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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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der die Vertheilung hindern wollte, heftig an, indem er zu-
gleich ſeinem Zorn über Regentſchaft und Miniſterium in
Vorwürfen Luft machte. Später fuhr General v. Kaul-
bars mit dem Conſul und deſſen Perſonal nach Adrianopel.
— Nach römiſchen Meldungen beklagte ſich der Papſt
in einem Brief an den Kaiſer von Oeſterreich
über die italieniſche Regierung und ſuchte die
Interbention des öſterreichiſchen Monarchen an, da er bei
der Fortdauer der gegenwärtigen Lage Rom verlaſſen müßte.

Ausland.
Paris, 22. Nov. Der vorausgeworfene Schatten des
erſehnten ruſſiſch⸗franzöſiſchen Bündniſſes übt
ſchon ſeine Wirkung auf die franzöſiſchen Heißſporne. Die
Ruſſen in Bulgarien unter dem Schutz und Schirm der
franzöſiſchen Republik, Baron Mohrenheim wieder in Paris
und geſtern zur Berathung im Auswärtigen Amte, Labou-
lahe, der Teutonenhaſſer, in Petersburg in voller Arbeit
— was will man mehr? Schade, daß die Finanzen ſo
übel berathen ſind unter der Republik; doch ſteht es unter
der Autokratie anders? Zwar 600 Millionen für Rüſtun-
gen zu Land und See ſind in Frankreich immer noch zu
haben. Indeſſen „der Knüppel iſt an den Hund gebunden“,
ſagt ein deutſches Bauernſprichwort, und ſo würden, wenn
es wirklich zu ernſten Entſcheidungen in Europa käme,
die franzöſiſchen Börſen⸗ und andern Geſchäfte Dinge er-
leben, von denen ſich die Maſſe der Staatsgläubiger noch
nichts träumen läßt. Und in Rußland. Wo ſollte es An-
leihen zum Kriege mit dem ganzen Abendlande, die fran-
zöſiſche Republik ausgenommen, die ſelbſt leere Taſchen hat,
auftreiben? Selbſt die Holländer würden kaum den Muth
haben, den Ruſſen und Franzoſen auszuhelfen; denn es
würde ihnen ſicherlich auf's Kerbholz geſchnitten werden.
Doch das ſind Dinge, die noch in der Zukunft Schooße
ruhen; hoffen wir, daß Boulanger triftige Gründe behält,
Weisheit zu predigen; aber für Deutſchland iſt die augen-
blickliche gehobene Stimmung der Chauviniſten allerdings
ein Fingerzeig, ſein Pulver trocken zu halten.
Paris, 22. Nov. Von officiöſer Seite wird erklärt,
Frankreich habe die von Rußland nachgeſuchte Be-
ſchützung ruſſiſcher Unterthanen in Bulgarien
um ſo weniger zurückweiſen können, als Rußland in China
den Schutz franzöſiſcher Unterthanen übernommen hatte.
Rußland wandte ſich an Frankreich als die in der bulga-
riſchen Frage am wenigſten betheiligte Macht. Eine an-
dere Tragweite habe die Sache nicht. Wenn befragt, würde
der franzöſiſche Botſchafter Herbette in Berlin dieſelbe
Erklärung geben. — Ma ſſicault, Präfekt des Rhone-
departements, iſt zum Generalreſidenten in Tunis er-

nannt.
London, 22. Nov. Der ruſſiſche Botſchafter

verreist auf Urlaub, der ihm indeß ſchon vor Salisburys

Rede bewilligt war. Es beſtätigt ſich, daß v. Staal an
Lord Iddesleigh wegen Salisburys Rede ſofort eine
Anfrage gerichtet hat. Doch trug dieſelbe ein mehr per-
ſönliches als amtliches Gepräge, namentlich da Iddesleigh
jede unmittelbare Beziehung der Rede auf den Zaren und
die Ruſſen in Abrede ſtellen konnte.
St. Petersburg, 22. Novbr. Wie man der Schleſ.
Ztg. von hier ſchreibt, wird in der nächſten Zeit vor dem
Petersburger Militärbezirksgericht wieder ein größerer
Nihiliſtenprozeß zum Abſchluſſe gelangen. Als Haupt-
angeklagte figuriren zwei Mitſchuldige an der von Degajeff
geleiteten Ermordung des Polizeioffiziers Sſudejkin. De-
gajeff verſchwand damals und wird noch heute geſucht. Vor
etwa drei Jahren vermuthete man ihn in Schleſien, gegen-
wärtig ſoll er, wie man in St. Petersburg beſtimmt wiſſen
will, wieder in Rußland ſein. Außer über die beiden Ge-
noſſen Degajeff's wird in dem bevorſtehenden Prozeſſe noch
über mehrere andere Nihiliſten abgeurtheilt werden. Einige
derſelben haben bei der Herſtellung von Geheimdruckereien,
bei der Verbreitung aufrühreriſcher Proklamationen mitge-
wirkt. Ein weiterer Angeklagter hat ein gegen den jetzigen
Raiſer geplantes, aber vereiteltes Attentat, über welches
Näheres nicht bekannt geworden iſt, vorbereiten helfen.
Burgas, 22. Nov. Vormittags 8½ Uhr hat der
ruſſiſche Konſul Emilianow das Konſulat verlaſſen. In
ſeiner Begleitung befanden ſich zwei Offiziere des ruſſiſchen

Kontitſch, Salewsk, einige Damen und der Vertreter der
ruſſiſchen Schifffahrtsgeſellſchaft. An der Landungsbrücke
war eine kleine Abtheilung Soldaten aufgeſtellt, welche den
Abreiſenden den etwa nöthig werdenden Schutz leiſten und
die im ruſſiſchen Konſulat verſteckt gehaltenen Bulgaren
verhindern ſollte, mit dem Konſul das Land zu verlaſſen.
Bei der Einſchiffung geſchah keine Kundgebung. Die Fahrt
zum Kreuzer erfolgte in drei Barken. In der erſten be-
fanden ſich Kontitſch und der montenegriniſche Prieſter, der
ſehr zufrieden ſchien, das Land verlaſſen zu können. Na-
bokow verabſchiedete ſich an der Landebrücke von einigen
bulgariſchen Offizieren, welche hier den Dienſt verſahen.
Der Konſul äußerte, er werde ſich vorläufig nach Odeſſa
begeben. Der Dolmetſcher des Konſulates ſoll geſagt haben,
die Ruſſen würden nach fünf Tagen in größerer Zahl
zurückkehren. Der griechiſche Konſul gab dem ruſſiſchen bis
an Bord das Geleit; die drei Bulgaren Popow, Schiſch-
mannow und Balew, die wegen Verſchwörnng gegen das
Land und Theilnahme an dem Kiſchelskiſchen Aufſtande
unter Anklage ſtehen, ſind wahrſcheinlich mit dem Kawaſſen
im ruſſiſchen Konſulat zurückgeblieben. Emilianow hatte
um die Erlaubniß nachgeſucht, die Genannten mitzunehmen,
was Major Panitza jedoch nicht zugab. Das ruſſiſche
Konſulat wird durch bulgariſche Wachen gehütet. Die Stadt
iſt vollkommen ruhig, der ruſſiſche Kreuzer in See ge-
gangen.
Athen, 22. Nov. Der Prinz von Wales wird
nächſten Monat hier erwartet, um an den Feſtlichkeiten,
welche bei der Mündigkeitserklärung des Kronprinzen am
13. Dezember ſtattfinden, theilzunehmen.

Aus Stadt und Land.
◻Heidelberg, 23. Nov. (Schöffengerichtsſitzung vom 22. d.)
Konrad Kettenring Ehefrau, Katharina geb Schäfer von Reils-
heim wird wegen Bedrohung und Ruheſtörung zu 10 Tagen Ge-
fängniß und 2 Tagen Haft, Pius Huber, Landwirth von Bam-
menthal, wegen Körperverletzung zu 6 Tagen Gefängniß, Chriſtoph
Wolf von Ziegelhauſen wegen Vergehens gegen § 183 R.⸗St.⸗G.
zu 10 Tagen Gefängniß. Heinrich Gabler von Doſſenheim wegen
Diebſtahls zu 6 Tagen Gefängniß. Anna Heck, geb. Jakob, Ehe-
frau des Dienſtmanus Gottlieb Heck von Heidelberg, wegen desgl.
zu 10 Tagen Gefängniß verurtheilt. Georg Pfiſterer, genannt
Brucker, Schuhmacherlehrling von Eppelheim, wegen Uebertretung
des § 360 u. 366 R.⸗St.⸗G. angeklagt, het ſich der polizeilichen
Strafperfügung unterworfen.
— heidelberg, 23. Novbr. Am letzten Samstag Abend zechten
einige Arbeiter in einer Wirthſchaft dahier gemeinſam. Im Lanfe
der eifrig geführten Unterhaltung bediente ſich ein Mitglied der
Tiſchrunde ſeinem Nachbar gegenüber einer etwas beleidigenden
Aeußerung. Dies führte zu einem erregten Streit, der beim
Verlaſſen der Wirthſchaft zu Thätlichkeiten und zu einer leichten
Körperverletzung Veranlaſſung gab.
Anzeige.
* gridelberg, 23. Nov. Die Neue Badiſche Landeszeitung läßt
von ihrem hieſigen Correſpondenten in ihrer Nummer vom letzten
Samstag melden: „Die Heidelberger Feuerwehr iſt neu organiſirt
worden; ſie wurde in 3 Compagnien eingetheilt, dieſen iſt eine
4. oder Reſerve⸗Compagnie beigegeben, die mehr aus den älteren
Mannſchaften beſteht und Aushilfsdienſte zu leiſten hat.“ Daran
iſt auch nicht ein Wort wabr. Anläßlich einer Meldung im
Heidelb. Tagbl., daß eine Neuorganiſation der Feuerwehr beab-
ſichtigt ſei, haben wir bereits in unſerer Nummer 271 eine uns
von competenter Stelle zugegangene Mittheilung veröffentlicht,
daß zur Zeit eine Neuorganiſation der Feuerwehr weder in Aus-
ſicht genommen, noch überhaupt durchführbar ſei. Die Meldung des
Correſpondenten der Neuen Bad. Lande sztg. beweiſt demnach
ohne Zweifel, wie gut derſelbe über Heidelberger Verhältniſſe
unterrichtet iſt. Offenbar hat er ſich an die Notiz des Tage-
blattes angelehnt; aber während dieſes meldete, die Neuorgani-
ſation ſei im Gange, ſchrieb er flugs, ſie iſt vollendet, um der
Tagblatt⸗Meldung noch über zu ſein. Der betr. Correſpondent
ſcheint danach doch gar zu ſtark von dem ſtolzen Bewußtſein er-
füllt zu ſein, daß er für ein Blatt ſchreibt, bei welchem die jour-
naliſtiſche Fixigkeit ſo weit geht, daß die Ereigniſſe noch früher
zu melden ſind, ehe ſie geſchehen.
XXVrlohein, 21. Novbr. Das neue feſtungsartig gebaute
Amtsgefängniß, das unſtreitig eine bauliche Zierde hieſiger
Stadt bildet, iſt nun fertig geſtellt und wird dieſer Tage ſeiner
Beſtimmung übergeben werden.
TT Buchen, 20. Novbr. Am 16. d. Mts. wurde der ſeitherige
Bürgermeiſter und Landtagsabgeordnete Kieſer auf weitere
6 Jahre zum Stadtvorſtande gewählt.
Karisruhr, 22. Nov. Heute und morgen feiert das großherzogl.
Gymnaſium dahier ſein dreihundertjähriges Inbiläum.
Um 8 Uhr wurde der Jubiläumsgottesdienſt, dem die allerhöch-
ſten Herrſchaften anwohnten, in der Schloßkirche abgehalten. Von
9 Uhr an verſammelten ſich die Theilnehmer an dem im Pro-
gramm vorgeſehenen Feſtzug im Gymnaſium und in deſſen nächſter
Umgebung und Punkt 9½ꝰ Uhr kounte ſich derſelbe nach der Feſt-
halle in Bewegung ſetzen. Voraus ſchritt die Böttge'ſche Kapelle
in bürgerlicher Kleidung, dan» kam der Schuldizner in Gala mit

Die Thäter kamen zur

rich,

einem Stab; ihm folgte die neue, von einer mit Schärpen in den
badiſchen Farben geſchmückten Fahnenwache begleitete neue Schul-
fahne. An dieſe ſchloß ſich — rechts und links — je ein Pro-
feſſor der Anſtalt. Herr Director Wendt und dann marſchirten
die einzelnen Gymnaſialklaſſen unter Vorantritt ihrer Profeſſoren.
Der Anfang jeder Klaſſe wurde durch Fahnen in den badiſchen
Farben bezeichnet und jeder Zugstheilnehmer trag eine gleich-
farbige Schleife. Als der Zug in der Feſthalle angelangt war,
zeigte es ſich, daß die Gallerien von einer großen Menſchenmenge
bereits dicht beſetzt waren. Jung und Alt, Damen und Her
hatten ſich eingefunden, um dem Karlsruher Gymnaſium am heu-
tigen Tage ihre ehrende Anerkennung zu bezeugen. Unter den
Anweſenden waren, nach der Bad. Ldsztg., die Herren Staats“
miniſter Tur han, Geh. Rath Ellſtätter, Geh. Rath Noll,
Geh. Rath Eiſenlohr, Landescommiſſär Haas, Prälat Dr.
Doll, Stadtdirector v. Preen, Exz. v. Putlitz und eine
Anzahl von Offizieren, unter ihnen die Generale v. Rö der und
Vogel, die Oberſten v. Hidtmann und v. d. Lühe, Mitꝰ
glieder des Oberſchulraths, Vertreter hieſiger Bildungsanſtalten,
Herr Oberbürgermeiſter Lauter, Hru. Bürgermeiſter Schnet-
ler, viele Stadträthe ꝛc. Für den Großh. Hof waren unmittelbar
vor dem Podinm, deſſen Sockel mit den Büſten der Großherzoge
Karl Friedrich und Friedrich und hochſtämmigen Pflanzen ge-
ſchmückt war, Plätze vorbehalten. Pünktlich um 10 Uhr traf dee
großh. Hof ein: S. K. H. der Großherzog in der Uniform
ſeines Leibdragonerregiments, J. K. H. die Großherzogin
S. Gr. H. Prinz Ludwig Wilhelm in der Uniform des 1. bad.
Leibgreuadierregiments Nr. 109, J. Kaiſ. H. Prinzeſſin Wilhelm
mit Prinzeſſin Marie und dem in ſchwarzem Frack erſchienenen
Prinzen Max, ſowie Prinz Karl von Baden mit hoher Ge-
mahlin, der Gräfin Rhlena. Unmittelbar nachdem die höchſten
Herrſchaften Platz genommen hatten, begann der Feſtakt mit Vor-
trag des Chorals „Lobet den Herrn, den mächtigen König der
Ehren“ ꝛc. Der Geſang wurde von Schülern des Gymnaſiums, der
inſtrumentale Theil vom Gymnaſialorcheſter (Streichmuſik) vorgetra-
gen Hierauf folgten Deklamationen der Schüler. Alsdann ergriff
Hr. Director Dr. Wendt das Wort zur Feſtrede. Im Eingang
erinnerte der Redner an das großartige Heidelberger Jubi
läum der Ruperto-Carola von dieſem Sommer, welches in ſeiner
Großartigkeit kaum einen Vergleich zulaſſe mit dem Jubelfeſte,
das wir heute feiern, letzteres ſei mehr ein Familienfeſt und in
dieſem Sinne ſage der Redner den hohen fürſtlichen Perſonen,
welche an ihm Theil nehmen, Dank für ihr huldvolles Erſcheinen
und in dieſem Sinne begrüße er die Gäſte, welche von auswärt
gekommen ſeien. Durlach wolle er nicht inbegriffen haben, denn
dieſes gehöre heute zu uns. Zeigt die enge Verbindung, in welcher
die Schickſale der Schule mit den Schickſalen des Fürſtenhauſes
ſtanden, das ſich ihr ſtets gnädig erwieſen. Erhebend ſei auch die
an den Schickſalen des Gymnasium illustre zu machende Wahit
nehmung, daß geiſtige Arbeit Dauernderes ſchaffe, als die Arbei-
im Jutereſſe vergänglicher Güter. Unzählige Knaben und Jüng,
linge ſeien hier herangebildet worden, in Noth und Gefahr, m
im Glück haben Lehrer und Schüler eine einzige Familie gebilde
So auch heute. Es ſei eine Auszeichnung dieſes Feſtes, daß 15
unter dem Schutze des deutſchen Reiches und des deutſchen Kaiſer
gefeiert werdeu dürfe, während die früheren Jubelfeiern unte-
ganz andern Verhältniſſen vor ſich gehen mußten. An den Ge.
dächtnißtag Karl Friedrichs, welcher dem Karlsruher Gymnaſiutt
ſeine fürſtliche Huld in vollem Maße zuwendete, anknüpfend, 9400
der Redner auf die Sorgfalt über, welche Großherzog Friedrich
der Schule widme, und erklärt, er ſei beauftragt, der Jubilarin
die Allerhöchſten Glückwünſche zum heutigen Tage und einig-
Ehrengeſchenke zu überbringen. Das Ehrengeſchenk des Groß-
herzogs beſtehe in einer Broncebüſte des Markgrafen Ernſt Fried
das Ehrengeſchenk der Großherzogin in einem koſtbaren
Album. Der Redner ſpricht nun Namens der Schule den tiefge
fühlteſten Dank aus für dieſe Beweiſe Allerhöchſter Gnade und
wendet ſich dann mit voraus ſchauendem Blick der Zukunft der
ſeiner Leitung auvertrauten Bildungsſtätte zu. Es folgt jetzt die

ruhe und Durlach. — Ats letzte Nummer verzeichnete däs

Ueberreichung der neuen Schulfahne, ſowie der übrigen Ehren-
gaben: Erſtere wird mit einem gereimten Spruche von einer der
jungen Feſtdamen übergeben und mit einem eben ſolchen vom
Fahnenträger örernommen. Dann überreichte Hr. Geh. Referen
där Joos im Namen der großh. Regierung und insbeſondere
des Miniſteriums des Kultus und Unterrichts den Glückwunſch
dieſer hohen Stellen und den gleichzeitigen Dank für das ſegens.
reiche Wirken der Anſtalt. — Herr Oberbürgermeiſter Lante,
übergibt Namens der Stadt Karlsruhe als Zeichen des Dankeß
für die von der Anſtalt gezeitigten Früchte eine Broncebüſte S.
K. H. des Großherzogs Friedrich. — Staatsminiſter Tur9
midmete der Schule im Namen des Ausſchuſſes einer großen Zahl
ehemaliger Schüler des Karlsruher Gymnaſiums die Stiftungs-
urkunde in Betreff einer Büſte Karl Friedrichs, zweier werthvollen
Werke für die Anſtaltsbibliothek und den Reſt der hierfür veran
ſtalteten Sammlung zur Erwerbung von Lehrmitteln. Die Ver-
treter der Hochſchulen Heidelberg (Profeſſor von Duhn)/
Freiburg (Profeſſor Manz) und Karlsruhe (Profeſſor Dr.
Juſt) überbringen die Glückwünſche derſelben. Ein Gleiches
findet ſtatt von einem Vertreter ſämmtlicher badiſchen Gymnaſien,
Realgymnaſien und Progymnaſien, mit Ausnahme von hro-
gramm die Feſthymne aus Händel's „Judas Makkabäus“, die
denn auch von den jungen Künſtlern des Gymnaſiums mit
Schwung ausgeführt wurde. Dann erhob ſich der Großh. Hofg
JI. KK. HH. der Großherzog und die Großherzog.
unterhielten ſich noch kurze Zeit huldvoll mit Herrn Directo
Wendt und einigen anderen hervorragenden Perſönllchleiten, wor
auf die Feſtverſammlung auseinander ging.

—2

Kreuzers, Hauptmann Nabokow, ein montenegriniſcher Pope,
——

Stadttheater.

½z Hridelberz, 23. Nov. „Maria u. Magdalena“. Schau-
ſpiel in 4 Acten vou 8 Lindau. Das genannte Stück hat bei
jeinem Erſcheinen großes Aufſehen erregt und iſt faſt überſchwäng-
lich geprieſen worden. Bei ſeiner nach langem Ruhen am Sonntag
erfolgten Auferſtehung konnte man ſich nun der Empfindung nicht
erwehren, es habe einen guten Theil ſeiner vorzüglichen Eigenſchaften
verſchlafen. Die großen Schwächen — die übrigens den meiſten
Lindau'ſchen Stücken anhaften — ſprangen faſt unangenehm ſcharf
hervor, ohne daß freilich die guten Seiten ganz in den Schatten
treten konnten. Letztere beſtehen darin, daß ſich das Publikum
bei der Aufführung amüſirt, daß es lacht und ſentimental wird,
wie der findige klug berechnende Autor es will. Und doch ſind
gerude die wirkungsvollen ſatyriſch⸗komiſchen Scenen, die einſt
bpahnbrechend erſchienen, heute durch Blumenthal ſo gründlich über-
trumpft, daß auch ſie nicht mehr ihre ganze Kraft beſitzen. Der
Grundfehler des Stückes beſteht in ſeinem Mangel an Handlung.
Die ganze Verwicklung, die Schürzung des Knotens liegt in der
Vorgeſchichte, und was ſich im Schauſpiel intereſſant entrollen
könnte, wird in einer langathmigen Erzählung im Verlauf des-
ſelben berichtet. Für das Drama bleibt nichts übrig, als daß
aich die feindlichen Gemüther nach einigem Schwanken verſöhnen.
uch die beiden Liebesgeſchichten ſind ohne Conflict — man ahnt
a kaum, daß Maria den Prinzen liebt — und nur aus Rück-
ſicht auf die vier Acte reichen ſich die Paare im letzten ſtatt im
zweiten die Hand. Der größte Fehler aber liegt in der haltloſen
Hecenden Fabel. Wegen einer — nicht einmal recht klar da-
liegenden Briefaffaire hat ein Vater ſeine Tochter verdammt, er-
barmungslos in die Welt hinausgeſtoßen. Dieſer Vater muß
doch ein rigoroſer, eiſernen Principen huldigender Charakter ſein.
Statt deſſen finden wir einen einfältigen gutmüthigen Mann, der
Hbe Tochter kein neues Kleid verweigert, geſchweige denn die-
elbe unerbittlich in die Welt hinausgeſtoßen hätte. Bazu hat ſich
der Autor noch bei der Durchführung die allerbeſte Scene entgehen
laſſen. Statt daß Maria u. Magdalena unmittelbar zuſammentreffen
u. ihre Empfindungen aufeinderſtoßen, muß Maria das ganze Geſtänd-
niß, das ihrer Feindin einem dritten gegenüber macht, anhören, und
erſt nachdem bereits ihrer Erbitterung die Spitze gebrochen iſt, zur

von Vorzügen und Schwächen mag die Schuld tragen, daß das
Stück auf dem Repertoire nicht recht ſterben und nicht recht leben
kann. Bei der Aufführung war die Kluft, die ſich in zwei Vor-
ſtellungen zwiſchen der Gaſtin, deren Leiſtung wir geſtern be-
ſprochen, und dem einheimiſchen Perſonal gezeigt hatte, nach
Kräften überbrückt. Man konnte bei derſelben von einem guten
Enſemble, von einer nach allen Seiten hin abgerundeten Vorſtel-
lung, die einen befriedigenden Geſammteindruck hinterließ, reden.

Frln. Immiſch als Magdalena war in Erſcheinung und in dem

Ausdruck, den ſie für die reuevolle Stimmung fand, gewinnend.
So ſehr übrigens ihre maßvolle Sprache zu loben iſt, ſo hätten
doch die Gewiſſensqualen durchweg viel kraftvoller, mit ener-
giſcheren Accenten hervorbrechen müſſen. Den aus Eitelkeit,
Gutmüthigkeit u. Schwachheit zuſammengeſetzten alten Commerzien-
rath mit ſeiner Knopflochleidenſchaft gab Hr. Ro berti mit zurück-
haltender und doch wirkungsvollen Komik, wenn er ihn auch im
Ganzen etwas zu bornirt zeichnete. An dem Wendepunkt zum
Ernſten ſcheiterte er allerdings, wie ſo ziemlich jeder Komiker
an dieſer ſentimentalen Klippe Schiffbruch leiden dürfte. In dem
genialen, geiſtig allen überlegenen Profeſſor Laurentius fand
Herr Fichtler eine Rolle, die er mit leichtem Bonvivantton
ausſtatten konnte. Er iſt da in dem richtigen Fahrwaſſer, in
welchem er immer mit Glück dem Erfolg zuſteuert. Herr Let-
tinger ſpielte den vorurtheilsloſen Fürſten in nobler Haltung.
Aber ſo leidenſchaftslos und kühl hätte der Geliebte der Verrina
doch nicht ſein dürfen. Herr Päts (Dr. Gels) iſt eine ſo aus-
gezeichnete Kraft, daß die Wahrnehmung, er habe zum Jutri-
guanten abſolut keine Anlage, ihm nichts ſchaden kann. Es gehört
ein ſpezielles Talent dazu, ſich einen Abend hindurch fortwährend
mit Anſtand, ja mit verbindlichem Lächeln zur Thüre hinaus
werfen zu laſſen. Dagegen hat Herr Roloff auf ſeinem Spezial-
gebiet der komiſchen alten Herrn ein allerliebſtes wirkungsvolles
Portrait in dem Grafen Egg geſtellt, und ebenſo wirkte Frau
Schäfer als eiferſüchtige Mutter erheiternd. Als ein denken-
der, ſeiner Rolle vollkommen gewachſener Schauſpieler hat ſich
wiederum Herr Robert in der Partie des Preßbanditen be-
währt. Frln. Albinus war eine liebenswürdige Elly. Im
großen Ganzen wurde, wie ſchon geſagt, glatt zuſammen geſpielt,
nur hätte im Salon wie Ballſaal der Faden, der die einzelnen

x Berſöhnung auch in die Unterredung eintreten. Dieſe Miſchung Gruppen zuſammenhält, noch feſter angezogen werden dürfen.

So hübſch die begleitende Mufik zu der Recitation im zweiten
Akte arrangirt war, ſo wäre ſie doch beſſer weg geblieben. Das
„Lied an den Mond“ iſt an ſich zur Genüge geſprochene Muſe.
Ein ſolcher melodramatiſcher Effekt paßt überdies nicht auf den
Boden eines modernen Dramas. Dr. S.

Jirich, 22. Nov. Geſtern Abend iſt hier Johannes Scher.,
der vielgerühmte und auch vielgeſchmähte tapfere Streiter in
Wort und Schrift, einem ſchweren Gehörleiden erlegen,
welches ihn ſeit längerer Zeit ſchon heimgeſucht und dem 70 jäh
rigen Gelehrten große Schmerzen verurſacht hatte. Scherr, an
3. Oktober 1817 zu Hohenrechberg in Württemberg geboren, he-
ſuchte das Gymnaſium zu Gmünd und die Univerſitäten zu Zürich
und Tübingen, wirkte dann eine Zeit lang als Lehrer und ließ
ſich w1843 in Stuttgart nieder. Im folgenden Jahre betrat er
mit ſeiner erſten Schrift: „Württemberg im Jahre 1814• den
politiſchen 0 und that ſich überhaupt als Kämpfer für
Freiheit und Recht hervor. 1848 in die württembergiſche Abge.
ordnetenkammer und in den Landesausſchutz gewählt, war er
während der Revolution eines der demokratiſchen Parteihäupter.
Im folgenden Jahre mußte er aus Deutſchland flüchten.
ging nach der Schweiz, zunächſt nach Winterthur, wo er bis zun
Jahre 1860 (in welchem er zum Profeſſor der Geſchichte un
Literatur an das eidgenöſſiſche Polhtechuikum in Zürich berufen
wurde) ſchriftſtelleriſch thätig war. Weniger ſeine eigenen dichte
riſchen Werke, als vielmehr ſeine populär gehaltenen hiſtoriſche
Darſtellungen, ſowie ſeine Arbeiten kultur⸗ und literaturgeſchich
lichen Inhaltes haben ihn zu einem unſerer bekannteſten und be
liebteſten Schriftſteller gemacht, und namentlich war es ſeine
„Germania“, eine Kulturgeſchichte des deutſchen Volkes, die
eine ungemein große Verbreitung in allen Kreiſen fand. Vo
ſeinen hervorragendſten hiſtoriſchen Werken nennen wir nur noch
„Blücher und ſeine Zeit, „Achtundvierzig bis Einundfünfzig,,
21848, ein weltgeſchichtliches Drama“, „Die Geſchichte des dentſch,
franzöſiſchen Krieges“, Deutſche Kultur⸗ und Sittengeſchichte
Unter ſeinen zahlreichen Arbeiten literarhiſtoriſchen Inhalts ſei;
„ie Geſchichte der deutſchen Literatur“, ſowie ſeine „Allgemein-⸗
Geſchichte der Literatur“ vor allen erwähnt.
 
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