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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0496

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*

gariens aufgefaßt.

Sultan wie den Czar en zu den äußerſten Schritten zu
veranlaſſen, indem ſie immer neue beunruhigende Gerüchte
zu ihrer Kenntniß zu bringen ſuchen. Zu dieſen Ver-
ſuchen gehört auch die neuerliche Meldung Gadbans an
den Sultan, daß die Sobranje die Wiederwahl des
Fürſten Alexander und die Erklärung der Unab-
hängigkeit des vereinigten Fürſtenthums beab-
ſichtige. Die Meldung widerſpricht allen Thatſachen; man
weiß hier zur Genüge, daß die Mitglieder der Sobranje
wie der Regentſchaft unausgeſetzt ſich bemühen, einen Aus-
gleich mit Rußland herbeizuführen. Aber die Meldung be-
weiſt wieder einmal, daß frühere Beobachtungen über die
ruſſiſchen Beziehungen, die Gadban angeknüpft hat, wohl-
begründet ſind.
London, 30. Oct. Aus Kabul eingetroffenen Nach-
richten zufolge ſoll ſich der Ghilzaiſtamm in der Nähe

von Ghuzni gegen den Emir erhoben und ſich mit einem

Theile des Buzaraſtammes verbunden haben. Ein
afghaniſches Regiment, welches einen Schatztransport ge-
leitet, ſei durch die Meuterei angegriffen und zerſprengt
worden. Sadu, ein bekannter Bandenführer, ſei eben-
falls zu den Meuterern übergegangen, welche von Muſchki
Alum angeführt würden. Der Grund des Aufſtandes
ſoll Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der übermäßigen
Beſteuerung ſein.
London, 30. Oct. Dem Standard wird aus Kopen-
hagen gemeldet, Prinz Waldemar ſei im Auf-
trag des Czaren befragt worden, ob er geneigt ſei, als
Candidat für den bulgariſchen Fürſtenthron auf-
zutreten, falls die Unterſtützung ſeiner Candidatur durch
die Mächte geſichert ſei.
Geuna, 30. Oct. Der deutſche Kronprinz begibt
ſich heute Abend nach Monza zum Beſuche des Königs
Humbert. ö ö
Petersburg, 30. Oetbr. Die Entſendung der ruſ-
ſiſchen Kriegsſchiffe nach Varna wird hier von
der Preſſe wie von der Geſellſchaft als Vorſpiel zu
entſchiedenen Schritten zu der Beſetzung Bul-
Obgleich jedoch die Truppen für
eine Beſetzung längſt bereit ſtehen, hat man doch beſtimmte,
ſchwerwiegende Gründe für die Annahme, daß die Be-
ſetzung nicht erfolgen wird. Der Kaiſer und der Mini-
ſter v. Giers würden ſich nur ſehr ſchwer zu einer Be-
ſetzung entſchliezn, deren Folgen unberechenbar ſein wür-
den. Zudem hält man infolge der Haltung der benach-
barten Groß mächte und nicht zum wenigſten wegen

der Vereinbarung mit der Türkei noch immer an der

Hoffnung feſt, daß es gelingen werde, Bulgarien auch
ohne Beſetzung zur Ruhe zu bringen. Man glaubt ge-
wonnenes Spiel zu haben, wenn man es nur erreicht, die
jetzige Regentſchaft zu ſtürzen. Rußland werde dann nach
der Wahl eines ihm genehmen Fürſten ſofort den Einfluß
wiedergewinnen, den es früher immer ausgeübt und den
ihm ganz Europa auf dem Berliner Congreſſe zugeſtanden
hat und werde namentlich Bulgarien wieder in ſeine Hand
bekommen. Auf dieſe Weiſe hofft man hier an maß-
gebender Stelle die verlorene Stellung in: dem von Ruß-
land mit ſchweren Opfern befreiten Fürſtenthum wiederzu-
gewinnen. Und gerade die in den letzten Tagen einge-
troffenen Nachrichten haben die Hoffnung auf einen bal-
digen entſcheidenden Erfolg weſentlich gekräftigt.
Tirnowa, 30. Octbr. General v. Kaulbars hat
geſtern der Regierung mitgetheilt, daß die Ankunft der
ruſſiſchen Kriegsſchiffe vor Varna auf ſeine letzten
Mittheilungen hin erfolgt ſei; die Kriegsſchiffe würden,
wenn nöthig, die Wichtigkeit ihrer Sendung beweiſen.
Ferner verlangt General v. Kaulbars eine baldige Ant-
wort auf ſeine letzte Note in Betreff der verhafteten Offiziere.
Der Miniſterrath ſoll beſchloſſen haben, die Offiziere auf
freien Fuß zu ſetzen. — Außerdem wird mitgetheilt: Die
Ruſſen haben eine Note überreicht, in der erklärt wird,
daß die ruſſiſchen Unterthanen in Bulgarien Mißhandlungen
ausgeſetzt ſeien; wenn nicht innerhalb 3 Tagen eine
befriedigende Antwort erfolge, werde General v. Kaul-
bars mit dem Perſonal der ruſſiſchen Agentur abreiſen
und die Regentſchaft für die Folgen verantwortlich machen.
Die Regierung beräth augenblicklich über die zu ertheilende
Antwort.


Aus Stadt und Land. ö
geidelberg. 1. Nopbr. Am letzten Samstag, Nachmittags
3,25 Uhr, iſt Se. Königl. Hob. Prinz Georg von Preußen
mit dem Oberländer Schnellzug dahier angekommen und im
„Prinz Carl abgeſtiegen. Geſtern Abend beſuchte der Prinz die
Vorſtellung im hieſigen Stadttheater.
* gridelbern, 1. Nov. Wie aus der in der heutigen Nummer
ds. Bl. enthaltenen auf höhere Anordnung erlaſſenen Bekannt-

machung des Großh. Bezirksamts hervorgeht, muß eine neueſte

amtliche Nachricht eingetroffen ſein, wonach in Finthen bei
Mainz doch wirkliche Cholerafälle vorgekommen ſind. Der
unheimliche Gaſt wäre demnach nach Deutſchland vorgedrungen.
Wir machen an dieſer Stelle noch auf die amtliche Ankündigung
beſonders aufmerkſam.
§ hrüdelberg, 1. Novbr. Unter dem Vorſitz des Herrn Ober-
bürgermeiſter Schuſter⸗Freiburg fand geſtern Nachmittag
im Bremeneck dahier ein Fiſchereitag ſtatt, der eine allge-
meine Beſprechung wünſchenswerther Abänderungen des Fiſcherei-
geſetzes, wie überhaupt derjenigen Maßnahmen zum Zweck hatte,
die zur Hebung der Fiſchzucht dienen können. Die Verſammlung,
der u. A. auch die Herren Stadtdirektor v. Scherer, Amt-
mann v. Krafft⸗Ebing, Domänenverwalter Futterer
und Oberförſter Biehler beiwohnten, war von Fiſcherei⸗In-
tereſſenten ſehr zahlreich belucht. Herr Oberbürgermeiſter Schu ſter
eröffnete die Verhandlungen mit einer Anſprache, in der er die
rrſchienenen Namens des Badiſchen Fiſchereivereins begrüßte,
für die zahlreiche Betheiligung dankte und dann den Zweck der
Verſammlung erläuterte. Es handle ſich um einen Meinungs-
austauſch darüber, welche Ergänzungen und Abänderungen der
beſtehenden bTördchen Fiſchereivorſchriften im Intereſſe der Ent-
wicklung und Förderung des Fiſchereiweſens nothwendig erſcheinen.
Das Material, welches in dieſer Beziehung vorliege, ſei ein ſehr
reichhaltiges. Zum Theil ſeien die in Frage kommenden Punkte
bereits feſtgeſtellt, diejenigen welche noch der Erledigung harren,
ſollen den Gegenſtand der Erörterung bilden. Die große Ver-

ſchiedenheit der Fiſchereiverhältniſſe in Baden mache es ſehr
ſchwierig, allgemeine Vorſchriften für das ganze Land aufzuſtellen.
Wie weit dies aber auch in Bezug auf die noch zu erledigenden
Punkte möglich, werde ſich aus den heutigen Verhandlungen
hoffentlich ergeben. Die feſtzuſtellenden Vorſchriften müſſen ſo
gehalten ſein, daß das große Vermögen, welches Baden in den
Fiſchereigewäſſern beſitze, zur rationellſten Verwerthung gelangen
kann. Nicht leicht iſt die Abgrenzung der Rückſichten, welche die
Fiſcherei auf Gewerbe und Landwirthſchaft zu nehmen hat. Vor-
ſchriften, die auf die induſtrielle und landwirthſchaftliche Thätig-
keit keine Rückſicht nehmen, ſind nicht möglich, indeſſen müſſen
auch wiederum Landwirthſchaft und Juduſtrie gewiſſe Beſchräu-
kungen hinnehmen. Redner betont dann, daß die badiſche Regie-
rung das Verdienſt habe, zuerſt mit Energie eine ſtaatliche reſp.
geſetzliche Regelung des Fiſchereiweſens in Angriff genommen zu
haben. Dennoch ſtehe man jetzt vor der Thatſache, daß die ſeit-
herigen Beſtinmungen der Reform bedürfen. Es gelte, die ver-
ſchiedenen Anſprüche, Intereſſen und Meinungen zu vereinen und
in deren möglichſter Ausgleichung und Vereinignng eine Grund-
lage zu ſchaffen für neue Normen und Beſtimmungen. Als das
Ergebniß ſolchen Strebens iſt die neue Vollzugsvorſchrift anzu-
ſehen, welche in naher Zeit in Kraft treten wird. Es wird dar-
auf in die Beſprechung der einzelnen, vom Herrn Vorſitzenden
zur Debatte geſtellten Punkte eingetreten, aus der wir in Fol-
gendem das Hanuptſächliche hervorheben. 1) Die allgemeine Früh ⸗
jahrsſchonzeit für alle badiſchen Gewäſſer mit Ausnahme des
Bodenſees iſt aufgehoben. Der Bodenſee müſſe deßhalb ausge-
nommen werden, weil dies ein Vertrag der Uferſtaaten bedinge. Herr
Go. Fries von hier nimmt bei dieſer Gelegenheit Veranlaſſung, die
Nothwendigkeit eines einheitlichen Geſetzes zwiſchen Baden, Würt-
temberg und Heſſen auseinanderzuſetzen. Auch bringt er verſchie-
dene andere Fragen zur Sprache, u. A. das Verbot der Nacht-
fiſcherei, von dem er wünſcht, daß es aufgehoben werde. Herr
Oberbürgermeiſter Schuſter bezeichnet den Wunſch bezüglich des
Einheitsgeſetzes als ſehr berechtigt, aber ſeine Ausführung als
ſehr ſchwierig. Die Aufhebung der Frühfahrsſchonzeit wird über-
einſtimmend als im Intereſſe der Fiſcherei liegend anerkannt.
Es wird damit auch der Nachtheil beſeitigt, den die badiſchen
Fiſcher bisher gegenüber den württembergiſchen hatten, für welche
niemals Schonzeit beſtanden hat. 2 Die Verpachtungsproiokolle
ſollen von den Gemeinden dem Bezirksamte zur Genehmigung
eingereicht werden. Herr Riedel⸗Heidelberg wünſcht, daß von den Be-
zirksänitern auch event. Sachverſtändige bei Prüfung der Protokolle
hinzugezogen werden ſollen, was die Verſammlung auch gut heißt.
3) Die Pächter ſollen zum Einſetzen von Fiſchbrut in ihre Ge-
wäſſer verpflichtet ſein. 4) Die Schädlichkeit des Schwemmens
der Schafe im Fiſchwaſſer wird verneint. Herr Riedel⸗Heidel-
berg bemerkt hierzu, daß das Schwemmen von Schafen in den
Fiſchereigewäſſern des Heidelberger Bezirks nicht vorkomme. Da-
hingegen weiſt derſelbe aber auf die grotze Schädlichkeit des aus
den Fabrikbetrieben in die Fiſchereigewäſſer abgelaſſenen Waſſers
hin. Das Fabrikwaſſer vergifte die Fiſchereigewäſſer und füge
der Fiſcherei enormen Schaden zu. Die Fabriken ſollen ſeiner
Anſicht nach Sammelbaſſins zur vorläufigen Aufnahme ihres
Waſſers anlegen und daſſelbe erſt dann in die Fiſcherei-
gewäſſer hinüberleiten, wenn es ſich genügend abgeklärt
habe. Herr Amtmann von Krafft⸗Eding weiſt dem-
gegenüber darauf hin, daß ausreichende Beſtimmungen beſtehen,
die Fiſchereigewäſſer vor Verunreinigung und Vergiftung zu
ſchützen. Auch Herr Oberbürgermeiſter Schuſter thut dies.
5) Das Laufenlaſſen von Enten und Gänſen in das Fiſchwaſſer
während der Schonzeit iſt verboten. 6) Der Fiſchereiberechtigte
ſoll 24 Stunden vor dem Abſchlagen des Waſſers behufs Reini-
gung benachrichtigt werden. 7) Die Schonmaße (der Fiſch von der Kopf-
bis zur Schwanzſpitze gemeſſen) ſollen ſein: für Lachs 50 em, Aal
35 em, Zander 35 em, Hot 30 em, Eſche 35 om, Barbe 35 em,
Fluß⸗ und Bachforellen, Maräne, Schleie 20 om, für Bachforellen
darf in deß als Mindeſtmaß auch 17 em gelten. 8) Forellen aus
geſchloſſenen Weihern können auch während der für dieſe Fiſch-
gattung feſtgeſetzten Individualſchonzeit verkauft werden, wenn ſie
½ Pfund Gewicht haben. 9) Fiſchkarten ſollen im Allgemeinen
von den Bezirksämtern ausgeſtellt werden. Nur für die Fiſcherei
in den Forellenbächen dürfen auch Karten von den Bürgermeiſtern
ansgeſtellt werden, d. h. nur ſolche, die eine vorübergehende,
höchſtens Stägige Gültigkeit haben; außerdem wird beſtimmt, daß
die Bürgermeiſter an ein und dieſelbe Perſon nur 4 Mal im
Jahr eine Karte verabfolgen dürfen. Herr Stadtdirektor von
Scherer nimmt hierbei Veranlaſſung, die allgemeinen geſetzl. Vor-
ſchriften, welche über die Ausſtellung der Fiſchkarten beſtehen, näher
zu erörtern. 10) Das Bezirksamt des Wohnorts hat die Karte
auszuſtellen. Bezüglich einiger Beſchwerden wegen zu hoher Spor-
teln wird endlich bemerkt, daß das Miniſterinm in dieſer Hin-
ſicht die wünſchenswerthen Anordnungen getroffen, namentlich au-
geordnet habe, daß überall Gleichmäßigkeit herrſche. Im Laufe
der Verhandlungen, die über 4 Stunden währten und häufig
lebhafte Discuſſionen hervorriefen, machte Herr Oberbürger-
meiſter Schuſter au ch nachdrücklich auf den im nächſten Jahre in
Freiburg ſtattfindenden Deutſchen Fiſchereitag aufmerkſam. Schließ-
lich ſei mitgetheilt, daß über 30 anweſende Fiſcherei⸗Intereſſenten
ihren Beitritt zum badiſchen Fi ſchereiverein erklärten. Dem ſei
noch hinzugeſügt, daß Formulare zu Beilrittserklärungen bei den
Herren Riedel in Heidelberg, Hauptſtraße 70, und Hubert
Renner in Mannheim zu erhalten ſind, welche auch weitere An-
meldungen entgegen nehmen. Es beſteht übrigens die Abſicht,
für die Mitglied er des Pfalzgaues demnächſt eine beſondere See-
tion des Haupt vereins zu bilden.
* geidelberg, 1. Nov. „Gaſparonne“ ging geſtern zum erſtenmal
in dieſer Saiſon über die Bü hne. Daß die Operette noch ſtets
bedeutende Zugkraft äußert, bewies das auch geſtern wieder voll-
ſtändig ausverkauſte Haus. Judem wir uns vorbehalten auf
die Vorſtellung morgen näher einzugehen, bemerken wir für heute
nur ſoviel, daß die Durchführung im Allgemeinen eine recht be-
friedigende war und von den Publikum vielfach durch Beifall
ausgezeichnet wurde. Namentlich waren es in erſter Linie Frau
Director Heinrich und Hr. Päts, welche ſich in den Applaus
theilten und einige Piecen da cap o ſingen mußten. Auch Frln.
Carlo führte ihren Part ziemlich gut durch, während Herr
Willian als Conte Erminio die Gunſt der Zuhörer nicht erringen
konnte. Daß Frau Lippe ihre Rolle als Zennobia benutzte um die
Lachmuskeln des Publikums zu erſchüttern, war ſelbſtverſtändlich
und gelang es ihr auch namentlich in dem Couplet „Es gibt ja
keine Männer mehr“ vortrefflich.
Maunhrim, 30. Nov. Das Aufgebot des früheren Lieutenants
Hellwig, der bekanntlich trotz ſeines gegebenen Wortes aus der
Feſtungshaft zu Raſtatt entwichen iſt und ſeinen Wächter getäuſcht
hat, iſt, wie der Geueral⸗Anzeiger mittheilt, auf Anordnung des
Großh. Juſtizminiſteriums von der ſtädtiſchen Aushängetafel ab-
genommen worden, da derſelbe als badiſcher Staatsbürger nicht
mehr zu betrachten ſei. Der Eheſchließung des Herrn Hellwig
mit Frau Louiſe, geb. Pernod, haben ſich überhaupt ſo große
Hinderniſſe in den Weg geſtellt, indem ihm das zu Zürich nach-
geſuchte ſchweizeriſche Bürgerrecht nicht verliehen worden iſt und
auch der das Aufgebot erlaſſende Standesbeamte zu Genuf die
Vornahme der ag zur verweigert, da die Mutter der Braut
ihre Einwilligung zur Verheirathung ihrer Tochter mit Hellwig
nicht gibt, daß das ſeltſame Brautpaar es vorgezogen hat, ohne
Trauung zu verſchwinden. Vermuthlich wird dieſe letztere For-
malität erſt in England erfüllt werden.
Maunhrin, 29. Octbr. (Strafkammer II.) cand. med.
Richard Blume von Bismarck wird wegen Zweikampfs mit dem
stud. jur. Joh. Kattermann von Michelfeld zu einer Feſtungs-
ſtrafe von 3 Monaten verurtheilt. Hinſichtlich des Mitangeklagten
Kattermann ſprach das Gericht ſeine Unzuſtändigkeit aus, da
letzterer ſeit dem 1. October l. J. als Einjährig⸗Freiwilliger in
das ſtehende Heer eingetreten iſt. — Der 6jährige Frachtfuhr-

ſelbe Uebung ausgeführt,

mann Gg. Henninger von Schönau fuhr am 10, Augufſt d. J.
Abends in der neunten Stunde, alſo nach eingetreteuer Dunkel-
heit, im ſcharfen Trabe und ohne eine Laterne angezündet zu
haben, die von Heidelberg nach Neckargemünd führende Straße
entlang. An einer etwas ſteil abwärts gehenden Stelle derſelben,
wo der Angellagte auch noch dazu das Bremſen unterlaſſen haben
ſoll, erfaßte der Wagen einen alten, gebrechlichen, auf der Straße
gehenden Mann, warf denſelben zu Boden und ging über ihn
hinweg, wodurch dieſer lebensgefährliche Verletzungen erlitt. Der
Angeklagte erhält wegen fahrläſſiger Körperverletzung unter mil-
dernden Umſtänden eine Gefängnißſtrafe von 2 Wochen. — Des
gleichen Vergehens iſt der 25jährige Dienſtknecht Friedrich
Boechel von Schriesheim beſchuldigt.

zu Heidelberg eine ältere Frau, welche wenige Schritt vor ſeinem
Pferde zu Falle gekommen war. Der Angeklagte wurde koſtenlos
freigeſprochen, da es als erwieſen gilt, daß dem Angeklagten keine
Schuld au dem Unglücksfalle beizumeſſen iſt. — Auch im nächſten
Falle hat ſich das Gericht mit einem durch grobe Unvorſichtigkeit
eines Fuhrwerkshalters, nämlich des Landwirths Johann Fiſcher
von Rauenberg, herbeigeführtem Unglücksfall, welchem ein au
der Straße ſpielendes zweijähriges Kind zum Opfer fiel, zu be-
ſchäftigeu. Der Angeklagte, wegen gleichen Vergehens ſchon vor-
beſtraft, erhält mit Rückſicht darauf, daß das Kind wenige Stun-
den nach dem Vorfall in Folge der erhaltenen Verletzungen ge-
ſtorben, 2 Monate Gefängniß. — Der 25;p jährige verheirathete
Landwirth Philipp Chriſt von Neudorf erhielt vom Heidelberger
Schöffengericht wegen Körperverletzung 2 Wochen Gefängniß, die
hiergegen eingelegte Berufung wird koſtenpflichtig abgewieſen. —
Ein wegen Diebſtahls ſchon oft vorbeſtrafter Menſch, der 19
Jahre alte Kaufmann Julius Vog el von Wien nimmt aber-
mals die Anklagebank ein. Derſelbe iſt geſtändig, eine Privat-
Urkunde gefälſcht zu haben, um ſich dadurch etwas vom dem ihm
ſtets mangelnden Kleingeld zu verſchaffen. Er erhält 6 Wochen
Gefängniß, an welchen 3 Wochen Unterſuchungshaft abgehen. —

Ein roher Geſelle, der 29jährige Bäcker Johann Friedr. Bohne

von Arnsfeld ſteht wegen lebens gefährlicher Körperverletzung vor
den Schranken des Gerichts. Der Angeklagte, welcher ſich au
der Wanderſchaft befindet, übernachtete am 24. September d. J.
in der Herberge zur Roſe in Sinsheim. Hier kam es zwiſchen
ihm und einem andern Handwerksburſchen, Namens Wilh. Peter-
ſen, mit welchem der Angeklagte in einem Zimmer ſchlief, zu
Streitigkeiten, wodurch letzterer ſo in Zorn gerieth, daß er Pe-
terſen mehrere lebensgefährliche Stiche am Kopf und im Rücken
verſetzte. Der Verletzte wurde nur durch die ſofort herbeige
ruſene ärztliche Hilfe dem Leben erhalten. Der Angeklagte er-
hält eine Gefängnißſtrafe von zwei Jahren, wovon 1 Monat
Unterſuchungshaft abgeht. — Der 18jährige Schuhmacher Hein“
rich Horning von Walldorf erhielt vom Heideiberger Schöffen“
gericht wegen Körperverletzung 2 Wochen Gefängniß. Die hier-

gegen eingelegte Berufung wird als unbegrü ndet verworfen. (Nach

Mannh. Blättern.)
O Tützelſachſen, 30. Oct. Dieſer Tage ging das Gaſthaus zuut
„ſchwarzen Trauben“ dahier, renommirt durch den Ausſchan
eines ausgezeichneten Lützelſachſer Rothweins, in die Hände des
Herrn K. Steinmetz, der längere Zeit Oberkellner in größeren
Hotels in Bädern war, durch Kauf über. Die Gemeinde Lützel-
ſachſen kann ſich zu dieſer Aquiſition nur Glück wünſchen, da
vorausſichtlich der Ruf dieſes Gaſthauſes durch die langben
währte Thätigkeit des Erwerbers nur erhöht werden wird und
findet die Eröffnung der ganz neu hergerichteten Lokalitäten bis 4
ungefähr 1. December d. J. ſtatt, worauf man jetzt ſchon auf-
merkſam macht. *
ITrriburg, 30. Oct. Ueber die Beſtimmung des ſeit geſtern hier
anweſenden Verſuchsbataillons, nicht Regiments, wien
früher mitgetheilt, geht der Freib. Zig. unterm 29. Octbr. von
fachkundiger Seite ſolgende Darſtellung zu: Heute früh 9 Uhr
iſt, von Metz über Offeuburg kommend, das ſogen. Verſuchs-
bataillon der 30. Diviſion auf dem Exerzierplatz hier eingetroffen
Das Bataillon ſollte per Bahn bis hierher befördert werden, wurde
aber bei Zähringen durch ein Bataillon des hieſ. Regiments, wel⸗ ö
ches zu dieſem Behufe Morgens 6 Uhr hier abgerückt war, ange,
griffen und in ein Gefecht verwickelt, ſo daß die betreffenden
Waggons um 9 Uhr leer hier eintrafen. Dieſer ebeuſo plötzliche
wie Unvermuthete Angriff, welcher ein raſches Ausſchiffen der
ahnungsloſen Truppen, ſowie die ſchnellſte Formirung derſelben
zum Gefechte nöthig machte, war ebenſo intereſſant wie lehrreich-

da deren Ausführung dem Ernſtfalle im wirklichen Kriege mög“
lichſt nahe kam. In Frankreich wurde vor einiger Zeit die
nur mit dem Unterſchiede, dab
dieſelbe ſchon wochenlang vorhex mit allen Details, unter Angfag *

des Ortes, des Tages und der Stunde, wann und wo der Ueberf
ſtattfinden würde, in allen Blättern, ſelbſt in deutſchen, zu leſen 4
war! Nach Beendigung des Gefechts bezog das ganze Bataillon
auf dem Exercirplatze ein Bivouak und kochte ab, während da
Muſil der hieſigen Regimentskapelle einige Stücke vortrng. Nam
dem Abkochen wurden zwei Compagnieen in Maſſenquartieren 11
der Stadt untergebracht, während die beiden anderen Compagnicc,
im Bivouak verblieben, in welchem ſie auch, unter den mitaet
brachten Zelten ſo gut wie möglich geborgen, während der Rald-
verbleiben müſſen. Morgen marſchirt das Bataillon nach Wal 5
kirch, um daſelbſt während 3 Tagen zu bleiben und von dort aird
gegen das hieſige Regiment zu üben. Auch der „Kandel“ wic
beſtiegen werden. Doch ſind dieſe Uebungen nicht die eigentlich
Urſache der Hierherkunft des genannten Bataillons, ſondern d
Hauptzweck iſt vielmehr der: die Zweckmäßigkeit des neuen Ge.
päcks ꝛc. zu erproben und zugleich feſtzuſtellen, ob die Mannſchafte,
des Verſuchsbataillons, welches mit der erleichterten, bezw. abge
änderten Ausrüſtung und Bewaffnung, wie ſolche eingeführt wer
den ſoll, verſehen iſt, bei gleicher Uebungsdauer und Anſtrengung.
weniger oder mehr erſchöpft und ermüdet ſind. wie diejenigen
Mannſchaften, welche noch die alte Art der Ausrüſtung ꝛc. haben
Um dies feſtzuſtellen, wird ſehr rationell und eingehend verfahren
und werden z. B. durch die betr. Aerzte Meſſungen der Tem
peratur unter dem Helm und Torniſter, ſowie Unterſuchung-
der Füße während der Ruhepauſen vorgenommen. Die Uebung
des Bataillons werden ſich bis zum 13. nächſten Monats erſtrecken
woraus zu entnehmen, wie eingehend die Verſuche gemacht werden ⸗
denen auch höhere Offiziere beiwohnen. 1
0

Aus gaben. Ein beklagenswerther Unfall ereignete ſich die
Samstag Mittag in einer Brauerei zu Karlsruhe, indem uf
Bedachung eines Eiskellers zuſammenbrach und die Trümmer hn
die im Keller beſchäftigten Arbeiter niederftelen. Von den ze
Arbeitern ſind neun nach dem Krankenhaus verbracht worde 6
von denen einer ſchwerere Verletzungen erlitten hat. —. on
Mannheim ſprang ein Trambahn⸗Kutſcher ſo unglücklich v.
dem Vorderperron des in Fahrt befindlichen Wagens, daß kel
niederfiel und überfahren wurde. Er wurde am Oberſchen
eines Beines ſchwer verletzt.



Vermiſchte Nachrichten.

11 Kaiſſen, 29. Octbr. Der Fabrikant Nelp aus Raſchau ers
1005 ſeine beiden Kinde n einen Eährigen Knaben und eig
Jjähriges Mädchen auf der Jagd, da er ſie von Weitem für e
paar Haſen gehalten hatte. Die Kinder hatten ſich an eine
Damm im Graſe verſteckt. Der Knabe ſtarb noch am ſelbige

Abend. ö
— (Eiſenbahnungück) Am N. Okt. entgleiſte ein Schuel, ö

zug auf der Chicago, Milwaukee und St. Paul Eiſenbahn 107

weit Portage. Wisconſin. Zwölf Perſonen verloren ö
Leben. Die meiſten fanden einen Flammentod, da einer der en“
gleiſten Waggons in Brand gerieth.

Derſelbe überfubr am
6. Auguſt d. J. mit einem Milchwugen in der Bahnhofſtrae
 
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