾, /% ¼ b. u.
Staatsbahn 195, 4½, 5½, 5 b. Lombarden 87/ b. Galizier
158½, / b. Disconto⸗Commandit 210.70, 50 b. Ungar. Cre-
dit 232¼ b. Mittelmeer 117.90 b. Gotthard⸗Actien 94.40 b.
u. G. Schweizer Central 100.60 b. u. G. Schweizer Nordoſt
71.50, 10 b. u. G. Union 92.20, 10 b. Bern Jura 84.70 b.
u. G. Aproc. ungar. Goldrente 84.20 b. ult., 84.30 b. compt.
Oeſterr. Goldrente 93.70 b. Silberrenie 68.50 b. Egypter 75.7
b. 5pCt. Portugieſen 80.60 b. u. G. ult., 88.70 b. compt.
5pCt. Buenos Ahyres 82.10, 82 b. u. G. Spanier 63.15 b. 5pCt.
Italiener 100 b. Serb. Tabak 79.20 b.
6¼½ Uhr; Staatsbahn 195, Buenos Ayres 82.
Bei ruhigem Verkehr blieben die Mittagscourſe nicht völlis
behauptet. Sowohl Diskonto⸗Kommandit, als Egypter, Staats-
bahn und Nordoſtaktien notirten ſchwächer. Gotthard und Bern-
Jura waren gebeſſert.
NMannheimer Börſe. 19. Oetbr. Badiſche Bank 117 B.
Rhein. Creditbank 122.50 G. Rhein. Hypoth.⸗Bank 127 G.
Bad. Anilin⸗ u. Sodafabrik 210 b. u. G. Weſteregeln, Alkali
159 G. Waghäusler Zuckerfabrik 81.75 B. Heidelberger Aktien“

Brauerei 125 G.
Herlin, 19. Okt. Schlußcourſe um 3 Uhr. Oeſterr.
Staatsbahn 391½. Lombarden 177½•

Credit⸗Actien 456 ½.
Disconto⸗Commandit 211. Galiz. Karl Ludwigsbahn 79½
Heidelderg⸗ 20. Oltober.

Tendenz: Abgeſchwächt.
Anſangs⸗Courſe der heutigen Mittags⸗Börſen,
mitgetheilt von der Filiale der Rhetniſchen Creditban!
in Leidelberg.

Frantfurt Berlin
Oeſterr. Credit⸗Actien 26½ ö
Staatsbalhn ‚ 194½.
Sombarden 67½
Disconto⸗Commandiitt 210.70
Galiz. Karl⸗Ludwigsbahn 15⁷
4Ct. Egypter 55.70
Spanier .w —
Türken

— Schurkinira 20. Oct. Das Hop! en 3e äft geht lang-
ſam ſeinem Ende entgegen. Die Wreſet ſind Pebentend geſunken.
Es wurden nur noch 40—45 ¾ und für ſehr ſchöne Waare

SS

E

S
 
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